Hallo peoplez!peoplez hat geschrieben: Liebe Rabaukenmama,
ich kann es nicht glauben, ich bin den gleichen Weg wie du gegangen und habe bis
heute niemanden kennengelernt, der auch auf der Hauptschule war mit einer Hochbegabung.
War dein Weg ebenfalls schwierig?
Schaffst du es heute deine Ziele umzusetzen? Ich bin leider noch nicht ganz an diesem Punkt.
Mein Perfektionismus hindert mich noch oft und die Tatsache, dass man mir immer eingeredet
hat, ich schaffe nichts.
Es tut so gut zu wissen, dass ich nicht die Einzige bin, bei der es nicht erkannt wurde. Und hätte
ich nicht so für meine Kinder gekämpft, hätten sie beide heute noch einen Stempel auf der Stirn.
Der eine sozial nicht kompatibel und der andere mit einer Tiefenwahrnehmungsstörung.
Viele Grüße peoplez
Ja, ich war irgendwie der typische "unerarchiver", und das, obwohl meine Hochbegabung seit dem Einschulungstest bekannt war. Aber meine Eltern konnten nicht viel damit anfangen und tatsächlich waren ja meine sozialen Probleme und Verhaltensauffälligkeiten viel auffälliger als mein hoher IQ.
Ja, heute schaffe ich es, meine Ziele umzusetzen. Das ist aber nicht etwa mein Verdienst sondern hängt damit zusammen, dass ich mit etwa 27 Jahren in eine Selbsthilfegruppe (zu einem ganz anderen Thema) kam. Dort lernte ich Leute kennen, die sich selbst gut kennengelernt hatten, und ich begann, mich damit zu befassen, wie ich "funktioniere". Während ich mich in den Jahren davor oft selbst als "verkanntes Genie" gesehen und von allen unverstanden gefühlt habe, kam ich in der Selbsthilfegruppe dahinter, dass Intelligenz längst nicht alles ist und dass es MIR besser geht wenn ich erkenne, wie ich selbst "ticke".
Ich besuchte diese Selbsthilfegruppe mehrmals in der Woche und war so herzlich, liebevoll und vorbehaltlos aufgenommen dass ich langsam anfing, mich selbst zu schätzen und zu lieben. Denn wenn mich die anderen dort so schätzten und liebten wie ich war, konnte ich ja nicht so schrecklich sein, wie ich selbst in dunklen Stunden immer von mir angenommen hatte.
In der Zeit wuchs auch mein echtes Selbstvertrauen. Ich merkte auf einmal, dass ich wirklich ALLES erreichen kann, was mir wichtig ist, aber nichts erreichen MUSS um irgend jemand etwas zu beweisen.
Mit dem Wissen begann ich mit 34 Jahren mit der Studienberechtigungsprüfung für mein Wunschfach Biologie (genauer gesagt: entweder Genetik oder Molekularbiologie). Da ergaben sich etliche Schwierigkeiten. Schließlich legte ich die Prüfung nicht in Wien sondern Salzburg ab und hatte für 3 Monate einen privaten Nachhilfelehrer in Physik. Aber damals war mir schon klar: ich schaffe das! Ich weiß nur nicht WANN aber dass ich es schafft ist klar!
Diese Kraft hatte ich durch die (mittlerweile) tausende Stunden Arbeit an mir selbst in der Selbsthilfegruppe. Ich habe gelernt, mich nicht mehr (wie früher) in Details zu verzettlen sondern mich auf das wesentliche zu konzentrieren. So ging ich dann auch mein Studium an. Nach der Geburt des Kleinen, und als herauskam, dass er gehörlos ist, musste ich es zwar wieder abbrechen, aber heute weiß ich, dass ich es sicher schaffen kann, wenn ich es will. Im Moment sieht es aber nicht so aus, als würde das meine Priorität für die nächsten Jahre sein .
Generell bin ich auch der Mensch, der ein bißchen Druck braucht, um gut zu arbeiten. Wenn ich z.B. in der Selbsthilfegruppe (die ich immer noch besuche) jetzt organisatorische Aufgaben erledige mache ich es wie Karen beschreibt: ich verspreche jemand anderen, dass ich zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein werde. Ohne diesen Druck habe ich immer wieder Leerlaufphasen wo ich nichts weiterbringe. Aber wie gesagt - jetzt weiß ich selbst, wie ich funktioniere und richte mich danach.
Was den Stempel auf der Stirn betrifft so bin ich sehr, sehr froh dass mein Kleiner so ein willensstarkes und charakterfestes Kind ist. Auch sozial ist er - wie es bis jetzt aussieht - deutlich kompetenter als sein Bruder. Diejenigen, die meinen Kleinen besser kennen wissen jedenfalls, dass er nicht der "arme Behinderte" ist, sondern sehen auch seine Stärken. Vor allem ist sind es seine Fröhlichkeit und sein Durchhaltevermögen, die ihn zu einem besonderen Kind machen.
Beim Großen ist es schwieriger. Er hat zwar tolle Fähigkeiten, ist aber nicht gerade der angepasste Typ und neigt phasenweise zu jammern und Selbstmitleid (was mir ehrlich gesagt ziemlich auf die Nerven geht ). Ich sehe seinem Schuleintritt gelassen entgegen, aber hauptsächlich deshalb, weil ich mittlerweile weiß, dass vor-fürchten nichts verhindert und es sein kann, dass sich alle Ängste nicht bewahrheiten und dann hat man sich mit dem vor-fürchen selbst die schönen Tage runiniert. Daher reicht es in meinen Augen, sich zu kratzen, wenn es juckt .
So viel mal von mir, liebe Grüße und ich freue mich auf Rückmeldung!