Bremsen - Fördern - machen lassen?

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Edainwen
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Bremsen - Fördern - machen lassen?

Beitrag von Edainwen »

Ich hatte uns ja in dem Vorstellungsthread schon ein bißchen vorgestellt, jetzt zum eigentlichen Thema ;)

Mein Sohn (27 Monate) ist ein recht fittes Kerlchen, wie wohl so viele hier. Er spricht meist in vollständigen Sätzen, kennt alle Farben, macht Puzzles mit bis zu 60 Teilen, fährt, seit er 16 Monate alt ist, Laufrad, und seit vorgestern auch Fahrrad ohne Stützräder. Seit 4 Wochen geht er in den KiGa, weil er dort unbedingt hinwollte. Er ist ein Selber-macher, d.h. er will alles nach Möglichkeit und möglichst früh selber machen. So durfte ich ihn schon als er erst 6 Monate alt war nicht mit dem Löffel füttern, das hat er selber gemacht (und wir haben eine Plastiktischdecke für Tisch und Fußboden besorgt :D ), als er gelernt hat, irgendwo runter zu hüpfen, durfte man ihn nicht dabei festhalten (auch als er es noch nicht konnte), ... Er ist total musikalisch begabt, konnte nach 1x hören schon als Baby Melodien von Liedern nach"singen", und seit eingier Zeit jetzt auch den Text ;) er trommelt für sein Leben gerne und kann das auch im Takt (was ich besonders beachtlich finde, weil ich selbst gar kein gutes Rhythmusgefühl habe :D ) ... Wie auch immer. meine Devise war eigentlich immer, dass ich ihn halt nicht besonders "pushe" aber auch nicht bremse sondern einfach ins einem Tempo machen lasse.
Nun meinte meine Mutter aber gestern, nachdem ich ihr erzählt habe, dass der Kleine jetzt radfahren kann, ach, der Arme der tue ihr gerade leid, weil er immer so unter Erfolgsdruck wegen seiner 3 Jahre älteren Schwester stehe. Das würde sie ganz an meine Cousins erinnern, die 5 Jahre auseinander waren, und bei dem jüngeren hatte man immer das Gefühl, dass er sich gar nicht traute ein kleines Kind zu sein. Er musste ja immer cool sein und seinem großen Vorbild nacheifern. Das hat mir dann doch zu denken gegeben.
Andererseits denke ich aber schon, dass mein Kleiner durchaus auch noch Kleinkind ist und auf diesen Sonderstatus besteht. Er schläft noch bei uns im Schlafzimmer im Beistellbett, er wird noch gestillt, er hat noch keine Lust auf Töpfchen ... er pickt sich halt die Rosinen vom Groß- und vom Kleinsein raus. Klar wäre meine Große niemals mit 16 Monaten Laufrad gefahren. Kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, ihr in dem zarten Alter eines zu schenken. Aber wenn halt schon eines rumsteht, warum sollte ich meinen Kleinen daran hindern, darauf zu fahren? Ich finde den Satz "Dazu bist Du noch zu klein." auch ziemlich blöd, damit nehme ich ihm doch jegliche Motivation. Ich kenne so viele Kinder, die wollte unbedingt was machen (nähen, lesen lernen, KiGa gehen, ...), die haben den Satz so oft gehört, bis sie keine Lust mehr hatten. Und meine Tochter ist auch eher eine, der man sagen musst "Du kannst das schon.", damit sie irgendwann mal anfängt, was selber zu machen, was sie nicht brennend interessiert (z.B. selber essen). Vielleicht bremse ich ihn auch deshalb so ungern :oops:

Was meint ihr? Sollte ich ihn eher bremsen, damit er seine Kleinkindzeit voll auskosten kann? Und wenn bremsen, wie soll ich das bloß anfangen?

Das andere ist sein großes Musikinteresse. Denkt ihr, dass man das irgendwie fördern sollte/könnte? Wobei er sehr genau weiß, was er will. Wir waren z.B. 2x schnuppern im "Musikgarten" (da war er 19 Monate alt). Das hat ihm überhaupt nicht gefallen. Ich glaube, es war ihm zu "Erwachsenen-geprägt", die ganzen Aktionen gingen ja von den Erwachsenen aus.
alibaba

Re: Bremsen - Fördern - machen lassen?

Beitrag von alibaba »

Edainwen hat geschrieben: Was meint ihr? Sollte ich ihn eher bremsen, damit er seine Kleinkindzeit voll auskosten kann?
Nein, natürlich nicht bremsen, aber steuern. Ich finde es ganz normal, soe wier Du das aushc beschriebst, ein Laufrad steht da, schwupp nehmen es sich die dann jüngeren Kinder und wollen das auch. Das die zweiten selbständiger sind als die Ersten ist auch klar, zumindest ist das bei uns genauso! Man eifert ganz automatisch den Älteren nach. Man will auch alleine essen, alleine Fahrrad fahren, alleine den Skibob steuern......und manchmal muss man dann aber sagen: Nein, da musst du noch etwas warten. Bei uns gibt es bei bestimmetn Vorleseungen in der Bibliothek "Passkontroll". Zu junge Kinder dürfen da eben nicht rein.
Edainwen hat geschrieben: Das andere ist sein großes Musikinteresse. Denkt ihr, dass man das irgendwie fördern sollte/könnte? Wobei er sehr genau weiß, was er will. Wir waren z.B. 2x schnuppern im "Musikgarten" (da war er 19 Monate alt). Das hat ihm überhaupt nicht gefallen. Ich glaube, es war ihm zu "Erwachsenen-geprägt", die ganzen Aktionen gingen ja von den Erwachsenen aus.
Bei uns kann man ab 3 Jahren in die musikalische Früherziehung. Mein Sohn belegte diese mit 3, das war genau richtig für sein Alter, obwohl hier Kinder ab 4 angesprochen werden sollten. Meine Tochter belegt das dann ab 4, nach einem 3/4 Jahr war ihr zu langweilig, also fingen wir zusätzlich mit Violine an. Was Ihr macht, da müsst ihr schauen. Fakt ist, mit 27 Monaten wird ihne keine Musikschule nehmen und wohl auch kein Privater. :(

Macht genau das weiterhin mit ihm, was er jetzt schon macht. Das ist auf jeden Fall der richtigere Weg. Ich denke, Oma ist dann doch schon zu alt, auch wenn sie lieb ist. :fahne:

VLG
Edainwen
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Re: Bremsen - Fördern - machen lassen?

Beitrag von Edainwen »

urmelis hat geschrieben:
Geh nach seinen Bedürfnissen, mache Angebote, erzwinge nichts. Das genügt.
So sehe ich das ja eigentlich auch und ich freue mich, dass ihr meiner Meinung seid ;)
Und klar, manchmal sage ich natürlich doch, dass das einfach noch nichts für ihn ist, z.B. wenn er das superscharfe Schnitzmesser seiner Schwester entdeckt hat. Man weiß ja normalerweise auch, was man seinem Kind zutrauen kann.

Aber nachdenklich hat mich der Vergleich mit meinen Cousins halt doch gemacht. Kann ja sein, dass man einfach den Überblick verliert, wenn man drinsteckt :oops:
Homunkulus
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Re: Bremsen - Fördern - machen lassen?

Beitrag von Homunkulus »

Guten Morgen,

ich habe mich für die Strategie "nicht fördern" entschieden. Was das genau für uns bedeutet erkläre ich gern.

Wir haben uns nicht hingesetzt mit ihr und z.B. krampfig das ABC geübt. Wir haben sie in ihrer Entwicklung versucht, nicht zu stören. Sie soll/-te sich in ihrem eigenem Tempo entwickeln. In der Praxis sieht das so aus, dass ihr alle Materialien zur Verfügung stehen und wir stets ihre Fragen versuchen zu beantworten und uns immer auf das einlassen, was sie möchte.
Früher war das so, dass sie z.B. in einem Heft gerechnet hat, an eine Stelle kam, die sie nicht konnte und ich dann sagte, dass sie dann bitte zu dem übergehen soll, was sie kann. Ich hab ihr diese Aufgabe dann nicht erklärt. Oder wenn sie mit 4 wissen will, wie ein Verbrennungsmotor funktioniert, habe ich es nur ganz schematisch erklärt, und bin nicht ins Detail gegangen. Nicht, weil ich ihr das nicht zutraute, sondern weil ich finde, dass man das mit 4 nicht wissen muss.
Als wir dann bei der Schuleingangsprüfung waren, wurde mir erklärt, dass ich das richtig gemacht hätte. "Solche Kinder" würden sich ihren Input besorgen und seien auf diesem Gebiet nicht förderbedürftig. Wir sollten uns um einen Sportverein bemühen, um sie körperlich zu fordern und ihr soziale Kontakte zu ermöglichen.

Beim ersten Elterngespräch allerdings erklärte man mir die Thematik etwas anders; anhand einer Pflanze, die wachsen wolle.
Man müsse dieser Pflanze, was sie zum Leben brauche zur Verfügung stellen. Licht, Wasser.. Meine Vorgehensweise wurde dann so interpretiet, dass ich die Pflanze ins Dunkle stelle, damit sie nicht wachse. Das wurde also als "bremsen" empfunden.
Wenn ich sie aber gegossen hätte, sagte ich, dann hätten wir jetzt aber ein ganz anderes Problem ;)
Letzendlich haben sie die Erlaubnis gegeben, sie zu fördern. Ich wollte den Schulstoff nicht vorarbeiten. Aber wenn sie meinen. Meine Tochter ist dafür so offen, offener gehts nicht.
Jetzt üben wir täglich spielerisch mit den vorgeschlagenen Materialien ( Hefte, CD-Rom, Abakus usw ) und sie bleibt stundenlang konzentriert dabei, will gar nicht aufhören, sodass ich sie quasi zur Pause zwingen muss, oder zum Beenden.

Ich habe darauf hingewiesen, dass sie evtl. kognitiv explodiert und dass ich eigentlich nicht will, dass sie mit knapp 6 in die 3. Klasse kommt wegen sozialer Aspkete. Sie meinten, dass diese zu vernachlässigen seien und wir uns individuell um sie kümmern müssen und die Förderung zukommen lassen müssen, der sie bedarf. Da könne man auf sowas eben keine Rücksicht nehmen. :shock: ok.. Im Prinzip lasse ich mich nur auf dieses Argument ein, weil die Schule sehr klein und persönlich ist und weil sie da auch in der 3. Klasse voraussischtlich sozial nicht untergehen würde. Weil ich denke, dass sie tatsächlich die individuelle Betreuung bekommen würde, die man ihr zusagt.

Und ich würde es immer wieder so machen. Ich finde meine Entscheidung nicht falsch, sie nicht beeinflußt zu haben beim Rechnen- und Lesenlernen z.b.

LG
alibaba

Re: Bremsen - Fördern - machen lassen?

Beitrag von alibaba »

Homunkulus hat geschrieben:ich habe mich für die Strategie "nicht fördern" entschieden.
Ich mache das auch so. ;) Wobei ich schon "fördere" aber eben kein Schulstoff. Und ich werde auch nie auf die Idee kommen einem 4-jährigen ein Buch für 12-jährige vorzulegen, denn der Inhalt ist in der Masse und Komplexität viel zu umfangreich. Meine Kinder sind an vielen Dingen interessiert, aber es reicht wenn man die ersten Bedürfnisse stillt. Bleibt dann das Interesse weiter bestehen geht man einen Schritt weiter.

Wir lesen hier auch noch 1.Lesebücher....aber eins am Stück....es ind soc herrlich veile bilder drin, wo man drüber spricht, die Geschichte erlebt und nicht gleich alle Sinne einsetzen muss. Ein Buch ohne Bilder wie Harry Potter wäre lesbar sicherlich kein Problem, aber da muss man lesen, denken und sich ein Bild davon machen....eine Überforderung. Die Ziet für solche Schmöker wird auch noch kommen, aber alles zu seiner Zeit.

Wir haben Buchstabenmagnete, mehr nicht, nicht mal ein Poster.

Und diese ganzen zusätzlichen Heftchen (seihe anderer Thread) die es auf dem Markt gibt - wartet mal ab....bald wird das Interesse dafür abnehmen. Wir sprechen uns in Kürze wieder. Das macht kein Kind was anderweitig ausgelastet ist, HA und noch zusätzliche Arbeitsaufgaben auf Dauer mit. Dann doch lieber ein toller Kurs, wo man mal ganz was anderes machen darf.

VLG
Homunkulus
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Re: Bremsen - Fördern - machen lassen?

Beitrag von Homunkulus »

alibaba hat geschrieben: Meine Kinder sind an vielen Dingen interessiert, aber es reicht wenn man die ersten Bedürfnisse stillt. Bleibt dann das Interesse weiter bestehen geht man einen Schritt weiter.

Diesen Teil hier finde ich ganz wichtig. Und nach diesem Prinzip kann man eigentlich gut vorgehen, finde ich.

Wenn ihre Frage, warum alle Häuser Rohre an den Seiten haben, mit "Weil diese das Regenwasser ableiten." nicht zu beantworten ist und man dann plötzlich beim Wasserkreislauf mit Wolken und Meeren landet, dann ist das so. Dann hat sich das durch ihre Zwischenfragen und die weiterführenden Fragen so entwickelt. Und so kann man dann eben vom Stock zum Stöckchen kommen.
Versiegen die Zwischenfragen, reicht es dem Kind dann offensichtlich auch, die Frage schematisch beantwortet bekommen zu haben.

Dem Kind die Interessen zu verbieten oder vorzuenthalten, nur weil irgendwer denkt, es sei nicht seinem Alter entsprechend, geht gar nicht.
Edainwen
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Re: Bremsen - Fördern - machen lassen?

Beitrag von Edainwen »

Auf unsere Schule könnt ihr da auch neidisch sein. Wir haben ein "Bidlungshaus", in dem die KiGa-Kidner zusammen mit den Grundschülern Wahlangebote machen, ab dem letzten KiGa-Jahr können Kinder einen Besucherpass für die Schule haben, mit dem sie am regulären Unterricht teilnehmen können, die erste Klasse kann in drei Jahren durchlaufen werden oder die ersten drei Jahre in einem - also die Schule ist klasse :D

Nur von der Schule ist mein Kleiner mit seinen 2,4 Jahren noch weit entfernt. Und bis dahin werde ich es halt weiterhin mit "machen lassen" angehen, heißt, er bekommt das Material, das er benötigt, notfalls dabei auch meine begrenzte Unterstützung, aber ich werde ihn nicht bremsen und auch nicth drängen, in irgendeinem Bereich mehr zu machen als er möchte.
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