So, hier jetzt auch mal wieder ein Erfahrungsbericht von uns
Unsere Große ist sehr früh beschleunigt worden und hat mit 2,5 Jahren als Quereinsteigern in einer Klasse mit 4 jährigen Kindern in einer französichen Vorschule angefangen. Es lief auch anfänglich alles sehr gut, sie hat sich sehr gut integriert, obwohl sie deutlich kleiner war, hat sie sich sehr leicht getan, Anschluss und auch Freunde zu finden.
Sprachlich hat sie sehr schnell aufgeholt (sie ist zum 2. Halbjahr der 1.Vorschulkasse eingestiegen) und hat in diesem bereits die anderen nicht französischen Kinder sprachlich eingeholt. Im 2. Vorschuljahr ging dann alles noch schneller, in Ihrer Halbjahresinformation stand dann bereits drin, dass sie auch aktiv französisch spricht und sprachlich fast an die französischen 5-jährigen (!) Kinder herangekommen ist.
Wir haben sie dann trotzdem zum Ende selbigen Halbjahres wieder abgemeldet, gegen der Rat der Vorschule (sie war in allen Bereichen Klassenbeste, ausser in Sport/Grobmotorik), aber die Schule wird auch ihre eigenen Interessen verfolgen...
Was dazu geführt hat, ist nicht so einfach in Worte zu fassen, hier ein Versuch...
Vorab noch etwas zum franz. Vorschulsystem. Die Vorschule ist bereits eine Ganztagsschule, von 9:00-16:00. Im 1. Jahr ist es noch ähnlich dem deutschen Kindergarten, es wird viel gespielt, aber auch schon etwas gelernt (Vokale, Zahlen, Gruppenarbeiten, gezielt Basteln und Malen mit Ergebnis, etc.). Danach wird es doch recht schnell ziemlich stark verschult. Im 2. Jahr kommen dann richtige Unterrichtseinheiten dazu (Mathe + Französich + etwas Englisch), die Spielzeit reduziert sich schrittweise auf max. 1h täglich. Auch ist für die Kinder keine Möglichkeit mehr vorgesehen, Mittags nach dem Essen etwas zu schlafen. Es ist zum Glück kein Frontalunterricht sondern Gruppenarbeit. Zudem ist das franz. System auf die Leistungsfähigkeit von 60% der Kinder ausgelegt. Die 20% am unteren Rand bekommen leichtere Aufgaben (es gibt für alle Aufgaben 3 Schwierigkeitsstufen), die 20% am oberen Rand entsprechend schwerere Aufgaben. Fallen Kinder zu weit zurück, muss die Klasse wiederholt werden (ist einem Kind von 20 aus der Klasse unserer Kleinen passiert), lernen Kinder deutlich zu schnell, bekommen die Eltern die Empfehlung zum Klassensprung bereits in der Vorschule. Kann ein Kind aus welchen Gründen auch immer nicht springen (wie im Falle unserer Großen, da einfach zu klein und bereits gesprungen) können ganze Unterrichtseinheiten individuell vorgezogen werden. Zudem gibt es, um die Kinder zur Mitarbeit zu motivieren, ein ganz offizelles Bestrafungs/Belohungssystem: Kinder die ungezogen sind, müssen auf einen Strafstuhl, und für alle Aufgaben gibt es ein für alle sichtbares 3-stufiges Belohnungssystem (Farbige Punkte auf die Hand: rot=schlecht, blau=OK, grün=gut).
Das hört sich vielleicht theoretisch auf den 1.Blick alles ganz gut an, aber für uns haben sich folgende Probleme daraus ergeben:
Unsere Große war einfach in allem zu schnell. Die Alphabetisierung sollte nach Lehrplan gegen Ende des 3. (und letzten) Vorschuljahres abgeschlossen sein, schnellere Kinder können dann zum Ende der Vorschule bereits Schreibschrift lernen und fangen dann auch an, zu lesen. Unsere Große hat die vollständige Alphabetisierung vorgezogen bekommen, inkl. Schreibschrift, und hatte diese bereits innerhalb von 3 Monaten hinter sich. Sie kann jetzt also auch in Druckbuchstaben (groß und klein) schreiben und Schreibschrift lesen. Sie hatte eine sehr junge, gute und motivierte Lehrerin, die unserer Großen auch immer genug individuelle Zusatzaufgaben etc. zur Verfügung gestellt hat. Dann, um 16:00 kam unser Große nach Hause und war einfach platt. Keine Lust auf nichts, wirkte unausgeglichen, unausgeschlafen und weil todmüde: weinerlich.
Sie hat gegen Ende auch immer öfter gesagt, dass sie nur hingeht um Ihre Freunde zu treffen, und "eh nichts mehr lernen kann" und dass sie eigentlich viel lieber nur mit Ihren Freunden "die das was sie macht alles eh nicht können/verstehen" spielen würde. Wir hatten am Ende das Gefühl, dass Ihr das alles zu viel wird uns sie hat auf uns irgendwie gestresst und gleichzeitig gelangweilt gewirkt, da es trotz aller Zusatzaufgaben doch immer öfters stillstitzen mit Leerlauf mit Langeweile gab da alles sehr verschult war. Hinzu kam das in unseren Augen sehr ungeeignete Belohnungssystem. Unsere Große hatte immer grüne Punkte. IMMER. Alles hat angefangen sich um diese dämlichen grünen Punkte zu drehen, sie wollte dann auch von uns Zuhause grüne Punkte für alles was sie gemacht hat. Wir hatten auch das Gefühl, dass daraus eine sehr kompetitive Atmosphäre entstanden ist, die Kinder mit den grünen Punkten zeigten diese stolz den Eltern, die anderen haben traurig geschaut (oder auch manchmal geweint, wenn der Punkt rot war). Unsere Große kam dann auch mit Sprüchen wie "die XY kann das eh alles nicht, die kriegt auch nie einen grünen Punkt". Ganz ehrlich, muss ein 3-jähriges Kind schon so "leistungsfähig" bzw. "leistungsorientiert" sein?
Einfach Spielen und Blödsinn machen kam irgendwie viel zu kurz. Auch ist 9:00-16:00 einfach eine sehr lange Zeit. Anfahrt und Rückweg mit eingerechnet kommt man dann auf 8:30-16:30. Was hat man erreicht? Ein meinetwegen optimal kognitiv gefördertes 3,5 jähriges Kind, was seinen Altersgenossen meilenweit davoneilt aber einen ähnlichen Stundenplan hat wie ein vollzeit-berufstätiger Erwachsener. Obige Kritikpunkte dazugerechnet schien uns das ganze einfach nicht richtig.
Ich hoffe, ich habe das ganze irgendwie verständlich rüberbringen können, aber nachdem wir uns in der Familie bezüglich diesem Thema über Weihnachten öfter zusammengesetzt hatten, war unser Entscheidung klar:
Die Große abmelden und erstmal eine Zeit zu Hause. Mittlerweile geht sie wieder auf eigenen Wunsch in einen Kindergarten, aber nur von 9:00 -12:00 und sie sagt von sich aus, dass sie nur hingeht um mit anderen Kindern zu spielen und gar nichts lernen möchte (vornehmlich wohl aus dem Rückschluss, dass sie eh viel mehr weiss als ihre Spielgenossen ihrer Körpergröße). Sie geht erst seit kurzem hin, hat deshalb auch noch keine wirklichen Freunde gefunden, aber sie geht sehr gerne hin und die anderen Kinder scheinen auch gerne mit Ihr spielen zu wollen.
Jetzt geht sie wieder freudestrahlend und mit Vorfreude aus dem Haus und lacht wieder den lieben langen Tag, macht Blödsinn und Scherze inklusive.
Zu Hause ist sie wieder ausgeglichen und man glaubt es kaum: sie hat wieder "Entwicklungssprünge" gemacht. Das "Nicht-Lernen" im Kindergarten scheint ihr also im kognitiven Bereich nicht zu "schaden". Hierzu aber weitere Geschichten an einem anderen Tag ...