Warum müssen wir uns verstecken?

mein "kluges Kind" macht mich fertig: negative Erfahrungen und Erlebnisse
daniela1111
Dauergast
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Re: Warum müssen wir uns verstecken?

Beitrag von daniela1111 »

Hallo,

ich finde es leider traurig und trotzdem schön, das sich doch einige gemeldet haben.

Trotzdem ist ein Thema noch offen,

was können wir verändern?

Vor allem merke ich, und zwar nicht nur bei mir, das es gerade im ländlichen Bereich noch sehr hapert.

Grüße an Alle
Ela
Alia
Dauergast
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Re: Warum müssen wir uns verstecken?

Beitrag von Alia »

Hmmm - vielleicht selber möglichst natürlich mit dem Thema umgehen. Je "normaler" wir damit umgehen, desto weniger empfindlich reagiert vielleicht das Umfeld.

Es selber weder überbewerten noch unter den Tisch kehren und je nach Situation die Lage erklären oder sich auch nur seinen Teil denken.

Wir sollten versuchen, unser eigenes Leben so zu führen, wie wir es für richtig halten und uns nicht verbiegen, egal was die anderen sagen bzw denken. (das ist für unsere Kinder bestimmt nicht so einfach)

Das ist leider nur alles leichter gesagt als getan. Bei euch, Daniela, scheint die ganze Situation ja sehr verzwickt zu sein. Ich kann verstehen, dass ihr manchmal verzweifelt.
Wir hatten auch schon Höhen und Tiefen, aber zum Glück immer Leute, die zu uns halten und uns unterstützen.

Es müsste auf jedenfall öffentlich mehr getan werden. Mehr Information und Anlaufstellen.
Am besten das ganze Schulsystem über den Haufen werfen.

Aber auch das ist wohl nur Wunschdenken.

Wirklich helfen kann ich die leider auch nicht.

LG
PrinzessinLola
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Re: Warum müssen wir uns verstecken?

Beitrag von PrinzessinLola »

Hallo!

Ich muss sagen, ich habe einige Kommentare hier wirklich mit Schrecken gelesen... Gottseidank geht es meinem Sohn heute besser. Verstehen kann ich viele hier aber trotzdem, denn ich wurde auch in der 2. Klasse als hochbegabt getestet und leidergottes hieß es damals noch: "Die ist ja hochbegabt, also intelligenter als wir anderen, die muss alles sofort können und auch alles wissen." Dass aber auch HBs eine spezielle Förderung brauchen, damit sie Dinge besser können wie andere, das wusste damals anscheinend niemand.... Ich denke, dass diese Unwissenheit auch der Grund dafür ist, dass die geistig sclechter bestückten Kinder eher gefördert werden.

Auch wir wohnen übrigens auf dem Land. Bei meinem Sohn ist die Situation folgende: Dass er definitiv überdurchschnittlich intelligent ist und eine spezielle Förderung braucht, haben sowohl die Erzieherinnen im Kiga als auch der Kinderarzt inzwischen bestätigt. Allerdings habe ich mir KEINEN Termin beim SPZ geben lassen, weil ich meinen Sohn noch nicht auf hb testen lassen will. Schließlich würde sich durch die Diagnose bei uns nichts ändern. Gefördert werden muss er ja so oder so, ob hb oder nicht. Außerdem sind die Tests in dem Alter ja eh nicht soooooo aussagekräftig.... Ich hab also schon mal als allererstes nicht das Problem, dass ich damit "prahlen muss" dass meiner hochbegabt ist.

Aber natürlich kenn ich diese Situationen auch - mein Sohn kann zum Beispiel jedes Make-up Utensil benennen, weiß bei jedem Kleidungsstück von welcher Marke oder aus welchem Laden es kommt usw. Außerdem kann er super putzen :lol: Deshalb werd ich permanent für eine schickimicki-Mama gehalten die den ganzen Tag nur vor dem Spiegel steht und putzt. Wer mich besser kennt, weiß dass es nicht so ist. Aber blöde Kommentare versuch ich einfach zu ignorieren.

Auf Dinge die mein Sohn schon kann und andere noch nicht, werd ich meistens eher positiv drauf angesprochen. Viele freuen sich für uns und vor allem kann ich damit als "Teenie-Mama" auch noch wunderbar Vorurteile abbauen.

Ich muss mich und meinen Sohn also gottseidank keineswegs verstecken. Nur lass ich es auch nicht unbedingt raushängen dass er eben überdurchschnittlich intelligent ist. Blöde Kommentare oder böse Blicke werden ignoriert, sonst kann ich von Glück sagen, dass ich hier wo wir wohnen eher auf Anerkennung stoße :D

LG, Nessy
TinaIwan
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Registriert: Di 30. Sep 2008, 09:37

Re: Warum müssen wir uns verstecken?

Beitrag von TinaIwan »

Hallo allerseits,

Ich kann Daniela nur vollumfänglich Recht geben! Ich verstecke mich selbst seit einer Ewigkeit. Auch ich hatte ein stark ausgeprägte soziale Schwäche (bzw. habe sie noch). Im normalen Umgang mit mir, wird das keiner merken. Erlerntes Verhalten ftw. Aber lasst mich ehrlich sein... Ich HASSE smalltalk. Ich HASSE es, meine blöde Nachbarin zu fragen, was sie denn da für ein "entzückendes" hundchen an der rosaroten Leine durchs Gras schleift, obwohl mich die Antwort so brennend interessiert wie der berühmte Sack Reis in China. Ich HASSE es, mich bei Themen zurückzuhalten, und mich nicht dazu zu äußern, weil keiner wissen soll, das ich DAZU auch schon wieder meinen Senf dazugeben kann. Ich HASSE alle Fragen, die ich aus Höflichkeit stelle, obwohl ich die Antwort schon kenne, nur damit andere sich besser fühlen. Ich HASSE es, für meinen Sohn wieder gegen Windmühlen kämpfen zu müssen, damit er das bekommt was er braucht. Es ist frustrierend, sich anzupassen. Es ist frustrierend, zu versuchen, dass sich die eigenen Kinder anpassen. Und wenn doch mal etwas durchsickert, wird man behandelt, als hätte man was ansteckendes. Es ist frustrierend zu sehen, dass es in der Schule 3 mal die Woche Förderuntericht für (wohlgemerkt Österreichische) Kinder gibt, die in Deutsch zu schwach sind, deren Eltern ebenfalls überfordert sind, sich anständig zu artikulieren, und vollständige Sätze zu formulieren (Eya Oida he!), aber mein Kind mit einer Mathematik Höchstbegabung seit einem VERFLUCHTEN ganzen Jahr im Zahlenraum von 30 rechnen muss (geschweige denn der Förderung seiner Teilbegabungen, um sie richtig auszubilden). Und Zusatzaufgaben, die ich ihm mitgebe(um die er mich gebeten hat!), (für die Wartezeit, bis die anderen Kinder auch endlich fertig sind mit 5+6 und 17+4) werden meinem Sohn weggenommen, und ich werde vorgeladen, um zu erklären, warum mein Sohn nicht einfach so sein kann wie die anderen Kinder auch (Ignoranz meets Unverständis und Informationsdefizit).
Wir tun keinem was! Wir passen uns an. Wir verlangen nichtmal, dass man uns anders behandelt. Wir sind nicht krank, und haben uns unsere Begabung auch nicht ausgesucht, oder angelernt. Wir haben gelernt, sie zu nutzen, sie zu lieben und damit umzugehen, ohne anderen Menschen das Gefühl zu geben, weniger Wert zu sein. Ich habe den Traum von einer Welt, in der ich mir meinen IQ auf ein T-shirt drucken lassen kann, und in der mir Leute nicht mit Missgunst, Neid und Angst begegnen. *argh*

so long and thanks for all the fish
Tina

P.S.: Entschuldigt bitte den agressiven Unterton. Aber es drückt meinen gefühlten Zorn doch recht gut aus. Falsches Jahrtausend, falsches Land :(
Winnie
Dauergast
Beiträge: 337
Registriert: So 10. Jan 2010, 03:31

Re: Warum müssen wir uns verstecken?

Beitrag von Winnie »

Also, meine Lieben, ich will euch ja nicht in den Rücken fallen, aber es gibt sie, diese Eislaufmütter. Wobei es ja noch nicht einmal sein muss, dass die Kinder zu Höchstleistungen auf einem Gebiet getrieben werden müssen, sondern es reicht auch manchmal schon, wenn sie vor lauter Bemühungen das Kind immer ein wenig überfordern, weil sie seine Fähigkeiten und Begabungen falsch einschätzen. Die Väter sind auch nicht zu vergessen, weil viele Väter ja meinen, man müsste das Kind aufs Leben vorbereiten und abhärten.
Da werden dann kleine Kinder zum Austausch nach Frankreich geschickt oder zum Auftritt in einem kleinen Kindertheater angemeldet. Auch beliebt sowas wie Zirkusschule oder ähnliches. Natürlich immer unter dem Deckmantel, dass die Kinder bestmöglich gefördert werden sollen. Und es fängt schon damit an, dass die Kinder im großen Verwandtenkreis ein Weihnachtsgedicht vor allen Leuten aufsagen sollen.

Mein absolutes Negativ-Beispiel ist eine Bekannte von mir, deren Sohn 2 1/2 Jahre lang gestillt wurde und nur beim Stillen mit seiner Mutter im Bett einschlafen konnte. Für dieses Kind gab es 3 Jahre lang keinen festen Tagesrhythmus, es durfte schlafen, wenn es müde war, und essen, wenn es Lust dazu hatte. Es war unglaublich schwer, sich mit dieser Frau zu verabreden, weil man vollkommen abhängig von seinen Schlafens- und Essenszeiten war. Sie selber war strenge Vegetarierin, aber kochte selten bis nie für ihren Sohn Mittagessen, meistens ging sie mit ihm auswärts essen. Einmal ist ihr auf der Fahrt zu mir eingefallen, dass ihr Sohn Hunger hatte, da hat sie nochmal einen kurzen Abstecher zu McDonalds gemacht und ihm einen Hamburger Royal TS mit Pommes bestellt. Da war ihr Sohn knapp 2 und mochte den Royal TS natürlich nicht. Als sie mit der Tüte ankam, fragte ich sie: "Warum hast du nichts gesagt, ich hätte ihm doch eben schnell was machen können?" Da sagte sie: "Ach, so einen großen Hunger hat er eigentlich nicht." (Aber für einen Royal TS hätte es gereicht??? Seltsam.)

Schon kurz nach der Geburt verkündete sie, dass sie ihren Sohn dreisprachig erziehen wolle: Deutsch, Englisch und Spanisch, wobei der Vater kein Wort spanisch konnte. Dann erzählte sie, dass sie mit dem Kind das Planetensystem auswendig gelernt hätte und dass er mittlerweile alle Planeten kennt. Wieder ein anderes Mal erzählt sie mir, dass er gefragt hätte, wo der Regen herkommt. Sie hat ihm dann erklärt, von den unterschiedlichen Luftmassen, und wie das Wasser an der kalten Luft kondensiert und den Winden und weiß der Geier. Was er für große Augen gemacht hätte... Er sei ja so interessiert an ALLEM!!

Als sie mich dann besuchte, als meine zweite Tochter gerade mal zwei Tage auf der Welt war, wollte ich ihr natürlich von der Geburt erzählen. Es war jedoch keine 5 Minuten möglich, meine Geschichte zu erzählen, weil er immer dazwischenquakte: "Mama, tomm, Mama, tomm!" Da war er fast drei. Ich war in Versuchung, den Jungen zum Schweigen zu bringen. Immerhin hatte meine Tochter ja auch heftig getrotzt und musste erst lernen, dass sie nicht immer im Mittelpunkt stehen kann, allerdings war sie da zwei. Bei meiner Erfahrung würde ich dem sofort einen Riegel vorschieben, wenn meine Kleine so rumnerven würde. Aber dann stand seine Mutter tatsächlich auf und fing an, mit ihm Kaufmannsladen zu spielen, wobei sie spielte und er die ganze Zeit nur wie ein Wilder auf den Tasten rumkloppte, total grobmotorisch und bald 20 Mal auch die Kasse runterschmiss. Irgendwann kam ich mir blöd vor und fragte sie, ob sie denn vorhätte, länger mit ihrem Sohn zu spielen, oder ob ich weitererzählen soll.
Nichtsdestotrotz musste sie mir dann aber 20 Minuten später erzählen, dass ihr Sohn schon 60teilige Puzzle ganz allein legen könnte. Ich habe nur gedacht, na, wenn der es mal schafft, dass alle 60 Puzzleteile bis zum Schluss heile bleiben. Zumal es ja doch so ein bis zwei Minuten dauert, so ein Puzzle zu legen, und er kann sich kein bisschen selbst beschäftigen. Das war ja auch der Grund, warum sie sagte, dass er jeden Morgen eine Stunden Kika gucken darf, damit sie sich in Ruhe zur Arbeit fertig machen kann, und der Grund, warum sie mittags nie kocht. Ihr Mann ist derweil seit mittlerweile 6 Jahren arbeitssuchend, also den ganzen Tag zuhause.
Als der Besuch bei uns zuende war, bekam der Junge einen Trotzanfall erster Güte und wollte sich nicht im Kinder-Fahrradsitz anschnallen lassen. Da fing sie an, mit ihm zu verhandeln, wenn er denn schön brav sein würde beim Anschnallen, würde er auch zuhause zwei (!) Bonbons bekommen. Ich bin fast geplatzt und habe dann irgendwann die Geduld verloren und sie gefragt, ob ich ihn vielleicht anschnallen soll. Ich weiß, das klingt alles unheimlich arrogant, aber wenn du selbst ein Jahr lang nichts anderes gemacht hast, als deinem eigenen Kind die Grenzen abzustecken und die Wutanfälle einigermaßen zu unterbinden, dann verlierst du bei solchen Szenen echt die Geduld, weil du von vornherein weißt, dass es zu nichts führt.

Ich bin mit ihr zur Schule gegangen und weiß, wie sie tickt, denn sie war ein Einzelkind und die Mutter ist wegen ihr 16 Jahre lang zuhause geblieben und hat sich nur um ihr Schatzelein gedreht. Eine Überglucke, die sich heute noch in alles einmischt. Und trotzdem war ihre Tochter in der Schule zwar immer fleißig und an ALLEM interessiert, aber dennoch nirgendwo hervorragend. Ich weiß noch, dass wir uns in der Abivorbereitung gestritten haben, weil sie meinte, sie müsste mich zur Rede stellen, weil ich immer noch nicht mit dem Lernen angefangen hatte und auch keiner Lerngruppe beitreten wollte. Ihrer Meinung nach war ich im Begriff, mein Leben zu versauen. Später, als ich dann mein Studium abgebrochen habe, hat sie nur gesagt: "Ich könnte ja sowas nicht, da würde ich mich ja wie eine Versagerin fühlen." Dabei war sie viel unglücklicher als ich und hat vor jeder Prüfung geheult.

Neulich haben wir uns mit der Schulclique wieder getroffen, da alle mit Kind und Kegel kamen, haben wir uns ein Restaurant mit Kinderspielparadies gesucht. Alle Eltern waren froh, dass sie ihre Kinder in diesem Hort abgeben konnte, die Kinder waren auch sichtlich glücklich (alle so zwischen 3 und 6). Nur der Kleine meiner Freundin kam damit überhaupt nicht klar und schließlich saß sie mit ihrem Sohn im Bällebad, während sich die anderen Erwachsenen unterhalten haben.

Das war jetzt eine lange Geschichte, aber ich wollte mal verdeutlichen, wie kleine Kinder ausgleichen müssen, dass die Eltern selbst nicht mit ihrem Leben klarkommen und die Eltern deshalb ihre Sprösslinge zu etwas Besonderem hochstilisieren. Und wie verblendet manche Eltern sind, dass sie den ganzen Tag verkünden, worin ihre Kinder Schnellentwickler sind, aber nicht sehen wollen, dass ihre Kinder die grundsätzlichen Dinge wie allein einschlafen und warten einfach nicht gelernt haben. Solche Kinder haben dann auch null Frustrationstoleranz, weil ihre Eltern ihnen den ganzen Tag erzählen, wie toll sie sind, und ihnen jeden Wunsch von den Augen ablesen. Die Eltern vergessen dabei aber auch, dass auch diese Lernprozesse das Gehirn in Anspruch nehmen und dann keinen Raum mehr lassen für solche Dinge, wie z. B. ein Planetensystem aufgebaut ist. Deshalb ist diese Schnellentwicklung einfach nur darauf zurückzuführen, dass den Kindern zuviel Unangenehmes aber Notwendiges abgenommen wird.

Ich denke, da kann man wohl verstehen, warum ich auf dieses Thema "Hochbegabung" immer allergisch reagiert habe, weil es mich immer an diese Familie erinnert. Und sie ganz sicher kein Einzelfall.
"Entschuldigung, ich habe nur kurz fantasiert." meine große Tochter, 4 Jahre alt (inzwischen 9 geworden)
Freigeist
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Re: Warum müssen wir uns verstecken?

Beitrag von Freigeist »

Also Winnie, ganz ehrlich, das gibt für mich nicht das Bild einer Eislaufmutter.
Ich würde, aus deiner Erzählung heraus, eher darauf tippen, dass sie Schwierigkeiten damit hat, ihrem Kind notwendige Grenzen zu vermitteln.
Ich muss gestehen, auch ich finde, dass sich junge Kinder viel zu sehr auf irgendwelche Erwachsenenrythmen und Erwachsenenregeln und Erwachsenen-so-muss-es-aber-sein einstellen müssen. Ich empfinde das teilweise als sehr respekt- und achtlos den Kindern gegenüber.

Aaaaaber: Grenzen müssen sein, die braucht jedes Kind, sonst ist es ja völlig verloren in dieser Welt. Da stimme ich dir zu.

Mein Großer hat sicher in dem Alter auch so ähnlich gewirkt, tut er manchmal heute noch. Allerdings nur, wenn das Leben an ihm vorbei ging. Und das finde ich irgendwie akzeptabel. Natürlich musste er altersentsprechend Dinge wie "nicht dazwischenquatschen" lernen, aber er tut sich damit heute noch sehr schwer.
Und auch ich bekomme hin und wieder vorgeworfen, dass ich meine Kinder "verziehe". Teilweise verstehe ich manchmal, dass dieser Eindruck entstehen kann, wenn man Noah in manchen Situationen erlebt. Andererseits will ich meine Kinder dazu erziehen, eigenständig denkende Heranwachsende und Erwachsene zu werden, die andere Menschen achten und trotzdem, oder gerade deshalb, den Mut haben, gegen den Strom zu schwimmen, wenn nötig. Wie anders kann ich ihnen das vermitteln, als sie selbst achtsam zu behandeln, egal, wie alt sie sind?

Liebe Grüße,
Sarah
Winnie
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Re: Warum müssen wir uns verstecken?

Beitrag von Winnie »

Naja. also ganz ehrlich, ich glaube daran, dass man Kindern erstmal ein Fundament mit auf den Weg geben muss, damit sie von diesem aus gesehen die Welt auch verstehen können. Ich glaube nicht, dass so kleine Kinder die Entscheidung alleine tragen können, wann sie schlafen und essen möchten. Außerdem muss doch auch ein Kind Fixpunkte im Leben haben, die ihm die Welt überschaubar machen, damit es überhaupt die Sicherheit spüren kann, innerhalb derer es neue Dinge ausprobieren kann.

Gerade zum Thema Kinderschlaf gibt es da die Erkenntnis, dass viele Eltern viel zu früh den Mittagsschlaf ganz abschaffen, weil sie der Meinung sind, dass die Kinder einfach keinen Mittagsschlaf mehr machen wollen und damit wohl auch keinen mehr brauchen. Das ist eine ganz normale Entwicklung innerhalb der Trotzphase, weil sie irgendwann herausfinden, dass sie zum Schlafen nicht gezwungen werden können. Außerdem haben sie tatsächlich Angst, was zu verpassen. Nur weiß man aber auch, dass Kinder diese Erholungsphase am Mittag bis in die Schulzeit hinein dringend brauchen, je mehr Input sie bekommen, desto dringender brauchen sie auch eine Pause, in der sich das Gelernte setzen kann. Es ist ein Ammenmärchen, dass Kinder dann in der Nacht weniger oder schlechter schlafen, wenn sie mittags geschlafen haben. Viele schlafen ohne Mittagsschlaf dann nachts erst recht schlechter, weil sie überreizt sind und dadurch unruhig schlafen.
Es ist so, man kann die Kinder nicht zum Schlafen zwingen, aber man kann dafür sorgen, dass sie eine Mittagsruhe einhalten. Und bei den meisten Kindern zeigt sich dann, dass sie irgendwann dann doch einschlafen, wenn sie nicht mehr angeregt werden. Zwar nicht jeden Tag, aber eben ab und zu mal, was sie niemals getan hätten, wenn die Eltern nicht für diese Ruhepause gesorgt hätten.

Und an diesem Beispiel kann man ganz gut erkennen, dass Kinder nicht wirklich wissen können, was gut für sie ist. Wenn man sie lassen würde, würden die meisten Kinder nachts um 23 Uhr vor dem Fernseher einschlafen und nur Nudeln und Pommes und kein Gemüse essen. Und kein Kind würde sich freiwillig im Kindersitz anschnallen lassen.

Ich denke, dass der Sohn meiner Freundin einfach zutiefst verunsichert ist, weil es ihm an Orientierung fehlt. Er hat kein Selbstvertrauen, weil er nie weiß, was als nächstes passieren wird und was man von ihm erwartet. Und bekommt doch auch irgendwann mit, dass das, was er lernt, ihn im Leben nicht wirklich weiterbringt. Mein Gefühl sagt mir einfach, dass sie viel mehr mit ihren eigenen Erwartungen beschäftigt ist, als mit dem, was ihr Sohn gerne möchte. Ich glaube kaum, dass er von sich aus nach dem Planetensystem gefragt hat, weil er das Wort noch gar nicht aussprechen kann. Da wäre es doch viel sinnvoller mit ihm solche Sätze zu üben wie: "Mama, spielst du mit mir?" statt "Mama, tomm, biele!"

Ich habe auch eine Pädagogin in meinem Bekanntenkreis, die ihr Kind fördert, wo es nur geht. Und dann hat der Kinderarzt bei der U 8 gesagt, sie müsste mit dem Jungen zum Logopäden, weil er so undeutlich spricht (und zum Hörtest sollte er auch). Da war sie total beleidigt und meinte nur, was der denn gleich so einen Aufriss machen würde, sie wüsste ja, dass ihr Sohn eigentlich viel besser sprechen kann und sie würde ihn immer verstehen. Das ist schön für sie, dass er es angeblich kann, aber er macht es halt nicht. So einfach ist die Sache. Und er sollte sich im Kindergartenalter so verständlich machen können, dass man ihn auch versteht, ohne dreimal nachzufragen. Und da interessiert auch keinen, was er für einen Wortschatz hat, wenn man ihn trotzdem nicht versteht. (Und er ist trotzdem ein toller Junge, keine Frage!)

Sarah, es heißt ja "Lieben deinen Nächsten wie dich selbst", nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wenn man seine Kinder in diesem Sinne erzieht, dann werden sie liebevoll mit sich selber umgehen, ohne den anderen damit auf die Füße zu treten. Aber das kann man von Kleinkindern noch nicht erwarten, dass sie diesen Spagat schon hinbekommen. Man muss im Kleinkindalter säen, damit man später ernten kann.

Man muss sich immer wieder vor Augen halten, die Kinder gehören uns nicht, sie sind nicht unsere Stellvertreter. Und wenn wir uns wünschen, dass sie später mal gegen den Strom schwimmen, kriegen wie vielleicht einen angepassten Mitläufer, der sich so ganz wohl fühlt. Und auch das müssen wir respektieren. ;)
"Entschuldigung, ich habe nur kurz fantasiert." meine große Tochter, 4 Jahre alt (inzwischen 9 geworden)
Freigeist
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Re: Warum müssen wir uns verstecken?

Beitrag von Freigeist »

Oh nein, ich wünsche mir mit nichten, dass meine Kinder später mal gegen den Strom schwimmen!!! Ich wünsche mir, dass sie selbstbewusst, moralisch gefestigt und mutig genug sind, für das, was SIE wichtig finden, einzustehen. AUCH wenn das mal bedeutet, gegen den Strom schwimmen zu müssen.

Ja, ich denke auch, dass Kinder erst mal ein Fundament brauchen. Die Frage ist nur, welches. Ich finde, es gibt wenige Dinge, wo das Kind gar nicht mitentscheiden kann. Ich muss ihm ja beispielsweise im tiefsten Winter nicht die Wahl zwischen T-Shirt und Pulli lassen, denn warm angezogen muss es ja sein, aber ich kann ihm die Wahl zwischen Winterjacke 1 und Winterjacke 2 lassen.
Und Kinder brauchen natürlich auch Orientierung und eine überschaubare Welt, deren Rahmen ich als Mutter abstecke, um sie nicht zu überfordern. Mir geht es eher darum, wie ich diese kleine Welt gestalte.

Kinder können nicht entscheiden, wann sie essen? Was ist mit Fütterung nach Bedarf? Und warum sollte das später plötzlich nicht mehr gelten?
Klar, wenn man nie nach Bedarf gefüttert hat, kann das Kleinkind das vielleicht wirklich nicht. Aber das liegt dann wohl weniger am Unvermögen des Kindes... :gruebel:
Bei der Auswahl, WAS auf den Tisch kommt, entscheide ich, meine Kinder dürfen allerdings selbst entscheiden, was davon sie essen. Und siehe da, es finden sich auch genügend gesunde Sachen, die ihnen schmecken.

Den Hinweis auf "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" finde ich sehr schön. Aber was bedeutet, Kinder in diesem Sinne zu erziehen? Für mich zuallererst, dass mein Kind sich selbst liebt, lieben darf, lieben lernt. Das ist die Grundlage für eine gesunde Liebe zu anderen Menschen.
Ich denke auch, dass Kinder diesen Spagat noch nicht schaffen können, aber was tue ich in der Zwischenzeit? Das erwünschte Verhalten quasi erzwingen, bis sie soweit sind, es zu begreifen? Oder ihre Bedürfnisse befriedigen, damit sie mit der Zeit lernen, auch die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen und zu achten?

Ich zweifle nicht an, dass deine Bekannten ihre Kinder vielleicht nicht zu deren Wohle erziehen. Das kann ja durchaus sein.
Ich wollte nur anmerken, dass nicht jede Mutter, die auf die Bedürfnisse ihres Kindes eingeht, wo andere aus Erziehungsgründen einen Riegel vorschieben würden, ihrem Kind damit schaden muss.
Wobei auch mich die Eltern aufregen, die ihr Kind erziehungsmäßig allein lassen, es damit total überfordern und dann noch behaupten, es sei zum Wohle des Kindes. Da sind wir uns einig! :)

Liebe Grüße,
Sarah
Freigeist
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Re: Warum müssen wir uns verstecken?

Beitrag von Freigeist »

@urmelis: Sehr treffend, schön geschrieben, ist genau, wie ich das auch sehe!
Ich glaube, wir würden uns verstehen. So apropos Chaos ab und zu... ;)

LG,
Sarah
ödipuss
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Re: Warum müssen wir uns verstecken?

Beitrag von ödipuss »

Hi,

Neid und Missgunst sind den Menschen angeboren... mich wundert da eigentlich gar nichts mehr...

mfg
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