Ist das alles noch „normal“? Meine tägliche Unsicherheit.
Verfasst: Di 29. Jan 2019, 22:38
Hallo in die Runde,
zunächst mal: schön dass es euch und dieses Forum gibt! Ich durchforste schon seit Monaten das Internet zum Thema Hochbegabung (bei Kleinkindern), doch bin erst vor wenigen Tagen auf das Forum gestoßen. Und ich dachte: Endlich mal eine Austauschmöglichkeit, die Chance zum Dialog, statt nur einseitiges Lesen von verschiedenen (Fach-)Informationen.
Zu meiner Situation: mein Sohn ist 2 ½ Jahre alt. Er ist kognitiv sehr weit, zumindest glaube ich das, was ich gern mit einigen Beispielen untermauern möchte, da diese es einfach am anschaulichsten rüber bringen:
Er schaut sich unglaublich gerne Bücher an und beginnt „zu lesen“, d.h. er zeigt auf eine Textpassage und sagt „Da steht…“ Dann denkt er sich etwas aus und teilt die Worte in seine Silben auf. Etwa so: „Da steht LÖF-FEL-BAG-GER.“ Auch Bücher aus der „Bildermaus“-Reihe liest er seit Monaten besonders gern: wir lesen den Text, er benennt die Bilder. Auch erkennt er schon mehrere Buchstaben sicher (A, T, U, V, O, W, Y, X) und weiß, dass es Großbuchstaben und kleine Buchstaben gibt (er schaute sich kürzlich ein Buch an und bat mich, ihm das kleine t zu zeigen). Kürzlich überraschte er mich als er eine 5 würfelte und rief „Guck mal, das sieht aus wie ein X!“ Sein Wortschatz ist riesig, er bildet teilweise komplizierte Haupt- und Nebensätze. Dinge werden detailliert benannt, so ist der Kran beispielsweise nicht einfach ein Kran, sondern ein "Turmdrehkran" bitteschön.
Er zählt bis 20 und erkennt die Zahlen von 0-9. Mengen kann er bis 10 sicher abzählen.
Er hat ein unglaubliches Gedächtnis. Er kann so viele Lieder auswendig! Das ist seine wohl verblüffendste Fähigkeit momentan. Mal abgesehen von seinem Humor. Gestern sprachen wir über Tierlaute und ahmten sie nach. Als wir über Enten sprachen, fragte ich ihn, wie die denn machen (und erwartete natürlich ein quakquak). Mein Sohn grinste mich an und sagte: „Schwänzchen in die Höh!“
Er malt sehr sehr gern. Vorgegebene Bilder mag er nicht, er malt lieber seine eigenen Bilder. Er weiß genau, was er da malt und manchmal kann man sogar schon erahnen, was er da gemalt hat. Er malt parallele Linien, Kreise (geschlossen und offen), Zickzacklinien usw. Er geht sicher mit der Schere um und hat eine Vorstellung davon, wie er zum Ziel kommt (beispielsweise hat er ein Paket, dass mit Paketschnur verschlossen war, völlig selbständig mit der Schere geöffnet).
Seit kurzem interessiert er sich überdies für Gesellschaftsspiele. Sein aktuelles Lieblingsspiel ist „Stapelmännchen“, ein Spiel, dass er jeden Tag einfordert. Aber auch „Tante Emma“, ein Einkaufsspiel von Haba steht Hoch im Kurs.
Er erkennt Zusammenhänge und erklärt mir, wie die Dinge funktionieren. Er assoziiert folgerichtig, so erklärte er uns beim Händewaschen kürzlich, dass sich im Abfluss des Waschbeckens genauso Wasser befindet, wie im Gulli der Straße.
Er fragt warum. Immer und überall. Und er hinterfragt, und wie! Jede einzelne unserer Entscheidungen will ausdiskutiert werden. Wenn er beispielsweise etwas nicht darf, fragt er nicht nur, warum er das nicht darf. Nein, er erklärt uns dann auch trotzig, dass sein Freund das aber wohl darf und dass er das folglich auch machen will. Mit 2 ½ Jahren! Ganz ehrlich, ich dachte, ich hätte mehr Zeit bis es soweit ist.
So toll sich das alles vielleicht anhören mag, so sehr schlaucht mich die Pfiffigkeit unseres Sohnes. Denn wie heißt es so schön: es gibt immer zwei Seiten einer Medaille. Die zweite Seite sieht in unserem Fall so aus:
Er fordert ständig „Futter“. Er kann sich kaum alleine beschäftigen, ich muss wenigstens mit im selben Raum sein, am liebsten aber ihn bespaßen. Wenn das mal nicht geht, dauert es nur wenige Minuten und er hängt mir am Rockzipfel. Er braucht viel Nähe, tags wie nachts. Er kuschelt sehr viel. Und er schläft sehr wenig. Jede, wirklich jede Nacht wird er wach und weckt mich. Und wenn wir Pech haben, ist er dann auch erstmal wach für die nächsten 1-2 Stunden.
Spiele und Spielsachen verlieren schnell ihren Reiz, hat er einmal verstanden, wie sie funktionieren. Ergo bin ich ständig auf der Suche nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten. Die einzige Ausnahme bilden Schüttübungen, die liebt er und fordert sie täglich ein.
Regeln einzuhalten fällt ihm sehr schwer, sowohl zu Hause, als auch in der Krippe. Das führt immer häufiger zu Unstimmigkeiten zwischen ihm und uns als Eltern, aber auch zwischen ihm und seiner Erzieherin.
Emotional ist er altersentsprechend entwickelt würde ich sagen. Er kann sehr trotzig sein, vor allem, wenn es nicht nach seinem Kopf geht…
Und dann auch noch die eine Frage, die jeden Tag in mir arbeitet: ist mein Sohn hochbegabt? Oder ist er einfach „nur“ ein bissl weiter als die anderen? Wenn ich so von anderen Kindern lese und höre, die nochmal ein ganzes Stück weiter sind als mein Sohn, frage ich mich manchmal, ob ich mir das alles nur einbilde. Dass er in Wahrheit nicht weiter ist, sondern ich einfach was auf ihn projiziere. Auch seine Erzieher finden seine Fähigkeiten nicht wirklich weiter entwickelt, und die müssen es ja schließlich wissen, oder? Dann gibt es aber wieder so Tage, wo jemand außenstehendes sagt, dass er aber weit für sein Alter sei. Und ich stehe einmal mehr total unsicher da. Warum die Frage ob er hochbegabt ist oder nicht überhaupt so wichtig für mich ist? Das versuche ich gerade zu ergründen… Ein Grund ist auf jeden Fall, dass ich Angst habe, etwas zu verpassen, ihm nicht das zu geben, was er braucht, ihn nicht ausreichend zu fördern, etwas zu übersehen, etc.
Fazit: so sehr ich meinen Sohn liebe, so sehr neigen sich meine Kräfte dem Ende zu. Nicht nur, aber auch deshalb bin ich froh, dass es dieses Forum gibt und freue mich auf neue Kontakte, einen regen Austausch und eure Meinungen.
Ist das alles noch „normal“?
Viele liebe Grüße in die Runde,
Lunamia Schokokeks
zunächst mal: schön dass es euch und dieses Forum gibt! Ich durchforste schon seit Monaten das Internet zum Thema Hochbegabung (bei Kleinkindern), doch bin erst vor wenigen Tagen auf das Forum gestoßen. Und ich dachte: Endlich mal eine Austauschmöglichkeit, die Chance zum Dialog, statt nur einseitiges Lesen von verschiedenen (Fach-)Informationen.
Zu meiner Situation: mein Sohn ist 2 ½ Jahre alt. Er ist kognitiv sehr weit, zumindest glaube ich das, was ich gern mit einigen Beispielen untermauern möchte, da diese es einfach am anschaulichsten rüber bringen:
Er schaut sich unglaublich gerne Bücher an und beginnt „zu lesen“, d.h. er zeigt auf eine Textpassage und sagt „Da steht…“ Dann denkt er sich etwas aus und teilt die Worte in seine Silben auf. Etwa so: „Da steht LÖF-FEL-BAG-GER.“ Auch Bücher aus der „Bildermaus“-Reihe liest er seit Monaten besonders gern: wir lesen den Text, er benennt die Bilder. Auch erkennt er schon mehrere Buchstaben sicher (A, T, U, V, O, W, Y, X) und weiß, dass es Großbuchstaben und kleine Buchstaben gibt (er schaute sich kürzlich ein Buch an und bat mich, ihm das kleine t zu zeigen). Kürzlich überraschte er mich als er eine 5 würfelte und rief „Guck mal, das sieht aus wie ein X!“ Sein Wortschatz ist riesig, er bildet teilweise komplizierte Haupt- und Nebensätze. Dinge werden detailliert benannt, so ist der Kran beispielsweise nicht einfach ein Kran, sondern ein "Turmdrehkran" bitteschön.
Er zählt bis 20 und erkennt die Zahlen von 0-9. Mengen kann er bis 10 sicher abzählen.
Er hat ein unglaubliches Gedächtnis. Er kann so viele Lieder auswendig! Das ist seine wohl verblüffendste Fähigkeit momentan. Mal abgesehen von seinem Humor. Gestern sprachen wir über Tierlaute und ahmten sie nach. Als wir über Enten sprachen, fragte ich ihn, wie die denn machen (und erwartete natürlich ein quakquak). Mein Sohn grinste mich an und sagte: „Schwänzchen in die Höh!“
Er malt sehr sehr gern. Vorgegebene Bilder mag er nicht, er malt lieber seine eigenen Bilder. Er weiß genau, was er da malt und manchmal kann man sogar schon erahnen, was er da gemalt hat. Er malt parallele Linien, Kreise (geschlossen und offen), Zickzacklinien usw. Er geht sicher mit der Schere um und hat eine Vorstellung davon, wie er zum Ziel kommt (beispielsweise hat er ein Paket, dass mit Paketschnur verschlossen war, völlig selbständig mit der Schere geöffnet).
Seit kurzem interessiert er sich überdies für Gesellschaftsspiele. Sein aktuelles Lieblingsspiel ist „Stapelmännchen“, ein Spiel, dass er jeden Tag einfordert. Aber auch „Tante Emma“, ein Einkaufsspiel von Haba steht Hoch im Kurs.
Er erkennt Zusammenhänge und erklärt mir, wie die Dinge funktionieren. Er assoziiert folgerichtig, so erklärte er uns beim Händewaschen kürzlich, dass sich im Abfluss des Waschbeckens genauso Wasser befindet, wie im Gulli der Straße.
Er fragt warum. Immer und überall. Und er hinterfragt, und wie! Jede einzelne unserer Entscheidungen will ausdiskutiert werden. Wenn er beispielsweise etwas nicht darf, fragt er nicht nur, warum er das nicht darf. Nein, er erklärt uns dann auch trotzig, dass sein Freund das aber wohl darf und dass er das folglich auch machen will. Mit 2 ½ Jahren! Ganz ehrlich, ich dachte, ich hätte mehr Zeit bis es soweit ist.
So toll sich das alles vielleicht anhören mag, so sehr schlaucht mich die Pfiffigkeit unseres Sohnes. Denn wie heißt es so schön: es gibt immer zwei Seiten einer Medaille. Die zweite Seite sieht in unserem Fall so aus:
Er fordert ständig „Futter“. Er kann sich kaum alleine beschäftigen, ich muss wenigstens mit im selben Raum sein, am liebsten aber ihn bespaßen. Wenn das mal nicht geht, dauert es nur wenige Minuten und er hängt mir am Rockzipfel. Er braucht viel Nähe, tags wie nachts. Er kuschelt sehr viel. Und er schläft sehr wenig. Jede, wirklich jede Nacht wird er wach und weckt mich. Und wenn wir Pech haben, ist er dann auch erstmal wach für die nächsten 1-2 Stunden.
Spiele und Spielsachen verlieren schnell ihren Reiz, hat er einmal verstanden, wie sie funktionieren. Ergo bin ich ständig auf der Suche nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten. Die einzige Ausnahme bilden Schüttübungen, die liebt er und fordert sie täglich ein.
Regeln einzuhalten fällt ihm sehr schwer, sowohl zu Hause, als auch in der Krippe. Das führt immer häufiger zu Unstimmigkeiten zwischen ihm und uns als Eltern, aber auch zwischen ihm und seiner Erzieherin.
Emotional ist er altersentsprechend entwickelt würde ich sagen. Er kann sehr trotzig sein, vor allem, wenn es nicht nach seinem Kopf geht…
Und dann auch noch die eine Frage, die jeden Tag in mir arbeitet: ist mein Sohn hochbegabt? Oder ist er einfach „nur“ ein bissl weiter als die anderen? Wenn ich so von anderen Kindern lese und höre, die nochmal ein ganzes Stück weiter sind als mein Sohn, frage ich mich manchmal, ob ich mir das alles nur einbilde. Dass er in Wahrheit nicht weiter ist, sondern ich einfach was auf ihn projiziere. Auch seine Erzieher finden seine Fähigkeiten nicht wirklich weiter entwickelt, und die müssen es ja schließlich wissen, oder? Dann gibt es aber wieder so Tage, wo jemand außenstehendes sagt, dass er aber weit für sein Alter sei. Und ich stehe einmal mehr total unsicher da. Warum die Frage ob er hochbegabt ist oder nicht überhaupt so wichtig für mich ist? Das versuche ich gerade zu ergründen… Ein Grund ist auf jeden Fall, dass ich Angst habe, etwas zu verpassen, ihm nicht das zu geben, was er braucht, ihn nicht ausreichend zu fördern, etwas zu übersehen, etc.
Fazit: so sehr ich meinen Sohn liebe, so sehr neigen sich meine Kräfte dem Ende zu. Nicht nur, aber auch deshalb bin ich froh, dass es dieses Forum gibt und freue mich auf neue Kontakte, einen regen Austausch und eure Meinungen.
Ist das alles noch „normal“?
Viele liebe Grüße in die Runde,
Lunamia Schokokeks