Warum müssen wir uns verstecken?

mein "kluges Kind" macht mich fertig: negative Erfahrungen und Erlebnisse
rayaofwakefield
Dauergast
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Registriert: Do 9. Feb 2012, 13:52

Re: Warum müssen wir uns verstecken?

Beitrag von rayaofwakefield »

Und da hab ich ihn schon, den Thread, von dem ich mir sicher war, dass es ihn hier gibt! 8-)

Diese Frage hab ich mir schon oft gestellt. Warum müssen wir die Fähigkeiten unseres Sohnes mehr oder weniger verstecken? Warum dürfen wir eigentlich nie in der Öffentlichkeit darauf stolz sein, was er kann? Sofort wird man abgestempelt und entweder nicht ernst genommen, oder in eine Schublade gesteckt. Das finde ich sehr traurig. :(

Als ich anderen Müttern erzählt habe, dass Junior, damals mit knapp 6 Monaten, bewusst "Mama", "Papa", "Didi" (einer unserer Hunde) und "Ball" sagen konnte, wurde ich belächelt - denn mit 6 Monaten kann das ein Kind noch nicht, da hab ich sicherlich etwas aus dem Babygeplapper rausgehört. Wir haben lange geglaubt, dass das, was unser Kind kann, "normal" ist, bzw. waren wir uns unsicher, ob es tatsächlich etwas "Besonderes" ist, da man von vielen anderen Eltern sofort hört, dass das eigene Kind ja auch schon so viel kann.

Richtig bewusst wurde uns das alles erst nach Recherchen im Internet und durch unsere KiÄ, die uns, bei der 2-Jahres-Kontrolle, darauf aufmerksam gemacht hat, dass unser Sohn eventuell hb ist. Erst dann wurde uns klar, dass wir uns das nicht nur alles eingebildet hatte.

Mittlerweile ist er ja schon getestet und das Ergebnis spricht für sich. Trotzdem müssen wir immer noch aufpassen, man "darf" eigentlich nirgends sagen, dass das eigene Kind begabt ist. Denn dann steht man als Angeber da - eigentlich seltsam, man bleibt so oder so ein Außenseiter, auch als Elternteil, denn man kann die Freude über das eigene Kind nur selten mit jemandem teilen. :(
katjaM
Beiträge: 45
Registriert: Mi 26. Sep 2012, 11:16

Re: Warum müssen wir uns verstecken?

Beitrag von katjaM »

Ich denke es ist immer eine Sache der Sichtweise - und zwar der Sichtweise die man selbst hat, nicht die der anderen. Ich bin an den Punkt aber nicht wegen meinem Kind sondern wegen meinem geistig behinderten Bruder gekommen. Da wird man (klar, aus anderen Gründen) auch echt oft sehr dämlich angeschaut, oder man fühlt sich zumindest so. Und wichtig ist es da einfach drüber zu stehen, man sollte gar nicht mehr darüber nachdenken sondern einfach so sein wie man ist. Das macht es viel leichter. Kostet Übung aber es wird mit der Zeit!
Schaf76
Beiträge: 6
Registriert: Do 12. Jan 2012, 22:17

Re: Warum müssen wir uns verstecken?

Beitrag von Schaf76 »

Schon so viele Antworten!!! Ich hab jetzt nicht alle gelesen, aber heute ist wieder mal so ein Tag, an welchem ich heulen könnte... Ich selbst bin hochbegabt und war eine Schulversagerin, aber nicht nur ein kleines bisschen, sondern Versagerin auf ganzer Linie. Gott sei Dank habe ich später nochmal die Kraft zum Neubeginn und Weitermachen gefunden und bin heute 2fache Akademikerin. Testen lassen habe ich mich aber erst vor wenigen Jahren, da war ich 30, weil ich mich wo beworben hab und die dort beim Eignungstest so Zahlenreihen zum Vervollständigen hatten und laut Chef ich die erste war, die alle bis zum Ende geschafft hat. In unserer Familie wurden insgesamt 5 von uns Cousins getestet, Cousin 1 ist etwas extrem, gab mit 10 den Maturanten in Mathe Nachhilfe, also jenseits meiner Kapazitäten, Cousin 2 war in der Schule sehr schwach und ziemlich verhaltensoriginell, sodass man meiner Tante anbot, eine Integrationslehrerin für ihn bereit zu stellen. Dazu müsste er aber eine leichte geistige Behinderung nachweisen... Er wurde getestet. Ergebnis: hochbegabt, Cousin 3: schwacher Schüler, aber nicht so katastrophal wie ich, hatte Probleme bei der Berufswahl und wurde im Zuge eines Eignungstests getestet: hochbegabt, Cousine 4: beste Schülerin des Bundeslandes, extrem angepasst, Ergebnis: 120. Diese Dinge machen mich soooooo traurig! Schüler mit Behinderungen oder solche mit Lernschwierigkeiten bekommen jegliche Hilfe, was auch richtig, notwendig und gut ist, aber Menschen wie wir rutschen durchs System, wenn sie nicht zu jenen Hochbegabten gehören, die es schaffen sich ihrem Schicksal zu fügen oder einfach wirklich Glück haben mit Lehrern, Schule oder dem System selbst.
Warum wird der Durchschnitt gepusht und der Rest schaut durch die Finger?
Mein Sohn ist nicht getestet, aber bei mir schrillen bereits die Alarmglocken, aber es gibt niemanden, mit dem ich mich austauschen kann, weil mich niemand ernst nimmt. Ich will ihn eigentlich testen lassen, um ihm mein Schicksal zu ersparen, aber ich schäme mich zur Ärztin zu gehen und um eine Überweisung zu fragen. Klar, derzeit gibt es einen Hochbegabungshype, in jeder Klasse hocken mindestens 40% Hochbegabte, wenn man den Eltern glauben schenken würde, aber die Leute reden über jeden Dreck, schreiben die unmöglichsten Dinge in den Lebenslauf, aber eine Mensamitgliedschaft sollte man tunlichst verschweigen, weil das nicht so gut kommt. In den USA übrigens nicht, aber das ist was anderes... Jeder Penner schreibt in den Lebenslauf, wie einfühlsam, teamorientiert und was weiß ich was ist, aber dass man intelligent ist, muss man verheimlichen.
Selbst Freunde und Familie kommen mit so Sachen: was hast du davon, dass du weißt, dass du intelligent bist?, Nur Intelligenz alleine bringt halt auch nichts!, Intelligenz kann man nicht wirklich testen, blabla... und dann gibts auch noch ganz andere Neidhammel... Wenn jemand intelligent ist, kriegen die Leute die Krise und fühlen sich angegriffen.
Wenn ich glaube, dass mein Kind künstlerisch begabt ist, dann ist das toll und gehört gefördert, wenn ich aber glaube, nein weiß, dass er überdurchschnittlich intelligent ist, dann bin ich peinlich....
so, das musste ich mir von der Seele schreiben!
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