gestern hatte mein jüngerer Sohn (gerade 4 geworden) seinen ersten Termin zur Entwicklungsdiagnostik. Dafür mußten wir 200km mit dem Zug nach Linz in ein Krankenhaus fahren, wo sie auf hörgeschädigte Kinder spezialisiert sind.
Wir waren pünktlich um 8h30 dort und kamen auch ziemlich schnell dran. Am Telefon war mir schon gesagt worden dass die Sachen 2-3 Stunden dauern würde und danach vielleicht noch ein 2. Termin notwendig ist. Tja, und dann kam ich schnell dahinter dass der untersuchende Arzt offensichtlich kein Wort Gebärdensprache kann und schon nach 10 Minuten klar war, dass so sicher kein Entwicklungsprofil erstellt werden kann. Ich war erst mal etwas erstaunt weil mir genau DIESES Krankenhaus von mehreren Seiten empfohlen worden war weil dort eben auch Kinder, die nur ÖGS können, getestet werden. Aber das hat sich schnell aufgeklärt. Nach ca. 10 Minuten (wo er meinen Sohn lautsprachlich etliche gefragt hat, was der natürlich kaum verstehen konnte) meinte der Arzt, er müsse einen Kollegen anrufen und verschwand. Nach weiteren 10 Minuten kam er wieder und meinte, ein Kollege mit ÖGS-Kenntnissen würde bald kommen und weitermachen. Dann warteten wir noch über eine Stunde, wo Kleinsohn schon etwas langweilig wurde.
Endlich kam der andere Arzt und dann klärte sich erst mal auf, dass es offensichtlich einen administratorischen Fehler gegeben hatte, denn obwohl ich den Fragebogen korrekt ausgefüllt hatte war einfach "übersehen" worden, dass mein Sohn nur ÖGS kann. Und weil ich nach fast 6 Monaten Wartezeit auf den Termin extra 200km angereist war hatte der "falsche" Arzt noch geschafft, einen Kollegen zu holen, der eigentlich seinen freien Tag gehabt hätte

Jetzt konnte der Test wirklich losgehen. Der Arzt war freundlich und lustig um mein Sohn mochte ihn auf Anhieb. Zuerst bekam er Puzzles, aber keine "normalen" sondern solche mit nur 3-6 Teilen, aber ohne Rahmen und ohne Hinweis, was wo hinpaßt. Das hat er ganz gut hinbekommen. Dann wurde die Motorik getestet, ich wurde bei der Gelegeheit gleich auf seine Fuß-Fehlstellung aufmerksam gemacht (die dem Arzt sofort aufgefallen war) und weiter ging es mit einer Aufgabe, wo mein Sohn aus farbigen Plättchen vorgegebene Muster nachlegen sollte. Das fiel ihm sehr leicht und nachdem er einige Aufgaben korrekt gelöst hatte gibt plötzlich ein freches Grinsen über sein Gesicht und er legte die Plättchen bei der nächsten Aufgabe absichtlich falsch hin. Der Arzt fragte dann (in ÖGS) "Stimmt das? Glaubst du, das stimmt?" und Kleinsohn zerkringelte sich fast vor lachen, bevor er die Aufgabe korrigierte. Das Ganze spielen sie noch mehrere Male, wobei Kleinsohn trotz seiner Spielchen immer im Zeitplan war. Dann wurden die Aufgaben schwieriger und er ließ die Spielchen wieder sein sondern bemühte sich ehrlich, sie zu lösen.
Die nächste Herausforderung war, Zeichnungen von "halben" Tieren, die nur aus dem Körper bestanden, die korrekten Füße anzulegen. Da hat mein Sohn keinerlei Unterschied gesehen und war hochzufrieden damit dass jedes Tier danach 4 Füße hatte. Dass die Kuh dann Ziegenfüße und das Schaf Pferdefüße hatte war ihm entweder gar nicht aufgefallen oder egal


Nach einer kurzen Pause, die Sohnemann mit einem heftigen Wutanfall interessanter machte (Anlaß war, dass er so gerne das Maßband gehabt hätte, mit dem die Größe der kleinen Patienten bestimmt wird), ging es bei einem anderen Arzt weiter. Während des Gespräches (wo ich diverse Dinge zu OP, Krankheiten, Entwicklung und Tragegewohnheiten des CI beantwortete) spielte mein Sohn an der Wasserleitung herum und schaffte es, sich mit dem Finger, den er vorher mit Desinfektionsmitttel benetzt hatte, in die Augen zu fahren. Dann kam er heulend zu mir und meinte natürlich dass ihm die Augen weh tun. Ich sagte zu dem erstaunten Arzt nur "Jetzt tue ich, was ich tun muß!" und hielt Kleinsohn dann kreischend und um-sich-schlagend so unter die Wasserleitung, dass beide Augen ordentlich ausgespült wurden. Danach war natürlich alles naß und ich zog meinen Sohn gleich mal um und dann ging es weiter. Jetzt war ein Sprachkompetenz-Test (in ÖGS) dran, den Sohnemann unter anderen deshalb bestand, weil er den Test für 2,6jährige Kinder bekam. Auch hier ein Administrationsfehler weil am Anmeldebogen "0-3 Jahre" angekreuzt war, was ja zum Anmeldezeitpunkt im Februar noch gestimmt hatte.
Zum Schluß bekam ich mitgeteilt dass noch ein zweiter Termin mit einem anderen Arzt notwendig sei, der leider gerade in Urlaub ist und der sehr gebärdensprachkompetent ist, seinen Sprachstand besser ermitteln kann und auch viel Erfahrung damit hat, bei hörgeschädigten Kindern Autismus oder Asperger korrekt zu erkennen. Na, wir werden sehen.
Das beruhigende an der Sache ist erst mal, dass der durchschnittliche Entwicklungsstand meines Sohnes ganz genau einem Kind von 4,0 Jahren entspricht. Wenn man genauer hinschaut merkt man aber die Diskrepanzen, denn bei konkreten Dingen liegt sein Entwicklungsstand bei knapp 3 Jahren und bei abstrakten Dingen bei etwas 5 1/2 Jahren. Wobei mein Sohn laut Aussage des Arztes hier vermutlich sogar noch weiter ist, als er gezeigt hat. Im Moment erfindet er z.B. Gebärden für Zahlen die über die Billiarde hinausgehen, weil ich nicht mehr weiß, wie man solche Zahlen in Gebärdensprache ausdrücken kann. Und ich muß ständig igendwelche Zahlen im Bereich zwischen Million und Billiarde für ihn aufschreiben, wo er dann nachzählt wie viele Nuller die Zahl hat um z.B. dann festzstellen dass es 10 Milliarden oder 100 Billionen sind


Na, ich bin schon gespannt was beim nächsten Termin rauskommt. Am meisten interessiert mich eigentlich ob mein Sohn nie etwas "erzählt" weil es es nicht kann oder weil er einfach nicht mag. Dabei hat er gestern am Abend, nach der Entwicklungsdiagnostik, dann offensichtlich doch vom Ausflug am vergangenen Wochenende erzählt, wo ihm vor allem das Elektro-Go-Kart fahren besonders gefallen hat. Es hat aber gedauert bis ich dahinterkomme was er da gebärdet, weil ich erst mal den Zusammenhang herstellen mußte.
Beruhigend ist auf jeden Fall dass mein 4jähriger Sohn gesamt gesehen seinem Alter entsprechende Fähigkeiten hat
