Yupamil hat geschrieben:Rabaukenmama: Mein Sohn hat auch überhaupt keinen Orientierungssinn
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Architekt wird sicher nie einer aus ihm. Seine Stärken liegen definitiv im sprachlichen, sozialen und kreativen Bereich. Eigentlich wusste ich das immer schon, jetzt habe ich es schwarz auf weiß, aber dass es so extrem ist, hätte ich mir nicht gedacht, weder nach oben noch nach unten.
Daher empfehle ich ja das Buch "Kinderjahre" - da ist viel von solchen Extremabweichungen vom Durchschnitt die Rede und wenn man die Fülle der möglichen Stärken und Schwächen betrachtet fallen erstaunlich viele Menschen unter diese "Extreme"
Yupamil hat geschrieben:
Mein Bruder hatte leichte Legasthenie gepaart mit Hochbegabung - und eine sehr schwierige Schulkarriere mit Rausschmiss und Studienberechtigungsprüfung mit 30... Aber ich weiß nicht, ob meinem Sohn das was bringt. Mein Bruder war ein richtiges Lego-Genie, etwas, was mein Sohn ganz und gar nicht kann...
Sein älterer Bruder ist in jeder Hinsicht das Gegenteil von ihm. Er tut sich schulisch extrem leicht, konnte auch schon mit 4-5 lesen, rechnen usw. kannte sich mit 4 schon im gesamten U-Bahnnetz aus - aber er ist sozial auf dem Niveau eines Kindergartenkindes und völlig unkreativ. (und hat auch eingenässt, bis er 8 war... das hat nichts mit Intelligenz zu tun).
In meiner Familie gibt es viele Personen mit Teilleistungsstärken und auch Teilleistungsschwächen. Ein Onkel von mir mußte wegen seiner schweren Legasthenie (40 Schreibfehler auf einer A4 Seite bei Schulabschluss) die Sonderschule besuchen. In Mathe war er aber spitze. Nach seiner erfolgreichen Tischlerlehre hat er den Hauptschulabschluss nachgeholt. Danach dachte er, auf biegen und brechen die Matura nachmachen zu müssen. Nach 7 Jahren hatte er alle Prüfungen - bis auf deutsch, englisch und französisch - und mußte einsehen, dass auch 8 Schreibfehler pro A4 Seite (im Fach Deutsch) für ein erfolgreiches maturieren zu viel sind und er die Fremdsprachen sowieso nicht schafft. Er hat sich dann wieder auf seine Fähigkeiten besonnen und die Tischler-Meisterprüfung gemacht. Jetzt ist er selbstständiger Tischlermeister
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Ein Cousin von mir konnte nicht sinnerfassend lesen. Ich erinnere mich an seine Schulzeit, als ihm seine Mutter das Buch für die Nacherzählung 3x laut vorgelesen hat - und er sich danach trotzdem nicht an den Inhalt erinnern konnte. Aber er war sehr sozial, hat sich um jüngere Kinder gekümmert und gerne mit Puppen (denen, des Nachbarmädchens, er bekam damals keine eigenen) gespielt. Familie und Geborgenheit war ihm extrem wichtig und er war ein sehr anhängliche Kind. Außerdem war er feinmotorisch sehr geschickt und
hatte ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen. Er wurde ebenfalls Tischler, arbeitet jetzt aber in einer Fabrik. Doch sein eigentliches Leben spielt sich hauptsächlich in seiner Familie an. Er hat eine Frau gefunden, die super zu ihm passt (genauso ordentlich, genauso sparsam, ebenfalls Familienmensch) und sie haben zwei total süße Mädchen, denen er ein liebevoller Vater ist. Mit seinem handwerklichem Geschick hat er seiner kleinen Familie ein tolles Haus gebaut und er kommt mir sehr zufrieden und ausgeglichen vor.
Ein anderer Cousin ist das genaue Gegenteil: er war sowohl grob- als auch feinmotorisch wirklich extrem schlecht, was durch eine leichte spastische Lähmung von Hand und Fuß noch verstärkt wurde. Dafür war er sprachlich extrem fit und hatte ein extrem gutes Zahlen-Verständnis und Gedächtnis. Nun, er ist heute noch nicht imstande einen Nagel einzuschlagen, arbeitet aber seit Jahren erfolgreich für eine Statistik-Firma, wo er telefonische Kunden-Befragungen macht. Sein sehr gutes Mathe-Verständnis und seine sprachliche Fitness kommen ihm da sehr zugute. Nebenbei hat er ein 500seitiges Buch mit über 100 selbst erstellten Statistiken geschrieben.
Yupamil hat geschrieben:
Angst macht mir aber, was danach kommt, wenn er seine visuellen Fähigkeiten nicht zumindest auf ein unteres Durchschnittsniveau bekommt.
Ich habe (schon bevor ich den Befund hatte) festgestellt, dass er sich Rechtschreibung merkt, wenn wir das rein auditiv machen - er also die Wörter buchstabiert und dabei am Trampolin hüpft oder schaukelt. Das geht jetzt noch, aber wie soll er sich so die Schreibweise sämtlicher Englischvokabeln merken? Außerdem ist er ein totaler Chaot, der ständig immer alles verliert...
Bitte trau deinem Sohn zu dass er "seine" Wege zu lernen und zum Schule-bewältigen zu finden. Du kannst ihn zwar unterstützen, es ist aber nicht deine Aufgabe, ihn durch die Schule zu bringen. Kann sein dass er irgendwann mal eine Klasse wiederholen muss - na und? Wenn er Bestätigung für seine Stärken bekommt und seine Familie trotzdem hinter ihm steht wird das keine Tragödie sein.
Mein jüngerer Sohn wurde gehörlos geboren. Er hat zwar vor 10 Monaten Hörimplantate bekommen, weitert sich aber seit Wochen, sie zu tragen. Im Moment ist er in einem von 2 Kindergärten, wo außer deutsch auch noch Gebärdensprache verwendet wird. Obwohl sich schon jetzt Teilleistungsstärken zeigen (vor allem im technischen Bereich) habe ich keine Ahnung ob er jemals die Möglichkeit zu einem "normalen" Schulabschluss bekommen wird.
Mich tröstet, dass mein Kleiner extrem stur ist, was zwar jetzt, in der Trotzphase, sehr nervt, ihm aber im Leben sicher dabei helfen wird, sich durchzusetzen. Ich kann nur nach bestem Wissen und Gewissen Bedingungen suchen, die für meine Kinder passen KÖNNTEN. Aber sie selbst können viel mehr, wenn ich sie lasse und an sie glaube.
Yupamil hat geschrieben:
Leider bietet das Schulsystem in Österreich nicht gerade viele Möglichkeiten und Kinder, die die Welt anders wahrnehmen und anders denken, tun sich besonders schwer, da erfolgreich durchzukommen...
Davon kann ich ein Lied singen. Bin gerade in einer kleinen Gruppe dabei, die sich dafür einsetzt, dass Gebärdensprache auch als Unterrichtssprache anerkannt wird und mein kleiner Sohn - sollte er trotz Implantaten nicht hören können oder wollen - trotzdem Zugang zu normaler Bildung hat.
Da beruhigt mich aber der Gedanke an meine Verwandten, die trotz ihrer Teilleistungsschwächen und österreichischem Schulsystem "ihren" Weg gefunden haben
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Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)