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Wisc V Diskrepanz KLI und AFI

Verfasst: Fr 25. Jul 2025, 09:50
von Muckilein90
Hallöchen 👋

Nach langem Überlegen haben wir unsere Tochter testen lassen. Grund dafür war, dass wir die Schule etwas unter Druck setzen möchten, damit sie endlich das bekommt, was sie braucht/ sich wünscht. Seit der ersten Klasse besteht ihr Wunsch im Stoff weiter zu arbeiten, leider ist bis dato nicht viel passiert, außer Zusatzblätter... Nun kommt sie in die 4. Klasse und wir hoffen auf mehr Verständnis
Ihre Ergebnisse:

Sprachverständnis: 136 (127-140)
Visuell räumliche Verarbeitung: 108(101-118)
Fluides Schlussfolgern: 115(108-120)
Verarbeitungsgeschwindigkeit: 132(123-136)
Arbeitsgedächtnis: 132(121-134)
Gesamt IQ: 131
KLI: 140
AFI: 125

Und nun zu meiner Frage, bei der Auswertung steht zwischen KLI und AFI eine "signifikante Diskrepanz"
Was genau bedeutet das jetzt und hat das Auswirkungen auf ihr Ergebnis oder wie soll ich das verstehen?
Sie ist kognitiv also viel weiter, kann es aber nicht umsetzen?

Danke

Re: Wisc V Diskrepanz KLI und AFI

Verfasst: Sa 26. Jul 2025, 20:04
von sinus
...eher im Gegenteil. "Kann es nicht umsetzen" wäre eher, wenn der AFI hoch wäre und der KLI niedrig.

Der AFI ist der allgemeine FÄHIGKEITENindex, das Potential was grundsätzlich da ist.
(Da gehen die Tests ein, wo die Aufgaben anspruchsvoll sind, bei deren Lösung aber kein Zeitdruck besteht und man Zeit hat, drüber nachzudenken und in Ruhe zu verarbeiten)

Der KLI ist der kognitive LEISTUNGSindex, das ist das, was "rauskommt", was also an Leistung gezeigt wird - unter Druck.
(Da gehen die Tests ein, die inhaltlich nicht soooo sonderlich anspruchsvoll sind, wo man sich z.B. Sachen merken muss und wo man konzentriert abarbeiten muss und wo unter Zeitdruck gearbeitet werden muss)

Oft ist es bei hochbegabten Kindern eher umgekehrt wie bei deinem Kind – AFI hoch, KLI niedrig.
Und da muss man dann schauen, warum leistet das Kind nicht, warum zeigt es bei den Aufgaben zu VA und AG nicht so viele Leistung?
Die Antwort könnte sein:
Weil sie unter Zeitdruck nicht gut sind, weil sie perfektionistisch sind und daher nicht schnell genug arbeiten oder weil sie die entsprechenden Aufgaben zu langweilig finden. (Die Aufgaben zur Arbeitsgeschwindigkeit bspw. sind kognitiv nicht anspruchsvoll, man muss nur Symbole wiederfinden, dafür braucht es vor allem Konzentration & Motivation)
Manchmal kann da aber auch ein Sehfehler oder eine sonstige Wahrnehmungsbesonderheit - eine Verarbeitungsstörung, ASS oder ADHS Ursache sein.
Allermeistens ist es aber eher eines der zuvor genannten Dinge, was beim WISC wohl auch ein bekannter Schwachpunkt ist - da ist es überdurchschnittlich häufig der Fall, dass der KLI im Vergleich zu AFI abfällt.
Bei meinem Kind einen Kind waren es 108 (KLI) versus 134 (AFI), das ergibt ganze 26 Punkte Differenz.
Bei euch ist die Differenz zwischen den Werten nur 15... also gar kein Grund zur Sorge!
Die formulierte "signifikante Differenz" kannst du meiner Meinung nach getrost ignorieren - insbesondere wo ja in eurem Fall auch noch der KLI der höhere Wert ist.
Eine denkbare Ursache für die Abweichung bei deinem Kind an der Stelle könnte z.B. sein, dass sie etwas zu schnell aufgegeben hat, wenn die Aufgaben kognitiv anspruchsvoll wurden oder etwas vorschnell geantwortet hat. Oder keine große Lust auf einige der Aufgaben hatte, wo man viel nachdenken musste. Bspw an den Puzzles (visuell-räumlich) und die Logikaufgaben wie z.B. die Formenwaagen (logisches Schlussfolgern) einfach keinen Spaß hatte und sich da nicht so richtig "reingehängt" hat. Oder dass ihr Aufgaben, wo Schnelligkeit gefragt ist einfach ganz besonders gut liegen. Wobei sie mit einem AFI von 125 immernoch sehr, sehr viel klüger ist, als der Durchschnitt!

Bei deinem Kind lese ich aus den Werten heraus, dass es kognitiv sehr gut dabei ist, vor allem im Sprachverständnis, dass es zudem sehr zügig und konzentriert arbeiten kann, dass es schnell denkt und sich Sachen gut merken kann. Und dass es unter Stress gut funktioniert.

Der Gesamtwert ist im hochbegabten Bereich und der AFI immernoch nah genug an der Hochbegabung, dass du dir um eine mögliche Überforderung bei herausfordernden Aufgaben keine Sorgen machen musst. Vermutlich hat sie da nicht so ganz gezeigt, was sie hätte schaffen könne, aber das ist schwer zu sagen. Da müsste man wissen, was die testende Person da bei den visuell-räumlichen und den logischen Aufgaben beobachtet hat.
Auf jeden Fall aber scheint dein Kind sehr schnell, motiviert und stressresistent zu arbeiten, wenn ein gewisser Druck besteht.

Visuell-räumlich ist sie gut dabei, aber in der Norm, das fluide Schlussfolgern ist an der Grenze zu überdurchschnittlich, aber gerade noch so in der oberen Norm.
Daher würde ich sagen, dass (falls nicht die oben schon genannten Gründe zutreffen) sie in Mathe u.ä. wohl vor allem durch Tempo herausstechen müsste, aber kognitiv gar nicht sooooo krass unterfordert sein sollte.
Aber selbst wenn sie immer schneller als andere fertig ist, braucht sie da trotzdem etwas mehr an Forderung.
In Deutsch und allem was mit Sprache zu tun hat ist sie weit überdurchschnittlich und daher vermutlich sehr stark unterfordert. Da braucht sie unbedingt anspruchsvollere Aufgaben.

Das ist jetzt das, was ich auf den ersten Blick zu erkennen glaube und entsprechend schlussfolgern würde.

ABER: es kann auch alles ganz anders sein. Da sollten die Beobachtungen der testenden Person, deine Beobachtungen und die der Lehrkräfte noch berücksichtigt werden!
Mein Kind mit Höchstwerten im logischen Schlussfolgern bspw. ist eher mittelmäßig in Mathe und dafür super gut in Englisch.
Das andere Kind - mit Höchstwerten im Bereich Sprache - hat Probleme mit Rechtschreibung und Englisch ist auch nicht gerade ihr stärkstes Fach.
Mein Kind 2 wurde einmal mit 5 und eimal mit 10 getestet. Beim ersten Test war der Wert im visuell-räumlichen mit 108 der niedrigste aller Untertestwerte, was mich sehr überraschte, weil ich aus meinen Beobachtungen heraus da eher eine besondere Stärke vermutetet hatte.
Beim Test mit 10 lag der Wert bei visuell-räumlich dann auch tatsächlich über 130 - da passte es für mich dann zu dem, was ich erwartet hatte.
Vielleicht hatte sie mit 5 einfach keine Lust auf die entsprechenden Aufgaben gehabt...
Dafür war mit 10 plötzlich die vormals noch überdurchschnittliche Verarbeitungsgeschwindigkeit mit nun nur noch 100 überraschend niedrig und wich damit 40 Punkte von ihrem höchsten Wert ab. (Sie war dadurch so ein Fall siehe oben beschrieben mit AFI hoch, KLI eher niedrig)
Da hätte man nun schnell ein Problem wie ADHS o.ä. vermuten können. Die Testleiterin aber beschrieb, dass meine Tochter einfach übergründlich gewesen sei, teilweise mitten in den Aufgaben gestockt hatte, dann nochmals einige Aufgaben zurück gegangen sei, um ihr Kreuz zu überprüfen, teilweise sogar wegzuradieren, um es nach Überprüfung dann doch wieder an die gleiche Stelle zu setzen und daher viel wertvolle Zeit verloren ging.
Daher: es besteht zwar eine signifikante Differenz, aber es gibt kein wirkliches Problem! (außer evtl. eine gewisse Fehlerängstlichkeit)

Also:
Beobachtest du irgendein ein Problem dein Kind betreffend?
Wenn nein (was für mich anhand der Werte zu erwarten wäre), vertrau deinem Bauchgefühl.
Dein Kind ist definitiv blitzgescheit, hochbegabt, und dabei auch noch sehr flink und motiviert sowie kann unter Zeitdruck arbeiten.
Das ist toll und gut fürs Kind.
Es braucht schulisch definitiv mehr Forderung, damit es diese ihre Leistungsfähigkeit erhalten kann!





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Re: Wisc V Diskrepanz KLI und AFI

Verfasst: Di 29. Jul 2025, 22:03
von Muckilein90
Wow, danke dir für deine wahnsinnig ausführliche Antwort!!!

Du hast absolut recht, meine Tochter gibt ziemlich schnell auf. Sie war dann frustriert, weil der Tester ihr verdeutlicht hat, dass die Antwort falsch sei. Das ist sie nicht gewohnt und ich glaube deshalb hat sie da nicht mehr alles gegeben. Genau das ist auch der Grund, warum wir eine stärkere Differenzierung im Unterricht wollen. Sie soll gefordert werden, nicht nur mit zusätzlichen Aufgaben, sondern mit anspruchsvolleren Themen. Gerade in Deutsch, Englisch, sachunterricht und Sport.
Ich glaube in ihr steckt sehr viel Potential, was aber unterstützt werden muss.
1000 dankfür deine Nachricht, die hat mir wirklich viel gegeben!
Mathe versteht sie schnell, ich glaube aber das ist nichts, was ihr sonderlich Spaß macht. Da braucht sie auch keine extremen Aufgaben. Wahnsinn, was du alles aus den Ergebnissen ableiten kannst.
Wir haben am Anfang des Schuljahres ein Gespräch mit der neuen Lehrerin und wollen nun darauf bestehen, dass sie mehr bekommt. Seit der 1. Klasse sagt sie, dass sie im Stoff weiter arbeiten möchte. Bis dato durfte sie es nicht. Im Gegenteil, sie muss wochenlang das selbe Thema hören und bearbeiten. Alleine der Gedanke daran frustriert

<3 dank