Langeweile im KiGa

Probleme und Lösungen für den Kindergartenalltag
bine1977

Re: Langeweile im KiGa

Beitrag von bine1977 »

Liebe Alibaba,

falls Du mal Gelegenheit hast, frag doch den Psychologen in diesem Zusammenhang mal nach fehlgeleiteten Perfektionismus bzw. google mal
nach Perfektionismus.

Es erinnert mich ziemlich an unseren Großen und er bekommt auch deswegen die Ergo und er macht Fortschritte. Immer noch mit Gebrüll und Tränen, aber er will jetzt oft selbständig zum Ziel kommen. Es gibt auch noch "schlechte" Tage zwischendurch, aber es wird besser.

LG

Bine
Winnie
Dauergast
Beiträge: 337
Registriert: So 10. Jan 2010, 03:31

Re: Langeweile im KiGa

Beitrag von Winnie »

Halli und hallo,
das kenne ich ja von A. auch zu Genüge und ich glaube, dass diese Frustrationstoleranz ein immens wichtiger Bestandteil des sozialen Lernens ist. Und dies braucht Zeit und Übung, das Kind muss nach seinem Tempo eine Reife erlangen, bei dem man das Kind nur begleiten kann. Ich glaube, der Gedanke, dass man dem Kind diese Arbeit abnehmen kann, ist wohl verständlich, aber auf lange Sicht auch egoistisch. Auf dieser Erfahrung baut ja auch sehr viel auf.

Es geht auch daraum, dass das Kind im Kindergarten sehr stark spürt, dass die Kinder in ihren Leistungen verglichen werden. Was vorher nur einfach Spielen war, wo die Eltern früher einfach zufrieden waren, dass die Kinder beschäftigt waren, wird im Kindergarten-Alter viel zu oft als sinn- oder wertvolles Spielen auf der einen Seite und Zeitvertreib auf der anderen Seite kategorisiert. Amelie hat viel Zeit im Kindergarten damit verbracht, unter dem Tisch zu liegen und die anderen Kinder zu beobachten. Aber irgendjemand ist auf die Idee gekommen, dass dies keine wertvolle Beschäftigung für ein dreijähriges Kind sein kann. Nun ist sie in einem anderen Kindergarten und hat ein anderes dreijähriges Mädchen, mit dem sie gemeinsam die anderen Kinder beobachtet (aus einer Höhle heraus etc.). Wenn das zwei tun, heißt es, die Kinder spielen so schön zusammen.

Ich mutmaße jetzt aus meiner eigenen Erfahrung, dass die Langeweile im Kindergarten daher kommt, dass die Kinder sich nicht frei entfalten dürfen.

Nur mal als Beispiel: Gestern nachmittag sind mir die Kinder auf die Nerven gegangen, aber ich bin im Moment krank und total lärmempfindlich. (Grippaler Infekt mit heftigen Kopfschmerzen) In meiner Verzweiflung habe ich dann für die Kleine an eine leere Küchenrollen-Papprolle ein 3-Meter-langes Geschenkband geknotet und es ihr in die Hand gedrückt. Sie war super-glücklich und ist damit sogleich durch das ganze Haus gerannt, Treppe hoch, Treppe runter, hat die Rolle geschmissen und am Band wieder zurückgezogen. Zum Schluss hat sie sich im Band eingewickelt. Dann hat das die Große auch gesehen und wollte auch so ein Ding haben. Ich habe ihr dann auch so ein gebastelt und schon ging die Party los. Dann kam mein Mann von der Arbeit und wir konnten uns eine Stunde lang ungestört unterhalten. :D

Inspiration ist alles! Zum Schluss hat A. das ganze Geschenkband von der Rolle in unseren Gelben-Sack-Ständer eingefädelt und L. hat dabei zugesehen. :mrgreen: Nun frage ich mich: Ist das nun Blödsinn oder ganz pädagogisch wertvolles Spielen?

Wenn ich jetzt aber meine, ich müsste mit A. Bilder aus Bügelperlen stecken, weil das alle Mädchen in ihrem Alter toll finden, kann ich 150% davon ausgehen, dass die Bügelperlen im hohen Bogen vom Tisch fliegen. Ich gehe einfach davon aus, dass sie ihre Feinmotorik dann anderswo entwickeln wird, wo jetzt keiner erwartet, dass sie das in ihrem Alter hinkriegen muss.

Ich denke, seine eigenen Fähigkeiten realistisch einzuschätzen, dazu gehört eben auch Erfahrung, auch Grenzerfahrungen, die sie nur im freien Spiel erlangen. Das Ziel ist, dass das Kind selbst entscheiden muss, dass diese Dinge üben möchte, um damit ein bestimmtes Ziel zu erreichen. In einem Jahr kann so viel passieren und vielleicht ist dieses eine Jahr im Kindergarten noch dieses Jahr, was das Kind braucht, um diese Frustrationstoleranz zu entwickeln. Das wird sicherlich keine einfache Zeit, aber das ist kein Grund, um dem Kind das unbedingt ersparen zu wollen.

Ich meine jetzt mal Hand aufs Herz: Wahrscheinlich wird dieses Niveau der Förderung sowieso nicht sein ganzes Leben lang aufrecht erhalten werden können. Es wird immer Zeiten der Unterforderung geben. Die Frage ist, wie kann man dem Kind jetzt schon beibringen, damit umzugehen. Wenn man die Schuld jetzt schon auf den Kindergarten schiebt, wird es das Kind auch als legitim ansehen, bei Problemen in der Schule einfach die Schule blöd zu finden. Es ist ein Konflikt, der immer da sein wird. Kindergarten, Schule, Uni oder Arbeit sind nur bedingt Orte der Selbstverwirklichung. Es geht immer auch darum, die Rahmenbedingungen aushalten zu lernen.
"Entschuldigung, ich habe nur kurz fantasiert." meine große Tochter, 4 Jahre alt (inzwischen 9 geworden)
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