Freie Schule

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Momo
Dauergast
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Re: Freie Schule

Beitrag von Momo »

Liebe Koschka,
das finde ich höchst interessant, ich freue mich für Euch und vor Allem für Deine Kinder!!!
Meine Tochter wird ab Sommer nun auch eine sehr freie Schule besuchen (Hausunterricht ist in Deutschland leider nicht möglich, würde ich auch spannend finden. Ich sehe Berlin als riesengroßes Klassenzimmer). Wie ich meine Tochter einschätze, wird ihr das freie und eigenständige Lernen sehr gut tun. Meine Aufgabe ist nun, das nötige Vertrauen in ihre gute "Entwicklung aus ihr selbst heraus" aufzubringen. Ich kann Dir einen Film sehr ans Herz legen, den ich mittlerweile einige Male gesehen habe (kannst Du auf DVD bestellen): "Schools of trust": https://www.amazon.de/Schools-Trust-Auf ... 3937797491. Dieser Film bestätigt all meine Beobachtungen und Gedanken zu diesem Thema. Welcher Film ebenso sehr sehenswert ist (wahrscheinlich kennst Du ihn), ist "Alphabet, Angst oder Liebe", eine wunderbare Dokumentation über die Schulsysteme dieser Welt und die Fragen dahinter.

Liebe Grüße, ich würde mich sehr freuen, von weiteren Freilern- Erfahrungen zu hören!
Momo
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Rabaukenmama
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Re: Freie Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Hallo Koschka und Momo!

Erst mal danke für die links, werde sie später in Ruhe mal durchsehen :) .
Koschka hat geschrieben:Da meine Kinder für ihre Klassenstufe deutlich zu jung sind, um sozial keine Probleme bei Rückintegration zu erwarten, haben sie eher mindestens ein Jahr Freiraum für solche Experimente.
So, wie du das beschreibst, glaube ich das auch. Vor allem finde die Beobachtung dessen, was sie machen, interessant. Daher meine Bitte, uns teilhaben zu lassen, wie es weitergeht.
Koschka hat geschrieben:Die Noten spielen keine Rolle, einen bestimmten Berfuswunsch hat er noch nicht, und somit ist es ihm nicht wirklich klar, warum man bestimmte Sachen, die einem eigentlich zuwider sind, mit beneidenswerter Regelmäßigkeit gemacht werden müssen. Ich habe versucht außer Schulnoten noch Punktsysteme für Engaigment einzuführen. Die haben nicht mal einen halben Tag hier jemanden interessiert.
Hätte ich mir denken können, Punktesystem kommt ja Noten gleich. Mein Mann versucht gerade (wieder einmal) Sohnemann mit goldenen Sternen vom einnässen wegzubringen. Dass ich davon nicht überzeugt bin weiß er, trotzdem lasse ich ihn das durchziehen, einfach nur weil er (mein Mann) immer noch hofft, mit "postiver Motivation" was zu erreichen. Tatsächlich lügt mein Sohn jetzt öfter wenn die Hose nass ist um sein Sternderl (welches er später in Geld für seine Lego-Spardose tauschen kann) zu bekommen.

Genauso sehe ich das mit Noten und Punktesystemen, egal ob in der Schule oder daheim. Kluge Kinder werden sehr wahrscheinlich alle Möglichkeiten ausschöpfen um mit dem geringstmöglichen Aufwand die meisten Pluspunkte zu bekommen. Und genau DAS ist ja das Gegenteil von Motivation. Hier hat mir das Buch "Aufwachsen in Vertrauen" von Christine Mol einiges klarer erscheinen lassen (auch wenn ich nicht mit allen Punkten und Theorien übereinstimme).
Koschka hat geschrieben: Meine Kinder könnten genung Anspruchsvolle haben, falls sie wollen. Sie müssen auch keine stupide Wiederholungen machen, falls sie was gut können. Trotzdem fragte mich mein Sohn noch nie nach mehr: weder in Mathe noch zu bestimmten Sachthemen, die zu seinen Stärken gehören. Selbstverständlich erst recht nicht zu den Themen, die seine Schwächen ausmachen.
Hier vermute ich dass der Übergang zwischen lernen und anderen Tätigkeiten instinktiv fließend wäre. Und ich beobachte bei meinen zwei Rabauken, die ja noch nicht in die Schule gehen, dass sich immer wieder Phasen mit exzessivem Interesse für bestimmte Themen mit anderen Phasen abwechseln. Das betrifft aber auch die Art der Tätigkeit an sich: also lernen (wofür denken notwendig ist) oder sich bewegen (wofür Körperkontrolle notwendig ist) oder eine spielerische Kombination von beidem.

Meine Beobachtung älterer Kinder sowie meine Erinnerungen an meine eigene Kindheit zeigen mir, dass das zumindest bis zum einsetzen der Pupertät so bleibt. Dadurch ist "du kannst Dir selbst aussuchen, was du LERNST" nicht dasselbe wie "du kannst Dir selbst aussuchen, was du MACHST".

Bei mir als Schulkind bestand der Tag aus Schule und Freizeit. In der Schule mußte ich anwesend sein und habe dann mitgearbeitet, wenn mich ein Thema interessiert hat. Ansonsten habe ich einfach rumgeträumt und gewartet, dass die Zeit vergeht.

In der Freizeit habe ich mich mit den Dingen beschäftigt die mich interessieren (z.B. Wissensbücher lesen), die mir Spaß machten (Kinderbücher lesen, fernsehen, schwimmen) und die mir Entspannung brachten (fischen, meine Briefmarkensammlung sortieren). Der Übergang war fließend. Bei meiner selbst gewählten Freizeitgestaltung gab es "Futter" für alle Bereiche: den Geist, den Körper und die Seele. Trotzdem hätte ich z.B. NIE in meiner Freizeit was gemacht, weil ich es gut oder schlecht "kann". Ich war z.B. immer gut in Mathe (trotz teilweise mittelmäßiger Noten) und mein Mathe-IQ ist bei 150+.

An den heute stattfindenden Mathe-Känguru-Wettbewerben hätte ich sicher viel Freude gehabt. Aber ich hätte mich NIEMALS in meiner Freizeit hingesetzt um Mathe zu lernen - auch nicht den Stoff des nächsten oder übernächsten Jahres!

Genauso ist es mit Sport. Ich habe mich immer gerne bewegt, was aber trotzdem als Kind sehr unsportlich. Nachdem ich beim "Kinderturnen" (wo ich wegen grobmotorischer Defizite mit 5-6 Jahren teilnehmen musste) und beim turnen in der Schule eine der schlechtesten war hatte ich keinerlei Interesse, in meiner Freizeit zu laufen oder Ball zu spielen. Dafür hatte ich Freude daran, stundenlang mit meinem gleichaltrigen Freund durch die Wälder zu streifen oder ganz allein die Badeteiche in der Nähe des Grundstücks meiner Eltern zu durchschwimmen.

Rückblickend weiß ich, dass ich mir damals genau die Dinge ausgesucht habe, die ich am meisten GEBRAUCHT habe. Ich war grobmotorisch so schlecht, dass genau das gehen im Gelände und das schwimmen mich ganzheitlich am besten gefordert und gefördert haben. Meine Koordination und mein Gleichgewichtsgefühl waren zu schlecht um dass mir laufen oder Ball spielen irgendwie Spaß gemacht hätte. Es war als würde man von einem Kind erwarten, eine Geschichte sinnerfassend zu lesen, welches gerade noch übt, die Buchstaben auseinander zu halten.

Daher, liebe Koschka, vermute ich einfach mal so (ohne Anspruch, damit richtig zu liegen) dass dein Sohn von sich aus mehr Zeit für den körperlichen, seelischen oder "gemischten" Bereich brauchen würde. Die vorgegebenen Lernzeiten dienen ja ausschließlich der geistigen Ebene. Wenn er hier mehr Zeit zur Verfügung hat, als er selbst dafür wählen würde, besteht natürlich kein Interesse an zusätzliche Aufgaben.

Wie gesagt, das ist nur so eine Mutmaßung von mir. Vom lernen selbst kann ich maximal aus eigener Erfahrung bzw. Erinnerung mitreden weil bei meinen Buben das Lernen ja bisher immer ohne Druck und Vorgaben ganz natürlich stattgefunden hat.

@Momo: früher war ich öfter auf einer Freilerner-homepage, die ich recht interessant gefunden habe: http://www.freilerner.at/
Da sind echt total engagierte Eltern, die sich sehr viele Gedanken drüber machen wie sie ihre Kinder ganzheitlich sowohl geistig als auch sozial fit fürs Leben machen.

Damals habe ich ernsthaft überlegt, meinen jüngeren Sohn (und vielleicht auch gleich den älteren mit) zu Hause zu unterrichten. Grund war hauptsächlich dass das Niveau der meisten Schulen für hörgeschädigte Kinder erschreckend niedrig ist und meistens automatisch nach Sonderschullehrplan unterrichtet wird :evil: . Doch leider geht homeschooling in Österreich nur, wenn das Kind keinen sonderpädagogischen Förderbedarf hat. Und ein gehörloses Kind hat (unabhängig von IQ und Leistungsfähigkeit) grundsätzlich sonderpädagogischen Förderbedarf. Nächste Hürde wären die Prüfungsmodalitäten. Obwohl ÖGS seit 11 Jahren anerkannte Sprache ist dürfen die jährlichen Prüfungen weder in ÖGS abgehalten noch übersetzt werden. Sprich: mein gehörloses Kind müßte eine rein lautsprachliche, mündliche Prüfung bestehen. Damit ist mein Traum vom homeschooling leider gestorben. Mittlerweile habe ich aber zumindest 2 Schulen in der engeren Auswahl, wo auch Kleinsohn nach normalem Lehrplan lernen darf. Ich hoffe das klappt...
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
alibaba

Re: Freie Schule

Beitrag von alibaba »

Ich kann nur beobachten, aber allgemein gültig ist das natürlich nicht, das Anfangs immer Euphorie vorgeherrscht. Hurra, etwas Neues, gab es noch nie, wie toll. Und dann, ein paar Wochen oder auch nur Tage später, legte sich der Ehrgeiz das so zu nehmen wie es ist und die Begeisterung weiter zu tragen. Es kehrte wieder Alltag ein, egal wie man das Kind nun nennen mag.

Ich bin mir nicht sicher, ob die Eigensteuerung/Motivation/Verständnis nicht durch die persönliche Reifeentwicklung kommt. Und diese persönliche Entwicklung kann ich nicht wirklich von außen beeinflussen, mit keinem Sternchen/Punkten der Welt.

Ich kann das gut an meinem Sohn und an der nur um zwei Jahre jüngeren Tochter beobachten. Von der Reife her sind beide sehr unterschiedlich und meine X-Cromosonträgerin bei weitem weiter. :mrgreen: Mein Sohn lebt nach dem Minimalprinzip. Alles andere ist ihm egal. Reicht doch - sagt er immer. :o

VG
Momo
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Re: Freie Schule

Beitrag von Momo »

Liebe Koschka,
vielen Dank für den Link zur Reichert Familie- so zu leben wäre auch mein absoluter Traum und Fotografen sind wir ja schon... Gemeinsam mit den Kindern durch die Welt reisen, leben, arbeiten, lernen, alles fließend und mit wirklichem Wert und Bestand- meine Idealvorstellung vom Leben!!

Liebe Rabaukenmama, wie schade, dass bei Eurem jüngeren Sohn das Homeschooling nicht in Frage kommt, das wäre sicher eine sehr gute Lösung! Ich wünsche Euch sehr, dass Ihr eine gute Alternative findet, die Deinem Sohn wirklich gerecht werden kann! Danke für den Link zu den Freilerner Familien, das werde ich mir in Ruhe anschauen!

Liebe Grüße von Momo
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Willow77
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Re: Freie Schule

Beitrag von Willow77 »

Hallo Koschka und alle die ihr hier schon geschrieben habt,

Ich lese eure Beiträge zu Homeschooling sehr interessiert mit.
Auch ich hatte eine Zeit lang vor, meinen Großen aus der Schule zu nehmen und selbst zu unterrichten. Als er im Kindergarten Schwierigkeiten mit der Lehrerin hatte. Mein Mann hatte es mir allerdings ausgeredet und mit gutem Grund: Mein Sohn würde nichts von mir annehmen, noch weniger als in der Schule von einer dritten Person. Ich weiss nicht, wie lange ich hätte zusehen können, mit unschooling, bis er lesen, schreiben und rechnen hätte lernen wollen und sich von mir hätte mitlenken lassen, um es zu lernen. So in der Schule hat er es relativ schnell gelernt. Ich frage mich, ob freie Wahl lassen, was die Kids lernen wollen nicht besser funktionniert, wenn schon eine Basis, sprich lesen und schreiben und rechnen können da sind. Ich könnte mich ja theoretisch auch jahrelang für Dinosaurier interessieren, und mir alles vorlesen lassen, und mir Bilder anschauen, und und und, ohne lesen lernen zu wollen. Und nachher bin ich trotzdem ein kleiner Experte auf dem Gebiet der Dinosaurier. Oder kommt dann der Wunsch lesen lernen zu wollen automatisch? Und die Ausdauer es auch durchzuziehen? Denn mein Großer wollte schon immer wieder lesen lernen. Das lief dann aber wie alles bei ihm und vielen anderen Kindern so in Phasen von ein paar Tagen ab, mit vielen Wochen und Monaten Pause dazwischen, in denen dann kein Fortschritt zu beobachten war.

Aber nicht jedes Kind ist gleich. Eine gute Freundin nimmt ihren Sohn nun heraus, weil Sohn sowieso immer alles zu Hause fertig machen musste, weil in der Schule zu verträumt und zu abgelenkt, und zu Hause würde er dann aber alle Aufgaben ohne zu murren erledigen. Warum dann 2x Zeit mit den gleichen Aufgaben verschwenden, warum nicht gleich alles zu Hause machen?

Auch Systeme mit Punkten und Sternen funktionnieren bei meinem Großen nicht wirklich. Es sei denn, er kann knallhart mitdiskutieren, was denn als Belohnung am Ende für ihn rausspringt. Und dann ist es trotzdem nur von kurzer Dauer. ...

LG,
Willow77
Momo
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Re: Freie Schule

Beitrag von Momo »

Hallo an alle!
Das Verrückte ist ja, dass Kinder von sich aus absolut lernwillig sind, sobald sie jedoch durch Vorschriften, Leistungsdruck etc. in ihrem Lernen eingeengt werden, verlieren die meisten Kinder die Motivation. Schule wird meistens als notwendiges Übel gesehen, wo man leider "durch muss". Denkt mal an die verschwendete Zeit, wenn man sich klar macht, was Kinder in dieser Zeit alles aus begeisterter Eigenmotivation lernen könnten. Und die Lerninhalte werden erwiesener Maßen völlig anders abgespeichert, wenn man beim Lernen begeistert und wirklich interessiert ist. Ein Besispiel- wie lernen Kinder ihre Muttersprache? Nehmen wir die Kinder an die Hand und üben Vokabeln oder schreiben vor, welche Zeiten, Fälle etc. heute gelernt werden müssen? Das klingt total abwegig oder? Doch was machen die Lehrpläne in Schulen anderes? Und andererseits- die Kinder lernen die Sprache einfach durchs Hören, Nachsagen, Erleben. Vielleicht werden sich ältere Kinder, wenn man sie völlig frei lernen lässt, sehr lange mit Themen beschäftigen, die uns nicht "wichtig" erscheinen. Doch was ist wichtig, können wir das eigentlich sagen? Was weiß ich selbst heute noch vom Schulstoff, kann ich mir die Inhalte, die ich aktuell brauche, nicht sehr einfach und schnell selbst aneignen? Und letztendlich- wenn ein junger Mensch nie eine Aversion gegen das Lernen entwickelt hat, kann er auch, wenn er will, sehr zielgerichtet die Inhalte lernen, die er für eine Prüfung benötigt. Mit dem gravierenden Unterschied, dass er viele Jahre vorher Zeit hatte, die Dinge zu tun, die ihn wirklich interessieren und Freude machen. Und durch diese freie Zeit hatte er ganz nebenbei auch noch die Möglichkeit, seine Persönlichkeit optimal entfalten zu können, weil ihm keiner vorgeschrieben hat, wie er zu sein hat, was er wie und wann zu tun hat und dass er durch schlechte Noten bestraft wird, wenn er sich nicht anstrengt bzw. fügt.

Momo
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Momo
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Re: Freie Schule

Beitrag von Momo »

Mir fällt noch etwas ein, weil ich mich im Moment stark mit diesem Thema beschäftige:
Unterschiedlichste Studien belegen, dass Kinder, die ihre Schulzeit an Freien Schulen verbracht haben, im Durchschnitt mindestens genauso gute Prüfungen wie die Kinder ablegen, die vorher 13 Jahre jeden Tag büffeln mussten.

Hier ein Zitat aus einem Artikel über Schulabgänger von freien Schulen:
Daniel Greenberg beschreibt in der Zeitschrift Mit Kindern wachsen, April 2002, die Sudbury Valley
School, die ein radikales Konzept hat: "Sudbury Valley lässt ihre Schüler in Ruhe. ... Keine
Ausnahmen. Wenn wir gefragt werden, helfen wir, falls wir können. Wir mischen uns nicht ein.".
Er analysiert: "Die Zukunft gehört Leuten, die in der Lage sind, Dinge zu handhaben, zu gestalten, zu
formen, zu organisieren, mit neuem Material umzugehen und mit altem, mit neuen Ideen und mit alten,
mit neuen Fakten und mit alten. Derartige Aktivitäten kommen in gewöhnlichen Schulen nicht vor..."
und beobachtet dann, dass "alle unsere Abgänger, die ihre Bildung auf einem College oder einer
Graduate School fortsetzen wollen, das immer - keinen einzigen ausgenommen - schaffen, meist an
der Schule ihrer Wahl... Was sehen die Zulassungsleute in diesen Schülern? Warum nehmen sie
Sudbury-Valley-Schüler? ... Diese geübten Profis haben in unseren Schülern fröhliche, aufgeweckte,
selbstsichere, kreative Köpfe erkannt - den Traum jeder Universität..."
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Bliss
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Re: Freie Schule

Beitrag von Bliss »

Da man nun mal viel leichter nachhaltiger das lernt, was einen gerade beschäftigt wäre ich sehr dafür, dass Homeschooling auch bei uns möglich wäre. Obwohl ich selber wohl nicht machen würde, da einerseits organisatorisch schwer möglich, da wir beide außer Haus berufstätig sind. Andererseits würden meine Kinder wohl auch gar nicht wollen, als wir mal darüber gesprochen haben war sie spontan zwar begeistert, dass man so ja jeden Tag auschlafen könnte und überhaupt viel Zeit sparen könnte, weil die ganzen Wiederholungen wegfallen und das ganze Warten bis jeder alles ausgepackt hat. Aber ziemlich schnell kamen sie drauf, dass sie die Gemeinschaft vermissen würden und Hobby- oder Spielplatzkontakte allein würden ihnen doch nicht ausreichen. Allenfalls, wenn Homeschooling sehr weit verbreitet wäre.

Wovon ich nicht überzeugt bin ist, dass jedes Kind auch außerhalb der eigenen Komfortzone tätig werden würde. Da hab ich im privaten Umfeld andere Erfahrungen gemacht. Ich war als Au-Pair bei einer Familie mit 5 Kindern, die überwiegend Unschooling praktizierten.

Wovon ich eher abgeschreckt bin sind alternative Schulen. Da hab ich hier in der Gegend eigentlich nur in meinen Augen abschreckende Beispiele.
Koschka hat geschrieben: Und damit keiner auf die falschen Gedanken kommt, ist sogar Homeschooling ausdrücklich verboten und viele Eltern der Schüler aus alternativen Schulen zittern beim Gedanken über die Prüfungen, die den Kindern auf dem Weg ins staatliches Schulsystem in den Weg gelegt werden. Alleine Probeunterricht in Bayern, den alle absolventen der privaten Grundschulen, die den staatlichen nicht gleich gestellt sind, ablegen müssen, falls sie einen Übertritt in ein staatliches Gymnasium schaffen möchten, ist eine Horrorgeschichte für die Eltern und Kinder. Was passiert dabei? Kinder, die noch sehr jung und flexibel sind, pauken im krassen Gegenzug zu den gelernten Konzepten den offiziellen Weg. Und das nicht statt der eigentlichen Schule, sondern dazu! Am Ende sind Kind und Eltern fertig, und wenn die Schule nicht wirklich gut war oder das Kind nicht klug genug, dann fallen sie durch Probeunterricht durch. Die offizielle Einstellung der Lehrer im Probeunterricht lautet: "Wir wollen euch allen zeigen, dass ihr nicht ins Gymnasium gehört..." Dabei sind diejenigen, denen sie es zeigen wollen, gerade mal 11 Jahre alt.
Das kann ich bestätigen. In einer freien Montessorigrundschule hier in der Nähe hat vor ein paar Jahren kein einziges Kind den Probeunterricht fürs Gymnasium bestanden. Daraufhin fing man auf Druck einiger Eltern an, die Kinder gezielt darauf vorzubereiten, auch wenn das gar nicht zum Konzept passt. Diese Kinder haben ein viel stressigeres letztes Schuljahr, weil eben alles auf diese zwei Tage ankommt. Während die Regelschüler oft schon ehe sie es überhaupt realisiert haben, den Schnitt praktisch in der Tasche haben. So war es dieses Jahr bei meiner Tochter. Ab Weihnachten war eigentlich schon klar, dass sie den Schnitt kaum noch verfehlen kann.
Rabaukenmama
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Re: Freie Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Koschka hat geschrieben:Es wäre schön, wenn auch in D. mehr erlaubt wäre. In USA unterrichten mittlerweile bis zu 20% der Eltern ihre Kinder selber. Das ist doch eine Ansage an das Schulsystem! Was würden die Deutschen machen, wenn es erlaubt wäre? Würden sie weitechin zu 99,99% die Bildung ihre Kinder dem System überlassen und Präzision der Wiedergabe weiter preisen? Wie würden dann die Schulen aussehen, wenn den Eltern der erschöpften Gymnasiasten vorgeführt werden könnte, dass die Freien Kinder einen besseren Notendurchschnitt haben, ohne dafür ihre Kindheit opfern zu müssen, ohne die Unmengen Geld an Nachhilfe gezahlt zu haben, ohne gemobbt zu werden?
Naja, die USA ist für mich nicht unbedingt das Land, mit dem ich uns (egal ob Ö oder D) vergleichen möchte. Ob da wirklich homeschooling oder unschooling dahinter steckt ist nicht ganz klar und ich kenne auch keine Zahlen in wie weit das Konzept dort tatsächlich "funktioniert". Ich könnte mir z.B. durchaus vorstellen in den USA mein Kind nicht in die Schule geben zu wollen damit es nicht von gewaltbereiten kids statt nur gemobbt gleich mit Waffen bedroht oder gleich abgeknallt wird. Oder auch, weil ich mein Kind davor schützen will, der Schule verwiesen zu werden weil es einem gleichaltrigen Kind einen harmlosen kleinen Kuss gegeben hat. Vorurteile meinerseits? Mag sein, aber die Ideologie der Amis, die sich dafür entscheiden, ihre Kinder selbst zu unterrichten, erschließt sich mir einfach nicht.

In Österreich ist homeschooling ausdrücklich erlaubt und wird auch durchaus gehandhabt. Trotzdem geben über 99% der Eltern die Bildung ihrer Kinder in die Hände von Schulen. Warum? Einerseits weil Schule vielleicht doch besser ist als ihr Ruf, andereseits aber auch, weil für homeschooling viele Vorausstetzungen vorhanden sein müssen, die oft nicht gegeben sind.

1. Derjenige, der Kinder unterrichtet, muß selbst über ausreichend Bildung verfügen um das Gelehrte vermittlen zu können. Wer vor etlichen Jahren mit Müh und Not einen Hauptschulabschluss geschafft und sich danach nicht mehr mit schulischen Dingen beschäftigt hat, ist dafür kaum geeignet.

2. Benötigt wird auch Zeit. Meiner Meinung nach ist das meistens weniger als in der regulären Schule weil viele Wiederholungen und Rücksicht-auf-Schwächere-nehmen wegfällt. Aber neben Vollzeitjob beider Eltern wird sich homeschooling nur unter sehr schlechten Bedingungen umsetzen lassen. Zumindest derjenige, der den Hauptanteil des unterrichtens übernimmt sollte daher über Tagesfreizeit verfügen. Sei es, weil genug Geld vorhanden ist, gar nicht bzw. wenig zu arbeiten oder weil man (z.B. als Selbstständiger) ausreichend flexible Arbeitszeiten hat.

3. Das nächste, was benötigt wird, ist ein Konzept (was wo wie wann den Kindern näher bringen?). Das muß nicht bis ins Detail ausgefeilt sein sondern schlichtweg realisierbar und zielführend. Zusätzlich ist Flexibilität notwendig umd das Konzept nötigenfalls abzuändern wenn sich das aus den Umständen ergibt.

4. Die nächste nötige Zutat ist Selbstbewußtsein von Seiten des Unterrichtenden. Der sollte sich zumindest ziemlich sicher sein, es selbst mindestens genauso gut wenn nicht besser zu machen als eine durchschnittliche Lehrkraft das kann. Da fällt auch rein, dass die Kinder einen gewissen Respekt (nicht Angst!) vor der Unterrichtsperson haben müssen.

5. Ebenfalls notwendig ist sozialer Rückhalt, sei es innerhalb der Familie, der Nachbarschaft oder des Freundeskreises. Ebenfalls fördernd sind sicher Kontakte mit anderen homeschoolern. Es sollte z.B. kein großes Problem darstellen wenn ein Kind oder die unterrichtende Person mal für einige Zeit erkrankt. Das ist nur dann möglich, wenn eine gewisse Peergroup da ist, die das auffängt, oder das Konzept so gut ist, dass es langsfristig egal ist. Sozialkontakte (in dem Fall: zu anderen Kindern) sind auch für die Kinder wichtig und diese sind nur möglich, wenn auch die Eltern in einem guten sozialen Netz integriert sind.

6. Last but not least ist es auch eine finanzielle Sache. Auch wenn Schule dem Staat eine große Summe Geld kostet bekommen die homeschooling-Eltern dieses Geld ja nicht zu Verfügung gestellt sondern müssen sich Unterrichtsmaterialen, Eintrittsgelder (z.B. in Museen oder Ausstellungen) oder Treffen mit anderen homeschoolern sowie Sprach- bzw. Wissensreisen irgendwie leisten können. Und auch den Verdienstentgang für die in Punkt 2 besprochene notwendige Zeit muß man über etliche Jahre hinweg verkraften können.

Das ist mir mal spontan eingefallen, Leute mit praktischer Erfahrung wie z.B. koschka wissen sicher noch mehr. Ich selbst würde was das homeschooling beim meinem älteren Sohn betrifft sehr wahrscheinlich hauptsächlich an den Punkten 4 und 5 scheitern :fahne: . Bei diesem Sohn merke ich immer noch soziale Defizite, die zwar nicht so schlimm sind, dass ich mir gewaltige Sorgen darum mache, aber auch nicht so harmlos, dass man so tun könnte, als würde es sie nicht geben. Unabhängig vom eigentlichen Unterricht hätte ich ehrlich Bedenken ihn mit meinen begrenzten Möglichkeiten ausreichend Sozialkontakte zu verschiedenen, anderen Kindern bieten zu können, wie er sie in Schule und Hort haben wird.

Bei meinem jüngeren Sohn schaut die Sache anders aus denn ich werde garantiert nicht zulassen dass bei ihm ohne auf die tatsächlichen Fähigkeiten und Begabungen zu schauen, einfach auf Grund der Gehörlosigkeit Sonderschullehrplan angewendet wird :twisted: . Da wäre ich durchaus bereit, es drauf ankommen zu lassen, ob ich das (meinem Kind Bildung vermitteln) nicht besser kann als rein lautsprachliche SonderschulpädagogInnen. Und die Sache mit der sozialen Kompetenz schaut hier ganz anders aus, einerseits auf Grund der Wesensart meines jüngeren Sohnes und andererseits auf Grund des engen Zusammenhalts innerhalb der Gehörlosen- und Gebärdensprach-Gemeinschaft (die ich ihm auch bei homeschooling weiter ermöglichen würde). Aber genau hier, wo es notwendig werden könnte, selbst zu unterrichten, darf ich das nicht :cry: .
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Momo
Dauergast
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Re: Freie Schule

Beitrag von Momo »

Bliss hat geschrieben:
Wovon ich eher abgeschreckt bin sind alternative Schulen. Da hab ich hier in der Gegend eigentlich nur in meinen Augen abschreckende Beispiele.
Hallo Bliss!
Kannst Du das näher erklären? Was schreckt Dich ab? Wie verhalten sich diese Kinder? Wo siehst Du Schwierigkeiten?

Schöne Grüße von Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
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