Bliss hat geschrieben: Das ist schon zu deutlich zu merken, dass du von ganz was anderem ausgehst, als es z.B bei uns an der Regelschule üblich ist. Also 45 Minuten Frontalunterricht und dann geht es so weiter mit dem nächsten Fach gibt es nicht mehr. Was mein ältester Sohn sehr bedauert, für die anderen beiden ist Frei- und Gruppenarbeit und was sonst noch so alles ist wohl in Ordnung. Langeweile kennen wohl alle drei, wobei speziell meinen Ältesten gerade diese Ortswechsel und Umbaupausen nerven, bis dann endlich jeder da ist wo er hin will und sein Arbeitsmaterial bereit hat verging in der Grundschule wohl ewig viel Zeit.
Hm, ich weiß nicht recht...Koschka hat geschrieben:@Momo
die Lehrerin, die es mir mit der 10 Minuten Lernzeit erklärt habe, unterrichtet alles andere als frontal. Auch eine ganz normale Regelschule hatte viel Bewegung im Unterricht, Wochenpläne mit Aufgaben, gestalterische Projekte, und auch Differenzierung. Ich habe das Gefühl, du kämpst gegen einen Schatten des Feindes, den es gar nicht gibt...
Meine Große ist ja erst Anfang der 2. Klasse. Und zumindest der Matehunterricht findet so statt, dass Inhalte des Lehrwerkes Seite für Seite abgearbeitet werden, die Kinder still sitzen sollen (keine Taschentücher aus dem Ranzen nehmen! Nicht trinken! Nicht aus dem Fenster schauen...) und mit den Kindern nicht unbedingt wertschätzend umgegangen wird. (siehe Beispiele)
Die Dame gehört allerdings in der Tat "zur alten Schule" und geht wie gesagt demnächst in Rente...
Die Klassenlehrerin (Deutsch, Sachkunde, Musik. Nach Stundenplan, immer je 45 Minuten Unterricht) ist jung und sehr engagiert und gibt sich ganz viel Mühe. (Trotzdem langweilt sich Kind und zerkaut seine Stifte, weil es ausdrücklich nicht malen darf, wie sie an sich machen würde, wenn es ihr langweilig ist.) Und diese Lehrerin hat sicher nicht zufällig einen Ruf als "besonders gut" und hat damit schon mit einem Burnout bezahlt.
Es könnte also durchaus sein, dass sie nicht ganz nur den "Durchschnittsunterricht" einer "Durchschnittslehrerin" macht...
Und ein so offener Unterricht, wie ihn Rabaukenmama (?) beschrieb, mit zwischendurch aufstehen dürfen, kickern etc - sowas kenne ich nur aus freien Schulen.
Hier (Sachsen) wird schon überwiegend frontal unterrichtet und nach Stundenplan und in Abschnitten von jeweils 45 Minuten und nach dem, was mir die schon erwähnte Freundin, die Musikerin im "Tandemunterrichtsprojekt", von ihren Beobachtungen berichtete, auch überwiegend nicht so, wie man es sich fürs eigene Kind wünscht.
Was ich auch so sehe ist, dass sich die Eltern sicherlich "mitschuldig" machen am Schulstress, den die Kinder erleben.
Ich schrieb ja auch schon: Dass Fleißaufgaben gemacht werden MÜSSEN, dass jeder Fortschritt genau überwacht wird, dass Zensuren eine so große Bedeutung zugemessen wird.
Beispiel grad wieder erlebt: Tochter erzählte mir, ein Kind - also 2. Klasse Grundschule - habe geweint, als die Mathearbeit zurückgegeben wurde. Weil es "nur eine Zwei" war. Und für eine Eins hatten die Eltern dem Kind irgendwas versprochen... Die Mathelehrerin hat dann das Kind noch "ziemlich ärgerlich angefahren" - so zumindest die Einschätzung meiner Tochter - "dass eine Zwei ja nun wirklich kein Grund zum Weinen" sei.
Klar ist das in erster Linie "Schuld" der Eltern.
Aber ohne das Schulsystem, das Leistungsprinzip, die Wertung mit Noten, die Angst der Eltern, "dass das Kind hinten runter fällt", fände so viel Druck daheim vermutlich nicht so statt.
Die Eltern sind da im Grunde auch nur Zahnrädchen im Getriebe, nicht Erbauer der Maschinerie. Sie versuchen halt, sich möglichst reibungsfrei mitzudrehen... (Und klar, damit halten sie natürlich die Maschinerie auch mit am Laufen...)
Es kostet schon Kraft und Energie und braucht viel Vertrauen (oder schlicht sehr eigenständige, schlaue Kinder) dem etwas entgegenzusetzen. Da eben NICHT mitzumachen. (Fließ-) oder Pflichthausaufgaben NICHT oder unvollständig machen zu lassen, sich als Elternteil NICHT allzusehr reinzuhängen, wenn Lernaufgaben AN DIE KINDER gestellt werden, Vorträge erarbeitet werden sollen etc.
Klar gibts sie, die gelassenen Eltern, die da bewusst schlicht nicht mitstrampeln in der Tretmühle. Die bewusst sagen: Mein Kind muss nicht unbedingt gleich aufs Gymnasium, es hat genug Zeit und es gibt noch viele andere Wege, im Leben voranzukommen.
Aber wie viele sind das? Das ist doch - meinem Empfinden nach - die Ausnahme!!!
Ich nehme mich da auch nicht ganz aus.
Kürzlich musste meine Tochter eine Mathearbeit nachschreiben. Sie und ein weiteres Kind mussten das im laufenden Unterricht tun - also im gleichen Raum und zeitgleich mit dem Rest der Klasse, der ganz normal Unterricht hatte.
Tochter hatte dadurch auch Konzentrationsprobleme sagte sie. Und mehrere Faselfehler, die sie sonst vielleicht nicht gehabt hätte.
Klar war ich sauer, das ist ja auch irgendwie unfair. Und wahrscheinlich wäre es eine Eins geworden, wenn sie wie die anderen die Aufgaben in einem ruhigeren Rahmen hätte rechnen können.
Ja, ich habe mich geärgert, mir (und dem Kind) aber gesagt, dass ein paar Fehler und eine Zwei nicht Grund sind, da ein großes Ding draus zu machen. Wichtig ist ja, dass sie was dabei gelernt hat. Z.B.: "Arbeiten in Ruhe geht besser, als bei Ablenkung.", "Fürs Rechnen braucht man Konzentration.", "Ich bin auch unter Stress bzw nicht optimalen Bedingungen noch verdammt leistungsfähig."
DAS sind dabei doch die wirklich wichtigen Ergebnisse - nicht die Note.
Allerdings: wäre es eine 3 oder 4 gewesen - ich weiß nicht, ob ich da auch noch so gelassen geblieben wäre...
Ich kenne hier schon mehrheitlich Eltern, die sich schon arg reinhängen, um aus dem Kind in diesem System das vermeintlich "Optimale" rauszuholen (also die besten Noten - ob das "das Optimale" ist, sei mal dahingestellt), Eltern die Belohnungen aussetzen für Noten (siehe Beispiel), den Ranzen fürs Kind packen (sicher nicht, weil sie das so gern tun, sondern z.B. weil das Kind abends schlicht fertig ist), Eltern, deren Erstklässlerkind schon sich regelmäßig erst dann zum Spielen verabreden darf, wenn es Lesen und Rechnen geübt hat.
Und dann sind da vor allem noch die bedauernswerten Kinder, die ihr Bestes geben, wo sich auch die Eltern engagieren und die trotzdem von Anfang an maximal 3en schreiben und somit ganz früh schon als (Schul-)"Versager" geoutet sind.
Und dass die Kinder sowas durchaus mitkriegen und es sie beschäftigt, sehe ich daran, dass Tochter mir sowas direkt erzählt: "Du, Mama, die L. hatte schon wieder eine 3. Sie hatte noch nie eine 2... dabei muss sie immer vor den Arbeiten zu Hause ganz viel üben"
Wenn ich mich in das betroffene Mädchen hineinversetze... wie mag es ihr damit gehen? Was macht das wohl mit ihrem Selbstbild in so jungen, sensiblen Jahren??? Muss sie wirklich schon bewertet werden und sich dadurch wirklich schon so früh als "Versagerin" erleben?
Und wie geht es Lehrern - besonders so feinfühligen wie unserer - die solchen Kindern immer und immer wieder schlechte Noten geben müssen?
Ich hab Glück - meine Tochter hat keine Schulprobleme bisher, eine tolle Lehrerin, ist selbstständig, anpassungsfähig und scheint bisher gut klarzukommen. (Und ich versuche mich bewusst dem Druck zu verweigern... was mir natürlich durchs Kind bisher leicht gemacht wird )
Ebenso mein Bruder - seine 3 Kinder sind schon auf dem Gymnasium, eines davon macht demnächst Abitur - flutschen einfach so durch, sind die totalen Selbstläufer. (Wieviele Prozent betrifft das?)
Wer das Glück nicht hat, braucht sicher einiges an "Selbstbewusstsein" und Grundvertrauen ins Kind und ins Leben, um sich dem zu widersetzen, was das SYSTEM mit sich bringt.
Doch, ich sehe durchaus, dass das SYSTEM kritsierenswert ist!