Re: Ängste
Verfasst: Sa 29. Okt 2016, 12:39
Das ist sehr spannend hier - Ihr fragt und gebt Feedback, und ich merke, dass ich den Punkt, um den es mir eigentlich geht, noch gar nicht zu greifen bekommen habe. Danke dafür!
Meine Tochter ist schon immer ein sehr eigensinniger Mensch gewesen, mit einer - wie ich finde - wunderbaren inneren Intuition über das, was sie braucht und was nicht. Z.B. fällt es ihr überhaupt nicht schwer, sich zu entscheiden, ob sie, wie alle aus ihrer Klasse, im Klassenkostüm beim Karnevalsumzug mitgehen will - nein, sie will nicht, und dann ist es für sie völlig ok, wenn alle anderen gehen und sie begeistert am Rand steht und Kamelle fängt. Oder wenn eine Freundin diesen typischen "Wenn Du meine Freundin sein willst, musst Du aber..."-Terror macht - das schaut sie sich an, überlegt, was sie braucht, und sagt der Freundin, dass es ihr leid tut, sie aber trotzdem nicht will. Das beeindruckt mich immer sehr. Und bestechlich ist sie auch nicht, das durchschaut sie sofort, wenn wir mal doch mit einer Belohnung locken (was wir eh selten tun, aber manchmal weiß ich dann auch nicht weiter).
Diese innere Achse schirmt sie recht gut von dem Durcheinander draußen ab, besser jedenfalls als mich und meinen Mann, wir haben immer wieder damit zu tun, dass wir uns nicht so gut abgrenzen, wie es uns gut tun würde. Und ich glaube, diese Ängste stehen für mich damit im Zusammenhang - sie ist halt auch dann sehr abgeschirmt, aber eben so, dass es ihr die Lage sehr schwer macht. Ihr habt völlig recht, Ängste finde ich absolut erlaubt, und ich glaube nicht, dass ich auf ein Idealkind zusteuern will (dafür war sie schon als Baby zu eigen, da passten wir in keine "normale" Situation rein, egal, ob es ums Stillen, Schlafen, Essen, mit anderen Kindern Spielen oder sonstwas ging). Aber ihre Fähigkeit, so dermaßen in ihren eigenen Kopf-Konstrukten zu sein, dass sie sich selbst damit schadet, die sehe ich ein bisschen mit Sorgen. Da weiß sie z.B. zu 100%, dass was nichts wird, weil sie es eben weiß (ausprobieren braucht sie nicht, weil sie es ja weiß). Oder ist sich totsicher, dass es keine Optionen gibt, sondern nur das eine, das sie befürchtet.
Aber, hm... ich denke grad: vielleicht ist meine Sorge meine Art, so ein gewisses Bedürfnis nach Kontrolle zu verschleiern... sie braucht eine extrem lange Leine, und obwohl sie oft Sachen nicht ausprobiert, hat sie in ihrem Leben schon eine Menge Erfahrungen gemacht. Und scheint nichts zu vermissen! Eigentlich könnte ich sie also einfach machen lassen, noch mehr, als wir es eh schon tun. Und zum Blutabnehmen wird sie trotzdem immer wieder gehen müssen, und sie hat zwar geschrieen wie am Spieß, aber ihren Arm ruhig hingehalten, ohne das jemand sie festhalten musste. Vielleicht hat sie einfach das Ventil gebraucht?
Seit sie auf der Welt ist, stoße ich immer wieder an diese seltsame Grenze von "irgendwie ist mein Kind anders als die anderen". Meistens nicht so, dass ich mir Sorgen machen würde, aber wenn dann, so wie in dieser Situation bei dem Arzt, mehrere Sachen zusammen kommen, dann verunsichert mich das. Dabei sind wir insgesamt sehr gut eingegroovt hier, finde ich. Sie geht gern in die Schule, hat eine tolle Lehrerin, die ihr viele Freiräume gibt, hat zwei sehr enge Freundinnen und eine ganze Handvoll, mit denen sie ab und zu spielt (jetzt zum Geburtstag müssen es unbedingt 13 Kinder sein, die sie einladen will, das wird noch lustig, auf 9 zu kommen), ihre Zeugnisse waren bisher immer voller "in außergewöhnlichem Maße", und seit es nun in der 3. Klasse Noten gibt, schreibt sie Einsen und ab und an mal eine Zwei. Sie spielt und malt und bastelt nachmittags viel, liest sehr viel (leider auch so Teenie-Sachen, da denke ich manchmal, das passt nicht zu ihrer noch sehr jungen Seele) und ist an nahezu allem interessiert. Geht gern mal bummeln, guckt Shaun das Schaf und Willi wills wissen, liebt Museen und Zoos und alle Tiere. Erwachsene sind immer überrascht von ihrer Offenheit und Eloquenz, und ihre Lehrerin sagt, dass sie in der Klasse ausgleichend wirkt, weil sie Konflikte zu lösen versucht und immer auch die andere Seite sieht. Und wir verhakeln uns ab und an, und manchmal knallts auch richtig, haben aber einen sehr innigen und fröhlichen Kontakt.
Daher ist diese Seite mit den festgebissenen Ängsten was, wo ich so eine kleine intuitive "Obacht"-Lampe bei mir bemerke. So viel mehr als ein leises Aufmerken ist es nicht, aber eben auch nicht nichts. Mein Mann hat seit ein paar Wochen die Diagnose Bipolare Depression, das gibt es in seiner Familie gehäuft, vielleicht ist auch das, was mich genauer schauen lässt. Da sind wohl wirklich Hirnstrukturen verändert, die Gefühle extrem werden lassen, aber auch oft mit großer Kreativität und Individualität einhergehen. Und da wart Ihr hier in diesem Forum die erste Adresse, wo ich glaube, dass es hier Menschen gibt, die mit dieser speziellen Mischung, mit der meine Tochter unterwegs ist, was anfangen können. Der Arzt, bei dem wir Dienstag waren, war im Nachhinein betrachtet wieder ein prima Beispiel dafür, dass Leute da auch schnell einiges einfach reininterpretieren, weil das aus ihrem Kontext heraus die einzig sinnvolle Lösung sein kann. Und ehrlich gesagt hat es mich erschreckt, dass so ein Kinderarzt auf einer großen pädiatrischen Station meine Tochter soooo ungewöhnlich fand, weil ich denke, dass er doch nun wirklich viele Kinder zu Gesicht bekommt und ein ganz gutes Gefühl dafür haben sollte, wie sie üblicherweise so drauf sind, in all ihrer Vielfalt. Äh. Es ist ein ziemliches Gehuddel ...
Meine Tochter ist schon immer ein sehr eigensinniger Mensch gewesen, mit einer - wie ich finde - wunderbaren inneren Intuition über das, was sie braucht und was nicht. Z.B. fällt es ihr überhaupt nicht schwer, sich zu entscheiden, ob sie, wie alle aus ihrer Klasse, im Klassenkostüm beim Karnevalsumzug mitgehen will - nein, sie will nicht, und dann ist es für sie völlig ok, wenn alle anderen gehen und sie begeistert am Rand steht und Kamelle fängt. Oder wenn eine Freundin diesen typischen "Wenn Du meine Freundin sein willst, musst Du aber..."-Terror macht - das schaut sie sich an, überlegt, was sie braucht, und sagt der Freundin, dass es ihr leid tut, sie aber trotzdem nicht will. Das beeindruckt mich immer sehr. Und bestechlich ist sie auch nicht, das durchschaut sie sofort, wenn wir mal doch mit einer Belohnung locken (was wir eh selten tun, aber manchmal weiß ich dann auch nicht weiter).
Diese innere Achse schirmt sie recht gut von dem Durcheinander draußen ab, besser jedenfalls als mich und meinen Mann, wir haben immer wieder damit zu tun, dass wir uns nicht so gut abgrenzen, wie es uns gut tun würde. Und ich glaube, diese Ängste stehen für mich damit im Zusammenhang - sie ist halt auch dann sehr abgeschirmt, aber eben so, dass es ihr die Lage sehr schwer macht. Ihr habt völlig recht, Ängste finde ich absolut erlaubt, und ich glaube nicht, dass ich auf ein Idealkind zusteuern will (dafür war sie schon als Baby zu eigen, da passten wir in keine "normale" Situation rein, egal, ob es ums Stillen, Schlafen, Essen, mit anderen Kindern Spielen oder sonstwas ging). Aber ihre Fähigkeit, so dermaßen in ihren eigenen Kopf-Konstrukten zu sein, dass sie sich selbst damit schadet, die sehe ich ein bisschen mit Sorgen. Da weiß sie z.B. zu 100%, dass was nichts wird, weil sie es eben weiß (ausprobieren braucht sie nicht, weil sie es ja weiß). Oder ist sich totsicher, dass es keine Optionen gibt, sondern nur das eine, das sie befürchtet.
Aber, hm... ich denke grad: vielleicht ist meine Sorge meine Art, so ein gewisses Bedürfnis nach Kontrolle zu verschleiern... sie braucht eine extrem lange Leine, und obwohl sie oft Sachen nicht ausprobiert, hat sie in ihrem Leben schon eine Menge Erfahrungen gemacht. Und scheint nichts zu vermissen! Eigentlich könnte ich sie also einfach machen lassen, noch mehr, als wir es eh schon tun. Und zum Blutabnehmen wird sie trotzdem immer wieder gehen müssen, und sie hat zwar geschrieen wie am Spieß, aber ihren Arm ruhig hingehalten, ohne das jemand sie festhalten musste. Vielleicht hat sie einfach das Ventil gebraucht?
Seit sie auf der Welt ist, stoße ich immer wieder an diese seltsame Grenze von "irgendwie ist mein Kind anders als die anderen". Meistens nicht so, dass ich mir Sorgen machen würde, aber wenn dann, so wie in dieser Situation bei dem Arzt, mehrere Sachen zusammen kommen, dann verunsichert mich das. Dabei sind wir insgesamt sehr gut eingegroovt hier, finde ich. Sie geht gern in die Schule, hat eine tolle Lehrerin, die ihr viele Freiräume gibt, hat zwei sehr enge Freundinnen und eine ganze Handvoll, mit denen sie ab und zu spielt (jetzt zum Geburtstag müssen es unbedingt 13 Kinder sein, die sie einladen will, das wird noch lustig, auf 9 zu kommen), ihre Zeugnisse waren bisher immer voller "in außergewöhnlichem Maße", und seit es nun in der 3. Klasse Noten gibt, schreibt sie Einsen und ab und an mal eine Zwei. Sie spielt und malt und bastelt nachmittags viel, liest sehr viel (leider auch so Teenie-Sachen, da denke ich manchmal, das passt nicht zu ihrer noch sehr jungen Seele) und ist an nahezu allem interessiert. Geht gern mal bummeln, guckt Shaun das Schaf und Willi wills wissen, liebt Museen und Zoos und alle Tiere. Erwachsene sind immer überrascht von ihrer Offenheit und Eloquenz, und ihre Lehrerin sagt, dass sie in der Klasse ausgleichend wirkt, weil sie Konflikte zu lösen versucht und immer auch die andere Seite sieht. Und wir verhakeln uns ab und an, und manchmal knallts auch richtig, haben aber einen sehr innigen und fröhlichen Kontakt.
Daher ist diese Seite mit den festgebissenen Ängsten was, wo ich so eine kleine intuitive "Obacht"-Lampe bei mir bemerke. So viel mehr als ein leises Aufmerken ist es nicht, aber eben auch nicht nichts. Mein Mann hat seit ein paar Wochen die Diagnose Bipolare Depression, das gibt es in seiner Familie gehäuft, vielleicht ist auch das, was mich genauer schauen lässt. Da sind wohl wirklich Hirnstrukturen verändert, die Gefühle extrem werden lassen, aber auch oft mit großer Kreativität und Individualität einhergehen. Und da wart Ihr hier in diesem Forum die erste Adresse, wo ich glaube, dass es hier Menschen gibt, die mit dieser speziellen Mischung, mit der meine Tochter unterwegs ist, was anfangen können. Der Arzt, bei dem wir Dienstag waren, war im Nachhinein betrachtet wieder ein prima Beispiel dafür, dass Leute da auch schnell einiges einfach reininterpretieren, weil das aus ihrem Kontext heraus die einzig sinnvolle Lösung sein kann. Und ehrlich gesagt hat es mich erschreckt, dass so ein Kinderarzt auf einer großen pädiatrischen Station meine Tochter soooo ungewöhnlich fand, weil ich denke, dass er doch nun wirklich viele Kinder zu Gesicht bekommt und ein ganz gutes Gefühl dafür haben sollte, wie sie üblicherweise so drauf sind, in all ihrer Vielfalt. Äh. Es ist ein ziemliches Gehuddel ...