irgendwie habe ich Angst davor...

besondere Fähigkeiten: ist das schon ein Zeichen für Hochbegabung?
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kaddi
Beiträge: 1
Registriert: Do 9. Jan 2014, 13:10

irgendwie habe ich Angst davor...

Beitrag von kaddi »

Hallo ihr Lieben,
ich bin neu hier und habe angefangen mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, weil bei mir selbst eine Hochbegabung festgestellt worden ist (leider viiiiiiel zu spät, ich war schon 16 und hatte gehörige Probleme. Ich bin in der 8. Klasse nicht mehr zur Schule gegangen und habe deswegen meinen Realschulabschluss gemacht (nicht Abi), außerdem bin ich mit 15 von zuhause ausgezogen und mit einigen Schwierigkeiten (möchte ich jetzt nicht genauer beschreiben) ins betreute Wohnen gekommen. Danach hatte ich große psychische Probleme und bin mit einer richterlichen Verfügung in die Klinik eingewiesen worden, dort wurde dann eine Hochbegabung festgestellt und viele meiner Probleme haben sich damit erklärt. Dann habe ich ein Jahr in nem Kindergarten gearbeitet, war längere Zeit in Brasilien (eine Auszeit sozusagen) und habe mein Abi nachgeholt, habe dann ein Jahr in Vietnam gelebt und für den DED gearbeitet und studiere nun schon seit längerer Zeit.
Alles was sich zwischen meinem 15. und 20. Geburtstag abgespielt hat, war blanker Horror...keiner hat mich verstanden und ich wurde von allen Seiten gemobbt und verurteilt.

2011 kam mein Sohn zur Welt und da sein Erzeuger auch sehr begabt ist, vor allem auf dem sprachlichen Gebiet (er ist wirklich nur der Erzeuger, ich lebe nämlich mit einer Frau zusammen) ;) mache ich mir nun große Sorgen um Ihn. Vor allem da jetzt schon die Erzieher im Kindergarten sagen er ist sehr clever und er unter unseren Freunden den Spitznamen "The Brain" hat (finde ich übrigens zum kotzen und versuche das zu verhindern)! Er ist zwei Jahre und vier Monate alt und beherrscht das Alphabet, kann kurze Worte lesen, kann bis 10 zählen, kann Farben ziemlich gut unterscheiden, hat ein unglaubliches Interesse für landwirtschaftliche Fahrzeuge und kann Maschinen wie einen Kartoffelvollernter und einen Maishäcksler unterscheiden (wir leben in der Stadt, was es nicht unbedingt einfacher macht...hehe), er liebt Rollenspiele (Puppe umsorgen, kochen etc.), kann Puzzle mit bis zu 20 Teilen problemlos zusammensetzen, baut Fahrzeuge und Gebäude mit Duplo oder normalen Bauklötzen, liebt das Malen mit Aquarell (wird im Kindergarten gemacht) und kann geometrische Formen malen und auseinanderhalten. Außerdem reflektiert er das eigene Verhalten, bildet logische Ketten und bietet Lösungsvorschläge für das Problem an, so wie zum Beispiel: "R. nicht anziehen. - mama schimpft. - R. weint. - mama und R. traurig. - mama suldigung, R. schuldigung? Außerdem kann er links und rechts unterscheiden und Gegensätze (auch Gefühle) sehr gut verstehen und benennen (groß -klein, laut - leise, hell - dunkel, lang - kurz, traurig - glücklich etc.)...Abstufungen dessen beherrscht er auch zum Beispiel: groß, größer am größten oder gut, besser, am besten. Er interessiert sich sehr für Instrumente (vor allem Blasinstrumente)...das Objekt seiner Begierde is im Moment das Didgeridoo.

Andererseits hat das Ganze auch seine Kehrseite. Er ist sehr fordernd und benötigt viel Input, am besten den ganzen Tag draußen sein und viel erleben (er liebt Festivals). Und das größte Problem: Er ist unheimlich stur und hat einen enorm gut ausgeprägten eigenen Willen. Außerdem hat er oft Probleme mit gleichaltrigen, da sie seine Aufforderungen nicht verstehen und nicht wissen was er meint, dann wird er sehr schnell aggressiv, er ist generell recht grob und sehr körperlich (war er schon als Baby). Und er ist verdammt eifersüchtig, seinen Mamas darf niemand zu nahe kommen.

Naja und nun denke ich, er könnte ähnlich ticken wie ich und ähnliche Probleme bekommen, davor habe ich große Angst. Ich meine, ich bin ja auch nur ein Kind meiner Eltern...
Was würdet ihr tun? Habt ihr Tipps für mich? Wie kann ich ihn fördern? Meine Zukunft hätte ich mir fast gründlich verbaut und ich möchte nicht, das es ihm auch so ergeht.

Vielen Dank für eure Hilfe.
Kaddi
sogesehen
Dauergast
Beiträge: 128
Registriert: Fr 25. Nov 2011, 11:55

Re: irgendwie habe ich Angst davor...

Beitrag von sogesehen »

Hallo Kaddi!
Willkommen hier im Forum! Du schreibst, dass Dein größtes Problem war, dass Dich keiner richtig verstanden hat und sicher Deine Probleme nicht oder anders gesehen als sie waren. Da Du für das Thema sensibel bist und einen wohlwollenden Blick auf Deinen Kleinen hast, wird es ihm sicher ganz anders gehen als Dir. Es kommt ja nicht auf die Anlagen an, sondern auf das Zusammenspiel der Anlagen, der Umgebung und der Persönlichkeit.
Ich hoffe, Du lässt Dich nicht von der Angst leiten, sondern von ihm, von der Gegenwart und nicht von der Zukunft.
LG
Rabaukenmama
Dauergast
Beiträge: 2965
Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24

Re: irgendwie habe ich Angst davor...

Beitrag von Rabaukenmama »

Hallo kaddi,

deine Beschriebeung trifft auch sehr genau auf meinen Sohn zu. Er kannte mit 2 Jahren alle Zahlen und Buchstaben und konnte perfekt buchstabieren. Ebenso begann schon damals seine Ausnahmebegabung in Sachen auswendig-lernen auffällig zu werden (diese Ausnahmebegabung habe ich auch). Mit Deinem Sohn hat er auch die Liebe zu Rollenspielen gemeinsam sowie den Spass am bauen (Bausteine, Duplo, mittlerweile auch Lego und Matador).

Beim Sehteist verblüffte er im Alter von zwei Jahren als er sagen sollte, was für ein Symbol er sieht. Die Antwort: das kann ein Kreis sein, eine Null oder ein O.

Ich bin selbst auch hochbegabt und meine Eltern wussten davon seit meinem Einschulungstest. Sie haben mich aber nie in irgendeiner Weise gefördert und ich bin auch nach der Volksschule nicht ins Gymnasium gekommen sondern nur in die Hauptschule. Da ich da immer extrem unterfordert war und sowieso nie lernen musste habe ich auch nicht gewusst, WIE man lernt, und bin mit 14, beim Versuch eine höhere Schule zu besuchen, komplett gescheitert (Ausstieg im Halbjahr mit 4 "nicht genügend" im Zeugnis). Später habe ich dann trotzdem noch meinen Weg gemacht und habe jetzt trotz "nur-Lehre" einen relativ gut bezahlten Beruf in einer Männerdomäne, wo ich voll anderkannt bin.

Im Gegensatz zu Dir macht mir die Hochbegabung meines Sohnes (zwar noch nicht diagnostiziert, aber ich bin mir ziemlich sicher) keine Angst. Im Prinzip macht man mit einem hochbagabten Kind dieselben Dinge, die man mit einem durchschnittlich begabtem Kind auch macht - nur eben zwei, drei, vier Jahre früher ;). Wichtig ist auch, an die emotionale Reife und die Empathie des Kindes keine zu hohen Ansprüche zu stellen. Auch, wenn mein mittlerweile fast 4jähriger sinnerfassend lesen und im Zahlenbereich bis 100 rechnen kann, versteht er nicht immer, dass es einfach weh tut, in den Bauch getreten zu werden oder dass sein kleiner Bruder für ein bisschen "schlimm-sein" (z. B. was umwerfen) nicht gleich mit Umklammerungsgriff gestraft werden muss.

Es ist für Eltern hochbegabter Kinder mMn ein wichtiger Lernprozess, zu erkennen, dass sie trotz ihrer ausergewöhnlichen Fertig- und Fähigkeiten in ganz vielen Punkten einfach nur Kinder sind, die sich in ganz vielen anderen Dingen altersgemäss verhalten.

So, wie sich Dein Sohn verhält (Mama-Nähe verteidigen, viel Input fordern) verhalten sich viele Kinder seines Alters - Hochbegabung hin oder her. Und das stur-sein kenne ich von meinem Kind auch sehr gut. Da haben sich bei und Kompromisse sehr gut bewährt.

Beispiel: wir kaufen süssen Schmuck für den Weihnachtsbaum und Sohnemann darf sich aussuchen was. Er entscheidet sich für Schokoschirmchen in seiner Lieblingsfarbe rosa. Nach der Kasse fängt er an zu jammern und zu brülllen, dass er die Schokoschirmchen schon jetzt essen will und nicht bis Heiligabend warten. Nach kurzer Diskussion haben wir uns darauf geeinigt dass er jetzt EIN Schokoschirmchen essen darf und wenn wir zu Hause ankommen noch EINES - dann werden sie bis zu Heiligabend von mir versteckt. Dieser Kompromiss hat super geklappt.

Heute wollte er sich unbedingt noch vor dem Kindergarten ein sehr langes Bilderbuch vorlesen lassen. Da sich das zeitlich nicht mehr ausgegangen wäre habe ich ihm alternativ einige kürzere Bilderbücher vorgeschlagen, wo er sich eines aussuchen durfte, das noch vorgelesen wurde. Mit der Auflage, danach sofort in den Kindergarten aufzubrechen. Auch das hat super geklappt.

Seit ich erkannt habe dass es für alle Beteiligten wesentlich stressfreier ist, Kompromisse zu finden, wende ich diese Methode sehr erfolgreich an. Es kostet in Summe sogar weniger Zeit und vor allem entfällt dadurch ein Grossteil der Machtkämpfe.

Dir kann ich nur raten: trau deinem Sohn zu, seinen eigenen Weg zu finden. Ermögliche ihm die Dinge, die ihm Spass machen und die ihm wichtig sind. Wenn Du neben ihm über ihn sprichst achte gut auf Deine Worte - so Sachen wie "mein Sohn ist ja so wahnsinnig schwierig" kann er als Prophezeiung deuten, die er erfüllen muss (so war das bei meinem Sohn). Misch Dich nicht zu sehr in seine Angelegenheiten und Kontakte ein, wenn es so weit ist wird er selbst lernen wie man Freundschaften knüpft und pflegt (mit allen aufs und abs die dazugehören) und er wird genau wissen, mit wem er wie viel zu tun haben will.

Und daran, sich vielleicht irgendwann einmal seine "Zukunft zu verbauen", kannst Du ihn sowieso nicht hindern. Nur: jetzt ist er noch nicht mal 3 Jahre alt! Geniese das hier und jetzt mit deinem Kind und gesteh ihm zu, später einmal selbst seinen Weg zu finden, so wie Du Deinen gefunden hast.

Wir begleiten unsere Kinder nur, für das, was sie als Erwachsene einmal tun, werden sie genauso selbst verantwortlich sein wie wir das sind. Und natürlich werden sie ihre Fehler machen, genauso wie wir unsere Fehler gemacht haben und immer noch machen :).
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Meersalz
Dauergast
Beiträge: 118
Registriert: Di 9. Apr 2013, 01:04

Re: irgendwie habe ich Angst davor...

Beitrag von Meersalz »

Hallo auch von unserer Seite.

Wir stecken gerade in einer recht ähnlichen Situation mit unserer Kleinen wie Du auch, soll heißen, Du bist mit Deiner Situation derzeit nicht die Einzige. Hilft auf den ersten Eindruck nicht viel, doch wenn man sich bereits damit abgefunden hat, dass alle um einen herum die Probleme und Sorgen die man selbst hat nicht sehen (können), dann hilft es eben doch herauszufinden, dass eben genau diese Probleme bei einigen wenigen doch bekannt sind. Unsere Kleine ist in etwa gleich alt wie Dein Kleiner, wenn es Dich interessiert kannst Du mehr dazu in unserem Faden im Bereich „Vorstellungen“ lesen.
Du wirst hier sicherlich einigen guten Rat finden, in den vorstehenden Beiträgen ist diesbezüglich ja bereits einiges zusammengefasst.

Am wichtigsten halte ich übrigens folgendes:

1.
Dein Kleiner ist nicht Du, soll heißen, er kann ähnliche Fehler/Probleme haben/machen, muss aber nicht. Sehr wichtig ist es, ihn sich selbst entdecken und entfalten zu lassen
2.
Dadurch dass Du Dir Gedanken machst, hat Dein Kleiner bereits einen sehr viel besseren Start als Du in wohl hattest. Sei geduldige Vertraute, Bezugsperson, biete ihm Kompromisse an und akzeptiere ihn so wie er ist. Allein das wird ihm viel Selbstvertrauen geben, auch andere Situationen, die Du nicht beeinflussen kannst, zu meistern.

Zu Deiner Frage mit der Förderung:
Je ausgeglichener das Leistungsprofil eines Kindes ist, desto besser kommt es mit seiner Umwelt klar, bzw. diese mit ihm (um als 2 Jähriger mit 4 Jährigen zu spielen reicht es nicht nur, gleich gut reden zu können, motorisch wenigstens einigermaßen mitzuhalten ist ebenfalls wichtig).

Deswegen vertreten wir selbst folgendes Förderkonzept: Stärken loben und auf Nachfragen auch gerne vertiefen (z.B. lesen und schreiben), Schwächen fördern (in der Regel Koordination und Grobmotorik, d.h. egal ob dein Kleiner auch hier weiter ist als seine Altersgenossen, um mit den „begehrten“ großen Kindern spielen zu können kann man hier gar nicht genug tun, d.h. Tretroller, Fahrrad, Schwimmkurs, Reitstunden, Klettern und Springen, egal was, Hauptsache es fördert Koordination und Grobmotorik)

LG
Geniesse den Augenblick, denn der Augenblick ist Dein Leben!
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