Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
sinus
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von sinus »

charlotte12 hat geschrieben:Schade dass Momo nicht mehr schreibt - sie hatte ihre Tochter in einer freien Schule angemeldet, bei der sich die Kinder komplett selbst aussuchen durften, was sie wann lernen. Wäre interessant gewesen zu verfolgen, wie das weiterging. Weiß jemand was darüber?

... ich kann sie mal anschreiben und fragen, wenn du magst? Soll ich? (Hab ihre Tel-Nummer und sporadisch Kontakt, weil wir uns mal getroffen haben.)

Eine Freundin von mir hatte alle drei ihrer Kinder auf einer freien Schule, ihre Schwester auch.
Übrigens eine zumindest nicht nur durchschnittlich begabte Familie.
(die drei Jungs meiner Freundin sind wegen anderer Probleme getestet mit tw Teilhochbegabungen im sprachlichen Bereich, ansonsten überdurchschnittlich insgesamt, aber nicht hb. Alle Familienmitglieder sind aber sehr kreativ und musikalisch)

Die Kinder sind dann alle für die weiterführende Schule bzw das Abitur an ein normales Gymnasium gewechselt. (aber nicht alle direkt schon für Klasse 5, manche später)
Das war relativ problemlos, was den Stoff betrifft, sie konnten tw mehr als die normalen Grundschüler und waren vor allem anfangs auch sehr motiviert & selbsttständig beim Lernen. Obwohl bspw das eine Kind erst mit 8 lesen gelern hatte. Vorher interessierte er sich eher für Mathematik und ähnliches und verbrachte den Großteil des Schultages wohl mit Brettspielen, Legobauen u.ä., erzählte mir die Mutter mal...
Aber die Umstellung auf Frontalunterricht und Ellenbogenmentalität zwischen den Mitschülern war wohl nicht so leicht.
An der freien Schule lief alles sehr demokratisch und auf Augenhöhe, Lehrer waren mehr Coaches, als hierarschisch höher stehende Anführer. Hatte ein Kind ein anderes verletzt/geärgert, wurde dort in einer Runde mit allen der Gruppe drüber gesprochen und das geschädigte Kind durfte selbst eine Art der Wiedergutmachung vorschlagen, über die dann abgestimmt wurde...)
Auch klagten die Kinder, dass das Lernen keinen Spaß mehr mache, wenn die Lehrer es einem so starr vorgeben, wann, wie was zu lernen sei.
Sie passten sich notgedrungen an, verloren aber schnell die große Eigenmotivation, die sie in der freien Schule noch gehabt hatten.
Laut Mutter hörten sie dann bald auf, sich eigenmotiviert tiefergehender mit einem Thema zu beschäftigen, wie früher, sondern machten dann nur noch das, was seitens der Schule gefordert war, das, was eben gemacht werden sollte und musste.
Im Grundschulalter war es bei diesen Kindern übrigens so, dass sie in der Ferien immer sehnlichst drauf warteten, endlich wieder in die Schule zu können.

Das ist eine Musikerfamilie und alle haben sich in der Freizeit dann viel mit Musik beschäftigt und einige studieren inzwischen auch Musik.
Ein Mädel (Nichte meiner Freundin, ich würde sie nach dem, was ich von ihr weiß, für hochbegabt halten) ist grad ganz groß in Brüssel "rausgekommen", wurde nach einem Praktikum bei einer NGO direkt sehr gut bezahlt für eine Vollzeitstelle angeworben, so dass sie beschloss, kein Studium zu beginnen, wie eigentlich geplant...
Kurz - die Kinder haben zwar alle Abitur gemacht und studieren teilweise jetzt auch, haben sich im normalen Schulsystem erfolgreich angepasst, aber wohlgefühlt haben sie sich da zumindest erstmal nicht nach dem Wechsel.

Der jüngste Sohn meiner Freundin war übrigens wegen Umzugs dann nicht mehr auf der gleichen freien Schule wie seine Brüder und Cousins, sondern auf einer Montessori Grundschule.
Das ging leider gründlich schief und endete sogar in einem Gerichtsverfahren.
Also auch freie Schulen können komplett falsch sein für ein Kind...

Es gibt sie aber auch, die Kinder, die zu Hause lernen und keine Schule besuchen - versteckt im Untergrund, immer am Rande der Legalität...
In der Facebookgruppe zum Thema hochbegabte Kinder und der ich noch lese und schreibe kam neulich auch eine Familie zu Wort, die das in Deutschland erfolgreich betreibt.
Zuletzt geändert von sinus am Sa 20. Mär 2021, 20:06, insgesamt 3-mal geändert.
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charlotte12
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von charlotte12 »

.. ich kann sie mal anschreiben und fragen, wenn du magst? Soll ich?
Das würde mich wirklich interessieren,vielen Dank :) Momos Tochter tickte damals vor der Einschulung in einigen Punkten ziemlich ähnlich wie meine Tochter, und der Schulbeginn hörte sich wirklich paradiesisch an.

Interessant finde ich deine negativen Erfahrungen zu Montessori. Ich hätte gerne Montessori für meine Tochter gewählt, wenn das bei uns möglich gewesen wäre. Das ist jetzt aber nicht das erste Mal dass ich lese, dass Montessori gerade für begabte Kinder nicht unbedingt passend ist. Ich glaube, es war Katze (?), die ebenfalls sehr Negatives berichtete - dass Kinder das vorgegebene Material benutzen müssen, obwohl sie ganz anders rechnen möchten, dass nichts übersprungen werden darf, dass schüchterne Kinder Gefahr laufen, komplett unterzugehen, irgend so etwas.

Ich selbst habe mit der Kombination Waldorf + Hochbegabung sehr negative Erfahrungen gemacht, allerdings nicht in der Schule sondern im Kindergarten. Wobei ich nicht glaube, dass Waldorf generell schlecht ist, es muss einfach passen und hängt sehr stark sowohl von den Veranlagungen des Kindes ab als auch vom Weltbild der Eltern. Mein frühlesendes aber extrem schüchternes Kind mit Abneigung gegen Rollenspiele, Angst vor Schummerlicht und einer ausgeprägten Schwäche im doch so wichtigen Bereich Streichhölzer-selbst-anzünden war dort definitiv falsch...
sinus
Dauergast
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von sinus »

Ich schreibe Momo eine Nachricht, dass sie mal wieder vorbeischauen soll.
Bzw kann ich dir auch ihren beruflichen Instagram Account schreiben (PN, im Laufe des Tages, komme grad selbst nicht rein bei Insta weil den Account nur meine Tochter gelegentlich nutzt und ich die Zugansdaten grad nicht weiß)

Von Montessori wird auch seitens der DGhK soweit ich weiß abgeraten für hochbegabte Kinder. Auch Waldorf passt wohl oft nicht.

Im Falle des Sohnes meiner Freundin lag es aber nicht an den schulischen Inhalten, sondern am Umgang der Lehrer und Hortner mit dem Kind.
Man war dort nur bereit sich auf eine bestimmte Art Kinder einzulassen und alles was bisschen anders tickt, gilt offensichtlich nur als Störfaktor. Und da diese Schule viele Bewerbungen hat und sich raussuchen kann, wen sie nimmt, glauben sie wohl auch, sie könnten Kinder auch einfach so wieder "rauskündigen", wenn sie das Kind oder die Eltern nicht mehr haben wollen...
Zuletzt geändert von sinus am Sa 20. Mär 2021, 20:06, insgesamt 1-mal geändert.
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charlotte12
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von charlotte12 »

Dass massive Unterschiede zwischen den Eltern gemacht wurden, dass manche viel zu sagen hatten und in den Entscheidungsgremien saßen während andere weder gehört noch über wichtige Änderungen informiert wurden, das kenne ich exakt so von Waldorf. Auch meine Tochter wurde problematisiert, ihr wurden Verhaltensweisen zugeschrieben, die weder zuhause noch später in der Schule zu beobachten waren - ich weiß bis heute nicht, ob das nur erfunden war oder ob sie diese Verhaltensweisen tatsächlich ausschließlich im Kindergarten gezeigt hatte. Wie auch immer, es gab in den Jahren danach nie wieder Klagen über Verhaltensauffälligkeiten, ganz im Gegenteil. Dieses Gemauschel und diese Unterteilung von Kindern samt zugehöriger Eltern in Insider und Nichtblicker ist meiner bescheidenen Erfahrung nach insgesamt eine Gefahr bei alternativen privaten Systemen. Auch bei Waldorf waren Ansichten, die nicht von anthroposophischer Literatur gedeckt waren, nicht erwünscht, sondern diejenigen, die so etwas vorbrachten, wurden als dumm und unwissend abqualifiziert, weil ja Steiner xyz sagt. Das Ringen um die richtige Interpretation von Steiner-Aussagen erinnerte mich übrigens ganz stark an Bibel-Interpretationen im Reli-Unterricht...
Karen
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Karen »

Oh, momo würde ich sehr gerne hier wieder lesen. Vielleicht wenn sie weiss dass Alibaba hier nicht mehr aktiv ist, hat sie mehr Lust wieder zu schreiben? Ich bin nur dank ihrer Beschreibunug ihrer Tochter auf Idee gekommen dass meins auch so ist und HB sein kann...
Bei uns gibt es auch eine Montesorri in der nähe und was ich da höre ist eher negativ - überfüllt, chaotisch, laut, Kinder dürfen nicht mit Märchenfiguren spielen (ich vermute Freikirche Einfluss dahinter), trotzdem mit Bewertungen, viele Expats Kinder die eine andere Kulturelle Hintergrund haben was Selbständigkeit, spielen draussen, Wald besuche, usw. angeht. Da bittet unsere Regelschule viel mehr. Es gibt aber eine andere Montessori in den Stadt nebenbei und die scheint gut zu sein. Es hängt sehr viel von der Schule ab und Umsetzung, und nicht von Konzept selbst.
Bei uns ist die Regelschule sehr anders wie bei euch - ich habe gerade erfahren dass meine Tochter das grösste Teil ihre Aufgaben unter dem Tisch sitzend mit Kopfhörer auf den Kopf löst wenn sie konzentriert arbeiten soll, weil sie sich sonst zu viel abgelenkt wird von ihrem Gruppentisch... Also - es ist schon recht frei in Vergleich zu euren Schulen in Deutschland. Sie hat ja auch viel Freiraum was der Schulstoff angeht, und da sie sehr oft langsam ist wenn sie was schreiben muss, wird von ihr auch weniger verlangt, und sie muss nur teil Aufgaben machen. Sie machen auch viele spannende Projekte. Aber es ist nicht so dass alle Schulen hier so sind, es hängst sehr stark davon ab welche Konzept die Schule umsetzt, und wo es ist, und da es keinen Freien Schulwahl hat - ist es Wohnort abhängig ob das Kind glück hat oder nicht.
Wir werden in den nächsten Monaten wieder ein AD(H)S Abklärung machen, da ihre Konzentrationsschwierigkeiten immer mehr werden, sobald sie nicht in 1zu1 Situation ist und sie darunter leidet und es gerne anders haben möchte. Ich bezweifle langsam der Resultat die wir vor 2 Jahren hatten dass sie kein ADHS hat. Die Anpassung der Situation damals mit überspringen hat bei ihr sehr viel gebracht, aber nicht alles ist weg und es häufen sich wieder Probleme (Integrationschwierigkeiten, Langsamkeit, Ablenkbarkeit, Perfektionismus, usw).
sinus
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von sinus »

...ich kann mir schon vorstellen, dass so sensible, kluge Kinder auf Unstimmigkeiten entsprechend reagieren und dann in so einem Umfeld entsprechend auch nicht "funktionieren", wie erwartet bzw anderswo.
Schade, dass man dann die Chance nicht nutzt, zu gucken, was evtl. nicht passt und ob man da nicht was verbessern kann bzw verändern sollte.
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Katze_keine_Ahnung
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Nur kurz zu Montessori: diese Konzepte sind sehr konkret. Meine Kinder waren schon mit 5 weiter entwickelt und benutzten im großen Umfang Abstraktionen. Das Zählen von Perlen, Umtauschen der Marken als eine Aktion die mit der Hand und Material durchgeführt werden musste, haben ihre Prozesse nur unnötig verlangsamt. Das war wie laufen mit Krücken trotz gesunder Beine und erstreckkte nicht nur auf Mathe. Zum Beispiel hat mein Sohn das Kopieren und Ausschneiden der Kontinente für die Karte gehasst. Die Kontinente hätte er auch ohne gelernt, das Ausschneiden hat ihn überfordert, das Ergebnis entsprach nicht seiner Anforderungen an sich selbst.

@sinus

Was Freilenren in Deutschland betrifft, kann ich mir gar nicht vorstellen, wie das klappen sollte. Eigentlich mischt sich gleich das Jugendamt ein... Ich würde das nicht "am Rande der Legalität" bezeichnen, sondern eher schon als Illigalität (soll nicht wertend klingen). Ich weiß auch nicht, wie die Kinder versteckt werden sollen. Als wir vor unserer Reise im April nicht ins Ausland sondern der Bürokratie wegen nicht gleich ins Ausland, sondern erst für einige Wochen in eine Ferienwohnung gezogen sind, hat dann ziemlich jeder gefragt, warum die Kinder zu der Zeit nicht in der Schule sind...
nosupermum
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von nosupermum »

Anhand eurer Erfahrungsberichte kann ich nur das Fazit ziehen: Ein Nein zu etwas (Regel-Schulsystem in Dtl) bedeutet auch immer ein Ja zu etwas anderem. Und das muss wohl überlegt sein. Nicht immer wird es, leider, besser. Es mangelt doch sehr an guten Alternativen.

@Katze: jetzt wo du das mit eurer Montessori-Erfahrung beschreibst, glaube ich, wäre das für mein Kind auch der totale Reinfall gewesen. Ich habe mich oft auf entsprechenden Montessori-Seiten umgestaut und viele Angebote (mühsam) zusammen gestellt. Meine Tochter fand es auch albern Perlen zu sortieren oder Schleichtiere Fotos zuzuordnen und was auch immer. Die abstrakte Ebene oder eine kurze Erklärung reicht. Hilfsmaterial braucht es nicht. Wenn man aber dazu noch gedrängt würde oder es einem krumm genommen wird, wenn man sich nicht interessiert, hat man auch nichts erreicht,
Meine3
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Meine3 »

g
Zuletzt geändert von Meine3 am Sa 20. Mär 2021, 17:32, insgesamt 1-mal geändert.
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.
Meine3
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Meine3 »

Hallo,

@katze und Rabaukenmama

nein, das ist nicht wirklich unser Ernst. Wir haben darüber gesprochen, wie es mit unserem Sohn weitergehen könnte und wir haben auch "laut nachgedacht" ob eine alternative Beschulung in einer Privatschule oder das auswandern in ein Land wo Schulen anders funktionieren, nicht eine Lösung wären.

Konkret geht es hierbei um eine Privatschule, auf der einige Kinder gehen, deren Eltern wir kennen. Das heißt, wir haben Insiderwissen. Aber auch da gibt es sehr konträre Aussagen. Die einen sind hochzufrieden, die anderen haben ihr Kind nach 2 Jahren von dieser Schule genommen, weil sie total enttäuscht waren. Denn auch hier steht und fällt es mit der Lehrkraft. Das Risiko, dass das wieder nicht klappt, ist MIR viel zu groß, zumal unser Sohn in Bezug auf alternative Beschulung die Schnauze voll hat. Es geht ihm nicht wirklich gut in der Klasse, aber es ist immer noch das beste von allen "Versuchen"....

Auswandern ist keine wirkliche Alternative, aus vielerlei Gründen. Aus denen, die ihr auch angesprochen und beschrieben habt.

Aber eins verstehe ich nicht. Ihr beide habt diese Gedanken durchaus auch gehabt, sonst hättet ihr euch nicht informiert, bzw. es sogar ausprobiert. Darum müsstet ihr ja nur zu gut verstehen, dass man diese Gedanken hat. Der Gedanke, diesem System zu entfliehen, kommt einem einfach irgendwann, wenn man ein Kind hat, das nicht in dieses System passt, bei dem man merkt, dass das Verhalten mit dem Bemühen "es passend zu machen" immer mehr in die falsche Richtung geht. Natürlich denkt man dann über den Tellerrand hinaus, denkt darüber nach, einfach auszusteigen. Das das nicht wirklich so einfach ist, dass es oft auch keine Lösung ist, dass es garnicht so viele echte Alternativen gibt, ist uns leider nur zu sehr bewusst.

Aber mein Mann und ich sind gerade an einem Punkt, wo wir nicht mehr wirklich weiter wissen. Unser Sohn macht immer mehr "zu". Er ist immer öfter abwesend (mental) und beschäftigt sich mit allem, aber nicht mit dem, was ihm aufgetragen wurde, bzw. was grade zu tun ist. Ob es nun essen sei, Hausaufgaben machen oder die Jacke anziehen. Und das tut er nicht aus Trotz oder Bockigkeit. Er WILL gerne "funktionieren" oder besser mitmachen, aber er ist einfach ständig durch alles abgelenkt. Und er merkt einfach, dass er den sozialen Anforderungen der Schule nicht gewachsen ist. Zu Hause haben wir auch so unsere Schwierigkeiten, aber in unserem Familienmikrokosmos ist das alles irgendwie in Ordnung. Wirklich mühselig wird es immer erst wieder, wenn Sohnemann in die Schule muss.

Auf der anderen Seit ist es manchmal einfach so schön, zu beobachten, wie einfallsreich und voller Energie er ist und wie engagiert und auch fokussiert, wenn ihn was interessiert. Grade ist er mal wieder voll im "Erfinder"fieber und arbeitet an einem Multi-Energiegewinnungsvorrichtung, in der u.a. er so eine Art Perpetuum Mobile vorgesehen hat (einen Wasserkreislauf, der ständig Energie erzeugt und einmal "angestoßen" unendlich weiterläuft. Nur leider hat der erste Versuch nicht hingehauen, was zu erwarten war :lol: ). Er ist 8, natürlich will er dann auch nicht wahrhaben, dass seine Ideen in Realität nicht einfach so funktionieren, aber er ist da sehr gewissenhaft und tüftelt vor sich hin und ihm kommen dann auch blitzschnell andere Ideen, wenn das eine nicht funktioniert. Und in der Schule schafft er es nicht einen einfachen Text fehlerfrei abzuschreiben :(, zu Hause muss ich ihn morgens dran erinnern, den Schulranzen mit in die Schule zu nehmen und beim Essen ist er die ganze Zeit buchstäblich auf der Flucht.

Bezüglich einer Medikation warten wir noch dieses Schuljahr ab. Er bekommt jetzt demnächst Ergotherapie und wir haben unser Verhalten ihm gegenüber auch dahingehend geändert, dass wir versuchen jeglichen Druck rauszunehmen. Denn natürlich haben wir zeitweise auch das Kind unter Druck gesetzt, weil wir nicht wussten ob er nicht KANN oder nicht WILL. Und weil wir so viel Druck von der Schule bekommen, er aber dort unbedingt bleiben möchte.


Mit jeder Email, die wir wegen unseres Sohnes mit der Schule erhalten wird der Frust und auch die Resignation größer und die KJP ist absolut keine HIlfe und wird uns auch nicht mehr länger begleiten, weil das einfach unnötig vergeudete Zeit und Anstrengung ist.

Zuletzt wollte die Schule nun ein Attest (diese Woche angefragt, nächste Woche wirds benötigt), dass unser Sohn ADHS hat, damit er die Nachteilsausgleiche nutzen kann (mehr Pausen, Lärmschutz, mehr Zeit bei schriftlichen Arbeiten, etcpp, eventuell auch Sonderregelungen wg. des Maskentragens oder gesonderte Regeln wegen des Verhaltens). Dass wir was schriftliches brauchen, bzw. eine Diagnose, sage ich der KJP seit Monaten. Nichts ist passiert, nur Ausflüchte, mündliche, oft zweifelhafte Aussagen und mit meinem Sohn redet sie auch nur über Dinge, die wir schon 100fach mit ihm besprochen haben und die zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus gehen.

Jetzt habe ich sie nochmal explizit dazu aufgefordert uns etwas schriftliches zukommen zu lassen, denn mit ADHS ist sie sich ja sicher, und dafür will sie jetzt 20 Euro, vorher stellt sie nichts aus. Die Bescheinigung soll aber Anfang der Schulwoche schon vorliegen, weil da die Klassenkonferenz bezüglich unseres Sohnes läuft.

Ich hab einfach jetzt schon die Schnauze voll und weiß grade nicht, wie wir das noch 10 weitere Jahre durchstehen sollen.

Momentan sehe ich meinen Sohn nicht im Gymnasium. Nicht mit dieser Arbeitseinstellung und dem Verhalten. Aber ich sehe ihn auch nicht auf der Hauptschule oder in einer Realschule. Was also tun?
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.
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