Perfektionismus und Wutanfälle

besondere Ansätze für besondere Kinder
Tanja Hei.
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Registriert: So 2. Okt 2005, 22:16

Perfektionismus und Wutanfälle

Beitrag von Tanja Hei. »

Ich weiss nicht, ob mein sohn hochbegabt ist und wie ich hier erfahren habe, ist es vielleicht auch nicht wichtig das zu wissen.

Er ist 2 Jahre und 8 Monate alt und ist sprachlich seinen Altersgenossen ganz weit überlegen. Mit 10 Monaten konnte er schon sehr viele einzelne Worte sagen- vorher war er ein Schreikind.
Er befasst sich mit ganz anderen Theman als Gleichaltrige (was macht die Sonne hinter den Wolken? , Wo überall ist die Luft?, wer macht den Wind?)
Ausserdem kann er schon fast alle Buchstaben benennen und Worte mit deren Anfangsbuchstaben suchen.

Mein Problem ist nicht nur sein unstillbarer Wissensdurst (sein Mund steht nicht still).
In letzter Zeit spielt er mit den gleichaltrigen Nachbarskindern kaum mehr , weil er mit ihnen nicht reden kann wie er es sich vorstellt. Er ist auch enttäuscht wenn er von ihnen keine antworten bekommt.
Den Kontakt zu älteren Kindern herzustellen ist nicht so einfach, weil sie alle in den Kindergarten gehen und so ihr eigenes Umfeld haben.
mit der eineinhalb Jahre älteren Tochter einer Freundin spielt er gerne und das klappt auch sehr gut, sehr viel Zeit hat sie aber (Kindergarten) auch leider nicht.

Er geht in eine Kinderbetreuung, wo er der BHetreuerin Löcher in den Bauch fragt, weil ihm die kleineren Kinder nicht geben...

Ich bin also oft den ganzen Tag Hauptansprechpartnerin und bin manchmal ganz schön geschlaucht (obwohl ich den Tag auch gerne mit meinem Sohn verbringe). Wir geraten immer wieder aneinander, weil er sehr pedantisch ist und ich ihm dieses und jenes nicht recht machen kann (und manchmal auch nicht will). Er wünscht sich "Mama ferngesteuert" nach seinen Vorstellungen die nur so und nicht anderes "richtig sind....
Er hat seine ordnung, die ich beim Mitspielen störe und er kann dann völlig durchdrehen (stundenlange Wutanfälle weil an seinen Socken Flusen hängen, die er nicht abzupfen kann).
Er ist richtig Zwanghaft und kann nicht aus seiner Haut. Ich möchte mir aber von einem Zweijährigen keine Vorschriften machen lassen...
Wenn ich den Begriff von etwas nicht kenne schreit er mich richtig an und obwohl ich ihn zurechtweise passiert das immer wieder (andere finden das sehr witzig).

Wir geraten sehr oft aneinander und dieses Geschrei macht mich fertig. wie kann ich mich verhalten.
Ich bin sicher, dass es ihm nicht um das austesten von Grenzen geht, er muss seine Ordnung haben , sonst leidet er richtig.
Er hat Neurodermitis und wenn etwas ungewöhnliches (z.B. eine Renovierung, ein Urlaub) seine Ordnung durcheinander bringt kriegt er einen Schub.

Er ist insgesammt sehr sensibel und schläft z. B. sehr schlecht ein (macht aber kein Theater- liegt still im Bett), wenn wir grösseren Streit hatten...

Wer hat Tipps für mich mit dem Umgang in den Beschriebenen Situationen?
Erziehungsratgeber in denen es um Trotzphasen etc. geht helfen uns nicht...
Wie kann ich mein Kind besser auslasten, gibt es da eine Frühförderung?
Für die meisten Angebote ist er noch zu kleine, dinge für sein Alter sind ihm oft langweilig, er sprengt dann die Gruppe und zettelt blödsinn an.

Insgesammt ist er übrigens sehr bemüht es seinen Eltern recht zu machen,
er möchte schon ein liebes kind sein (ist er eigendlich auch wirklich- bis die Sicherung durchbrennt).
Seine wutanfälle machen ihn selber richtig fertig.

Ich würde mich auch über E-Mail-Kontakt von Eltern freuen, denen es ähnlich geht . Ich stelle mich selbst als Mutter sehr in Frage...

Tanja Heidemann
hockpoppin@gmx.de
sylvia
Moderator
Beiträge: 181
Registriert: Do 1. Mai 2003, 00:00

Re: Perfektionismus und Wutanfälle

Beitrag von sylvia »

So wie Thomas, der im zarten Alter von 1 1/2 J die Krise gekriegt hat, weil ein aelteres Kind den Raum durch das Fenster verlassen hat anstatt durch die Tuer??? Und sich erst eingekriegt hat, als dieses Kind wieder durch das Fenster zurueckkam.
Die Wutanfaele sind natuerlich zum Einen altersspezifisch, aber die ueblichen Methoden helfen oft nicht weil das Kind duchblickt oder weil noch andere Ursachen da sind fuers Verhalten. Eines kann ich Dir aber sagen: es wird besser, sobald Deine Ruebe lesen kann. Dann bist Du naemlich nicht mehr einzige Resource.
Da ist bei ihm mit guter Wahrscheinlichkeit ein Frustgefuehl vorhanden, dass er so viel mehr versteht, als er sich eigenstaendig aneignen kann.

Kannst Du Buecher fuer aeltere Kinder, wo aber noch viele Bilder drin sind besorgen? Am besten Sachbuecher (Eisenbahn war es fuer Thomas, musst halt schauen, wo Dein Kind sich fuer interessiert)
Er muss sie nicht lesen koennen, aber vieleicht liest Du eben hin und wieder ein zwei Abschnitte vor. Und da kann er lange an den Bildern knabbern.
Die Kurserfahrung haben wir auch. Allerdings koenntest Du, wenn Du weitersuchst, vielleicht welche finden, die so kleine Kinder nehmen. Musik kam bei unseren gut, Schach (bei uns ab 4), vielleicht eine Fremdsprache? Am besten ist es, Probestunden auszumachen.

Das ist insgesamt eine superschwierige Phase und - Nein, Du musst Deine Mutterkuenste nicht infrage stellen!!!

Liebe Gruesse von Sylvia
susanne_faulbaer
Beiträge: 2
Registriert: Do 10. Nov 2005, 13:02

Re: Perfektionismus und Wutanfälle

Beitrag von susanne_faulbaer »

Hallo Tanja !

Mir geht es mit meiner Tochter Jana (4 3/4 Jahre alt) ähnlich.
Ist bin auch oft der einzige Ansprechpartner und auch ihr Mund steht nie still. Jeder Krümel auf dem Teppich muss aufgehoben werden; schon seit sie laufen kann.
Euer Problem wird sein, dass Du dann genervt bist (bin ich auch oft) und Thomas merkt, dass er "anders" ist als die Gleichartigen in seiner Umgebung und er nicht weiss, wie er darauf reagieren soll.

Ich kann Dir auch nur raten den Wissensdurst von Thomas zu stillen mit allen Möglichkeiten, die Euch nur zur Verfügung stehen: Sprachschule, Musikschule, Besuch einer Bücherei, Sportverein, Bastelgruppe usw.
Dort lernt er vielleicht auch ältere Kinder kennen.
Jana geht liebend gerne in ein Museum oder in's Theater und das ist dann auch für mich interessant.
Ansonsten kann ich Dir nur raten, Dir auch einmal Zeit für Dich selber zu nehmen. damit Ihr zwei nicht so oft aneinander geratet und Du wieder neue Kraft schöpfen kannst.
Ich habe über eine private Elterninitiative meiner Stadt einen Kontakt zu einer Familie mit einer gleichgesinnten Tochter (auch 4 Jahre alt) gefunden. Das ist auch sehr hilfreich.
Ich kann auch nur noch einmal betonen (wie es auch bereits Sylvia getan hat), dass Du Dich nicht in Frage stellen darfst !
Viele Grüße !
Susanne
cindy
Beiträge: 11
Registriert: Mi 14. Mär 2007, 13:27

Re: Perfektionismus und Wutanfälle

Beitrag von cindy »

hallo,

es ist immer wieder hilfreich zu lesen, dass es anderen müttern genauso geht wie einem selbst. mein 3 1/2 jähriger sohn ist auch so ein "kommandeur" ... alles will er bestimmen und zwar peinlichst genau (sogar den wortlaut gibt er mir vor)... da man sich ja als elternteil nicht wohl fühlt, wenn man so fremdbestimmt wird, halte ich auch dagegen und die wut meines kleinen ist grenzenlos... ich weiß auch nicht so recht, wie ich damit umgehen kann, das geschrei und geheule geht auf dauer ganz schön an die nerven.

die frustrationsgrenzen sind sowieso sehr niedrig bei meinem süßen... auch auf sich selbst wird er sehr schnell wütend. so beschimpft er sich selbst, wenn seine geschriebenen buchstaben nicht mit seinen inneren bild davon übereinstimmen. in solchen fällen tut er mir so leid, doch er lässt sich da auch kaum trösten und empfindet es als versagen.

soweit erst mal von meiner seite
liebe grüße
cindy
ich

.

Beitrag von ich »

bist du die tanja heideman aus brandenburg an der havel?
Winnie
Dauergast
Beiträge: 337
Registriert: So 10. Jan 2010, 03:31

Re: Perfektionismus und Wutanfälle

Beitrag von Winnie »

Es kommt mir alles sehr bekannt vor (bis auf die Sache mit den Buchstaben, das fängt jetzt erst an). Und ich übe auch noch jeden Tag daran, mit dieser Situation zurechtzukommen. Ich habe allerdings dazu noch ein Kind, ebenfalls ein Schreikind. Mein kleines Schreikind hat mit 7 Monaten angefangen zu sprechen, allerdings nur Mama, Papa und Aua. Und danach hat sie erstmal nichts weiter getan. Jetzt war erstmal viel Körperliches dran, wie Sitzen und Krabbeln. Wir sind in der Schreiambulanz in Behandlung und haben es jetzt mit ganz viel Unterstützung geschafft, die Kleine mal für 2 Stunden einem Babysitter zu überlassen. Sie ist jetzt 9 Monate alt und wurde noch nie von jemandem anders betreut.

Ich weiß jetzt auf jeden Fall, dass meine beiden Kinder definitiv nicht normal sind. Aber woran es nun liegt, weiß ich auch nicht. Ich bemühe mich wirklich jeden Tag, den beiden Kindern irgendwie gerecht zu werden, aber meine Kräfte gehen auch langsam aus. Da ich ja die Kleine auch immer bei mir hatte, war sowas wie Theater ja nun hinfällig. Sport und Bewegung ist auf jeden Fall immer gut.

Wenn dein Kleiner jetzt schon Probleme mit Gruppen hat, dann wird es bei ihm spätestens im Kindergarten zu Problemen kommen.
"Entschuldigung, ich habe nur kurz fantasiert." meine große Tochter, 4 Jahre alt (inzwischen 9 geworden)
julie

Re: Perfektionismus und Wutanfälle

Beitrag von julie »

Hallo,

ich bin neu hier und lese mit Interesse eure Beiträge :shock:
Mein Sohn Jonas verhält sich ähnlich. Er ist jetzt 3,5 Jahre alt.
Die "Trotzphase" wie es jeder nennt, hält seit 1,5 Jahren an.
Als er mit 2 Jahren bei der U Untersuchung war, vermutete der Kinderarzt schon zaghaft, dass er in Richtung hochbegabt gehen könnte und dass ich das mal beobachten sollte. Ich dachte mir - der kleine ist 2, ist es nicht etwas früh, das so zu sagen, warten wir erstmal ab.

Mit 1,5 Jahren sprach Jonas ganze Sätze wie: Papa schau mal, ein Vogel.
Mit 2 Jahren und 3 Monaten kam er in den Kindergarten. Dort kam er nach 3 Tagen mit einer Krone heim, auf der Puzzlekönig stand. Er hatte ein 3D Puzzle alleine gemacht.

Wutanfälle hat er ständig und auch wegen Kleinigkeiten.
Im Kindergarten ist er der absolute Anstifter, bringt ständig Unruhe in die Gruppe und setzt immer seinen Kopf durch. Dort versucht man, ihn mit Konsequenzen unter Kontrolle zu halten, aber ich bezweifle, dass das was wird. Konsequenzen wollte er noch nie einfach so hinnehmen. Auch ich muss täglich Gratwanderungen durchlaufen, um ihn bei Laune zu halten und vor allem schauen, dass er sich an gewisse Regeln hält.

Jonas schläft auch sehr wenig, weniger als sein 5 Jahre alter Bruder. Das war schon immer so. Mittagsschlaf hat er mit 2 Jahren abgelegt. Abends geht er um 20h ins Bett und morgens um ca 6-6.30 ist er da. Dann legt er sich erstmal eine CD ein und dreht auf. Für Musik hat er ein Faible.

Alles in allem finden wir ihn sehr anstrengend, egal ob wir als Eltern oder meine Eltern, bei denen er regelmößig zur Betreuung ist wenn ich arbeiten gehe... Konsequenzen fruchten selten, Jonas hat einfach seinen eigenen Kopf....

Würde mich auch über Tips freuen, wie man mit solchen Kindern umgeht :roll:

Gruß Julia
alibaba

Re: Perfektionismus und Wutanfälle

Beitrag von alibaba »

Schwierig Julie, aber erst einmal Willkommen.

Das Problem bei Erziehung ist, sie muss abgestimmt auf die jeweilige Situation in der Familie heraus sein. Ein Tip der bei usn gehilfen hat, muss nicht automatisch auch bei anderen so funktionieren, man kann ja nicht hineinsehen. Fakt ist, Kinder sind alle anders und auch Begabte können sich benehmen. Es ist fatal anzunehmen, ein Kind kann sich nicht benehmen, nennen wir es mal so, also muss es gepaart mit ein paar Buchstaben hb sein. Die Mehrheit der kinder kann sich sehr wohl benehmen, nur ein kleiner Prozentsatz nicht. Ich bezweifle aber, das das ander Intelligenz liegt.

Auch ich habe zwei Kinder, welche unterschiedlicher nicht sein können. Vor allem die Kleine 3, 1/2 treibt es bis zur Spitze, das kenne ich so nicht von unserem Großen. Ich befinde mich bei Madame in der Kleinkindpupertät, manchmal nennt man diese Phase auch tatsächlich so. :mrgreen: Ich muss ganz explizit Grenzen setzen, nicht immer einfach, auch ein Lernprozess und manchmal auch etwas autoritär daherkommen, wenn meine Argumente auseinander genommen werden. Dann sage ich es klipp und klar, kurz und bündig und so muss es dann auch laufen. Grundsätzlich haben wir einen Familienrat, aber auch das funktioniert nicht von heute auf morgen.

Ich fahre gut mit klaren Ansagen und durchgezogener logischer, vorher angekündigter, Konsequenz. Mein Mann zieht gleich. Es klappt nicht immer, aber so ist eben das Leben.

Sucht Euern Weg, auch da werdet ihr einen finden. Jesper Juul und Jan-Uwe Rogge kann ich als Buchtip empfehlen. Die kompetente Familie und Erziehungsratgeber. Viel Erfolg.
Gast

Re: Perfektionismus und Wutanfälle

Beitrag von Gast »

Hallo Alibaba,

danke für den Buchtip, werde ich mir gleich holen :D
Es ist nicht so, dass Jonas ständig quer geht, aber man muss irgendwie immer ein bisschen den Kompromiss mit ihm eingehen. Das schwierige dabei: er versucht es, selbst seine Konsequenzen durchzusetzen.
Ala: Mama, wenn du das von mir verlangst, dann verlange ich aber auch dies und jenes :roll:
Da fängt er richtig an zu diskutieren (was ich ja eigentlich gut finde ;) aber oft treibt es uns halt auch an Grenzen.

Er hat schon jetzt die Gabe, sich durch zu setzen und zu diskutieren, er ist schon total selbstbewusst. Das will ich ihm auch auf keinen Fall nehmen, es ist etwas, was ich bis zum Jugendlichenalter nicht hatte. Ich war immer schüchtern, unsicher, etc. das war schrecklich, weil ich mich nie getraut habe, den Mund aufzumachen. Er kommt so ja viel leichter durchs leben. Aber es kann halt nicht alles nach seinem Kopf gehen :roll:

Bin wirklich gespannt wie das mit ihm weiter geht...

LG
alibaba

Re: Perfektionismus und Wutanfälle

Beitrag von alibaba »

Es gibt Situationen da entscheidet der Familienrat. Und es gibt Sitautionen da entscheide ich. Ende aus und Basta. Da bin ich nicht gewillt mit meinen Kindern über den Sinn und Unsinn zu sprechen. Mein Großer sagt manchmal das er es ungerecht findet, dann frage ich ihn wie er reagiert hätte und biete Alternativen zur verhängten Konsequenz an. In der Regel wird die verhängte Konsequenz in Kauf genommen.

Die Kleine ist eben in ihrer Ich-muss-den-Kopf-durchsetzen-Phase. Wunderbar, das gehört zum Ich-sein dazu. Kostet jede Menge Nerven, aber das geht doch jedem so. ;) Da sie von früh bis Abends quasselt, muss ich dann mal ganz autoritär einen Schlusspunkt setzen. Das Verhandeln kenne ich auch. Sohn (5) "Mama, darf ich 10 Minuten Fernsehen wenn ich Gitarre geübt habe?" Übst Du Gitarre wegen dem Fernsehen? "Nein, aber wenn ich gut gespielt habe, dann habe ich mir doch Fernsehen verdient, gell Mama."
Tochter (3): Wollte am Essenstisch rangeschoben werden. Da keine korrekte Ansprache an mich gerichtet war (nur Gagagaga, AAAAAAA), stellte ich mich dumm. Ich: "Kannst Du bitte ordentlich mit mir reden?" Töchterlein rief in Babysprache weiter. Sohn stand auf und schob sie ran. Tochter: "Siehst Du Mama, es geht auch ohne reden."

LG
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