Hin und Her gerissen ... (ziemlich lang)

ja oder nein? Erfahrungen und Ratschläge
alibaba

Re: Hin und Her gerissen ... (ziemlich lang)

Beitrag von alibaba »

Hallo urmelis,

ja, es hängt viel vom Konzept eines Kigas ab. Und es gibt gute und schlechte Kigas. Nur erscheint es mir, das wir hier wohl die einzigsten sind, die einen guten Kiga haben. Und ja, auch Junior beklagt sich hier und da über Langweile. aber aus dem Munde von den Erzieherinnen, so nach dem Motto: Ihrem Kind ist langweilig..... da grübel ich nach... das ist das was ich nicht verstehen kann. Ich kann auch mal Langeweile bei Kindern in einem Ganztageskiga verstehen. Ich selber erinnere mich an meine Kigazeit, mir war da auch langweilig. Nun 14 Tage ohne Angebote, das ist natürlich krass, aber doch nicht die Regel. Es wäre daher hilfreich in wie weit hier Langweilig sich denn bei martinee2 darstellt.

Auch meine 2 1/2-jährige sagt ab und zu mal, mir ist langweilig. aber muss ich denn dann gleich mit einem Vorschulblatt hinterherrennen? Darfs denn nicht mal langweilig sein? Mein Großer geht in solchen Fällen Schnecken sammeln.

Nun, wenn ein Schulkind über Langweile klagt, dann solte man dem schon nachgehen, ganz klarer Fall. Oder ein Vorschulkind, was schon lesen und rechnen kann oder was weiß ich, auch hier sollte man die Zeichen der Zeit erkennen. Aber bei einem 3 3/4 jahre altem Kind? Was habt Ihr denn gemacht? Habt Ihr das Vorschulprogramm aufgelegt? Mhhhhh..........

Nun, Kigas mit dem "Programm" welches Du beschreibst und Du betroffen warst, die gehören ausgemustert. Ganz klar. Das sind schlechte Kigas und außerdem hilflos veraltet. Da hilft nur eine Konsequenz: Weg!


Dazu möchte ich noch was in anderer Sache anmerken. Zum Thema Langeweile.

Zum 4.Geb. unseres Sohnes waren auch 2 Vorschulkinder dabei. Das waren die einzigsten die keine eigenen Ideen beim Backkneteformen hatten. Angesetzte Zeit: 10 Minuten. Oh Mann, ist mir langweilig.

Gestriges Hörgespräch: 3 Mamas von Vorschulkindern warten auf diese. Eine ältere Tochter war mit dabei, "musste" ein Buch von der Schule aus lesen. Mama äußert sich abwertend, Nachbarsfrau bringt ein ironisches Kommentar bei, Kind nochmehr genervt, weil es ja soooooo langweilig ist, das Buch zu lesen.

Klar, kann ich alles verstehen. Es ist ja auch viel spannender wenn man vor dem Fernseher sich berieseln lassen kann. :gruebel:

Liebe Grüße
phantasieelli
Dauergast
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Registriert: Mo 15. Sep 2008, 23:05

Re: Hin und Her gerissen ... (ziemlich lang)

Beitrag von phantasieelli »

Hallo
alibaba.

Klar Langeweille sollen Kinder auch mal haben, es regt die Phantasie an, sich zu beschäftigen.
Aber ,stell Dir vor ,Du bist auf einer Vorlesung , du erwartest etwas spannendes aber:Eskommt nichts.
Nächste Vorlesung das gleiche............
Was machst Du dann?
Du gehst. Suchst nach weiteren Vorlesungen.
Im Kiga für ein Kind ähnlich(je nach Kiga)
Es kommt, immer das gleiche und schon herrscht :"ne, keine Lust"
Vielleicht kann man Langeweille auch anders intepretieren .
Für mich war es früher Langeweille. Jeden Tag das gleiche Material, die gleichen Kinder, usw.
Vielleicht ist der Kiga einfach nur einfallslos.
Oder stellt keinen anderen Spielmaterialen zur verfügung.
Dann , finde ich, ist es schon langweillig. Auch ab 3 Jahren.

LG
Man braucht nicht geistreich zu sein, um zu beweisen, dass man begabt ist. Aber man braucht viel Geist, um zu verbergen, dass man keine Begabung hat.
"Marcel Achard"
Neckri
Moderator
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Re: Hin und Her gerissen ... (ziemlich lang)

Beitrag von Neckri »

Hallo Urmelis, hallo Heike,

unsere Tochter zeigte damals im Kiga ein ausgesprochenes Rückzugsverhalten. Dieses wurde etwas besser, wenn der Lärmpegel mal geringer war. Aber viel zu häufig saß sie in der "stillen Ecke" (war ansonsten für Auszeiten wegen notorischem Fehlverhalten reserviert) und malte aus. Man muss dazu erwähnen, dass dieses Geduldsspiel mit dem Ausmalen zu Hause absolutes Nogo war. Im Kiga hatte sie sich ausgerechnet diese feinmotorische Aufgabe ausgesucht. Da sie nicht auf den Mund gefallen war, erklärte sie: "Ich weiß, dass ich das Ganze dort aushalten muss, auch wenn ich es nicht mag. Es ist für mich wie ein Gefängnis. Wenn ich mir mit dem Ausmalen innen weh tue, dann merke ich nicht so arg, wie weh mir der Kindergarten tut."

Das war ihre Definition von Langeweile. Also ich kann sehr gut verstehen, dass es einem das Herz zerreißen kann, wenn die Situation derart quälend empfunden wird, weil eine Abhilfe nicht in Sicht ist. Die Schule war damals ihr persönlich geschmiedeter Ausbruchsplan aus dem "Kindergefängnis".

@Urmelis:
Ich würde eine Einschulung auf Probe erwägen und gleichzeitig einen guten Plan B erarbeiten, der mit speziell diesem Kiga nichts zu tun hat. Wir hatten das genau so gemacht - mit dem Unterschied, dass der Psychologe diese Vorgehensweise empfohlen hatte. Ich muss aber dazu sagen, dass unser Kind damals bei der Einschulung noch ein Jahr jünger war als deines wäre, wenn es im Sommer zur Schule gehen würde. Aber analog zu eurer Situation gab es vom Kiga aus einen massiven Widerstand, obwohl die Leute dort das Problem zunächst vergrößert hatten.

Wenn deine Tochter so gerne zur Schule möchte, dann sollte man ihr diesen Schritt zumuten. Ein Kind, das dies selber möchte, wird es leichter schaffen als andere, die dort hin müssen. Und soooo klein ist sie ja doch dann gar nicht mehr.

Viele Grüße von

Neckri
alibaba

Re: Hin und Her gerissen ... (ziemlich lang)

Beitrag von alibaba »

Hallo,

sorry, ich kann mir nicht vorstellen, das in einem Kiga ein Kind permanent über Langeweile klagt und das mit 3 3/4 Jahren. Wenn das Kind in keiner altersgemischten Gruppe ist, das würde ich verstehen -aber diese Systeme sind ja veraltet. Das ist klar nachvollziehbar.

Aber es gibt in einem klassischen Kiga Kinder von 3- fast 7 Jahren. Alle diese Kinder müssen sich ja beschäftigen, damit es nicht langweilig wird. Das stundenlange ausmalen von Mandalas langweilig ist, logo. Junior malt schon lange keine mehr aus, muss er auch nicht. Er kann sich ein 200-Puzzel nehmen und loslegen oder irgendetwas anders machen. Lesen in der Leseecke, da stört ihn keiner, da ist es ruhig...... und so könnte ich fortfahren. Es gibt jede Menge Spiele ab 7 Jahren z.b. denn alle möchten Förder- und Forderung. Es gibt gezielte Angebote zum Malen mit diversen Materialien - ABER! das Kind muss die Phantasie entwickeln danach zu fragen weil es das möchte. Es steht keine Erzieherin da und schlägt dem Kind 10 Möglichkeiten vor, was es denn jetzt spielen könnte. Daher Langweile aus dem Munde einer Erzieherin finde ich absolut merkwürdig, egal welchen Entwicklungsstand das Kind hat. Wenn die Erzieherin sagen würde, Hey, ihr Kind ist ausgereizt mit den Angeboten - es kann schon alles, schauen Sie nach einer anderen Förderung, unser Limit ist überschritten.... aber langweilig? Bei uns werden Gottesdiesnte ausgestaltet, Feuerwehr, Polizei, Theatergruppen besuchen den Kiga, es gibt Wald- und Kochtage, Werkbank, Buchstabenecke, Musikecke, Leseecke, Kreativecke, Puppenecke, Kleider zum verkleiden.......Sind wir denn die einzigsten die so etwas haben? Da meine Kinder in unterschiedliche Kigas gehen, kenne ich schon zwei davon. Was ist das für ein Kind, welches sich hier ausgereizt sieht mit 3 3/4 Jahren? Und was sind das für Erzieherinnen die hier sehen wollen, das es langweilig ist?

Nun gut, vielleicht sind wir ja tatsächlich die zwei einzigsten........ :gruebel:

Vielleicht äußert sich ja martinee2 noch einmal dazu, wenn sie in diesen Thread findet.

Liebe Grüße
Neckri
Moderator
Beiträge: 463
Registriert: Di 14. Feb 2006, 11:51

Re: Hin und Her gerissen ... (ziemlich lang)

Beitrag von Neckri »

Hallo Alibaba,

in "unserem" Kiga gab es altersgemischte Gruppen. Zwischen Windelträgern und Vorschulkindern. Pro Gruppe gab es 24 Kinder und zwei Betreuerinnen, wovon eine aber sehr viel Zeit mit Organisatorischem am PC in ihrem Büro befasst war. Wenn ich die Kritikpunkte, die Töchterlein damals berichtete, zusammenfasse, dann konvergierten die auf drei Aspekte:

- zu chaotisch, zu stürmische Verhaltensmuster der anderen Kinder und zu laut
- drohende Gewaltanwendung durch wilde Kinder (Schubsen oder Schlagen, Wegnehmen von Spielen, Zerstörungswut, cholerische Ausbrüche)
- Keine vernünftige Verständigung möglich über gültige Spielregeln oder Reihenfolge der Verwendung von Spielgut; flatterhafte Gesinnung gegenüber Vereinbarungen

Diese Aspekte führten über die Zeit zu dem besagten Rückzugsverhalten. Die Angebote waren vorhanden, aber die Regeln über deren gemeinschaftliche Verwendung wurden nicht "von oben" durchgesetzt. Die Kinder sollten ja lernen, mit ihresgleichen zurecht zu kommen. Für unsere Tochter war dies dann der Fall, nachdem sie an den Schulvorbereitungen teilnehmen durfte. Zu diesen Zeiten war es prima. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als "publik" wurde, dass sie perfekt vorlesen konnte. Dann gab es andersherum viele Schieflagen von Kinderseelen. Zum Glück waren alsbald alle Vorschüler in der Schule und "durften" dort auch lesen lernen. Im Kiga war dies extrem verpönt, weswegen Töchterlein ihre Fertigkeiten auch sehr lange geheim gehalten hatte.

Fazit: Ich würde also nicht sagen, dass der Kiga an sich langweilig war. Die Betreuung, die altersgemäßen Verhaltensmuster der Kinder und die (nicht vorhandene) Führung der Kinder hatte nicht zum Naturell unserer Tochter gepasst. Dies hatte dazu geführt, dass sie die Angebote aufgrund der psychischen Belastungssituation nicht nutzen konnte. Somit war sie in keiner Weise ausgelastet oder irgendwie gefordert. Daher würde ich diese Art von "Langeweile" als sekundär erlittene Unterforderung definieren. Leider führte kein noch so gut gemeintes Gespräch zu einer Verbesserung der Situation. Im Gegenteil. Es hieß immer: "Wir lassen die Kinder einfach mal machen. Manche sind eben in ihrer Entwicklung verzögert... Lassen Sie Ihrem Kind noch ein paar gute Jahre Zeit im Kiga. Wir kriegen das schon hin. Auf Wiedersehen."

In der Schule war dann die Situation wie für sie gemacht: die Kinder sollten leiser als im Kiga sein, es gab klarere Regeln und das Profil entsprach ihrer Leidenschaft für geistige Beschäftigung. Dort war (und ist) sie mit sich und der Welt im Reinen.

Viele Grüße von

Neckri
keshali
Dauergast
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Re: Hin und Her gerissen ... (ziemlich lang)

Beitrag von keshali »

Ich finde das Wort "Langeweile" aus dem Mund einer Erzieherinn auch nach wie vor deplaziert.

Und finde es eher traurig, weil ich mir eigentlich denke, dass Erzieherinnen in ihrer Ausbildung das Thema "Entwicklungspsychologie" streifen.

Und wenn Kinder sich noch im sehr egozentrischen Weltbild befinden (und diese meist in einer KiGa-Gruppe überwiegen), und ein Kind ist dabei welches schon in der nächsten Entwicklungsstufe ist, dann kommt es einfach zu Problemen.

Und zu Rückzugstentenzen, wenn die daraus enstehenden Konflikte auf sehr egozentrische Art "gelöst" werden.

Kommt auf den Charakter des Kindes an.


Hm, ich bin mal wieder von meinen eigenen Gedanken beeinflusst.
Aber meine Tochter berichtete mir gestern gerade, dass sie wieder verzweifelt versuchte einen anderen Kind zu erklären, dass nur wenn es bei uns Sommer ist, nicht automatisch auf der ganzen Welt Sommer ist.
Aber deshalb habe ich mir heute Piaget wieder zu Gemüte geführt. :gruebel:
keshali
Dauergast
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Registriert: Do 12. Apr 2007, 21:41

Re: Hin und Her gerissen ... (ziemlich lang)

Beitrag von keshali »

Guten Morgen,


habe gerade einen Artikel gefunden, der so eure Denkansätze vereint.

Ich vermute das "Konzept" des freien Spielens ist so eine verbreitete Mode, ohne dass manche Erzieherinnen wirklich wissen was das ist.

Ich vermute auch, dass dies bei uns im Kindergarten so ist.

Hier der Artikel:

http://www.kindergartenpaedagogik.de/560.html

Zum freien Spiel gehört nun mal auch dazu, dass man sehr genau beobachtet und die selbst entwickelten Interessen des Kindes nicht verhindert und unterbricht. Sondern dann dazu Möglichkeiten eröffnet und dem Kind passende Materialien zur Verfügung stellt.

Und eben auch wie Heike schon schreibt, für die unterschiedlichen Vorlieben der Kinder passende Räumlichkeiten zur Verfügung stellt.

Alles andere ist kein wirklich "offenes Konzept", so wie bei uns im KiGa wo die Kinder so vor sich hin spielen (aber ich kann nichts erkennen, dass für individuelle Bedürfnisse extra Freiräume geschaffen werden, extra "Sachen" besorgt werden), aber wenn die Erzieherin dann sagt: "Sesselkreis" sollen alle Kinder ihr Spiel wieder unterbrechen.

Das ist so ein Mischkonzept, was ich noch verheerender finde.

Also, wer das Glück hat, einen KiGA gefunden zu haben, die das Konzept des freien Spielens wirklich verstanden haben, die kann ich nur beglückwünschen.
Da haben die Erzieherinnen ja dann auch die Zeit und die Pflicht und die Möglichkeit jedes Kind zu Beobachten und dann je nach seinen Stärken und Fähigkeiten diesen Kind Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, seine Stärken weiter auszubauen.

Leider beobachte ich ihn unseren KiGa, dass die Kinder sich selbst überlassen werden, weil die Erzieherinn damit beschäftigt ist die Osterhasen fertigzubasteln, weil ja auch die Eltern erwarten dass ihre Kinder schön gebastelte Sachen aus dem KiGa mit nach Hause bringen.

Aber "freies Spielen" heisst bestimmt nicht, dass die Kinder einfach sich selbst überlassen werden sollen.
JOJO

Re: Hin und Her gerissen ... (ziemlich lang)

Beitrag von JOJO »

Schon bei unserem Sohn haben wir die Zeit im KIGA als reine freie Spielzeit mit anderen Kindern für Ihn angesehen.

Als wir seine Bastelmappe zum Abschluß erhielten, bestätigte sich unser Ansatz. Keine 25 Bilder oder Arbeiten aus 3 Jahren.

Auch bei unserer Maus sehen wir den Kiga als reine Spielzeit. Gott sei Dank läuft sie seit Nov. als Schulanfängerkind und es ist kein Problem, daß sie nur mit Schulänfängerkindern spielt. So ist sie recht zufrieden. Ab und An ein Häppchen "Zahlenland" oder "Felix fit" mal etwas Basteln mit einer Praktikantin und ansonsten schönes weitgehend selbstbestimmtes Spielen.
alibaba

Re: Hin und Her gerissen ... (ziemlich lang)

Beitrag von alibaba »

Hallo Ihr Lieben,

ich sehe auch den Kiga nicht als Raum zur individuellen Förderung, sondern als Kontaktbörse und Instrument zur Verinnerlichung von Regeln. Förder- und Forderung gibt es am Nachmittag. Und das Vorschulprogramm kann man ja wohl schmeißen. :?

Das Problem ist ja überall das Gleiche und auf lange Sicht wird sich da wohl auch nichts ändern. Zu wenig Räumlichkeiten, zu wenig Personal, zu strikte Trennung zwischen Kiga/Schule. Immerhin ist man schon vom System der strikten Alterstrennung abgekommen.

Bei uns wird auch das "freie Spiel" als Ausruhen der Erzieherinnen betrachtet. Und das eine Kind kann damit besser umgehen, als das andere. Nur wenn ein Elterngespräch ansteht wird beobachtet. Da ich das aber nicht ändern kann, muss ich es akzeptieren. Und wenn ich ein besonders fittes Kind habe und alle Weichen gestellt sind, dann schule ich es früher ein.

Nur ein Kind mit 3 3/4 kann ich noch nicht einschulen. Ich kann also mir mal ein paar Gedanken machen, was ich vom Kiga erwarte und was er geben kann, ich kann mein Kind herausnehmen oder ich akzeptiere den Kiga und die Grenzen seiner Möglichkeiten. Es wird immer mal wieder Zeiten geben, da wird man sich langweilen, vor allem je älter die klugen Kinder werden, umso schlimmer, so habe ich zumindest das Gefühl. Aber wie schon Neckri schrieb, grundsätzlich war der Kiga ja nicht schlecht. Und so sollte man es auch betrachten.

Und ich kann auch beobachten, das Junior den Kiga nicht so langweilig fand/findet, wenn wir am Nachmittag ein kleines "Programm" haben. Dann vergeht die Zeit im Kiga wie im Fluge, man fiebert dem Ereignis entgegen.

Natürlich hängt viel vom Kiga ab. aber welcher Kiga bietet denn schon das, was für fitte Kinder erstrebenswert wäre. Mir ist da noch keiner über den Weg gelaufen.

Liebe Grüße
Neckri
Moderator
Beiträge: 463
Registriert: Di 14. Feb 2006, 11:51

Re: Hin und Her gerissen ... (ziemlich lang)

Beitrag von Neckri »

Hallo Leute,

ich habe mich schon sehr oft gefragt, ob eine andere Art von Betreuung, Gruppenzusammensetzung, Verständnis, Umfeld, Angebot usw. die sehr frühe Einschulung gar nicht erst zum Thema in Töchterleins Betonkopf gemacht hätte. Ich weiß es nicht. Wenn wir in den nachfolgenden Jahren versucht haben, das Thema Kiga aufzuarbeiten, hatten wir sofort zehn Finger gesehen, nebst der sinngemäßen Auskunft, dass die "Freiheit" der Beschäftigung dort am ehesten das Gefangensein in starren Grenzen bedeutete. Die Grenzen der durchschnittlichen Kindesentwicklung eben. Und diesen Grenzen wollte sie entfliehen, sich ihnen entziehen und schließlich sprengen, aber der Granit der festgefahrenen Haltung ihrer Erzieherinnen hatte dies nicht erlaubt, so dass ihre Erinnerungen eher traumatisch wirkten. Aus diesem Grund wurde eine tiefer gehende Analyse der Kiga-Vergangenheit eher verweigert. Mittlerweile sind die Erinnerungen bis auf heftige Gefühlsregungen mehr und mehr verblasst. Aber das ist vielleicht besser so.

Die Frage ist also, ob alleine die Qualität der Kiga-Einrichtung dazu imstande sein sollte, eine frühere Einschulung zu umgehen, oder ob vielmehr die Persönlichkeit des Kindes eine individuelle Zeitachse außerhalb der mittleren Entwicklung bedingt - ganz unabhängig vom Kiga. Im letzteren Fall müsste eigentlich der Kiga die individuelle Entwicklungsgeschwindigkeit aufgreifen, um eigentätig einen Handlungsplan zu entwerfen, der je nach dem Reifeprozess selbstverständlich zu individuell unterschiedlichen Einschulungsterminen führen sollte. In diesem Sinne wäre es ja gar nicht wünschenswert, die Kinder stets und starr bis zum 6. Lebensjahr im Kiga zu "fesseln", und sei es mit noch so interessanten Spielen.

Bei unserem Kind war die höhere Entwicklungsgeschwindigkeit sicherlich besonders deutlich. Dennoch wurde sie durch die Erzieherinnen gar nicht wahrgenommen. Ich könnte mir also sehr gut vorstellen, dass bei Kindern, die ihr Licht noch besser unter den Scheffel stellen können, der Vorsprung erst recht unentdeckt bleibt. Wie sollte man aber unter solchen Gegebenheiten das Leitbild unserer Kigas definieren? - Nur Aufbewahrungsstätten? - Spiel-und Spaß-Buden nach jedem Geschmack? - Oder doch kindgerechte Bilddungsstätten für die Kleinen? - Aber was heißt "Bildung" im Kindergarten? - Und wo genau endet der "Bildungsauftrag", sofern vorhanden? - Sind dabei zur schulischen Situation analoge Mechanismen in Richtung Akzelleration, Enrichment und Differenzierung angebracht? - Wieviele Informationen über die Verschiedenheit der Kindesentwicklung wird eigentlich während der Ausbildung zum Kiga-Pädagogen (sofern man diese Vokabel anwenden kann) denn thematisiert?

Viele Kinder müssen nach einer Zeit des Müßiggangs und des sprunghaften Beschäftigens im "freien Spiel" in der ersten Klasse eine 180°-Wende vollziehen. Fleißig Buchstaben und Zahlen schreiben. Und immer schön aufmerksam sein. Und eine lange Weile sitzen. Das war - von "unserem" Kiga ausgehend - gerade das Gegenteil des letzten Kiga-Jahres... Es war wahrhaftig nicht so, dass gerade der letzte Jahrgang den Kiga noch prickelnd spannend fand. Meines Erachtens sollte der Zeitpunkt des Einschulens somit ganz selbstverständlich der Entwicklung derjenigen folgen, die es am meisten betrifft: unseren Kindern. Und nicht der Logistik einer simplen Fließband-Mentalität.

Fazit: Wenn ich so zurückdenke, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass Töchterlein unter anderen, weil passenderen Umständen, länger im Kiga geblieben wäre. Vielleicht wären dann aber noch mehr Sprünge in der Schulzeit die Folge gewesen. Es sei denn, dass dort die Rahmenbedingungen anders gewesen wären... Na ja, man sieht, dass die Problematik sich dahin schiebt wie eine Teppichfalte, die man zu glätten wünscht. Aber glatt trampeln geht halt nicht. Also wären wir am Ende wahrscheinlich doch in einer ähnlichen Situation wie heute gelandet - nur dass ich über andere Ereignisse von Akzelleration berichtet hätte.

Die Frage aber ist dann immer wieder bei solchen Abkürzungen "Und wer sagt nun, was am besten ist?", wenn es der Kiga nicht tut? - Ist doch klar: das Kind. Mit seinen verbalen und nonverbalen Äußerungen. Vielleicht ist es ja illusorisch, im Kiga einen unparteiischen Übersetzen dafür finden zu wollen, auch wenn man ihn dort am ehesten zu finden glaubt...

Es ist ja zudem nicht immer so, dass der unmittelbare Gedanke eines Kindes auch umgesetzt werden sollte, da der Horizont zum Überblicken der Optionen nicht gegeben ist. Das ist auch in der Pubertät nicht anders. Aber sowohl im Kiga, als auch in der Pubertät wollen die Kinder dem Stadium des "Kleinseins" entfliehen. Auf zu neuen Ufern! - Es macht keinen Sinn, sich diesem Drang zu verweigern. Viel besser ist es, dieses Drängen wohlwollend zu begleiten, um steuernd und helfend zur Seite stehen zu können. Soweit meine Meinung.

Viele Grüße von

Neckri
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