Eigenständiges Lesenlernen

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Rabaukenmama
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Re: Eigenständiges Lesenlernen

Beitrag von Rabaukenmama »

patchanka hat geschrieben:Ich denke schon, dass das soziale Umfeld einen sehr großen Einfluß auf die gesamte kognitive Entwicklung von Kindern hat. Es gibt z.B. Untersuchungsergebnisse, die belegen, dass es eine enorme Auswirkung auf die Gehirnentwicklung hat, wieviel mit einem Kind in den ersten 3 Jahren gesprochen wird!
Ich kann mir durchaus vorstellenen dass die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung wichtig ist, aber allein die Aussage "wieviel mit einem Kind in den ersten 3 Jahren gesprochen wird" ist doch sehr vage. Wichtiger ist doch wer spricht, was gesprochen wird und wie. Das ständige mit-dem-Kind-im-Austausch-sein in der Klein- oder Kleinstfamilie ist eine relativ neue Zeiterscheinung. Viele Jahrtausende lang waren Kinder Teil der gesamten (Dorf-)Gemeinschaft, bekam ihren input von verschiedensten Personen und entwickelten sich prächtig.
patchanka hat geschrieben:Natürlich gibt es Ausnahmen von Kindern, die sich trotz einer schwierigen sozialen Umgebung unglaublich entwickeln (meine Kinder lieben den Film "Matilda" mit Danny de Vito!) aber prinzipiell kommt das frühe eigenständige Schreiben und Lesen gehäuft in Familien vor, die die Ressourcen haben, ihre Kinder gut zu fördern und ihn denen gesprochene Sprache aber auch Bücher und Schrift einen zentralen Stellenwert haben.
Das stimmt jetzt nicht ganz mit meiner Beobachtung überein. Denn einerseits kenne ich Eltern, die alle beschriebenen Voraussetzungen bestens erfüllen und deren Kinder kein Interesse an Buchstaben, lesen oder auch VORlesen haben. Andererseits kenne ich Kinder aus Großfamilien, deren Eltern allein aus Zeitgründen nicht den input geben konnten, die sich lesen und schreiben selbst beigebracht bzw. von älteren Geschwistern abgeschaut haben.
patchanka hat geschrieben: Ich hatte beruflich immer wieder mit ganz anderen Kindern zu tun, und die waren durchaus nicht unintelligent: trotzdem waren da Welten zwischen anderen Gleichaltrigen, weil in ihre Familien aus sehr unterschiedlichen Gründen niemand Zeit hatte oder in der Lage war, die Kinder altersgerecht in ihrer Entwicklung und ihrem eigenständigem Lernen zu begleiten!
Kinder aus sozial benachteiligten Familien (wie ja ich im "Mathilda"-Film dargestellt) sind wieder ein eigener Fall. Ich glaube aber, dass es hier nicht der fehlende "input" ist, der diese Kinder in ihrer Entwicklung behindert, sondern vielmehr andere Gründe. In einer Familie aufzuwachsen, wo Eltern z.B. suchtkrank oder psychisch krank sind und wo Gewalt, Existenzkampf und "es-gilt-die-Macht-des-stärkeren" vorherrschen, ist für jedes noch so kluge Kind lähmend. Das ist aber ganz was anderes als "nur" mangelnder Input.

Ich kenne mittlerweile erwachsene Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund wo die Eltern sehr einfache Leute waren. Die konnten kaum intellektuellen Input geben (ich weiß sogar einen Fall da waren beide Eltern Analphabeten) und haben ihre Kinder nur mit Nahrung und Kleindung versorgt und mit ihnen Gespräche um Alltagsdinge geführt haben. Und diese Kinder haben sich prächtig entwickelt, waren gut in der Schule und sind heute erfolgreich im Berufsleben. Kinder die angstfrei aufwachsen dürfen haben heute in Kindergarten, Schule und Hort so viele Möglichkeiten sich input zu holen dass dieser nicht zwingend aus dem Elternhaus kommen muß.
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Momo
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Re: Eigenständiges Lesenlernen

Beitrag von Momo »

Ich glaube, es ist tatsächlich eine Kombination aus Interesse des Kindes an bestimmten Dingen und einem liebenden Umfeld, welches auf die Interessen eingeht. Fehlt das Interesse oder auch das unterstützende Umfeld, dann wird die Entwicklung schwieriger, doch trotzdem nicht unmöglich. Für uns gesprochen- ich liebe es, selbst zu lesen (war als Kind schon selbst seeehr gerne in der Bücherei unterwegs) und lese meiner Tochter nun täglich sehr viel vor und dies schon seit jeher. Bestimmt hat sie dies auch geprägt, ihren Wortschatz sehr vergrößert und nun auch den Schritt zu eigenen Lesen sehr vereinfacht. Und doch kenne ich Familien die ähnlich denken wie ich, die ihren Kindern sehr viel Input anbieten und z.B. auch vorlesen, die Kinder haben trotzdem andere Interessen.
Ich habe übrigens meine Tochter heute einfach mal gefragt, wie sie denn die kleinen Buchstaben gelernt hat. Sie sagte, dass die kleinen Buchstaben doch den großen Buchstaben sehr ähnlich sind und dass es doch alles ganz logisch sei. Ok, wahrscheinlich lernen Kinder einfach noch ganz anders als Erwachsene, ich sehe das Ganze wahrscheinlich viel zu "verkopft" ;)

Liebe Grüße von Momo
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Edainwen
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Re: Eigenständiges Lesenlernen

Beitrag von Edainwen »

Mein Sohn konnte das Lesen quasi auch "von alleine".

Meine Große hat so um den 3. Geburtstag nach sämtlichen Buchstaben gefragt, das Lesen an sich hat sie aber erst so mit 5,5 Jahren hinbekommen.

Der Kleine hat nie nach Buchstaben gefragt, das ganze Thema schien ihn überhaupt nicht zu interessieren. Dann mit 2,5 Jahren hat er plötzlich im Wort "Abenteuer" , das er irgendwo aufgedruckt gesehen hat, "Ente" gelesen. Ich bin fast vom Hocker gefallen. Dann war vom Lesen wieder lange nichts mehr zu hören. Buchstaben konnte er offiziell die 4, aus denen sein Name besteht, den er auch schreiben konnte. Und pünktlich zum Schulbeginn der Großen, da war er 3,3 Jahre alt, stellten wir fest, dass er sowohl alle Klein- und Großbuchstaben konnte, als auch richtig lesen konnte, also auch kleine Sätze und kurze Geschichten und er wusste dann auch, was er gelesen hatte ... beigebracht hatte ihm das niemand. Wir konnten uns allenfalls vorstellen, dass er der großen Schwester bei ihren Versuchen ab und zu über die Schulter geschaut hatte. Aber offiziell hatte er nie Interesse an Buchstaben und Lesen ...

Die einzige Schwierigkeit, die er hatte, war, dass die Buchstaben relativ groß sein mussten, sonst verlor er ständig die Zeile. Die Texte, die die Große aus der Schule mitbrachte, waren für ihn dann natürlich gefundenes Fressen. Denn jetzt, wo er es konnte, wollte er auch lesen ;)

Ich selber habe übrigens auch noch im KiGa lesen gelernt, aber ich war da auch schon mindestens 5. Ich kann mich aber erinnern, dass ich die großen Buchstaben gelernt habe, weil ich ein Badetuch hatte, auf dem Wörter dem Alphabet nach und mit Symbol in Großbuchstaben ab gedruckt waren. Also z.B. erste in Bild von einem Apfel, dann stand da APFEL, dann eine Birne, dann BIRNE und so weiter ....
Das Zusammenziehen muss ich auch "einfach so" gelernt haben wie mein Sohn, also einfach als logische Fortsetzung.
Und dann erinnere ich mich, dass ich im KiGa vor einem Buch saß (10 kleine Negerlein), ich konnte a den Text auswendig, und dann habe ich die Wörter gelesen. Manche Kleinbuchstaben sind den großen ja sehr ähnlich (z.B. k, s, l, o, ...), die waren einfach und ich weiß noch wie ich ein Wort gelesen habe, ich wusste die meisten Buchstaben, nur den einen kannte ich nicht, und dann war es ja logisch, dass das ein kleines "E" sein musste ... also so viel zum Einblick in den Kopf eines Lesen lernenden Kindes. Vereinfacht wurde der Leselernprozess sicher dadurch, dass mir mein Opa sehr viele Comics vorgelesen hat. Er hat recht langsam gelesen, und da konnte ich dann ja gut verfolgen, welcher Text zu welchem Bild gehört ;)

Als ich zur Schule kam, konnte ich flüssig lesen. Ich habe am ersten Schultag meine sämtlichen Schulbücher von vorne bis hinten durchgelesen ;)
nadine77
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Re: Eigenständiges Lesenlernen

Beitrag von nadine77 »

Buchstaben und Zahlen sind ja auch sehr interessant :D In der Schule lernen sie nun Lesen mit der FRESH Methode. Ich bin davon gar nicht begeistert. Kennst ihr das? Wie findet ihr diese Methode?
Edainwen
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Re: Eigenständiges Lesenlernen

Beitrag von Edainwen »

Mit der FRESH-Methode lernt man bei uns vorwiegend Rechtschreibung. Der Erfolgt stellt sich nur mäßig ein. Die Kinder beherrschen die Regeln zwar schon sehr früh, tatsächlich umgesetzt werden sie aber meist erst in der 4. Klasse ;)
alibaba

Re: Eigenständiges Lesenlernen

Beitrag von alibaba »

Hallo,

ich kann bzw. konnte Verschiedenes beobachten.

Wie Rabaukenmama schon korrekter Weise schreib, Kinder lernen "alleine" alles Mögliche. Wenn man sie dann lässt und unterstützt und sie ermuntert und Kind dass Interesse daran erhält, dann geht vieles von "alleine". Dabei reicht es oft schon ganz banal, diese Buchstaben aus Plastik am Kühlschrank hängen zu haben und die Fragen der Kinder zu beantworten.

Ob daraus aber nun ein Leseliebhaber wird oder eben ein Lesemuffel, hängt wohl vom Interesse des Kindes und weniger vom IQ ab. Und ob nun immer unser Vorbild reicht, da bin ich mir auch nicht sicher. Obwohl meine Beiden in etwa zum selben Zeitpunkt "lesen" konnten und wir als Eltern durchaus interessiert an Literatur sind und meine Zwei immer Unterstützung finden, Bücher zahle grundsätzlich ich, wir haben zwei Bibliotheken wo man etwas ausleihen kann, regelmäßige Teilnahme an Ferienleseworkshops, habe ich einen Vielleser und eine Wenigleserin. Da das Interesse meiner Tochter viel breiter gestreut ist, als das des Sohnes, findet meine Kleine eben viele Dinge auch ansprechend, nicht nur Bücher. Wenn man meinem Sohn hingegen keine Medien erlaubt, da bleiben für ihn als Interesse eben nur die Bücher übrig. Aber das wegen Mangels anderer Interessen. :mrgreen:

Rückblickend betrachtet ist es Wurst, wer wann lesen konnte. Meine Kleine ist genauso weit gewesen, laut VERA Kl.3, wie mein Sohn, obwohl Beide vollkommen anders Bücher bewerten und Interesse dafür zeigen.

VG
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