Mit 50 weiß man nicht, was man selber ist?
Nur weil man ihr keinen IQ-Test angeboten hat? Entschuldigt, aber das ist mir alles zu einfach. Der Andere ist Schuld. Klar.
"was man selber ist"?
Irgendwie scheinst du es nicht verstehen zu wollen. Koschka hatte auf meinen oder Bliss' Post geantwortet, die meinte, dass sie die Vermutung hat, dass ihre Tochter auch hochbegabt ist, obwohl diese sich für "dumm" hält. Ich habe darauf hin geschrieben, dass ich mir gut vorstellen kann, dass ihre Tochter (auch) hochbegabt ist, obwohl sie sich für dumm hält, weil es bei mir als Kind und Jugendliche auch so war.
Und ich bin, wie gesagt, - recht sicher - hochbegabt (IQ-Test war nicht von einem Psychologen durchgeführt, es war ein sehr ausführlicher IQ-Test im Rahmen der Bewerbung für meine Ausbildungsstelle).
Der Test damals (da war ich 19): 2 Stunden mit rund 100 anderen Bewerbern saß ich da und dachte, jetzt krieg ich gleich die Bescheinigung, dass ich doof bin. Stattdessen hatte ich als einzige von allen Bewerbern mit 99% die 95%-Marke geknackt. Und niemand war überraschter als ich. Und selbst dann hab ich mich noch nicht schlau gefühlt. Sondern ich fühlte mich immer noch einfach nur anders, komisch, unzufrieden, nie gut genug....
Ich konnte mit dem Ergebnis auch nicht allzu viel anfangen. Erst als mein Bruder mir von der HB seines Kinder erzählte... Und selbst dann war mir immer noch nicht bewusst, dass ich anscheinend um einiges intelligenter bin als je jemand vermutet hätte. Erst als ich, bevor ich Abi nachmachen wollte, nochmal einen IQ-Test FÜR MICH gemacht hatte, und der wieder so ähnlich ausfiel, habe ich angefangen zu akzeptieren, dass ich das Abi tatsächlich schaffen könnte
und hab mich auch getraut mich dafür zu anzumelden.
Warum ich nicht wusste, dass ich sehr intelligent bin? Ich war ja nicht besonders gut in der Schule (außer die Lehrer haben mir keine Angst gemacht
) Nicht weil ich ein Mädchen bin. Da waren also noch viele andere "Gründe", die mir das Gefühl gaben, eher dumm zu sein, als schlau...
Aber dennoch: Frauen und Mädchen ticken nun mal anders als Männer und Jungs. Wenn Jungs Probleme haben, sie sich anders oder zurückgesetzt fühlen oder sie was "umtreibt" , tendieren sie eher dazu, es in die Welt hinaus zu tragen und fallen damit auf. Mädchen hingegen fangen eher an, sich zu verstecken und anzupassen, die "Schuld" bei sich selbst zu suchen, unsicher zu werden. Das ist so.
Ich bin ein gutes Beispiel, "Paula" ist so ein Beispiel. Und nicht nur das. Es gibt ganze Bücher dazu (habe ich unlängst erfahren
). Im Elterntreff vom DGhK hat die Leiterin gefragt, bei wem wurde, wenn mehrere Kinder vorhanden sind, die Hochbegabung zuerst beim Jungen und dann bei dem Mädchen entdeckt. Es haben sich ALLE bis auf eine gemeldet und die hatte halt nunmal nur 2 Mädels
...
Es ist nicht so, als hätte mich nichts angetrieben oder als hätte ich nicht gewusst WER ich bin... Ich hatte schon immer ein reiches Innenleben, habe viel philosophiert und mir Gedanken gemacht, die für mein Alter untypisch waren. Aber ich dachte immer, ICH wäre irgendwie "falsch"...
Und ich BIN doch nicht nur meine Hochbegabung! Das ist lediglich ein kleiner Teil von meiner Persönlichkeit. Meine Hochbegabung hat nichts damit zu tun, wie ich aufgewachsen bin, was ich famliär erlebt habe, wie kreativ oder sensibel ich bin, wie ich mit Kritik umgehe (oder zumindest nur in Maßen) und so weiter. Ich bin immer noch unsicher, habe oft Selbstzweifel, bin viiiiiiiel zu selbstkritisch und perfektionistisch und eigentlich nie zufrieden mit dem was ich tue. Meine Kindheit und Jugend war nicht leicht, ich hatte ehrlich gesagt "besseres" zu tun als mich zu profilieren oder der Frage nachzugehen ob und wenn ja, wie doll schlau ich bin.
Ich habe mir vieles selbst beigebracht (lesen, schreiben, zeichnen, malen, nähen, handwerkern, Dialekte, Sprachen, vertieftes Wissen in vielen Bereichen, Dinge im
Laufe meiner beruflichen Laufbahn, etc.), habe teilweise in meiner eigenen Welt der Bilder gelebt. Habe Geschichten und Gedichte erfunden, Lieder komponiert und bin geflüchtet. Vor meinem anders-sein (ohne zu wissen was mich anders macht), vor dem anders-sein der Anderen
, vor dem ständigen Merken, dass ich einfach irgendwie nicht in die Massenschablone passe und ich nie wusste wieso. Intelligent zu sein, bedeutet nicht frei von Selbstzweifeln zu sein, immer „alles“ zu wissen. Schon garnicht über einen selbst...
Es ist immer wieder das Thema: Hochbegabung zeigt lediglich, das man viel Potential hat. Was man draus macht, hängt vom Charakter ab, davon welche Möglichkeiten einem geboten werden, und ob man es sich selbst zutraut, es zu nutzen. UND man muss wissen, dass es da ist. Das kann man wissen, weil
es die Umwelt widerspiegelt (dazu muss man nicht wissen, dass man schon einen IQtest gemacht hat, es reicht bspw. Eltern zu haben, die mir einiges zutrauen;)) oder weil man von Natur aus sehr selbstsicher ist. Mein Sohn z.B., der sagt so Sachen wie:"Papa, warum willst du, dass ich der Schwester das und das erkläre. Ach so, ja, weil ich schlau bin
." Und nein, er weiß auch nicht, was der Test letztens da testen sollte (er denkt, dass sei ein Test gewesen, der ermittelt, welche Schulform für ihn die richtige ist).
Ich habe zuerst entdeckt, dass ich hochsensibel bin und mich da wieder erkannt. Und die Hochbegabung wurde erst jetzt wirklich zum Thema.
Und ehrlich gesagt, wird mir das erst jetzt so richtig bewusst, wie sehr mein Leben typisch für ein unentdecktes, hochbegabtes Mädchen verlief. Jetzt, durch meinen Sohn, werde ich mit dem Thema aktiv konfrontiert und so viele Dinge aus meiner Kindheit und Jugend ergeben endlich einen Sinn...
Wenn man sein Leben lang mit sich im Reinen ist, dann Gratulation. Den meisten unentdeckten Hochbegabten geht dieses Gefühl ab.