Zum mitmachen animieren?

Probleme und Lösungen für den Kindergartenalltag
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radfahrerin
Beiträge: 12
Registriert: Mi 1. Apr 2015, 13:20

Zum mitmachen animieren?

Beitrag von radfahrerin »

Hallo zusammen,

bin noch ganz neu bei euch und habe mich gerade erst angemeldet.

Habe aber auch gleich eine Frage.
Eine meiner Zwillinge (4) macht im Kindergarten mache Dinge einfach nicht mit.
Zum Beispiel beim Morgenkreis. Sie singt nicht mit, macht die Fingerspiele nicht. Wenn ihr etwas unangenehm ist, hält sie sich die Ohren zu. Das tun beide wenn etwas zu aufregend oder spannend ist.
Wenn sie als Tageskind an der Reihe ist, will sie nicht. Gibt es an andere ab. Habe sie nach dem Warum gefragt. Die Antwort war irgendwie typisch. Da hätte man so viel zu tun.

Die Erzieherin hat schon erkannt, dass die 2 in vielen Dingen weit sind. Mehr als ich. Für mich war das halt so.
Ich denke bei ihr sind wir gut aufgehoben.
Sie stört es allerdings, dass sie zusammen in einer Gruppe sind. Sagt allein sind sie freier. Dabei wurde uns in der Krippe geraten sie zusammen zu lassen.
Im sozialen Bereich sind sie wohl recht normal. Die Empathie anderen gegenüber ist nicht sehr hoch. Untereinander schon.

Nun frage ich mich, ob ich etwas gutes tue wenn ich die dazu anhalte einfach mitzumachen, so wie die anderen auch. Es ihr schmackhaft mache.
Oder doch lieber so lassen wie es ist und hoffen, dass sie nicht irgendwann komplett aneckt

Auch wenn die Erzieherin begriffen hat , dass die Mädels was im Köpfchen haben, befürchte ich, dass sie mit den Macken der 2 ihre Probleme hat.
Die Weigerung mitzumachen, Wutanfälle wenn was nicht so klappt wie es klappen soll, Gebrüll wenn Änderungen eintreten die vorher nicht erklärt wurden.

Danke fürs Lesen.

LG
Bliss
Dauergast
Beiträge: 661
Registriert: Fr 21. Okt 2011, 23:43

Re: Zum mitmachen animieren?

Beitrag von Bliss »

Für mich käme das vor allem darauf an, ob sich das Kind wohl damit fühlt nichts zu sagen, weil es eben z.B eher ein Beobachtertyp ist, oder ob es eigentlich ganz gern auch mal was erzählen möchte, sich aber auch irgendwelchen Gründen nicht traut. Im ersten Fall würde ich das dem Kindergarten überlassen. Im zweiten könnte vielleicht helfen, wenn du mit ihr schon mal durchgehst, was sie denn im Morgenkreis erzählen könnte.
Momo
Dauergast
Beiträge: 976
Registriert: Mo 13. Jan 2014, 22:49

Re: Zum mitmachen animieren?

Beitrag von Momo »

Hallo Radfahrerin,
meine Tochter verhält sich in manchen Situationen ganz ähnlich. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass meine Animationsversuche völlig das Gegenteil bewirken, sie fühlt sich unter Druck gesetzt und macht komplett dicht. Ich lerne durch sie, einfach auf sie zu vertrauen, auch darauf, dass sie die Sicherheit gewinnen wird, von sich aus mitzumachen. Ein kleines Beispiel: Wir waren neulich in einem ganz kleinen Familienzirkus, die Kinder durften in der Manege auf Lamas reiten. Ich stellte es mir so toll für sie vor, eine Runde auf diesen Tieren reiten zu dürfen und versuchte ihr Mut zu machen (typisch Mama...). Doch ich merkte, dass sie sich einfach nicht traute und je mehr ich sie ermunterte um mehr zog sie sich zurück. Somit entspannte ich mich (zum Glück gibt es ja auch noch einen Papa, der mein Verhalten prima spiegeln kann :) ). Zum Schluss gab es dann die Möglichkeit, auf Ponys zu reiten und meine pferdeverrückte Tochter war tatsächlich die Erste, die über die Absperrung kletterte und selbstsicher mitten in die Manege zu den Ponys lief. Ich war sprachlos, doch ich habe wieder mal gelernt, dass sie die Dinge, die sie wirklich interessieren, sehr sicher, zielgerichtet und schnell umsetzt.

In Eurem Fall denke ich, wenn die Erzieher wirklich gut auf die Kinder eingehen, werden sie Deiner Tochter zwar immer wieder die Möglichkeit geben mitzumachen, doch sie auch nicht unter Druck setzen.

Dabei fällt mir ein, ich war als Kind genauso ein Kandidat. Doch irgendwann hat es klick gemacht (viel später) und heute ist von Schüchternheit nichts mehr zu merken ;)
Zeit und Vertrauen, dass ist wichtig für Kinder mit dieser Beobachtungsgabe (!) und Feinfühligkeit!


Liebe Grüße von Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Rabaukenmama
Dauergast
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Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24

Re: Zum mitmachen animieren?

Beitrag von Rabaukenmama »

Ich würde manchmal zum mitmachen einladen, aber es akzeptieren wenn das Kind ablehnt. Menschen (egal welchen Alters) sind nun mal sehr verschieden.

In Remo H. Largos Buch "Babyjahre" steht zu dem Thema extrovertiert/introvertiert unter anderem geschrieben dass es Menschen gibt, die auf eigene Faust allein fremde Länder und Kontinente durchreisen während andere sich eine fremden Stadt im eigenen Land nur in einer organisierten Gruppe besichtigen trauen.

Die Frage ist jetzt: haben die Menschen, die sich mehr (mitmachen) "trauen" wirklich mehr vom Leben? Wenn ihnen das, was sie tun, Spaß macht, schon - würde man vermuten. Wenn sie es aber tun, weil sie glauben, es würde von ihnen erwartet, eher nicht.

Es gibt sicher Menschen, die sich manche Dinge aus Unsicherheit nicht zu machen trauen, die sie eigentlich gern tun würden. Umgekehrt gibt es Menschen, denen es wirklich lieber ist bei etwas NICHT mitzumachen.

Ich würde z.B. sehr gerne mal mit meinen Kindern ins Kasperltheater oder in den Zirkus gehen. Sinnlos - der Kleine ist gehörlos und bekommt ohnehin nicht mit, worum es geht und der Große mag nicht mit. Grund bei ihm: er ist sehr sensibel und lebt beim Geschehen so mit dass er er nervlich nicht "packt". Aus demselben Grund mag er auch nicht fernsehen (gut, damit kann ich leben ;) ): alles ist ihm "zu schlimm". Als er mal mit dem Kindergarten in eine Märchenvorführung ging (Hänsel und Gretel) saß mein Sohn vom Anfang bis zum Schluss weinend auf dem Schoß einer Kindergärtnerin.

Dafür gibt es andere Dinge vor denen er gar keine Angst hat, z.B. bei einer Falknervorführung den Falken zu halten oder mit dem Rad einen Berg runterzufahren.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
sinus
Dauergast
Beiträge: 1318
Registriert: Fr 26. Nov 2010, 10:52

Re: Zum mitmachen animieren?

Beitrag von sinus »

...ich schließe mich den anderen an und würde befürworten, dass sie Angebote gemacht kriegt und "goldene Brücken" gebaut, aber nicht gezwungen werden sollte bzw man kein so großes Thema draus machen sollte.

Meine Erfahrung mit meinem Kind ist auch, dass man damit nichts erreicht und dem Kind nur vermittelt, es sei nicht in Ordnung, so wie es ist.
Meine Tochter ist dem beschriebenen Kind recht ähnlich (siehe Vorstellungsthema von radfahrerin) und Vieles, was mit 4 Jahren noch problematisch schien, hat sich inzwischen ganz von allein "verwachsen".

Wir hatten hier so eine "Gewissensfrage" mit der hier üblichen "Kinderpatenschaft" in der altersgemischten Gruppe des Kindergartens: die Älteren (6 Jahre) sollten für die Neuzugänge (3 Jahre) jeweils Patin ein, ihnen beim anziehen helfen etc.
die meisten waren total scharf auf diesen "Job" oder haben zumindest nicht widersprochen , meine Tochter hat als Einzige kategorisch abgelehnt, Patin zu werden.

Die Erzieherin hat das akzeptiert, aber die Mutter eines zunächst übrig gebliebenen Kindes sprach mich an, ob ich denn nicht noch mal mit meiner Großen reden könnte... ich meinte, ich könne es versuchen, vermute aber, dass sie trotzdem nicht will.
Ich habe tatsächlich ein bisschen ein "schlechtes Gewissen" wegen dem Kind gehabt, im Sinne von : man muss doch auch mal Verantwortung übernehmen, soziales Handeln fördern etc.
Ich habe also mit Engelszungen auf mein Kind eingeredet, argumentiert, ihr vorgeschlagen, es wenigstens mal ein Woche probehalber zu versuchen... Keine Chance.
Ich habe sie natürlich auch gefragt, warum sie das nicht möchte.
Sie meinte, es wäre ihr zu viel Verantwortung, sie wüsste nicht ob sie das alles richtig machen würde und sie habe schlicht keine Lust drauf, immer auf das Kind aufzupassen.
Ich glaube, so war diese Aufgabe gar nicht gemeint, aber sie hat es wohl für sich so verstanden.
Nun gut.

Ein anderes Kind hat dann zwei Kinder "aufgenommen" und kümmert sich nun rührend und begeistert um die Kleine. Sie wird jetzt oft sogar von mehreren bemuttert.
Meine Tochter bringt sich dabei - wo es sich anbietet - mitunter auch ein, wie ich schon beobachten konnte.
Sie kann das nun ohne Druck und Verantwortung tun.
Ich finde es jetzt ok so wie es ist, allen ist geholfen und ich denke, es wäre kontraproduktiv gewesen, Tochter zu der Aufgabe zu zwingen.

Zu Hause gegenüber der kleinen Schwester (1 Jahr) ist sie übrigens auch eher wenig "mütterlich", aber sie ist dafür verantwortungsvoll und zuverlässig, wenn sie z.B. mal aufpassen soll. Sie ist aufmerksam für Gefahrenquellen und ich konnte sie von Anfang an durchaus mal ein Weilchen mit der Kleinen allein lassen. (Um in den Keller zu gehen, Wäsche aufzuhängen etc)
Wenn Besuchskinder da sind, stellt es sich ganz anders dar. Diese wursteln oft ständig an dem Kind herum, knuddeln es ohne "Rücksicht auf Verluste", wollen es immerzu herumschleppen, (be)achten den eigenen Willen der Kleinen als Person eher wenig.
Für sie scheint das Kind eher wie ein "Spielzeug"...
Diese Beobachtung hat mich dann wieder etwas versöhnt damit, dass meine Große - für ein Mädchen dieses Alters eher untypisch glaub ich - kein "Muttityp" ist.
(Wobei ich glaube ich als Kind genauso war...)

Ich bin jedenfalls im Nachhinein froh, dass die Erzieherin da so locker geblieben ist und keinerlei Druck auf mein Kind ausgeübt hat.
Ich denke, dass meine Tochter damit schwer hätte umgehen können. Egal, ob sie bei ihrer Entscheidung geblieben wäre oder dann doch noch "eingeknickt" wäre. Es wäre so oder so für sie unangenehm gewesen.

In dem Alter - finde ich - sollte man die Kinder noch nicht zu sehr drängen. Erstmal sollten sie die Chance haben, sich selbst zu entdecken, ehe von außen an ihnen "herumverbessert" und herumgezerrt wird.
Das kommt noch früh genug!

Und vor allem erreicht man vermutlich nichts von dem, was man eigentlich will. Es ist ja nicht damit getan, dass ein Kind nachgibt und irgendwas macht oder lässt, wenn es dabei dann unglücklich ist bzw sich verbiegen muss. Damit verhindert man eher die Entwicklung des Selbst und soziales Handeln/Lernen vermutlich eher, als dass man es fördert.
Die Blätter sind bunt
nun bellt der Hund
nun lacht der Mund
Raureif liegt auf dem Gras.
Der Has`
friert um die Nas.

(Herbstgedicht der 6jährigen)
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