Keine eindeutige Diagnose – wem ergeht es noch so?
Verfasst: Do 16. Feb 2023, 11:37
Hallo, ich bin neu hier auf der Seite.
Ich schreibe hier, weil ich hoffe, dass es hier vl. jemanden gibt, der eine ähnliche Situation hat und mit Rat & Tipps aushelfen kann.
Mein Sohn (7) wurde letzten Herbst eingeschult und nach relativ kurzer Zeit meinte seine Klassenlehrerin, dass er manchmal so eine „innere Anspannung und Wut“ hätte und diese dann auch situationsbedingt in impulsivem Verhalten hervorbricht (wirft Arbeitsmaterial auf den Boden – denn das ist ja alles „blöd“; diskutiert ständig über Regeln die für ihn keinen Sinn ergeben; kann nicht abwarten und platzt mit Antworten heraus; unterbricht andere; stört den Unterricht; verlangt viel Beachtung und ist sehr fordernd). Trotzdem sind seine schulischen Leistungen sehr gut (in Mathematik fing er vor Weihnachten schon mit dem Aufgabenbuch der 2. Klasse an), auch im Schreiben ist er sehr gut (manchmal schlampig), im Lesen auch, nur geht ihm das zu langsam, deshalb mag er es nicht; im Sachunterricht sowieso, da er sehr viel weiß. Malen hasst er, weil das was er malt nie so aussieht wie er es sich vorstellt.
Die Klassenlehrerin schlug uns Ergotherapie vor, was wir danach auch gleich mit der Kinderärztin besprachen. Diese meinte, vor einer Therapie wäre mal eine Diagnostik gut und überwies uns an eine Kinderpsychologische Praxis.
Hier machten wir also eine psychologische Diagnostik. Durchgeführt wurde ein Aufmerksamkeitstest (TEACH-Test), wo er insgesamt eine durchschnittliche Leistung zeigte. Selektive Aufmerksamkeit und Aufmerksamkeitskontrolle liegen im durchschnittlichen Bereich. Daueraufmerksamkeit liegt im überdurchschnittlichen Bereich. Er kann sich also sehr gut konzentrieren – auch bei extrem langweiligen, lange dauernden Aufgaben – ADHS wurde also schon mal ausgeschlossen.
Beim Intelligenztest (KABC-II) erreichte er ein insgesamt überdurchschnittliches Ergebnis.
Kurzzeitgedächtnis und Ausmaß an Wissen ist überdurchschnittlich; Langzeitgedächtnis, visuelle Fähigkeiten und Planungsfähigkeit liegen im höheren Durchschnittsbereich.
Weiters zeigt unser Sohn eine auffällig hohe motorische Unruhe (möchte alles sofort angreifen, auspacken, kann nicht abwarten). Er hüpft und zappelt ständig herum, kann nicht stillsitzen (wird zuhause immer beim Essen zu einem Problem), er läuft oder klettert dauernd irgendwo herum – kennt auch keine Gefahren. Zusätzlich redet er auch übermäßig viel und hat einen enormen Wortschatz (hat schon als Kleinkind sehr früh sehr viel gesprochen – wir hatten nie ein „Verständigungsproblem“, weil er uns immer sagen konnte was er will und braucht).
In der Schule kann er komischerweise aber doch stillsitzen (war anfangs unsere Sorge) und sich konzentrieren. Nach Phasen der Konzentration schießt jedoch sein impulsives Verhalten noch mehr hinaus, so als würde er den Drang verspüren dann alles hinauslassen zu müssen, was er zuvor unterdrückt hat. Dann kaspert er häufig herum, wirft sich manchmal sogar auf den Boden, macht waghalsige Sachen oder flippt eben regelmäßig aus, wenn ihn jemand ärgert oder etwas nicht so läuft wie er sich das vorstellt.
Conclusio der Diagnostik war, dass von einer Störung der Impulskontrolle mit Hyperaktivität auszugehen ist. Die Konzentrations- und Aufmerksamkeitsfähigkeit zeigt sich als unauffällig. Die Psychologin meinte noch, dass es dafür keine „klinische Beschreibung“ gäbe, denn ADHS wäre es eben nicht.
Ihre Empfehlung war eine Ergotherapie zum Erlernen von Selbstregulationsstrategien, Wahrnehmung von eigenen Grenzen und der von anderen sowie ein psychologisches Elterncoaching.
Anschließend hatten wir ein Vorgespräch mit einer Ergotherapeutin die eine eventuelle (taktile) Wahrnehmungsstörung in den Raum warf. Unser Sohn ist ein „Kaiserschnittkind“ (aber alles unproblematisch – kein Notkaiserschnitt oder so) und hat schon direkt nach der Geburt total interessiert „herumgeschaut“ so als würde er alles erkunden wollen (die Hebamme hat noch darüber gelacht, wie er seinen Kopf gereckt hat). Er wollte aber schon als Baby nicht herumgetragen werden und hat Körperkontakt abgelehnt – hat sich mit Armen und Beinen von einem weggedrückt. Babytrage ging gar nicht – Megageschrei. Ansonsten war er sehr pflegeleicht – kein Schreibaby, hat mit ca. 2 Monaten schon durchgeschlafen und auch am Tag viel geschlafen. Mein Mann meinte einmal im Scherz: er hat seine Kraft gesammelt für die „Zeit danach“. Kaum konnte er nämlich krabbeln und später laufen war er überall dran und ständig am Wegrennen – stand keine Sekunde still. Wir hatten oft das Gefühl, dass er uns gar nicht braucht, er hat ständig sein eigenes Ding gemacht. Er war auch absolut kein Kuschelkind. Kuscheln ging max. ein paar Sekunden, dann hat er sich schon wieder weggewunden.
Er ist aufgrund seiner Hyperaktivität SEHR sportlich. Wir haben schon früh versucht seine Energien in Sport umzulenken, was sehr gut funktioniert hat. Er liebt es sich zu bewegen, spielt Tennis und geht 2x in der Woche zum Abenteuerturnen, liebt es zu Schwimmen und zu Tauchen. Mag eben alles, was mit Action zu tun hat. Karate (haben wir ausprobiert wg. der „inneren Ruhe“ und dem „sich fokussieren lernen“) hat jedoch nicht funktioniert - das war ihm viel zu langweilig.
Nun hatten wir also unsere erste Ergotherapie-Einheit und die Ergotherapeutin meinte bei der Nachbesprechung, dass sie eher nicht das Gefühl hat, dass er eine Wahrnehmungsstörung hat, denn er halt alle therapeutischen Maßnahmen mitgemacht – ließ sich einwickeln, anfassen, etc… Aufgrund seiner unterdurchschnittlichen Impulskontrolle und der motorischen Unruhe bräuchte er natürlich Unterstützung beim Erlernen von Selbstregulationsstrategien, sie geht aufgrund der doch massiven Auffälligkeiten schon von 20-30 Ergotherapie-Stunden aus.
So, und nun stehen wir hier und haben im Endeffekt keine eindeutige Diagnose, die uns weiterbringt. Es ist kein ADHS, keine Wahrnehmungsstörung, keine Hochbegabung…. Nicht Fisch, nicht Fleisch, irgendwas mittendrin für das es (lt. Psychologin) keine „klinisch beschriebene Diagnose“ gäbe….
Für mich als Mutter ist eben schlimm mit anzusehen, dass er durch sein eigenes Verhalten immer mehr ausgegrenzt wird. Er selbst ist ein sehr kontaktfreudiges, aufgeschlossenes Kind und möchte am liebsten mit allem und jedem spielen. Leider ist es ein Teufelskreis: er verhält sich impulsiv und aufgedreht und stößt damit seine Freunde vor den Kopf – die wollen dann nicht mehr mit ihm spielen – das macht ihn dann noch frustrierter und das impulsive Verhalten steigt. Hinzu kommen die Eltern seiner Freunde die ihn als „anstrengendes Kind“ ansehen und ihn teilweise gar nicht mehr bei sich zu Hause haben möchten (bei einem Mädchen ist er z.B. nicht mehr zu den Geburtstagsfeiern eingeladen, da es den Eltern zu anstrengend ist ihn im Zaum zu halten).
In der Nachbarschaft hat er teilweise schon einen „Stempel“ aufgedrückt bekommen à la: Aja eh klar, DER schon wieder…. Einige Kinder merken halt auch, dass er leicht reizbar ist, und ärgern ihn dann subtil, bis er ausflippt. Und das bekommt dann natürlich jeder mit und unser Sohn ist schon wieder stigmatisiert.
Ich habe nun hier im Forum gelesen, dass z.B. der KABC-II Test nicht wirklich aussagekräftig wäre und ein WISC-V Test besser wäre. Sollen wir nochmal auf Basis von WISC-V testen lassen?
Außerdem las ich etwas von „Neurofeedback“. Hat das hier schon mal jemand hinsichtlich fehlender Impulskontrolle & Hyperaktivität probiert?
Im Internet finde ich leider kaum interessante Informationen, da jedes Mal wenn ich „Hyperaktivität“ und „fehlende Impulskontrolle“ eingeben sofort ADHS angezeigt wird, was mir nicht hilft, da er das nicht hat….
Vielen lieben Dank!
LG aus Österreich
Ich schreibe hier, weil ich hoffe, dass es hier vl. jemanden gibt, der eine ähnliche Situation hat und mit Rat & Tipps aushelfen kann.
Mein Sohn (7) wurde letzten Herbst eingeschult und nach relativ kurzer Zeit meinte seine Klassenlehrerin, dass er manchmal so eine „innere Anspannung und Wut“ hätte und diese dann auch situationsbedingt in impulsivem Verhalten hervorbricht (wirft Arbeitsmaterial auf den Boden – denn das ist ja alles „blöd“; diskutiert ständig über Regeln die für ihn keinen Sinn ergeben; kann nicht abwarten und platzt mit Antworten heraus; unterbricht andere; stört den Unterricht; verlangt viel Beachtung und ist sehr fordernd). Trotzdem sind seine schulischen Leistungen sehr gut (in Mathematik fing er vor Weihnachten schon mit dem Aufgabenbuch der 2. Klasse an), auch im Schreiben ist er sehr gut (manchmal schlampig), im Lesen auch, nur geht ihm das zu langsam, deshalb mag er es nicht; im Sachunterricht sowieso, da er sehr viel weiß. Malen hasst er, weil das was er malt nie so aussieht wie er es sich vorstellt.
Die Klassenlehrerin schlug uns Ergotherapie vor, was wir danach auch gleich mit der Kinderärztin besprachen. Diese meinte, vor einer Therapie wäre mal eine Diagnostik gut und überwies uns an eine Kinderpsychologische Praxis.
Hier machten wir also eine psychologische Diagnostik. Durchgeführt wurde ein Aufmerksamkeitstest (TEACH-Test), wo er insgesamt eine durchschnittliche Leistung zeigte. Selektive Aufmerksamkeit und Aufmerksamkeitskontrolle liegen im durchschnittlichen Bereich. Daueraufmerksamkeit liegt im überdurchschnittlichen Bereich. Er kann sich also sehr gut konzentrieren – auch bei extrem langweiligen, lange dauernden Aufgaben – ADHS wurde also schon mal ausgeschlossen.
Beim Intelligenztest (KABC-II) erreichte er ein insgesamt überdurchschnittliches Ergebnis.
Kurzzeitgedächtnis und Ausmaß an Wissen ist überdurchschnittlich; Langzeitgedächtnis, visuelle Fähigkeiten und Planungsfähigkeit liegen im höheren Durchschnittsbereich.
Weiters zeigt unser Sohn eine auffällig hohe motorische Unruhe (möchte alles sofort angreifen, auspacken, kann nicht abwarten). Er hüpft und zappelt ständig herum, kann nicht stillsitzen (wird zuhause immer beim Essen zu einem Problem), er läuft oder klettert dauernd irgendwo herum – kennt auch keine Gefahren. Zusätzlich redet er auch übermäßig viel und hat einen enormen Wortschatz (hat schon als Kleinkind sehr früh sehr viel gesprochen – wir hatten nie ein „Verständigungsproblem“, weil er uns immer sagen konnte was er will und braucht).
In der Schule kann er komischerweise aber doch stillsitzen (war anfangs unsere Sorge) und sich konzentrieren. Nach Phasen der Konzentration schießt jedoch sein impulsives Verhalten noch mehr hinaus, so als würde er den Drang verspüren dann alles hinauslassen zu müssen, was er zuvor unterdrückt hat. Dann kaspert er häufig herum, wirft sich manchmal sogar auf den Boden, macht waghalsige Sachen oder flippt eben regelmäßig aus, wenn ihn jemand ärgert oder etwas nicht so läuft wie er sich das vorstellt.
Conclusio der Diagnostik war, dass von einer Störung der Impulskontrolle mit Hyperaktivität auszugehen ist. Die Konzentrations- und Aufmerksamkeitsfähigkeit zeigt sich als unauffällig. Die Psychologin meinte noch, dass es dafür keine „klinische Beschreibung“ gäbe, denn ADHS wäre es eben nicht.
Ihre Empfehlung war eine Ergotherapie zum Erlernen von Selbstregulationsstrategien, Wahrnehmung von eigenen Grenzen und der von anderen sowie ein psychologisches Elterncoaching.
Anschließend hatten wir ein Vorgespräch mit einer Ergotherapeutin die eine eventuelle (taktile) Wahrnehmungsstörung in den Raum warf. Unser Sohn ist ein „Kaiserschnittkind“ (aber alles unproblematisch – kein Notkaiserschnitt oder so) und hat schon direkt nach der Geburt total interessiert „herumgeschaut“ so als würde er alles erkunden wollen (die Hebamme hat noch darüber gelacht, wie er seinen Kopf gereckt hat). Er wollte aber schon als Baby nicht herumgetragen werden und hat Körperkontakt abgelehnt – hat sich mit Armen und Beinen von einem weggedrückt. Babytrage ging gar nicht – Megageschrei. Ansonsten war er sehr pflegeleicht – kein Schreibaby, hat mit ca. 2 Monaten schon durchgeschlafen und auch am Tag viel geschlafen. Mein Mann meinte einmal im Scherz: er hat seine Kraft gesammelt für die „Zeit danach“. Kaum konnte er nämlich krabbeln und später laufen war er überall dran und ständig am Wegrennen – stand keine Sekunde still. Wir hatten oft das Gefühl, dass er uns gar nicht braucht, er hat ständig sein eigenes Ding gemacht. Er war auch absolut kein Kuschelkind. Kuscheln ging max. ein paar Sekunden, dann hat er sich schon wieder weggewunden.
Er ist aufgrund seiner Hyperaktivität SEHR sportlich. Wir haben schon früh versucht seine Energien in Sport umzulenken, was sehr gut funktioniert hat. Er liebt es sich zu bewegen, spielt Tennis und geht 2x in der Woche zum Abenteuerturnen, liebt es zu Schwimmen und zu Tauchen. Mag eben alles, was mit Action zu tun hat. Karate (haben wir ausprobiert wg. der „inneren Ruhe“ und dem „sich fokussieren lernen“) hat jedoch nicht funktioniert - das war ihm viel zu langweilig.
Nun hatten wir also unsere erste Ergotherapie-Einheit und die Ergotherapeutin meinte bei der Nachbesprechung, dass sie eher nicht das Gefühl hat, dass er eine Wahrnehmungsstörung hat, denn er halt alle therapeutischen Maßnahmen mitgemacht – ließ sich einwickeln, anfassen, etc… Aufgrund seiner unterdurchschnittlichen Impulskontrolle und der motorischen Unruhe bräuchte er natürlich Unterstützung beim Erlernen von Selbstregulationsstrategien, sie geht aufgrund der doch massiven Auffälligkeiten schon von 20-30 Ergotherapie-Stunden aus.
So, und nun stehen wir hier und haben im Endeffekt keine eindeutige Diagnose, die uns weiterbringt. Es ist kein ADHS, keine Wahrnehmungsstörung, keine Hochbegabung…. Nicht Fisch, nicht Fleisch, irgendwas mittendrin für das es (lt. Psychologin) keine „klinisch beschriebene Diagnose“ gäbe….
Für mich als Mutter ist eben schlimm mit anzusehen, dass er durch sein eigenes Verhalten immer mehr ausgegrenzt wird. Er selbst ist ein sehr kontaktfreudiges, aufgeschlossenes Kind und möchte am liebsten mit allem und jedem spielen. Leider ist es ein Teufelskreis: er verhält sich impulsiv und aufgedreht und stößt damit seine Freunde vor den Kopf – die wollen dann nicht mehr mit ihm spielen – das macht ihn dann noch frustrierter und das impulsive Verhalten steigt. Hinzu kommen die Eltern seiner Freunde die ihn als „anstrengendes Kind“ ansehen und ihn teilweise gar nicht mehr bei sich zu Hause haben möchten (bei einem Mädchen ist er z.B. nicht mehr zu den Geburtstagsfeiern eingeladen, da es den Eltern zu anstrengend ist ihn im Zaum zu halten).
In der Nachbarschaft hat er teilweise schon einen „Stempel“ aufgedrückt bekommen à la: Aja eh klar, DER schon wieder…. Einige Kinder merken halt auch, dass er leicht reizbar ist, und ärgern ihn dann subtil, bis er ausflippt. Und das bekommt dann natürlich jeder mit und unser Sohn ist schon wieder stigmatisiert.
Ich habe nun hier im Forum gelesen, dass z.B. der KABC-II Test nicht wirklich aussagekräftig wäre und ein WISC-V Test besser wäre. Sollen wir nochmal auf Basis von WISC-V testen lassen?
Außerdem las ich etwas von „Neurofeedback“. Hat das hier schon mal jemand hinsichtlich fehlender Impulskontrolle & Hyperaktivität probiert?
Im Internet finde ich leider kaum interessante Informationen, da jedes Mal wenn ich „Hyperaktivität“ und „fehlende Impulskontrolle“ eingeben sofort ADHS angezeigt wird, was mir nicht hilft, da er das nicht hat….
Vielen lieben Dank!
LG aus Österreich