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angst vor eigener "Hysterie"
Verfasst: Di 19. Okt 2010, 23:49
von sinus
Hallo, manchmal habe ich Sorge davor, eine gewisse "Hysterie" zu entwickeln... kennt das wer?!
Meine Tochter, bald 2, ist besonders auffällig, was ihre sprachlichen Fähigkeiten betrifft und ich denke mitunter auch, dass sie schon überraschend klar Zusammenhänge erkennt und viel weiter denkt, als manch andere Kinder. Ich staune oft über sie. Baer wer tut das nicht, der einem Kind zum ersten Mal beim wachsen und lernen zuschaut?
Töchterlein ist nun seit knapp 3 Monaten in der Krippe und neulich fragte mich unsere Krippenerzieherin auch nach meinem Bruder: "Der war doch aus son schlauer?"
Also sie fällt scheints auch dort auf, sonst wären sie ja nicht auf so eine Frage gekommen...
Aber die Erzieherin direkt zu fragen, wie sie Tochterkind einschätzt, trau ich mich nicht, denn ich will auch nicht als ehrgeizige Mama dastehen, die unbedingt ein besonderes Kind möchte.
Ich zunehmend unsicher, ob nicht die Gefahr besteht, zu viel ins Kind hineinzuinterpretieren. Ich selbst habe nicht die Erfahrung, um sie irgendwie "einordnen" zu können.
Klar, ich halte sie schon für besonders schlau, aber ich bin ja auch ihre stolze Mama.
Was z.B., wenn sich alles verwächst und man das aber gar nicht mitkriegt und immer weiter "Höchstleistungen" "erwartet"? Bzw sich total lächerlich macht, weil man sein Kind völlig falsch einordnet?
(Meine Mutter dachte z.B. früher immer, ich würde ne recht begabte Geigerin abgeben, was aber überhaupt nicht der Realität entsprach - sie glaubt mirs bis heute nicht, ich hätte nur die falschen Lehrer gehabt, meint sie. Ich wurde zu nichts gezwungen oder so, aber ich find das bis heute nervig, dass sie eine so verfälschten Blick auf mich hatte und hat und ich brauchte auch echt lange, um mich selbst davon zu lösen. Man glaubt ja der eigenen Mutter als Kind immer erstmal und es ist ganz schön hart, dann mit der Realität klar zu kommen und sein Selbstbild neu zu "justieren"...
Mich treibt aber auch immerzu die leichte Angst um, mich da zu sehr "reinzuhängen".
Wenn Tochterkind ganz und gar "normal" wäre, könnte ich mich viel "entspannter" über ihre Fortschritte freuen, glaube ich. Ach wär das schön.
So habe ich immer eine leichte Beklemmung dabei, frage mich: Ist das normal? Ist das besonders? Möchte ich, dass sie besonders ist? Habe ich überhaupt noch einen einigermaßen neutralen Blick darauf, was sie sagt und was sie tut?
Ach, ich bin einfach total zerrissen zwischen Be- und Verwunderung für sie und der Angst, ne "Übermutti" zu werden, die jeden Pups mit "Oh" und "Ah" anhimmelt, ohne es zu merken...
Manchmal wünsche ich mir ein ganz normales oder gar eher zu langsames Kind, wo man sich ganz offen für jeden Fortschritt freuen darf und kann gar nicht auf solche verrückten Gedanken kommt...
Wie finde ich nur zu einer entspannten Wahrnehmung der Fortschritte meines Kindes zurück, ohne die normale Freude einer Mutter über ihr gut gedeihendes Kind aufzugeben...?!
(Haltet ihr mich für verrückt?! Ist das, was ich hier geschrieben habe nicht schon total hysterisch????)
Re: angst vor eigener "Hysterie"
Verfasst: Mi 20. Okt 2010, 08:22
von alibaba
Hallo,
nun, wenn ich es richtig gelesen habe, gibt es ja noch einen schlauen älteren Bruder? Ist das dein Bruder oder wer...? Ist die Erzieherin so alt? Erklär das doch noch mal.
Grundsätzlich ist ja "Begabung" zu einem kleinen Teil vererbt. Dabei können die kurriosesten Konstellationen bei heraus kommen. Mein Großer hat z.B. recht helles Haar......

da fragt man sich woher.
ABER! dein Kind ist noch viel zu jung um etwas zu erkennen oder vorherzusagen oder hineinzuinterpretieren, nur weil der Bruder der Mama auch recht fit war. Da werdet ihr abwarten müssen.
Ich denke, man macht sich immer Gedanken. Man ist ja auch auf der einen Seite froh und freut sich, wie Du schon geschrieben hast, das Kind sich gut entwicklet. Auf der anderen Seite darf man nicht jede Regung/Zuckung/Äußerung des Kindes überinterpretieren. Da ist es manchmal echt hilfreicher weniger von Begabung zu wissen.
Ich kann Dir als Ratschlag mitgeben, Dich ganz normal zu verhalten. Auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kindes einzugehen und einfach abzuwarten, wie es sich im Laufe der weiteren Jahre so entwickelt.
VLG
Re: angst vor eigener "Hysterie"
Verfasst: Mi 20. Okt 2010, 10:43
von sinus
@urmelis: Autsch, ja das ist hart sowas. Ich hatte als Jugendliche auch mal nen Bekannten, der meinte, ich könne nicht singen. Dabei war ich auf nem musischen Gymnasium, hatte neben 2 Instrumenten auch Gesangsunterricht usw. Klar, ne große Solistin bin ich deswegen nicht, aber "nicht singen können" zu hören, von einem, der selbst keinerlei musikalische Bildung hat.... So was ist ärgerlich. Und selbst wenn - wenn jeder nur das machen dürfte, was er wirklich gut kann... wo kämen wir denn da hin.
Meiner Mutter gings aber wohl ähnlich, sie wurde in ihren Begabungen eher gedeckelt, Vater Klempner, wollte wohl lieber eine fleißig in Haus und Garten anpackende Tochter, als eine, die liest und Flöte spielt. also d weiß ich schon, wo das herkommt, dass sie es bei uns anders machen wollte.
Aber man kann ja auch nicht erwarten, dass die eigenen Kinder das ausleben sollen und wollen, was einem selbst gefehlt hat...
@alibaba: Es ging um meinen Bruder und ja, die Erzieherin steht kurz vor der Rente. Aber wir waren als Kinder in einer ganz anderen Einrichtung, sie kann ihn maximal vom "Hörensagen" ihrer eigenen Kinder kennen, die etwa das Alter meiner großen Geschwister haben. Aber die waren auch nicht mit ihm in einer Klasse oder so. Wie gesagt, find ich die Bemerkung etwas seltsam, sie muss sich mit irgendjemandem über das Thema unterhalten haben...
Ich versuche ja, mich normal zu verhalten, beobachte aber recht genau und mache mir vermutlich viel zu viele Gedanken um "ungelegte Eier". Ne Bekannte, Grundschullehrerin, meinte neulich so zu mir: "Na, die wird wohl mal ne Kandidatin für ne vorzeitige Einschulung..." Ich finde solche Bemerkungen auch einfach erschreckend, ist ja alles auch viel zu früh, um da sowas zu behaupten. Ich bin da aber nun schon etwas "übersensibel" glaub ich. Das mein ich ja, dass ich langsam auf das Thema etwas "hysterisch" reagiere.
Echt, neben aller Freude bereitet mir da auch Sorgen und so ganz klein wenig empfinde ich es fast so, als müsse ich das verstecken... Ich schwanke zwischen: nur nicht überreagieren, Bälle flach halten und dem inneren Stolz "doch, ja sie ist besonders und das muss gefördert werden."
Re: angst vor eigener "Hysterie"
Verfasst: Mi 20. Okt 2010, 20:35
von PippiL.
Hallo Sinus,
mir geht es genauso! Das ist auch immer nur eine Zeitlang. Und dann beruhige ich mich wieder und sage mir, nein - ich habe ein ganz normales Kind! Ich bilde mir nur etwas ein. Sie ist pfiffig - aber mehr nicht. Und dann.... weint sie heute, weil sie ein großes Lük haben möchte und noch 100 Aufgaben mehr machen möchte... und dann ist sie frustriert, weil ein Vorschulspiel auf dem PC einfach viel zu einfach ist. Sie war so enttäuscht...
Ja und nur vorzubeugen - heute Nachmittag war hier Sturm und ihre Freundin war krank. Also haben wir uns drinnen beschäftigt. Ich bin froh, wenn die Ferien zu Ende sind und unsere wieder zur Musikschule gehen kann etc.pp. Das lenkt ihre Energie gut auf andere Dinge. Aber ich bin mal wieder vom Thema abgekommen.
Ich kann Dir also keinen Rat geben - ich fühle aber auch so. Du bist damit nicht allein.
Re: angst vor eigener "Hysterie"
Verfasst: Do 21. Okt 2010, 22:28
von Mimmi
sinus hat geschrieben:
Mich treibt aber auch immerzu die leichte Angst um, mich da zu sehr "reinzuhängen".
Wenn Tochterkind ganz und gar "normal" wäre, könnte ich mich viel "entspannter" über ihre Fortschritte freuen, glaube ich. Ach wär das schön.
Ja das kenne ich. Mir ging es ähnlich, als meine Tochter so 2-2,5 Jahre alt war. Ich habe da tagtäglich drüber nachgedacht. Hab viel gelesen, mich selbst in einigen Dingen erkannt und mir Gedanken gemacht, wie mache ich es richtig, wie gehe ich mit dem momentanen Entwicklungsvorsprung um, was ist "normal", was nicht? Ich bin fast wahnsinnig geworden. Aber mit der Zeit wurde es besser. Momentan beschäftige ich mich wieder mehr mit dem Thema, da mich das Thema "vorzeitige Einschulung" zwangsläufig beschäftigt, außerdem läufts in der Kita momentan nicht so gut.
Und ja, ich würde mich auch gerne einfach über Fortschritte freuen dürfen ohne dass ich das Gefühl habe, dass man mir dabei am liebsten die Augen auskratzt...
Re: angst vor eigener "Hysterie"
Verfasst: So 24. Okt 2010, 22:34
von sinus
Danke für eure Antworten. Es freut mich, dass man mich ein wenig versteht bzw sogar ähnlich empfindet.
Ich bin immer wieder unsicher, ob ich nicht zu viel sehe bzw in sie hinein interpretiere, grad, wenn man diese und jenes von anderen Kindern gelesen hat, z.B. in den Foren zu Hochbegabung.
Sie interessiert sich z.B. für Buchstaben und fragt mich gelegentlich, wie die heißen.
Da überlege ich mir jetzt schon: sind das nicht ganz normale Fragen, da uns Buchstaben nunmal eben ständig umgeben? Oder ist das der Anfang vom Lesenlernen-wollen, wie man ja in solchen Foren oft liest, dass die HBchen oft frühzeitig Interesse daran zeigen? Oder fragt sie womöglich nur, weil sie spürt, dass ich positiv-überrascht auf ihr Interesse reagiere?
Ich meine, sie merkt ja, wenn wir über kluge Bemerkungen staunen und wenn wir dann entsprechend reagieren, fängt sie womöglich an, sich "anzustrengen", dass schlaue Kind extra zu mimen, um zu gefallen.
Ach, man kann so viel falsch machen...
Wahrscheinlich ist es echt besser, sich nicht zu viele Gedanken zu machen und alles einfach laufen zu lassen.
(Machen sich Mütter "normalerer" Kinder eigentlich genauso viele Gedanken?

)
Re: angst vor eigener "Hysterie"
Verfasst: Mo 25. Okt 2010, 09:23
von alibaba
sinus hat geschrieben:(Machen sich Mütter "normalerer" Kinder eigentlich genauso viele Gedanken?

)
Ich glaube schon. Schau doch mal über was die Mamas (in aller Regel) auf dem Spielplatzbänkchen

so über ihre Kinder reden. Immer über das was sie gut können. Schule ist so langweilig, meine kann schon das A und K und......

Ja, der Lars der kann auch schon das und das.......... Ich halte mich da immer galant zurück. Ich würde hier also mal behaupten, da ja nicht alle Kinder von den Eltern auf dem Spielplatz hb sein können, hier also sich genausoviele Gedanken gemacht werden, wie überall auch. Sie reden, vergleichen, sind beruhigt oder eben auch nicht.
VLG
Re: angst vor eigener "Hysterie"
Verfasst: Mo 25. Okt 2010, 11:28
von Koschka
Hallo sinus,
ich würde 2 richtungen komplett trennen. Was die Umwelt von meinem Kind hält ist mir bei einem 2-Jährigen Kind ganz egal. Sie können es überhaupt nicht richtig einschätzen. Viel wichtiger ist es, dass ich selber mein Kind richtig behandle und ihm die Uterstützung gebe, die es braucht. Will mein Kind Buchstaben lernen, dann lernen wir buchstaben. und es ist nicht so wichtig, wie alt das Kind ist, 2 oder 6. Es gibt bestimmte Entwicklungsfenster, innerhalb dieser Zeit lernt das Kind bestimmte Sachen besonders leicht und effizient. kinder zeigen oft selber, was für sie zu einem bestimmten Zeitpunkt interessant ist. Meine Zwillinge sind jetzt 4, können aber weder Buchstaben noch lesen, weil sie nie danach gefragt haben. Vor 2 Wochen haben sie angefangen die Wörter zu analysieren. Der Tiger fängt mit T an, und die Socke klingt wie Glocke. das ist für mich ein ganz klarer Zeichen - das Fenster für Buchstaben und Lesen ist jetzt offen. Genauso ging es mit Zahlen und Zählen.
Re: angst vor eigener "Hysterie"
Verfasst: Fr 5. Nov 2010, 13:05
von Winnie
Ja, das frage ich mich auch die ganze Zeit, aber mein Mann z. B. der sagt völlig selbstverständlich:"Natürlich ist mein Kind superschlau. Sie ist ja auch von mir!!" Ich weiß nicht, viellicht ist es ja auch ein Frauenproblem, dass man denkt, man müsse sich in Bescheidenheit üben. Ich habe einmal in einem Anfall zu meinem Mann gesagt:"Weißt du, ich glaube, die Welt ist noch nicht bereit für A. - statt umgekehrt." Ich dachte erst, mein Mann würde mich auslachen. Aber dann hat er gemeint, dass wir ja beide auch überdurchschnittlich intelligent sind und dass A. und auch L. weit und breit die hellsten Kerzen auf dem Geburtstagskuchen sind.

Ich fand, dass klingt sehr eingebildet, aber er ist dabei ganz ernst geblieben. Er ist einfach unglaublich stolz auf seine Mädchen und würde einfach nie irgendwas auf seine Töchter kommen lassen. Ich wünschte, ich könnte das auch.
Ich meine, rein statistisch gesehen kommen wir aus einer sogeannten "bildungsnahen Familie", in der bisher alle (bis auf meine Schwester, die eine Lernbehinderung hat) in der Schule, in der Uni oder im Beruf durch besondere Leistungen aufgefallen. Nicht, dass uns durch die Bank weg alles gelungen wäre, aber das Niveau der Einzelleistungen war eben besonders hoch. Meine Oma, meine Mutter und ich können z. B. extrem schnell diagonal lesen. Mein Vater war z. B. Jazzmusiker und Komponist und ist meiner Meinung nach daran zugrunde gegangen, dass er mit seiner Musik Geld verdienen musste. Ein Freund von meinem Vater hat mir mal Jahre nach meines Vaters Tod einen alten Gedichtband gezeigt, den die beiden zusammen geschrieben hatten. Ich bin bald vom Stuhl gekippt angesichts der Kreativität.
Allerdings sind wir auch alle sogenannte Verweigerer. Meine Uroma hat sich z. B. geweigert, im dritten Reich ihren Arm zu heben. (Man wundert sich, warum sie trotzdem überleben konnte.) Meine Oma war nach dem Krieg nie wieder erwerbstätig und das war eine bewusste Lebenseinstellung. Meine Mutter hat das Gymnasium abgebrochen und keine Ausbildung begonnen (und erst mit 30 nach der Scheidung ein Studium begonnen, das sie dann aber mit Auszeichnung bestanden hat). Ich habe mein Studium zweimal abgebrochen, aber dann meine Ausbildung mit Auszeichnung abgeschlossen. Mein Mann hat seine Abiturprüfung geschmissen und sich dann auch geweigert, die Prüfung zu wiederholen. Er hat eine Ausbildung begonnen und arbeitet seitdem immer in derselben Firma in derselben Position. Er hat mal ein Angebot bekommen, da hätte er ein Jahresgehalt von ungefähr 100000 EUR brutto verdienen können. Wir haben lange darüber gesprochen und er hat dann entschieden, dass er nicht bereit ist, diesen Stress auf sich zu nehmen. Er möchte mit wenig Aufwand gut leben können und viel Freizeit haben.
Was stimmt also mit unserer Familie nicht? Ich denke, Intelligenz bedeutet auch, nicht nur nach den Koventionen zu leben, sondern seine eigenen Entscheidungen zu treffen, auch wenn es der harte Weg ist. Und ich denke, wir sind alle irgendwie und irgendwann dahinter gekommen, dass Selbstverwirklichung nicht in Schule, Ausbildung und Beruf stattfindet. Dort kommt am besten zurecht, wer sich am besten anpassen kann. Und eins ist sicher, das können wir alle nicht besonders gut.
Und daher würde ich Amelie auf keinen Fall gerecht werden, wenn ich sie nach ihren Leistungen beurteilen würde. Aber ich bin mega-stolz, wenn sie mir erzählt, dass alle Kinder im Kindergarten z. B. ein bestimmtes Kind hänseln und sie dann als einzige sagt: "Ich mache das nicht mit, sondern stelle mich daneben, damit das Kind nicht so alleine ist." Die meisten würden sagen: Warum macht die sich das Leben so schwer? Weil sie nicht anders kann.
Wenn du also zweifelst, dann frage dich einfach mal, was am Ende wirklich wichtig ist. Sind es wirklich die Buchstaben?
