Fördern ? Beraten lassen ? oder abwarten ?

besondere Fähigkeiten: ist das schon ein Zeichen für Hochbegabung?
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boerdy
Beiträge: 2
Registriert: Mi 26. Apr 2017, 20:55

Fördern ? Beraten lassen ? oder abwarten ?

Beitrag von boerdy »

hallo zusammen,

ich brauche nun doch mal Euren Rat..... Eure Erfahrung. Ich möchte gar nicht genau auflisten, was unser Sohn in welchem Alter schon konnte - das wäre zu viel.

Nur kurz : er liebt Zahlen, Rechnen (selbst beigebracht), machte sehr früh schon Puzzle für deutlich ältere Kinder, Holzpuzzle machte er mit umgedrehten Teilen (er erkannte die passenden Formen mit nicht mal 2jahren) baute mit 3 Lego zusammen -nach Anleitung- für 8jährige, macht Sudoku, saugt regelrecht alles um sich rum auf... erklärte die Kanalisation mit dem, dass er sprechen konnte, erklärt den Windmühlenbau u.v.m. (zu viel um es hier aufzulisten)
Er kommt mit extrem wenig Schlaf aus und ist recht sensibel.... schnell reizüberflutet.


Zu Beginn dachte ich mir nur "sind halt seine Stärken" - andere Kinder malen dafür toll oder klettern besser....
Dann wurde ich im KiGa angesprochen, ob ich ihn irgendwann mal testen lassen würde - Vermutung : Fotografisches Gedächnis.

Nun... ich habe hier und da gelesen, aber auch erstmal abgewartet... etwas verunsichert.

Nun geht die Vorschularbeit los und er fällt auf... sehr weit entwickelt. Da ich gelesen hatte, dass in der Schule oft Probleme durch langeweile Entstehen, habe ich versucht sein Wissensdurst mit Umwelt, Technik und Sachwissen zu füttern....

Aber was ist richtig ??? Potenzial ausschöpfen und fördern ?? Oder eher abwarten und "anderes bieten" ??
Meine Sorge ist nur, dass er emotional nicht in einen "Sonderstatus" passt... Ich habe Sorge, dass er sich später langweilt. Aber genau so Sorge (sollte er in der Schule ein "Überflieger" sein wie es nicht ausgeschlossen wird) es im sozial / freundschaftlich / emotional nicht gut tun.... möchte ihm aber besondere Chancen nicht nehmen...

Wie ist es bei Euch ?
fragende Grüße boerdy
Rabaukenmama
Dauergast
Beiträge: 2953
Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24

Re: Fördern ? Beraten lassen ? oder abwarten ?

Beitrag von Rabaukenmama »

Hallo boerdy,!

Ganz ehrlich, meine Erfahrung ist, dass sich kluge Kinder in der Schule meistens langweilen, und zwar völlig unabhängig davon, ob sie den Schulstoff vorher schon gekannt haben oder ihn in der Schule zum ersten Mal hören. Gerade in Klasse 1 und 2 wird alles ETLICHE MALE erklärt, damit auch die schwächeren Kinder mitkommen. Das Niveau ist extrem unterschiedlich. Manche Kinder können schon fließend lesen und sicher im 100er Bereich rechnen, andere kennen noch keinen einzigen Buchstaben und können gerade mal bis 10 zählen, ohne jedoch die Zahlen zu erkennen. Eine GrundschullehrerIn muß in erster Linie schauen, dass die schwächeren Kinder nicht den Anschluss verlieren. Wenn sie gut differenzieren kann wird sie nebenbei auch für Beschäftigung und Förderung der klugen Kinder sorgen. Aber das obliegt eben der Lehrperson und ist somit Glückssache!

Sozial-emotionale Entwicklung ist wieder ein ganz anderes Blatt Papier als kognitive Fähigkeiten. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun (auch wenn einige Waldorflehrer stur das Gegenteil behaupten). Ein Kind kognitiv zu bremsen bewirkt keine bessere soziale Anpassung sondern sorgt eher für mehr sozial-emotionale Schwierigkeiten.

Ein Kind steht dort, wo es steht. Wenn ein 6jähriger kognitiv so weit ist wie durchschnittlich Achtjährige, aber sozial-emotional altersgemäß, ist es persönlichkeits- und lehrerabhängig, ob er sich in der ersten Klasse langweilt, oder nicht. Eventuell kann man in dem Fall auch einen Klassensprung andenken. Unter den Zweitklässlern wird er mit einem Jahr Rückstand sozial-emotional kaum auffallen, weil die sozial-emotionale Entwicklung der Klassenkameraden auch verschieden ist. Sprich: es gibt sowohl sozial-emotional ALS AUCH kognitiv immer wieder Kinder, die ihren Klassenkameraden voraus oder eben "hintennach" sind.

Schwierig wird es, wenn ein kluges Kind kognitiv weit voraus, aber sozial-emotional deutlich "hintennach" ist. Mein 8jähriger Sohn ist so ein Fall. Ich schätze seinen kognitiven Vorsprung auf ca. 3 Jahre, ebenso seinen sozial-emotionalen Rückstand. Er besucht ein Mehrstufenklasse, wo er auf seinem Niveau lernen kann und wo seine Defizite (weil ohnehin 6-10jährige in der Klasse sind) nicht so stark auffallen. Obwohl sein erstes Notenzeugnis nur aus Einsern bestehen wird denken wir gerade darüber nach, ihn die 3. und 4. Klasse in 3 Jahren statt 2 machen zu lassen, weil der sozial-emotionale Rückstand so krass ist.

Ich an deiner Stelle würde die Fragen des Kinders JETZT bestmöglich beantworten und die Schulzeit einfach kommen lassen. Kratzen kann man sich immer noch, wenn´s juckt. Wenn du also DANN merkst, dass dein Sohn in der ersten Klasse unterfordert und unglücklich ist, kannst du immer noch entscheiden, was DANN für euch der passende Weg ist. Ob er JETZT z.B. Mathe-Überungshefte bekommt oder nicht spielt dafür meiner Beobachtung nach kaum eine Rolle :) .
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
boerdy
Beiträge: 2
Registriert: Mi 26. Apr 2017, 20:55

Re: Fördern ? Beraten lassen ? oder abwarten ?

Beitrag von boerdy »

Hallo liebe Rabaukenmama,

vielen Dank für deine Antwort.
Das hilf schon weiter.... ja, auch mein Sohn ist kognitiv den anderen weit voraus, jedoch sozial-emotional altersentsprechend - oder eher im Rückstand.
Tja.. echt nicht einfach - aber der Austausch tut gut.
ich denke, die Zeit wird Antworten bringen - wenn ich auch nichts verpassen möchte, was ich ihm Gutes tun kann.
sinus
Dauergast
Beiträge: 1318
Registriert: Fr 26. Nov 2010, 10:52

Re: Fördern ? Beraten lassen ? oder abwarten ?

Beitrag von sinus »

Ich kann dabei natürlich nur von uns ausgehen. Aber für uns wäre eine Testung vor Einschulung bei der großen Tochter sicherlich sehr hilfreich gewesen.
Sie war ein typisches "unauffälliges" und angepasstes Mädchen, wurde aber immer unglücklicher. Genau genommen war sie schon im Kindergartenalter im Vorschuljahr unglücklich, ich dachte damals aber, es liegt an der Ankunft der Schwester und der "Entthronung" als Erstgeborene.

Sie ist dann erst Ende der 3. Klasse "positiv" getestet worden und ich finde, es hat sich vieles zum Positiven verändert seitdem. Nichtmal so im Schulalltag, da hat die Kenntnis des Ergebnisses und das Lehrergespräch dazu nicht viel gebracht. Aber für das Selbstverständnis des Kindes hat es definitiv was gebracht, ihr Selbstbewusstsein ist besser geworden und ich kann sie jetzt ganz anders stärken und motivieren. Und es hat die Schulwahl beeinflusst für die weiterführende Schule. (Sie geht an eine Schuhe mit MINT-Schwerpunkt und Begabtenförderung und hat sich diese selbst ausgesucht. Das hätte sie sicher nicht zugetraut, ohne über das Testergebnis bescheid zu wissen. Und das erste Mal freut sie sich so richtig auf was Neues. Vorher hat immer die Angst vor Veränderungen überwogen.)
Ich hab inzwischen sehr viel mehr an Hintergrundwissen, teils aus der Beratung, teils aus Büchern und kann viele Probleme jetzt besser "durchschauen" und gezielter intervenieren.
Wenn ich das alles schon 3 Jahre eher gewusst hätte, hätte ich sicherlich Einiges viel früher zum Guten fürs Kind beeinflussen können.

Bei der Kleinen, die ich jetzt gerade erst mit 5 Jahren habe testen lassen und die zumindest in Teilbereichen weit überdurchschnittliche Ergebnisse hatte, hilft mir das Ergebnis auch, indem ich einfach nun genau weiß, wo sie steht und da auch drauf achten werde, dass sie passend gefördert und nicht unterschätzt wird.

Die Große haben wir zwar auch ohne Testergebnis durchaus intensiv und vielseitig gefördert, aber bei weitem nicht so gezielt wie es mit Testergebnis möglich gewesen wäre. Ich war einfach auch oft unsicher, wo sie wirklich steht, da sie vieles auch versteckt hat und sich selbst meist auch nicht viel zugetraut hat. Und da sie oft auch abwehrend auf Input reagiert hat, war ich durchaus oft unsicher, ob sie nun unter- oder überfordert ist.
Jetzt weiß ich, dass sie eigentlich nie überfordert war (zumindest kognitiv nicht), aber oft zu hohe Ansprüche an sich stellt und sich selbst überfordert. (bzw es wenn, dann eine eher emotionale Überforderung war, die durchaus mit dem Ungleichgewicht zwischen ihren kognitiven Entwicklung zur emotionalen Entwicklung/Sozialen Erfahrung zu tun hat)
Ich kann mit vielen Problemen jetzt viel besser umgehen und ruhiger reagieren. Und ich glaube, bei ihr selbst ist es ähnlich.

Noch ein weiterer Fall aus dem Bekanntenkreis:
Ein "typischer" Hb-Junge, der in der Schule schnell auffällig wurde, weil er störte und zum Klassenkasper wurde. Seitens der Lehrer gabs wenig Verständnis für sein Verhalten. Nach dem Test und entsprechendem Ergebnis sowie Gesprächen mit der Schule (die gleiche, die meine Große besuchte) gab es leider keine Änderung, was die Aufgaben und Herausforderungen in der Schule betraf - erst sollte er sich anders (besser) verhalten, dann würde man über weiteres nachdenken.
Sein schlechtes Benehmen würde eher nicht mit der Hochbegabung zusammenhängen.
Die Eltern haben sich von Eier HB- Beratungsstelle beraten lassen und den Jungen dann irgendwann frustriert aus der Schule genommen und in eine andere gesteckt, die auf hohe Begabung geschulte Lehrer hatte und dort wurde es für ihn besser. Diese Schule hat einen guten Kontakt zu der HB-Beratungsstelle und dort wird, wenn nötig, mit der Beratungsstelle Kontakt aufgenommen und zusammengearbeitet, wenn es Probleme mit so einem Kind gibt. Klar brauchte der Junge mehr als nur andere Aufgaben, aber sei Problemverhalten wurde wenigstens mit Sach- und Fachkenntnis angegangen und nicht ihm als Kind und seinen Eltern die alleinige Verantwortung zugeschoben, dass es besser läuft.

Aus MEINER Erfahrung heraus:
Ich würde testen lassen und eine Beratung in Anspruch nehmen.
Die Beratung finde ich dabei genauso wichtig, wie das Testergebnis. Darum würde ich mich da auch wirklich an eine auf das Thema spezialisierte Stelle wenden. Bei uns war es eine Universität.

Viel Glück!
Die Blätter sind bunt
nun bellt der Hund
nun lacht der Mund
Raureif liegt auf dem Gras.
Der Has`
friert um die Nas.

(Herbstgedicht der 6jährigen)
sinus
Dauergast
Beiträge: 1318
Registriert: Fr 26. Nov 2010, 10:52

Re: Fördern ? Beraten lassen ? oder abwarten ?

Beitrag von sinus »

Ups, das Thema ist ja ziemlich veraltet :?
(Aber vielleicht hilft es ja irgendwann mal wem noch weiter...)
Die Blätter sind bunt
nun bellt der Hund
nun lacht der Mund
Raureif liegt auf dem Gras.
Der Has`
friert um die Nas.

(Herbstgedicht der 6jährigen)
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