Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Momo
Dauergast
Beiträge: 976
Registriert: Mo 13. Jan 2014, 22:49

Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Koschka,
um letztendlich in die Tiefe zu gehen und grammatikalische Regeln etc. auch wirklich verinnerlichen zu können, muss erstmal ein Fundament vorhanden sein. Die Sprache muss erstmal lebendig sein und muss einen interessieren, ansonsten bleibt es beim bloßen, toten Auswendiglernen und hat keinerlei Bezug und Bestand und wird ganz schnell wieder vergessen- wie Du selbst erlebt hast. Könntest Du nicht mit Deinen Kindern im Alltag englisch sprechen??? Meine Tochter hat häufig den Wunsch danach und je nach Möglichkeit versuche ich es auch eine Zeit. Das macht ihr wirklich großen Spaß und sie saugt die Sprache auf wie ein Schwamm.

Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Momo
Dauergast
Beiträge: 976
Registriert: Mo 13. Jan 2014, 22:49

Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Koschka hat geschrieben:
Nein, obwohl mein Mann fast so gut wie nativ speaker ist, können wir mit den großen keinen Englisch sprechen, weil die anderen zwei Kinder sich sofort ausgeschlossen fühlen.
Habt Ihr das schon probiert? Die Kleinen könnten es doch direkt mit lernen?!
Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Momo
Dauergast
Beiträge: 976
Registriert: Mo 13. Jan 2014, 22:49

Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Klingt spannend bei Euch :lol: :lol:!!! Ich verstehe Dich ;)

Sag mal, hat das einen Grund, bzw. kennst Du den Grund, warum Deine kleine Tochter so wenig spricht, bzw. Schwierigkeiten hat, einer Konversation zu folgen? Oder meintest Du englische Konversation?

Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
alibaba

Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von alibaba »

Momo hat geschrieben: Mir fällt auf, dass keiner von Euch darauf vertraut, dass Kinder lernen WOLLEN. . Ich merke schon jetzt, wie gut ihr diese Schule tut und ich vertraue ihr, dass sie die Dinge lernen wird, die sie in ihrem Leben braucht und letztendlich auch für Prüfungen, wenn sie diese dann machen möchte.
Ach Momo. :fahne: Vielleicht mag es daran liegen, das dein Kind hochbegabt ist, vielleicht mag es daran liegen, das Du die Schulwelt noch die die Rosarote Brille siehst, da alles im Moment noch frisch ist und dein Kind motiviert ist. Vielleicht mag es daran liegen, dass ich das als frische 1.Klässler-Mama auch so geschrieben hätte, vielleicht mag es daran liegen, das wir hier nur konservative Schulen durchlaufen haben.....keine Ahnung. Aber meine Kinder wollen etwas Anderes lernen als in Schule vermittelt wird. Und was hinzu kommt, den Sinn des Lernens, nehmen wir das Fach Physik, leuchtet ihnen gar nicht ein.
Meine gehen gerne in die Schule, aber wenn sie das lernen dürften, was sie nur wollen, dann wäre das bei meinem Vor-Pupertier nur Computer und bei meiner frischen 5.Klässlerin nur Freunde. Schule- Warum? Ich bin doch eingebettet in eine Hülle. Habe Essen, fahre in den Urlaub, bekomme was ich möchte.......es mangelt an nichts. Der Sinn des Lernens, nach Erwachsenenmaßstäben, ist (noch) nicht verstanden. Meine damals frischen 1.Klässler hätten das auch noch anders bewertet. Lernen - super. Aktuell - lernen ein notwendiges Übel. Gestern wieder der Kampf um die Vokabeln........es war nicht der Erste und es wird nicht der Letzte gewesen sein.

Würde ich meinen Kindern "vertrauen", dann würden sie nicht das lernen, was sie später, im Erwachsenenalter, benötigen.

VG
Rabaukenmama
Dauergast
Beiträge: 2969
Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24

Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Momo hat geschrieben: Doch ganz kurz noch ein Kommentar von mir. Mir fällt auf, dass keiner von Euch darauf vertraut, dass Kinder lernen WOLLEN. Selbst wenn sie erstmal spielen, spielen, spielen so wie meine begeisterte Tochter, dann lernt sie dabei doch trotzdem und sie wird weiter lernen. Doch neben dem ganzen Schulwissen lernt sie so viel weiteres, was in keiner Schule gelehrt wird- Kreativität, Begeisterung, eigenmotiviertes Handeln, soziale Kompetenz, Verantwortungsgefühl, Organisation etc. etc.
Ich merke schon jetzt, wie gut ihr diese Schule tut und ich vertraue ihr, dass sie die Dinge lernen wird, die sie in ihrem Leben braucht und letztendlich auch für Prüfungen, wenn sie diese dann machen möchte.
Ich habe nie bezweifelt dass die meisten Kinder lernen WOLLEN. Ich traue nur dem Großteil der Kinder nicht zu, selbst bestimmen zu können, was und wie viel sie später mal BRAUCHEN. Für ein HB-Kind (wie ich eines war) ist es kein Problem, Prüfungen abzulegen. Selbst nach 4 verbummelten Hauptschul-Jahren war das Ergebnis meine Aufnahmeprüfung in die höhere Schule noch guter Durchschnitt. Nur - ich bin knapp unter der Grenze zur Höchstbegabung und kann dadurch ganz viel kompensieren. Andere Kinder tun sich damit schwerer.

"Ich sehe an meiner Tochter" ist ein Satz, der immer wieder von Dir kommt. Deine Tochter ist das Kind, welches du am besten kennst, daher ist sie für Dich der Maßstab, wie "Kinder" sind. Klar wirst du auch noch Freunde und Klassenkameraden deiner Tochter bis zu einem gewissen Grad kennen, sie werden deiner Tochter ähnlich sein, und dein Eindruck, Kinder wären eben so, wird noch verstärkt. Dabei sind das alles Kinder auf Familien mit ähnlichem Bildungsniveau und ähnlichen Werten. Auch die Einstellung zur Schule wird ähnlich sein, sonst würden diese Kinder nicht dieselbe Einrichtung besuchen.

Defizite sieht man erst später. Meine Trauzeugin ist Oma einer Montessori-Schulabgängerin. Mit 16 Jahren war sie nicht sicher, wie viel 75+75 ergibt. Sie ist offen, kreativ und fröhlich. Aber Mathe hat sie halt null interessiert. Auch die Rechtschreibung ist leider schwach, viele Schreibfehler, Fallfehler, usw. - obwohl das Mädchen gerne und viel liest! Es ist ein Einzelfall und ich lehne mich nicht so weit aus dem Fenster, zu behaupten, dass sie es in der Regelschule besser gelernt hätte. Aber so, dass man einfach durch lesen richtig rechtschreiben lernt oder durch das kommunizieren in einer Sprache die korrekte Grammatik, ist es eben nicht. Klar ist lesen förderlich fürs schreiben und Kommunikation wichtig für das lernen einer Fremdsprachen, aber es ist AUCH üben, oft sogar "büffeln" notwendig.
Momo hat geschrieben:Liebe Koschka,
wenn man eine Sprache lernen will, dann muss man doch vor allem eins tun- diese Sprache sprechen!!! Oder wie lernen Kinder die Muttersprache? Indem sie sie hören und sprechen! Das ist nachhaltig, das geht in Fleisch und Blut über. In unserer freien Schule bewegt sich der englische Lernbegleiter mitten zwischen den Kindern. Sie sprechen zum Beispiel beim Mittagessen miteinander, oder in der Leseecke, oder im Garten. Natürlich alles auf Englisch. Es gibt auch eine tolle Yogalehrerin in dieser Schule, die aus England kommt und kaum Deutsch spricht. Sie spricht also beim Yoga mit den Kindern auf englisch, die größeren Kinder übersetzen den Kleineren, wenn diese es nicht verstehen. Doch die Kinder verstehen erstaunlich gut und sind begeistert- vom Yoga und von der englischen Sprache!

Momo


Meine guten Englischkenntnisse begründen sich damit, dass meiner Mutter mich immer wieder zum Vokabel-lernen genötigt hat. Ihr jüngerer Bruder wurde wegen schlechter Engschlischleistung (hat keine Vokabel lernen wollen) vom A-Zug der Hauptschule in den B-Zug rückgestellt. Um mir das zu ersparen war meiner Mutter immer sehr wichtig dass ich in Englisch dran bleibe. Die "irregular verbs" wurden sogar in der Badewanne noch abgefragt. NIEMALS hätte ich eigenmotiviert so viel gelernt! Vielleicht ein paar Floskeln, vielleicht auch mich mit Händen und Füßen verständigen, aber ich hätte doch keine Vokabel gebüffelt! Da ich trotzdem kaum Schulübungen und Hausübungen geschrieben habe hatte ich auch in Englisch meine 3 im Zeugnis. Aber nach 4 Hauptschuljahren mit immer wieder erzwungenem lernen hatte ich die Sprache doch ziemlich verinnerlicht. Nach Schulabschluss habe ich alle 2-3 Jahre einen Auffrischungskurs an der Volkshochschule gemacht. Das hat mir geholfen, das Gelernte nicht wieder zu vergessen. Aber die Basis ist aus der Hauptschul-Zeit!

Mittlerweile lerne ich aus meiner aktuellen Situation heraus noch eine Sprache, nämlich ÖGS. Nach 8 Kursen habe ich gerade mal das 6. Semester abgeschlossen (Level B1) - und nicht mal das positiv :( ! Ich schaue DVDs, suche aktive Kontakt mit Muttersprachlern, lerne Vokabel und Grammatikregeln und komme trotzdem nur sehr mühsam weiter. Von "korrekter Sprachanwendung" bin ich leider noch weit entfernt. Dabei bin ich heute im Gegensatz zum Englisch-lernen in meiner Schulzeit eigenmotivert und gehe strukturiert vor.

Aber ich habe mittlerweile bemerkt, dass etliche, die von sich behaupten, ÖGS zu "können", immer noch auf Level A2 kommunizieren (wie koschka das von ihrem Musiklehrer beschreibt). Von der Warte wage ich zu behaupten: um eine Sprache wirklich ordentlich zu lernen ist es (von einigen Ausnahmetalenten abgesehen), notwendig, zu "büffeln". Ausnahmen sind natürlich Kinder, die ECHT mehrsprachig aufwachsen. Und damit meine ich nicht, dass ein Elternteil ab und zu mal eine andere Sprache spricht sondern dass wirklich BEIDE (bzw. ALLE) Sprachen von wichtigen Bezugspersonen laufend gesprochen (und nicht vermischt) werden + und das im Idealfall in den ersten 6 Lebensjahren!
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
sinus
Dauergast
Beiträge: 1318
Registriert: Fr 26. Nov 2010, 10:52

Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von sinus »

alibaba hat geschrieben:
Momo hat geschrieben: Mir fällt auf, dass keiner von Euch darauf vertraut, dass Kinder lernen WOLLEN. . Ich merke schon jetzt, wie gut ihr diese Schule tut und ich vertraue ihr, dass sie die Dinge lernen wird, die sie in ihrem Leben braucht und letztendlich auch für Prüfungen, wenn sie diese dann machen möchte.
Ach Momo. :fahne: Vielleicht mag es daran liegen, das dein Kind hochbegabt ist, vielleicht mag es daran liegen, das Du die Schulwelt noch die die Rosarote Brille siehst, da alles im Moment noch frisch ist und dein Kind motiviert ist. Vielleicht mag es daran liegen, dass ich das als frische 1.Klässler-Mama auch so geschrieben hätte, vielleicht mag es daran liegen, das wir hier nur konservative Schulen durchlaufen haben.....keine Ahnung. Aber meine Kinder wollen etwas Anderes lernen als in Schule vermittelt wird. Und was hinzu kommt, den Sinn des Lernens, nehmen wir das Fach Physik, leuchtet ihnen gar nicht ein.
Meine gehen gerne in die Schule, aber wenn sie das lernen dürften, was sie nur wollen, dann wäre das bei meinem Vor-Pupertier nur Computer und bei meiner frischen 5.Klässlerin nur Freunde. Schule- Warum? Ich bin doch eingebettet in eine Hülle. Habe Essen, fahre in den Urlaub, bekomme was ich möchte.......es mangelt an nichts. Der Sinn des Lernens, nach Erwachsenenmaßstäben, ist (noch) nicht verstanden. Meine damals frischen 1.Klässler hätten das auch noch anders bewertet. Lernen - super. Aktuell - lernen ein notwendiges Übel. Gestern wieder der Kampf um die Vokabeln........es war nicht der Erste und es wird nicht der Letzte gewesen sein.

Würde ich meinen Kindern "vertrauen", dann würden sie nicht das lernen, was sie später, im Erwachsenenalter, benötigen.

VG

Nur mal am Rande: wie viel davon und wie oft benötigst du im Alltag oder Berufsleben bspw die "höhere" Physik, die im Gymnasium "dran" war?
Ich war immer ziemlich gut in Naturwissenschaften, habe ein Studium mit Abschluss Dipl.Ing. wo viele naturwissenschaftliche und technische Fächer Pflicht waren. (Nachrichtentechnik, Elektrotechnik, Physik, Mathe, Informatik...)
Fast NICHTS davon ist hängengeblieben. Trotz guter Noten. Einfach weil es mich zumeist nicht interessierte und weil ich es nicht wirklich brauchte.
WENN ich aber mal etwas brauchte, dann habe ich es mir haste-nich-gesehen schnell und effektiv selbst angeeignet.
Wir hatten z.B. eine Vorlesung "Medientheorie". An sich fand ich das hochinteressant, aber die Professorin ging gar nicht, die war völlig verquer. So schwänzte ich die Vorlesungen regelmäßig. Kurz vor der Prüfung suchte ich mir dann Skripte und Texte im Internet zusammen zu den Themen, die behandelt wurden und lernte das alles nach.(Ein ganzes Semester in 2-3 Nachmittagen) Ich habe die Prüfung, die insgesamt sehr schlecht ausfiel, dann mit "gut" bestanden.
Oder Elektronik/Elektrotechnik Thema Dreistromtechnik. Habe ich in der öden Vorlesung nicht so recht kapiert. Vor der Prüfung gründeten wir eine Lerngruppe und setzen uns bei einem Freund in der WG zusammen hin. Auch diese Prüfung war dann schnell und gut abgehakt.
Oder Beispiel Sprachen: Ich habe in der Schule Russisch und Englisch gehabt, weil es halt Pflicht war. Ich habe gemacht, was ich machen musste, weil es Noten gab. Konnte ich hinterher russisch oder englisch?
Nein!
Das erste Mal eine Sprache wirklich motiviert und mit Erfolg gelernt habe ich, als es mich wirklich interessierte. Das war mit 15 Jahren Esperanto. (Damals fuhr ich zu diversen Esperantotreffen und war höchst fasziniert davon, mich mit so vielen verschiedenen und höchst interessanten Menschen aus verschiedensten Ländern so unkompliziert unterhalten zu können.)
Später hatte ich einen arabischen Partner. Da habe ich dann bisschen arabisch gelernt und auch die arabische Schrift zu lesen.
Englisch sprechen habe ich erst auf Reisen gelernt...

Die Dinge, die in meinem Leben von Bedeutung waren, habe ich mir meistens selbst bzw aus eigener Motivation heraus angeeignet.
Und so viel unkomplizierter und effektiver, als alles, was im Unterricht dran war!

Aktuell arbeite ich als Grafikerin. Das hat jetzt nicht allzuviel mit dem zu tun, was ich studiert habe. Das Studium gab wichtige Impulse, aber die Fähigkeiten, die ich im Berufsleben brauche, habe ich eher nicht aus dem Unterricht der Schule und den Vorlesungen des Studiums.

Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob das wirklich alles so sinnvoll ist, wie es im jetzigen Schulsystem funktioniert oder ob es nicht ganz andere Ansätze gibt, die sehr viel besser sind. Wie bspw. das freie Lernen.
Nur weil etwas etabliert ist, heißt es nicht, dass es gut ist und noch in die jetzige Zeit passt...

Ich könnte mir z.B. ein Schulsytem vorstellen, wo es Ansprechpartner und Stunden zu bestimmten Themen gibt, den Kindern aber selbst überlassen wird, welche "Vorlesungen" sie besuchen, ob sie lieber entsprechende Projekte machen wollen (wo die fachkompetenten Ansprechpartner nur bei Bedarf befragt werden) oder doch Unterricht/Vorträge haben/hören wollen etc.

Man darf auch nicht vergessen, dass es heutzutage so viel leichter ist, sich selbst Wissen zu beschaffen, als früher.
Früher blieb maximal der Gang in die Bibliothek - so eine erreichbar. Heute findest du fast alles fast jederzeit online, vom Sprachkurs über Sachfilmen zu allen möglichen und unmöglichen Themen bis hin zu Lern-Tutorials. (Ich lerne bspw grad per Onlinetutorial Ukulele)
Und durch die Medien wirst du auch ständig mit einer Vielzahl von Themen und Informationen konfrontiert, die zu weiterreichenden Fragestellungen führen.
Das gabs früher so alles nicht... Das musste dann natürlich u.a. die Schule anbieten. Die Welt ist viel kleiner und gleichzeitig viel größer geworden.
Ich denke, dass die Schule/das Schulsystem da noch sehr hinterherhinkt... ich finde sie nicht "falsch" und sicher bietet sie nach wie vor sehr viel, aber ich denke, sie passt langfristig gesehen einfach nicht mehr so richtig gut zur heutigen Zeit.
Wie viel besser wäre es, zu fördern, dass die Kinder selbst lernen - die richtigen Fragen zu stellen und an der richtigen Stelle Antworten zu finden - statt sie zu einem Großteil "ungefragt" mit Informationen zu berieseln, die sie in dem Moment weder interessieren, noch sich langfristig merken?

Ich selbst war immer ein vielseitig interessiertes Kind und behaupte, das trifft auf fast alle Kinder zu. Ich würde wohl ganz von selbst die Abwechlsung suchen und irgendwann nicht mehr nur toben und spielen wollen.
Ich war grad mit Freunden und deren und meinen Kindern in den Alpen.
Was denkst du, wie viele tiefgehende Fachfragen die 7jährigen hatten "ganz nebenbei". Zur Enstehung des Gebirges, wieso man da Muscheln finden kann, wo das Wasser in den Bergbächen eigentlich herkommt, wieso das Gestein so in Schichten vorkommt, wie eigentlich Steine entstehen, warum sie so verschiedene Farben haben, wie so eine Seilbahn eigentlich funktioniert .......etc pp.
Und im Urlaub hat man dank Schulferien und entspannter Eltern so viel mehr Zeit, über sowas zu reden.
Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass die Kinder in der und durch die Schule weniger "Pflichtprogramm" hätten und mehr Zeit für solche Erlebnisse und Fragen... *träum*
Wie viel mehr würden sie dann wohl lernen und erfahren? Und wie viel besser würde es sich einprägen?
Man trifft ja innerhalb eines Themas eigentlich immer auch auf Nebenthemen, wo dann bspw plötzlich doch auch Physik, Chemie etc eine Rolle spielen und dann muss sich dann darin fit machen, um voranzukommen...
(Aktuell: Tochter hat vom Fall Peggy gehört und den neuen DNA-Spuren. Ein wunderbarer Aufhänger, um über DNA zu sprechen.)

Was mich immer sehr angeödet hat, war das - leider sehr häufige - "berieselt Werden" mit Wissen, wozu mir der aktuelle und praktische (und emotionale) Bezug völlig fehlte.
Im damaligen Sprachunterricht z.B. (Damals war man noch nicht überall von englischer Sprache umgeben und an Fernreisen war in der DDR eh nicht zu denken. Bzw kurz nach der Wende aus finanziellen Gründen auch lange nicht.)

Ich bin übrigens insgesamt gern in die Schule gegangen(zumindest ins Gymnasium, an den Grundschulunterricht erinnere ich mich wenig), hatte viele Freunde und viel Spaß mit ihnen und es gab im Unterricht durchaus oft Themen, die mich begeistert haben. Ich mochte neben Kunst, Musik und Sport z.B. Deutsch sehr gern und Geographie. Zeitweise auch Mathe, Biologie und Physik. (Das hing vom Lehrer ab!)
Vermutlich war aber - so rückblickend betrachtet - trotzdem ein Großteil meines Schulunterrichts so ziemlich vertane Zeit. Bzw maximal eine Lektion zum Thema Anpassung und Stillsitzen. Wer weiß, wie viel besser ich die Zeit hätte nutzen können...
Und was für ein Glück, dass mir das Lernen immer so leicht fiel, dass ich genug Freizeit hatte, in der ich den Dingen nachgehen konnte, die mich wirklich interessierten.
Das ist ja mit der heutigen Schule scheints leider heute auch nicht mehr ganz so, dass nicht auch noch die Freizeit von schulischen Dingen reduziert wird.
Die Blätter sind bunt
nun bellt der Hund
nun lacht der Mund
Raureif liegt auf dem Gras.
Der Has`
friert um die Nas.

(Herbstgedicht der 6jährigen)
Meersalz
Dauergast
Beiträge: 118
Registriert: Di 9. Apr 2013, 01:04

Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Meersalz »

Liebe Momo,
wenn ihr aus dem Urlaub zurück seid, dann berichte doch mal, wie es bei Deiner Tochter läuft...
Liebe Grüße, Meersalz
Geniesse den Augenblick, denn der Augenblick ist Dein Leben!
Momo
Dauergast
Beiträge: 976
Registriert: Mo 13. Jan 2014, 22:49

Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Hallo Ihr Lieben,
wir sind wieder zurück :) danke Sinus, für Deinen ausführlichen Bericht, Du sprichst genau die Dinge an, die ich meine! Sehr spannend!!!

Ich möchte dem noch hinzugfügen, dass es weltweit bereits viele Schulen mit dem freien demokratischen Ansatz gibt und dass dort bei den Schülern übereinstimmende Tendenzen des eigenmotivierten Lernens und der Freude an Schule zu beobachten sind. Ich habe mir gerade im Urlaub einen sehr interessanten Film angesehen, der genau dieses Thema beleuchtet "Schools of Trust", der Aufbruch zu den Schulen von morgen. Hier ein kurzer Filmtrailer, der vollständige Film ist sehr zu empfehlen!!: https://www.youtube.com/user/SchuleDesLebens.
Ich hatte diesen Filmtrailer hier schon mal irgendwo verlinkt. In diesem Film werden diverse Schülerinnen und Schüler, Wissenschafter (Gerald Hüther), Lernbegleiter, Pädagogen (Jesper Juul) etc. interviewt und man gewinnt wirklich ein Verständnis für den Ansatz des freien Lernens. Interessant ist für mich, dass dieser Ansatz so einleuchtend ist, wenn man sich nur darauf einlässt und dass es weltweit funktioniert- diese Schüler entwickeln sich zu jungen Menschen, die in ihrer Schule mehr glernt haben als bloßes Wissen, welches in Schulbüchern gelehrt wird. Gerade durch die tägliche Auseinandersetzung mit anderen Menschen entwickeln diese Kinder unter Anderem die wertvollen "soft skills", die sie in Zukunft weiterbringen werden.

Sehr gerne werde ich weiter berichten, wie sich meine Tochter in ihrer freien Schule entwickelt. Für mich ist es auch ein Abenteuer und es verlangt unglaublich viel Vertrauen, das könnt Ihr mir glauben :D
Liebe Grüße von Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Momo
Dauergast
Beiträge: 976
Registriert: Mo 13. Jan 2014, 22:49

Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Sehr schmunzeln musste ich heute bei einem Gespräch zwischen meiner Tochter und einem Geschäftsmann, den ich fotografiert habe.

Er fragte: "Na, gehst du denn schon zur Schule?" Tochter: "Ja klar!" Geschäftsmann: "Machen Dir eher die Pausen oder der Unterricht Spaß?" Tochter: "Der Unterricht!!!" Und als er erstaunt schaute, erklärte sie: "Es ist keine "Sitzen- Schule", sondern eine "Flitzen- Schule", ich kann den ganzen Tag herumrennen! Und wenn ich Unterricht mache, dann tu ich es, weil ich es will und dann ist es auch toll!" Ja, da war dann auch der Geschäftsmann um einige Informationen reicher ;)

Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Rabaukenmama
Dauergast
Beiträge: 2969
Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24

Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Mein Sohn behauptet von sich selbst, nicht lernen zu wollen. Stimmt natürlich nicht, aber wenn er es sich komplett aussuchen könnte dann würde er 90% der Zeit zeichnen und Lustige Taschenbücher lesen und maximal 10% der Zeit lernen. Ich vermute mal dass das im Moment sogar locken reichen würde - er ist ohnehin kognitiv weit voraus.

Aber ich sehe bei ihm auch die Scheu vor (schulischen) Arbeiten, die er nicht im kleinen Finger hat. Er hat kein Problem damit, Reihen von Zahlen und Buchstaben zu schreiben, die er ohnehin seit mehr als 4 Jahren kennt und kann. Das müßte er eigentlich gar nicht, macht es aber (laut seiner Lehrerin) freiwillig.

Dagegen mag er nach eigener Aussage Mathematik nicht. Warum? Weil er da mittlerweile die erste Aufgaben bekommen hat, die er NICHT "einfach so" kann, sondern wo er nachdenken und vielleicht sogar mal nachfragen müßte. Zum Beispiel ein 100er Feld, wo er bestimmte Zahlen korrekt einsetzen muß. Mein Sohn weiß zwar, wie das geht und wie man abzählt was wo hin gehört, will sich aber nicht plagen. Das erste 100er Feld hat er komplett ausgefüllt (alle Zahlen von 1-100) weil dann die gewünschten Zahlen auch korrekt drin gestanden sind :mrgreen: . Zahlenreihen logisch fortsetzen ist auch so eine Sache: da müßte er nachdenken bzw. nachfragen wenn die Aufgabenstellung nicht ganz klar ist. Also schreibt er lieber wenn 2,4,6,8,... steht weiter mit 9,10,11,12...

Das ist so eine Sache: ich WEISS dass mein Sohn die Aufgabe lösen kann, wenn er bereit ist, sich anzustrengen und nachzudenken. Ist es sinnvoll, sie ihm trotzdem zu ersparen? Irgendwann wird er schon so weit sein, sie locker zu verstehen und lösen zu können, oder? Welche Botschaft will ich vermitteln?

"Du schaffst das schon irgendwann, du brauchst dich jetzt nicht damit rumplagen wenn es nicht gleich klappt!"?

"Du schaffst das jetzt, wenn du Dich etwas anstrengst. Nicht alles geht ganz leicht, aber es lohnt sich weil du selbst froh sein wirst, wenn du es begriffen hast!"?

"Probier mal ob du es schaffst! Wenn nicht dann frag jemanden (die Lehrerin, die Hortbetreuer, mich, den Papa) und laß es Dir erklären! Wenn es dann noch nicht klappt dann probierst du es ein anderes Mal wieder!"?

Das ist die Frage: Darf ich von meinem Sohn erwarten, sich zu plagen, etwas zu schaffen, von dem ich WEISS dass er es kann?

Dazu schaue ich auf meine eigene Kindheit zurück, wo ich praktisch den kompletten Grundschulstoff ohne Anstrengung im kleinen Finger hatte. In der Hauptschule ging es ähnlich weiter. Ich mußte mich nur sehr selten plagen, was zu "erarbeiten" und wenn, dann habe ich das nur mit Druck gemacht (wie bei den Englischvokabeln, wo meinen Mutter darauf bestanden hat).

Und dann, in der höheren Schule stand, ich buchstäblich wie der Ochs vorm neuen Tor. Ich hatte nie gelernt, zu lernen, mich zu plagen, mir Ziele zu setzen oder auch von anderen für mich gesteckte Ziele zu erreichen! Als ich mitbekam, dass ich in der höheren Schule ohne lernen nicht durchkomme und 30 Minuten pro Tag trotz Hochbegabung sicher nicht ausreichen, habe ich mich entschlossen, die Schule abzubrechen.

Heute frage ich mich manchmal, was gewesen wäre, wenn....
....ich schon VORHER manchmal Druck gehabt hätte. Wenn schon VORHER von mir erwartet worden wäre, Ziele zu definieren und darauf hinzuarbeiten. Natürlich kann ich nicht wissen, was wirklich gewesen wäre. Und schließlich habe ich auch ohne Matura meinen Weg recht gut gefunden ;) . Aber meine persönlichen Erfahrungen stimmen mich schon nachdenklich in Bezug auf meinen Sohn.

Ich bin ziemlich überzeugt, mit der Wahl einer "freieren" Schulform und individuellen Aufgaben in der Mehrstufenklasse im Moment das für meinen Sohn zu tun, was am ehesten seiner Persönlichkeit entspricht. Ich bin aber auch wirklich froh, dass es einen Lehrplan und definierte Ziele gibt. Einfach so draufloslernen ist sicher toll und produktiv. Es soll auch seinen Platz im Leben meines Sohnes haben. Aber NUR zu machen, worauf man gerade Lust hat, bzw. was einem leicht fällt, ist mMn auch nicht der Weg.

MMn sind die Ansichten, wie ein Kind am besten lernen soll, ziemliche Extreme. Entweder alles mit Frontalunterricht vermitteln, Tests, Schularbeiten, Noten, Druck,...
...oder einfach nur "machen lassen" und darauf vertrauen, dass das Kind schon selbst wissen wird, was es will und was es später einmal brauchen wird.

Kinder können mehr als die meisten Erwachsenen ihnen zutrauen. Aber sie können nicht alles und vor allem "funktionieren" nicht alle Kinder gleich. Es gibt tatsächlich Kinder, die kaum oder gar keinen Druck "brauchen" - warum sollte man denen welchen machen? Es gibt aber auch Kinder, wo manchmal ein "du mußt" einfach notwendig ist.

Im Moment ist mein Sohn davon überzeugt, später mal Erfinder werden zu wollen. Vor allem will er eine Maschine erfinden, die aus Müll Geld macht 8-) - damit sind gleich zwei große Probleme aus der Welt geschafft! Dafür braucht er natürlich keine Fremdsprachen, warum also sollte er Notwendigkeit darin sehen, doch welche zu lernen? Auf die Uni muß er auch nicht, daher braucht er keine Matura. Und da er als Erfinder natürlich selbstständig ist braucht er auch nicht mit einem Abschlusszeugnis wo vorstellen gehen, also ist doch völlig egal, welche Noten da drinstehen.

Will ich mich unter den Voraussetzungen wirklich darauf verlassen, dass er schon wissen wird, was er tut? Ach, lieber nicht ;) !
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Antworten