Alessandria hat geschrieben:Die Kurse, wo wir zuletzt waren bzw. immernoch sind, sind nicht gerade toll mit meinem Sohn. Wir fallen da immer irgendwie unangenehm auf, weil er so wild ist. Im Schwimmkurs wollte er immer sein eigenes Ding machen, ihm war der vorgefertigte Kursablauf spätestens nach dem 3. Besuch zu langweilig. Da wurde ich schon immer angesprochen, dass das Kind zu wild ist und den Ablauf stört. Aktuell sind wir bei den Musikwichteln der Musikschule. Auch da "stört" das Kind, weil er am Ablauf nicht mehr teilnehmen mag. Er ist nur bei der Sache, wenn er direkt gefordert wird. Tiergeräusche erraten, selbst auf der Trommel schlagen usw. Das allgemeine Tanzen udn singen interessiert ihn nicht. Da muss er still sitzen und das kann er nicht. Jede Woche werde ich aufs neue vom Kursleiter angesprochen, was denn mit dem Kind los sei, wieso er sich nicht dem Ablauf anpassen kann.
In der Frühförderung hat man mir zu Sportkursen geraten. Das Kind würde schnell frustriert, weil es motorisch noch nicht wie sein "Kopf" entwickelt sei. Da sollten wir fördern. Also versuche ich es ab herbst erneut mit einem Kinderturn-Kurs. Aber ich befürchte, er wird sich auch da schnell beim gleichen Ablauf langweilen.
Sind eure Kinder auch so?
Ich war mit meinem Grossen beim Kinderturnkurs als er knapp 2 Jahre alt war. Die ersten Male hat er nicht mitgeturnt weil er von allen Turnmatten und Turngeräten die Aufdrucke (Markennamen der Geräte) buchstabieren "musste". Dann, gegen Ende des Kurses, hat es langsam besser geklappt. Aber das war auch nur so, weil es eben "freies" Turnen war und die Eltern dabei waren. Daher konnte mein Sohn auch statt über die Schwebebalken zu gehen einfach Schaumgummibälle Rampen runterrollen lassen - die ganze Turnstunde lang. Im Laufe des Kurses hat er zwar alle dort machbaren Übungen mal ausprobiert, grosses Interesse an Wiederholungen hatte er aber nicht.
Mit etwas über 3 Jahren war er mal in einem Kinder-Turnkurs "schnuppern" (ohne Eltern), aber das hat ihn nicht sonderlich interessiert, so dass ich ihn dann nicht fix angemeldet habe. Mein Kind hat enorm viele Interessen - warum soll es dann turnen, wenn das im Moment NICHT dazugehört?
Das mit dem "Schwächen fördern" (in eurem Fall die Frühförderin, die zu Sportkursen rät) habe ich bei der Entwicklungsdiagnostik gehört: indem man dem Kind hilft, in seinen schwächsten Punkten besser zu werden, erhöht man angeblich sein Selbstbewusstsein. Tja, wenn das Kind Spass daran hat ist ja auch nichts dagegen einzuwenden. Aber bei uns scheitert das Ganze schon mal daran, dass bei der Entwicklungsdiagnostik wörtlich "ein homogenes Entwicklungsprofil mit vielen Stärken und keinerlei Schwächen" herausgekommen ist. Egal ob Grob-, Fein- oder Visomotorik, Kognition oder Sprachentwicklung (oder viele andere Punkte, die mir momentan nicht einfallen) - mein Sohn war überall entweder "überdurchschnittlich" oder "außergewöhnlich überdurchschnittlich" im Altersvergleich.
Seine Probleme im Kindergarten hat er trotzdem. Da er immer noch verweigert, aufs Klo zu gehen, trägt er Tag und Nacht Windeln (im Kiga aus hygienischen Gründen nicht anders machbar). Deswegen wird er von manchen Kindern verspottet. Er nuckelt oft an seiner Kleidung (z.B. Reisverschluss der Jacke) und ist ganz nass vom Speichel. Er schleckt anderen Kindern unvermittelt über die Hand oder hält ihnen einen getragenen Socken unter die Nase. Wenn es im Kindergarten heißt "alle räumen EIN" räumt mein Sohn AUS.
Die Psychologin der Entwicklungsdiagnostik empfiehlt eine langfristige Psychotherapie mit dem spielerischen Aufarbeiten von Konfliktsituationen (im Rollenspiel). Ich werde mir mal ansehen wie das genau aussehen soll und dann entscheiden, ob mein Sohn das machen soll oder nicht.
Bei mir selbst war es als Kind übrigens ähnlich, nur hatte ich den zweifelhaften "Vorteil" eine Schwäche zu haben und das war bei mir eindeutig Grobmotorik. Meiner Mutter wurde dringend geraten, mich an Turnkursen teilnehmen zu lassen. Anfangs ging es noch, aber je älter ich wurde desto mehr habe ich es gehasst. Aus meiner Sicht waren alle anderen Kinder im Kurs viel bessere Turner als ich und ich wurde oft ausgelacht. Mir war auch voll bewusst dass ich schlechter war als die anderen, und ich habe absolut nicht kapiert, warum ich einen Kurs besuchen soll, der mir keinen Spaß macht und mir auch sonst nichts "bringt" - denn meine grobmotorischen Leistungen haben sich dadurch absolut nicht verbessert.
Gott sei Dank hat mich meine Mutter dann mit 7 oder 8 Jahren endlich rausgenommen und mir ermöglicht, ein Instrument zu lernen. Was mir von den Kinder-Turnkursen hängen geblieben ist war eine tiefe Abneigung gegen die Turnstunden in der Schule. Ich habe meine Mutter immer angebettelt, mir Entschuldigungen zu schreiben um vom turnen befreit zu werden. An meinem letzten offiziellen Schultag (mit 15)dachte ich erleichtert "NIE WIEDER TURNEN!" Erst mit 18 Jahren fand ich selbst wieder Freude an Bewegung und heute bin ich durchaus sportlich (habe 2x Marathon gefinisht, liebe langstreckenschwimmen und radfahren).
Auf Grund meiner eigenen Erfahrungen bin ich sehr skeptisch was das so gerne geratene "Schwächen fördern" betrifft.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)