Bliss hat geschrieben:
Naja, ich verstehe halt nicht, was du mit deinem Beispiel von den Leistungen der Bewerber bei Einstellungstests sagen willst? Sind das wirklich alles Leute, die nie bewertet worden sind und die deiner Meinung nach deshalb so schlechte Leistungen bringen? Oder sind das nicht eher Jugendliche, die trotz Schulbewertungen so schlechte Leistungen bringen. Also eigentlich eher Beispiele dafür, dass durch Noten erzwungenes Lernen auch seine Grenzen hat.
Bliss hat geschrieben:
Nochmal: ist das wirklich so, dass alle, die schlecht in diesem Test abschneiden nie bewertet worden sind und die, die bewertet wurden können das? Wenn ja, dann scheint es wirklich so zu sein, dass es für manches einen gewissen Zwang braucht. Ich hätte jetzt vermutet, dass jemand, der unbedingt diese Stelle haben möchte es auch ohne vorherige Noten so vorzubereiten, dass er den Test besteht. Einfach weil er weiss, weshalb er lernt.
Wo habe ich von irgendwelchen Leistungen (guten oder schlechten) beim Lehrlingstest geschrieben? Wo habe ich geschrieben ob bzw. in welcher Form die in meiner Firma getesteten Lehrlinge vorher bewertet wurden?
Es ging mir darum, darzustellen, welche Art von Wissen verlangt wird und dass von allen Bereichen "etwas" gewusst werden muss um überhaupt die Chance auf eine Lehrstelle zu haben. Und DAS (genaus DIESE Anforderung) ist ein Punkt, der für gewisse Standards spricht, die mMn ich Schulen eingehalten werden sollten, solange sich an den Anforderungen für´s Berufsleben nichts ändert.
Mit ist egal ob mit Noten oder verbal beurteilt wird, es geht darum, dass jene Schulabgänger bessere Chancen im Berufsleben haben, die z.B. auch etwas Mathe können obwohl ihre Stärken z.B. Sprachen sind. Und DA sehe ich Nachteile wenn auf eine Beurteilung komplett verzichtet wird: das, was nicht interessiert, wird einfach nicht gelernt.
Genau das schreibst du ja selbst:
Bliss hat geschrieben:
Vermutlich gibt es bei jedem Dinge, an die man sich nur dran wagt, wenn ein Anstoß von außen kommt.
Wo liegt dann das Problem, wenn der Anstoß von außen von einem Lehrplan vorgegeben wird?
Bliss hat geschrieben:
Und jetzt kommt ein Kind in die Schule und der Lernstoff wird vorgegeben und bewertet. Lernt es jetzt mehr als in den Jahren davor? Ich bezweifel das.Speziell bei Kindern, die auch noch negatives Feedback bekommen, die vielleicht schon allein dadurch blockiert sind, dass sie Angst haben wieder eine schlechte Note zu kassieren. Außerdem gibt es halt dieses Bulemielernen, nur für die Prüfung und dann ist es vergessen. Wenn etwas zu dem Zeitpunkt, wo man es lernen muss nicht interessiert ist die Wahrscheinlichkeit, dass es ins Langzeitgedächtnis übergeht geringer, als wenn man es aus eigenem Antrieb zu einem Zeitpunkt lernt, wo es einen entweder interessiert oder halt irgendwie relavant ist.
Ob Cäsars Schlachten oder die Namen der griechischen Götter im Langzeitgedächtnis sind oder nicht interessiert (zumindest bei den üblichen Lehrlingstests) niemanden. Interessant ist, ob man die Entfernung Linz-Wien richtig schätzt (3 Möglichkeiten: 26km, 260km oder 2600km) und ob man sagen kann wie hoch der Nettopreis und die 20%ige Mehrwertsteuer sind, wenn der Kunde 150,- bezahlt. Wie der Bundeskanzler heißt sollte man auch wissen und ein kleiner Aufsatz, wo man beschreiben soll, wie man sich die Tätigkeiten während der Lehre vorstellt, sollte auch dabei sein. Dann noch ein paar allgemeine Wissensfragen und ein bisserl Praxis (mit einem Maßband die Größe einer Tür abmessen und sagen, worin sich zwei Schraubenzieher (einer Kreuz, einer Schlitz) unterscheiden.
Bevor gleich wieder was unterstellt wird: natürlich wird es etliche Jugendliche geben, die all das locker schaffen ohne jemals beurteilt worden zu sein. Aber ich stelle mal in den Raum dass es ohne den Druck, gewisse Dinge, die einem nicht so interessieren, eben TROTZDEM zu lernen, mehr Totalversager auf einzelnen Gebieten geben wird, die dann trotz guten Wissens auf anderen Gebieten gar nicht mehr in die engere Auswahl kommen.
Bliss hat geschrieben:
Ich hätte jetzt vermutet, dass jemand, der unbedingt diese Stelle haben möchte es auch ohne vorherige Noten so vorzubereiten, dass er den Test besteht. Einfach weil er weiss, weshalb er lernt.
Teilweise wirst du recht haben, aber gewisse Dinge (z.B. eine halbwegs fehlerfreie Rechtschreibung oder mathematisches Grundverständnis) kann man nicht - wie du es bezeichnest - bullemielernen. Vielleicht bin ich aber auch vorurteilsbehaftet weil ich ein 16jähriges Mädchen kenne, welches mindestes durchschnittlich intelligent ist (und auch witzig, selbstbewusst, weltoffen), aber nie Interesse an Mathe hatte, und nach 10 Jahren Montessori-Schule nicht weiß, wie viel 75+75 ergibt. Da kann der Rest noch so "passen" - jeder Personalchef wird ablehnen!
Bliss hat geschrieben:
Ich hab durchaus schon erlebt, dass Lob meine Kinder verunsichert hat. Zum Beispiel, wenn das Lob nicht mit dem übereinstimmt, was sie selber fühlen. Mein kleiner Sohn spielt z.B hervorragend Klavier und als er dafür von einer Tante überschwenglich gelobt wurde meinte er irritiert zu mir: das war doch gar nicht mein bestes. Oder als er mit 3 Jahren beim Arzt dafür gelobt wurde, dass er sich alleine an und ausgezogen hat kam er sich ziemlich veräppelt vor. Im Kinderturnen, wo wirklich alles gelobt wurde haben meine Kinder einfach nur auf Durchzug geschaltet.
Klar gibt´s immer wieder Außenstehende die entweder Lob oder Kritik übertreiben und das ist verwirrend. Ich erinnere mich daran, als ich noch ein Kind war und eine alte Nachbarin ganz aus dem Häuschen war weil ich schon sprechen konnte (ich war etwa 4!) - mit der Aussage konnte ich absolut nicht umgehen und ich habe mich gefragt ob die Frau richtig im Kopr ist.
Einmal wurde mein Sohn von einer fremden Frau an der Bushaltestelle dafür gelobt, dass er benennen konnte, was ein Hammer und was eine Zange ist (er hatte seinen Spiel-Werkzeugkoffer dabei) das kam ihm auch komisch vor. Klar, ich würde auch dumm aus der Wäsche schauen wenn jemand sagen würde: "Super, du warst jetzt ganz alleine einkaufen! Das hast du toll gemacht!"
Aber das habe ich mit meiner Frage nicht gemeint. Es ging mir um Lob, das von uns Eltern (die wir das Kind kennen) kommt, von dem Momo ja schreibt, es würde dem Kind die Freude (den Flow) nehmen. Und genau DAS habe ich noch nie beobachtet, weder bei meinen Kindern noch in meinem (großen) Freundes- und Bekanntenkreis.
Bliss hat geschrieben:
Die größte Gefahr für mich wäre aber, was fühlt das Kind wenn das Lob ausbleibt.
Ich halte Lob nicht für notwendig um einem Kind Feedback zu geben. So, wie Momo das beschrieben hat ("Ah, du übst Handstand!") ist es auch ok. Aber ich glaube trotzdem nicht dass ein "Wow, der ist dir aber wirklich gut gelungen" großen Schaden anrichtet. Ein Kind, welches sich geliebt und angenommen fühlt, wird den Unterschied vielleicht gar nicht wahrnehmen.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)