Sprecht ihr das Wort Hochbegabung aus oder lieber nicht?

Probleme und Lösungen für den Kindergartenalltag
Winnie
Dauergast
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Sprecht ihr das Wort Hochbegabung aus oder lieber nicht?

Beitrag von Winnie »

Ich wollte mal so ganz allgemein in die Runde fragen, wie ihr mit dem Kindergarten oder der Schule über die Fähigkeiten eures Kindes sprecht. Sprecht ihr das Wort Hochbegabung aus oder deutet ihr es eher an? Oder bezieht ihr euch auf ein Testergebnis?
Ich finde es zur Zeit sehr schwierig. Ich habe das Wort Hochbegabung noch nie verwendet, ebenso schwierig finde ich die Formulierung "ihren Altersgenossen weit voraus", weil ich das gar nicht so richtig beurteilen kann. Außerdem gibt es doch bestimmt total viele Eltern, die das so ins Blaue hinein behaupten. Ich habe mich bis jetzt auch nicht getraut, im Kindergarten das Wort Unterforderung zu benutzen, obwohl bis jetzt alle möglichen Leute (Gesundheitsamt, Kinderarzt, Ergotherapeutin und die Leiterin vom Reha-Sport) gemeint haben, dass das ziemlich offensichtlich ist. Was sie bräuchte, ist wohl sowas wie Kleingruppen-Vorschulunterricht plus Freispiel. Das gibt es aber weder im Kindergarten noch in der Schule. Sie ist damit dann praktisch gleichzeitig über- und unterfordert.

Wie kann man denn die ganze Situation möglichst diplomatisch beschreiben, ohne dass die Erzieherinnen sich gleich in ihrer Kompetenz in Frage gestellt sehen?
"Entschuldigung, ich habe nur kurz fantasiert." meine große Tochter, 4 Jahre alt (inzwischen 9 geworden)
Neckri
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Re: Sprecht ihr das Wort Hochbegabung aus oder lieber nicht?

Beitrag von Neckri »

Hallo Winnie,

das Ansprechen von Frühförderung ist dünnes Eis: "Unterforderung" wird dir übelgenommen und "Hochbegabung" verursacht hektische Flecken...! - Der Kindergarten in Deutschland hegt ja nicht den Anspruch, seine Schäfchen geistig auszulasten. Das "Kerngeschäft" seiner pädagogischen Ziele heißt Arbeit am Sozialverhalten, an der Bindungsfähikeit, an der Selbständigkeit, am Gemeinschaftsgefühl, an Umgangsformen und an der "Persönlichkeitsentfaltung". Wenn immer du auf besondere Bedürfnisse im kognitiven Bereich appelierst, dann erntest du einen "Aber-Blick", der auf das deutsche Kindergartenkerngeschäft fokussiert...

Die beste Alternative ist das Aufgreifen der "Persönlichkeitsentfaltung", weil dieser Begriff alles und nichts an kindlichen Bedürfnissen enthält. Du solltest damit anfangen, dass du zunehmend das Gefühl hast, deine Tochter komme nicht mehr so fröhlich aus dem Kindergarten. Irgendein Knick in der Kinderseele müsse wohl ihre "Entfaltung" im Kiga bremsen, denn zu Hause blühe sie wieder auf, wenn sie das Rätselheft in die Finger bekomme. Das veranlasse dich darum, die Situation der kleinen Maus im Kindergarten mit Hilfe der pädagogischen Kompetenz der Betreuerin zu beleuchten... Am besten funktionieren dann Fragen. Du könntest grübelnd hinterfragen, ob der Betreuerin irgendeine Idee komme, was speziell diesem kleinen Fräulein bloß fehlen könnte...

Nicht ansprechen halte ich inzwischen für ganz verkekehrt.

Viele Grüße von Neckri
alibaba

Re: Sprecht ihr das Wort Hochbegabung aus oder lieber nicht?

Beitrag von alibaba »

Neckri hat geschrieben: Das "Kerngeschäft" seiner pädagogischen Ziele heißt Arbeit am Sozialverhalten, an der Bindungsfähikeit, an der Selbständigkeit, am Gemeinschaftsgefühl, an Umgangsformen und an der "Persönlichkeitsentfaltung".
Hallo ihr Lieben,

ich finde, das ein Kiga eben dazu da ist, obige Entwicklungsbreiche in den Fokus zu nehmen und daran zu arbeiten. Denn daran hapert es bei vielen Kindern. Was kann ich denn beoachten: Immer mehr Kinder können bereits im Vorschulalter schreiben, lesen und rechnen. Bei uns jetzt in der 1.Klasse können ALLE Schüler die Buchstaben, auch schreiben (drucken ;) ) Rechnen bis 20 auch einige, im Kopf ohne Finger! Aber die wenigsten trauen sich ohne Mama in die Schule, viele vergessen ihre Sachen einzupacken, vergessen HA zu notieren, vergessen ihr gutes Benehmen, reden ständig dazwischen und denken nur um sie dreht sich die Welt. Können nicht stillhalten oder auch mal abwarten, wissen alles besser...Ich könnte die Liste lang machen.

Es nützt nichts die beste kognitive Aussattung zu haben, wenn der Rest des Kindes Probleme hat. Daher ist es enorm wichtig, das Kindergarten eben seine Fokusierung auf obige Dinge hat.

Du wirst es schwer haben eine indiviedulle Förderung durchzudrücken, denn wer weiß, wieviele Kinder im Kiga das auch gerne hätten und schon sehr weit sind. Ich habe nach dem Test des Großen, welcher aber vom Kiga angestoßen wurde, einem Gespräch mit der Testerin und der Kigaleiterin zugestimmt. Darauf hin gab es eine kleine Extraportion kognitiven Input auf Zuteilung. Hätte man sich aber auch sparen können, aus der rückblickenden Perspektive betrachtet. Ich hatte im Kiga eine aufmerksame Betreuerin, die auch zugehört hat. Aber sie sprach auch ganz deutlich ihr Problem der individuellen Förderung aus und der Rechtfertigung anderen Eltern gegenüber. Ich kann das verstehen. Auch bei Kind Nr.2 habe ich Probleme. Sie können meine Kleine zurückhaltende nicht an die Hand nehmen und extra fördern. Es sind einfach zu viele zurückhaltende im Kiga und jedes Kind sehr speziell.

Hb in den Wort zu nehmen, wenn man keinen Test hat, der das bestätigt, würde ich nie. Aber trotzdem offen über seine Probleme sprechen und um die Hilfe der Erzieherinnen ersuchen. Bitten äußern, aber keinen Zwang ausüben. Du bist doch eh im Kontakt, dann kann man auch darüber sprechen.

In der Schule weiß niemand vom Test meines Großen. Ich bin überzeugt davon, das ich das auch nicht machen muss, solange es keine Probleme gibt. Und mal davon abgesehen, was nützt einen schon ein Test im Alter von 4,1 Jahren? Da müsste wohl eh ein aktuellerer her.

Aus meinen eigenen Erfahrungen heraus, Nein, nie Hb oder Unterforderung in einem Kiga ansprechen, sei denn es gibt einen schlagkräftigen Beweis. VLG
heinerprahm
Dauergast
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Re: Sprecht ihr das Wort Hochbegabung aus oder lieber nicht?

Beitrag von heinerprahm »

Neckri hat geschrieben:Das "Kerngeschäft" seiner pädagogischen Ziele heißt Arbeit am Sozialverhalten, an der Bindungsfähikeit, an der Selbständigkeit, am Gemeinschaftsgefühl, an Umgangsformen und an der "Persönlichkeitsentfaltung". Wenn immer du auf besondere Bedürfnisse im kognitiven Bereich appelierst, dann erntest du einen "Aber-Blick", der auf das deutsche Kindergartenkerngeschäft fokussiert...

Hallo Neckri,

… das sehe ich auch so, aber genau da denke ich liegt der Knackpunkt, denn ich sehe "Hochbegabung" (in Anführungszeichen, weil jeder da was anderes darunter versteht) nicht alleine als intellektuelle, oder kognitive "Eigenschaft", sondern sie ist ein ganzheitlicher Wesenzug, der vor allem in den genannten pädagogischen Bereichen des Kindergartenalltags zum Tragen kommt: "Sozialverhalten", "Bindungsfähigkeit", "Selbständigkeit", "Gemeinschaftsgefühl", "Umgangsformen".

Es ist aus meiner Sicht nicht der intellektuelle Vorsprung der hochbegabten Kindergartenkinder, der ihnen oft das Leben schwer macht, sondern es ist (wenn auch nicht immer) vor allem die Nichtpassung in den oben genannten Bereichen. Hochbegabte Kleinkinder unterscheiden sich in allen genannten Bereichen oft drastisch von ihren Altersgenossen und ich sehe die Forderung der Kinder nach mehr intellektueller Beschäftigung sozusagen als ihren Fluchtweg aus dieser Nicht-Passung in die Gruppe.

Jetzt wurde ja hier die Frage gestellt, ob das Wort "Hochbegabung" fallen sollte, oder nicht? Ich denke das macht in einem Umfeld, wie dem Kindergarten, wenig Sinn, denn egal wie engagiert die Betreuerinnen vor Ort auch sind, sie werden in den allerseltensten Fällen über soviel Fachwissen im Bereich Hochbegabung bei Kleinkindern verfügen, welches ihnen ein sinnvolles Handeln ermöglichen würde. Nicht zuletzt fehlt ihnen auch einfach oft die Zeit und der organisatorische Freiraum, um sich um einzelne Kinder intensiver zu kümmern und da sie nichts von den Bedürfnissen wissen, können sie die hochbegabten Kinder auch nicht wirklich in die Gruppe integrieren, denn eine solche Integration eines hochbegabten Kleinkindes in eine Gruppe gleich alter normalgebegabter Kleinkinder ist schlichtweg unmöglich, diese passen einfach nicht zusammen.

Fällt dann noch das Wort Hochbegabung, dann gibt es die von Dir angesprochenen Flecken, denn hinter dem Wort steht ja gleichzeitig auch immer eine Forderung und ein anspruchsvoller Auftrag an den Kindergarten sich doch gefälligst mit diesem Thema zu beschäftigen und das ist, selbst wenn der Willen vorhanden sein sollte, im Kindergartenalltag schlicht nicht möglich. Fortbildungen zu dem Thema sind rar und wenn dann können sie nur oberflächlich sein (rechnet alleine mal, wie viele Stunden, Tage, Wochen, Jahre ihr euch persönlich mit dem Thema Hochbegabung beschäftigt habt, um für euch ein einigermaßen vernünftiges Bild im Kopf zu haben und die Fragen reißen auch dann einfach nicht ab). Es wird dann im Kindergarten, wenn überhaupt nur oberflächliches Wissen vorhanden sein.

Wir haben uns deshalb dazu entschlossen unser Kind, bei dem sich mehr abzeichnet, dass es einen erheblichen Entwicklungsvorsprung diesem Unsinn nicht auszusetzen, sondern stattdessen in Privatregie gezielt nach Möglichkeiten und Gruppen suchen, die auf die intellektuellen, sozialen und seelischen Bedürfnisse passen und wenn dort eine Passung stattfindet, dann muss das Thema Hochbegabung auch gar nicht angesprochen werden. Das ist, denke ich, eine Aufgabe, die man als Eltern "solcher" Kinder staatlichen Institutionen nicht überlassen kann, die sind einfach nicht darauf ausgerichtet und wenn "man" psychischen und seelischen Schaden von seinem Kind abwenden möchte, der durch Probleme verursacht wird, die durch unangemessene Sozialkontakte entstehen, dann muss man sich selber kümmern, auch wenn das Zeit- und Arbeitsintensiv ist.


Viele Grüße
Heiner
alibaba

Re: Sprecht ihr das Wort Hochbegabung aus oder lieber nicht?

Beitrag von alibaba »

heinerprahm hat geschrieben:Wir haben uns deshalb dazu entschlossen unser Kind, bei dem sich mehr abzeichnet, dass es einen erheblichen Entwicklungsvorsprung diesem Unsinn nicht auszusetzen, sondern stattdessen in Privatregie gezielt nach Möglichkeiten und Gruppen suchen, die auf die intellektuellen, sozialen und seelischen Bedürfnisse passen und wenn dort eine Passung stattfindet, dann muss das Thema Hochbegabung auch gar nicht angesprochen werden. Das ist, denke ich, eine Aufgabe, die man als Eltern "solcher" Kinder staatlichen Institutionen nicht überlassen kann, die sind einfach nicht darauf ausgerichtet und wenn "man" psychischen und seelischen Schaden von seinem Kind abwenden möchte, der durch Probleme verursacht wird, die durch unangemessene Sozialkontakte entstehen, dann muss man sich selber kümmern, auch wenn das Zeit- und Arbeitsintensiv ist.
Hallo Heiner,

ich finde diese Ausgangslage nicht sehr gut. Du kannst dein Kind nicht ständig von den "normalen" fernhalten können. Es gibt immer und überall Leute die einem nicht passen, man aber trotzdem Umgang mit ihnen haben muss. Du interpretierst etwas in dein Kind und auch in deine Umwelt hinein und gehst bereits von Verständnislosigkeit deiner Umwelt aus, das finde ich heikel. Für mich entsteht der Eindruck einer gewissen Haltung das "mein Kind etwas besseres sei". Natürlich versucht man seinem Kind die größten Steine aus dem Weg zu räumen. Wenn ihr aber schon so anfangt könnt ihr nie aufhören. Kiga, Schule.......das erinnert mich ein wenig an den 37 Grad Bericht des ZDF welcher neulich gesendet wurde. Mein Großer kam sehr gut z.B. im Kiga zurecht. Der war staatlich.

Natürlich gab es auch Probleme im letzten Kigajahr, aber deswegen den Kiga zu verteufeln....Nein. Und auch jetzt ist er an einer staatlichen Schule, wo nicht alles super ist, aber wo man versucht individuell zu arbeiten. Gerade die soziale Stärke der klugen Kinder ermöglicht es den meisten sehr wohl und sehr relaxt durch die Schule und en Kiga zu gehen, die wenigsten haben massive Probleme. Unangemessene soziale Kontakte, Heiner Ihr züchtet euch jetzt schon viele Probleme heran. Sorry, das kann ich nicht verstehen. Tut mir leid.

Ich glaube Ihr seid zu sehr auf Euer Kind mit seiner "Begabung" fokusiert. Da klinke ich mich, glaube ich, doch lieber aus. :(

Viele Grüße
heinerprahm
Dauergast
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Re: Sprecht ihr das Wort Hochbegabung aus oder lieber nicht?

Beitrag von heinerprahm »

alibaba hat geschrieben:
heinerprahm hat geschrieben:
Hallo Heiner,

ich finde diese Ausgangslage nicht sehr gut. Du kannst dein Kind nicht ständig von den "normalen" fernhalten können. Es gibt immer und überall Leute die einem nicht passen, man aber trotzdem Umgang mit ihnen haben muss. Du interpretierst etwas in dein Kind und auch in deine Umwelt hinein und gehst bereits von Verständnislosigkeit deiner Umwelt aus, das finde ich heikel. Für mich entsteht der Eindruck einer gewissen Haltung das "mein Kind etwas besseres sei". Natürlich versucht man seinem Kind die größten Steine aus dem Weg zu räumen. Wenn ihr aber schon so anfangt könnt ihr nie aufhören. Kiga, Schule.......das erinnert mich ein wenig an den 37 Grad Bericht des ZDF welcher neulich gesendet wurde. Mein Großer kam sehr gut z.B. im Kiga zurecht. Der war staatlich.

Natürlich gab es auch Probleme im letzten Kigajahr, aber deswegen den Kiga zu verteufeln....Nein. Und auch jetzt ist er an einer staatlichen Schule, wo nicht alles super ist, aber wo man versucht individuell zu arbeiten. Gerade die soziale Stärke der klugen Kinder ermöglicht es den meisten sehr wohl und sehr relaxt durch die Schule und en Kiga zu gehen, die wenigsten haben massive Probleme. Unangemessene soziale Kontakte, Heiner Ihr züchtet euch jetzt schon viele Probleme heran. Sorry, das kann ich nicht verstehen. Tut mir leid.

Ich glaube Ihr seid zu sehr auf Euer Kind mit seiner "Begabung" fokusiert. Da klinke ich mich, glaube ich, doch lieber aus. :(

Viele Grüße
Hallo alibaba,

was Du schreibst zeugt leider davon, dass Du schlicht und einfach inhaltlich nicht "verstehst" was ich schreibe. Das ist kein Vorwurf, oder gar eine Abwertung, ich denke es liegt einfach an einem völlig anderen Informationsstand, was letztlich dazu führt, dass wir, wenn ich mit Dir über Deine Aussagen diskutieren würde, auf völlig verschiedenen Ebenen in diesen Diskurs gehen und letztlich komplett aneinander vorbeireden würden. Solche Diskussionen bringen gar nichts, denn Du würdest immer bei Deinen unterschwelligen "Vorwürfen und Unterstellungen", welche Du in meine Richtung und in den allgemeinen Diskussionsraum hinaus sendest bleiben, da würde nichts was ich Dir hier erwidere etwas daran ändern.

… und by the way, dieses ist genau das, was überall sonst im gesellschaftlichen Raum (ob Kindergarten, Schule, Vereine, Behörden, Institutionen, Familie, Freundes- und Bekanntenkreis etc.) ebenfalls passiert, es wird einem Hochbegabten wie mir, von Nicht-Hochbegabten versucht zu erklären "wie Hochbegabte sind" und anzuordnen "wie sie sich in die Gesellschaft einzufügen haben", das funktioniert einfach nicht.

Viele Grüße
Heiner
wichtel
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Re: Sprecht ihr das Wort Hochbegabung aus oder lieber nicht?

Beitrag von wichtel »

hallo,


ich möchte mich Heiner anschließen. Nicht weil ich meinem kind oder anderen etwas unterstellen möchte sondern einfach aus Erfahrung eines Hochbegabten.
Mein Sohn ist Heiners Tochter sehr ähnlich und er wird jetzt 4 jahre alt und ist höchst sensibel, was die Sache bei Jungen noch erschwert. Ich denke man kann die Denkweise oder Wahrnehmung eines sehr begabten sensiblen Kindes (und später Erwachsenen) nicht wirklich erläutern weil sie einfach in anderen Dimensionen denken. Mein Sohn macht sich Gedanken über Dinge, wo sich mir manchmal die Haare sträuben und er entwickelt Ängste über die unglaublichsten Sachen. Ihn fehlt einfach diese Unbeschwertheit der Kinder. Viele Kinder in seiner Gruppe rennen über den Spielplatz, toben, spielen Fangen und meiner steht ängstlich da weil Angst hat angerempelt zu werden und zu fallen und und und...
Er geht in einen normalen kiga und Alltagsdinge wie "Guten Morgen" sagen fallen ihm schwer weil er sieht das die Tante gerade beschäftigt ist er sie nicht stören möchte und er steht dann lange da und wartet und wartet und grübelt über den richtigen Zeitpunkt sie zu begrüßen.Viele Eltern und auch eine Pädagogin sind von seinem Verhalten oft genervt und ich muss immer wieder erklären und um die Mithilfe einer anderen sehr ruhigen sanften Pädagogin bitten, zu der er einen guten Draht hat.
lg wichtel
Neckri
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Re: Sprecht ihr das Wort Hochbegabung aus oder lieber nicht?

Beitrag von Neckri »

heinerprahm hat geschrieben:Es ist aus meiner Sicht nicht der intellektuelle Vorsprung der hochbegabten Kindergartenkinder, der ihnen oft das Leben schwer macht, sondern es ist (wenn auch nicht immer) vor allem die Nichtpassung in den oben genannten Bereichen. Hochbegabte Kleinkinder unterscheiden sich in allen genannten Bereichen oft drastisch von ihren Altersgenossen und ich sehe die Forderung der Kinder nach mehr intellektueller Beschäftigung sozusagen als ihren Fluchtweg aus dieser Nicht-Passung in die Gruppe.
Hallo Heiner,

möglicherweise ist der Spielplatz im Kopf auch ein Rückzugsort... Da magst du durchaus recht haben. Bei unserer Tochter war die Nichtpassung in die Kindergartenumgebung ebenfalls allumfassend gewesen. Weder die turbulente Umgebung, noch die angebotene Beschäftigung, noch die sozialen Gehversuche der kleinen Kollegen, noch die rudimentäre Art ihrer Kommunikation erschienen attraktiv genug, um das sensible Mädchen aus ihrer Malecke zu locken. Nach der frühzeitigen "Flucht" in die kognitive Welt der Schule blühte sie auf...

Aber inzwischen ist aus dieser Nichtpassung im Kindergarten eine eindrucksvolle Integration in die Welt der Heranwachsenden geworden, wenngleich der Altersunterschied zur peer group inzwischen auf 3 bis 6 Jahre angewachsen ist. Man kann sich darüber streiten, ob es denn im Vergleich besser wäre, unter diesen Umständen lieber keine peer group zu haben. Zum Glück stellt sich diese Frage für die Eltern nicht, weil Fräulein Nachwuchs inzwischen ihre Passung selbst definiert... Um einem Kind zu gestatten, sich in sozialen Belangen auf sicherem Terrain zu fühlen, muss auch diese Dimension als Vorschulkind gelebt werden. Das Wie und Wo wird sicherlich zum Kraftakt, wenn die dafür vorgesehenen Einrichtungen nicht kompatibel mit der Kinderseele sind... Unsere Tochter hat ein Jahr lang geweint und uns jeden Tag gefragt, wieso sie ins "Kindergefängnis" muss... Sie hat das Jahr Kiga überlebt, aber mehr wäre nicht gegangen, sonst wären wir alle daran zerbrochen... Ich tröste mich damit, dass diese grausame Zeit über viele Haarnadelkurven schließlich doch zur Zufriedenheit führte. Ich könnte nur nicht sagen, dass ich deswegen ein Jahr voller Unglück als empfehlenswert erachten würde... "Viele Wege führen nach Rom.", sagt man. Ich hoffe, dass dein Kind den seinen finden mag.

Das Schicksal unseres Mädchens zeigt aber auch, dass die IQ-Differenz keine unüberbrückbare Kluft darstellt, sondern die Möglichkeit eröffnet, findige Lösungen zur sozialen Integration zu nutzen. Es gibt offenbar Brücken, über die eine gegenseitige Zuwendung möglich ist. Ich würde daher gute Chancen erkennen, keine einsame Insel in dieser Gesellschaft bleiben zu müssen... Solch ein Gefühl würde ich auch weder durch Separieren, noch durch die Wortwahl induzieren wollen.

Viele Grüße von Neckri
heinerprahm
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Re: Sprecht ihr das Wort Hochbegabung aus oder lieber nicht?

Beitrag von heinerprahm »

Neckri hat geschrieben:
Aber inzwischen ist aus dieser Nichtpassung im Kindergarten eine eindrucksvolle Integration in die Welt der Heranwachsenden geworden, wenngleich der Altersunterschied zur peer group inzwischen auf 3 bis 6 Jahre angewachsen ist. Man kann sich darüber streiten, ob es denn im Vergleich besser wäre, unter diesen Umständen lieber keine peer group zu haben. Zum Glück stellt sich diese Frage für die Eltern nicht, weil Fräulein Nachwuchs inzwischen ihre Passung selbst definiert... Um einem Kind zu gestatten, sich in sozialen Belangen auf sicherem Terrain zu fühlen, muss auch diese Dimension als Vorschulkind gelebt werden. Das Wie und Wo wird sicherlich zum Kraftakt, wenn die dafür vorgesehenen Einrichtungen nicht kompatibel mit der Kinderseele sind... Unsere Tochter hat ein Jahr lang geweint und uns jeden Tag gefragt, wieso sie ins "Kindergefängnis" muss... Sie hat das Jahr Kiga überlebt, aber mehr wäre nicht gegangen, sonst wären wir alle daran zerbrochen... Ich tröste mich damit, dass diese grausame Zeit über viele Haarnadelkurven schließlich doch zur Zufriedenheit führte. Ich könnte nur nicht sagen, dass ich deswegen ein Jahr voller Unglück als empfehlenswert erachten würde... "Viele Wege führen nach Rom.", sagt man. Ich hoffe, dass dein Kind den seinen finden mag.

Das Schicksal unseres Mädchens zeigt aber auch, dass die IQ-Differenz keine unüberbrückbare Kluft darstellt, sondern die Möglichkeit eröffnet, findige Lösungen zur sozialen Integration zu nutzen. Es gibt offenbar Brücken, über die eine gegenseitige Zuwendung möglich ist. Ich würde daher gute Chancen erkennen, keine einsame Insel in dieser Gesellschaft bleiben zu müssen... Solch ein Gefühl würde ich auch weder durch Separieren, noch durch die Wortwahl induzieren wollen.
Hallo Neckri,

eine sehr sehr schöne Beschreibung !!! … und es ist genau das was ich meine, hochbegabte Kleinkinder passen in den meisten Fällen nicht zu ihren Peers gleichen Alters und so lange wie es dem Kind selbst noch nicht möglich ist, wie jetzt bei euch das "Fräulein Nachwuchs inzwischen ihre Passung selbst (zu) definieren", tragen aus meiner Überzeugung heraus, wir als Eltern dafür die volle Verantwortung (und Erzieher/innen in Kindergärten sind das sicher nicht die geeigneten Ansprechpartner)und ich denke man kann seinem Kind diese Erfahrung ersparen und es muss nicht ein Jahr lang weinen und in das "Kindergefängnis" gesteckt werden, wenn man sich vorher bewusst ist, das dieses mit hoher Wahrscheinlichkeit passieren wird.
Also gilt es für uns als Eltern, die Zeit bis zur weitestgehenden Selbständigkeit des Kindes in der Fähigkeit der selbstbestimmten Peergruppenwahl, die Zeit zu überbrücken und geeignete Peergruppen zu suchen (oder selbst zu organisieren), also z.B. Gruppen mit gleichbegabten Kindern, oder falls das nicht möglich ist, Gruppen mit toleranten Kinder, die vielleicht schon etwas älter sind und ein jüngeres Kind, das ihnen aber intellektuell ebenbürtig ist, nicht gleich ausgrenzen, nur weil es "kleiner" ist.

Aber das ist ja nur der organisatorische Teil, ich denke diese Thematik hat sehr weitreichende Konsequenzen auch für das spätere Leben,vor allem auch für das Selbstbild, das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen; ein Kind das aus dem eigenen Erleben heraus ein Jahr Gefängnis "gespürt" hat (in einem Lebensalter in dem eine emotionelle Aufarbeitung des Erlebten auch für ein hochbegabtes Kind unmöglich ist und in dem es auch nicht sinnvolles aus dieser Erfahrung lernen kann), wird sicher ein ganz anderes Grundvertrauen gegenüber den Verantwortlichen und ein Bild der Welt in sich tragen, als ein Kind das diese Erfahrung nicht machen musste… hier wird es dann neben der Psychologie dahinter, aber auch eigentlich ein philosophisches Thema, das hier leider den Rahmen sprengen würde …

Liebe Grüße
Heiner
heinerprahm
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Re: Sprecht ihr das Wort Hochbegabung aus oder lieber nicht?

Beitrag von heinerprahm »

… und in diesem Zusammenhang möchte ich euch an einem Rechenbeispiel teilhaben lassen (von wegen "Gleichgesinnte gibt es doch überall"), dass ich gerade mit meiner Frau diskutiert habe… Sie sagte " Also wenn von 80 Millionen Deutschen 2 % hochbegabt sind, dann sind das 1.600.000 Menschen, also sooo alleine sind "wir" (das war vor allem bezogen auf unsere Tochter) doch dann gar nicht!"

Ok … ich habe das dann mal exemplarisch ausgerechnet für unsere Tochter. Ich bin davon ausgegangen, dass es in Deutschland ungefähr 800.000 Kinder pro Jahrgang gibt (also 1% der Bevölkerung hat jeweils das gleiche Lebensalter). In unserer Stadt leben 160.000 Menschen, davon sind also, rein statistisch, gesehen 3200 (2%) hochbegabt.

Aber nur 1% davon hat ungefähr dasselbe Lebensalter wie unsere Tochter, das sind dann 32 Kinder in der gesamten Stadt.

Ich habe dann im Kopf überschlagsmäßig einfach mal herunter gebrochen auf unsere Stadt und mir so gedacht, dass eine durchschnittliche Grundschule wohl 2 Klassen je Jahrgangsstufe hat mit je 25 Schülern in einer der beiden Klassen, also insgesamt 200 Schüler im Schnitt pro Grundschule, so das sich hier 6400 Schüler in der Grundschule in den Klassen 1-4 befinden müssten, von denen 32 je Jahrgang (also in Summe 128 über alle Jahrgänge hinweg) Schüler hochbegabt sind.

Dann bin ich ins Internet und habe meine "Vermutungen" mit den realen Daten verglichen. Also es gibt in unserem Stadtgebiet 28 Grundschulen mit 5.667 Schüler/innen , was (rein statistisch) bedeutet, das hier vor Ort ein hochbegabtes Kind in seiner Jahrgangstufe, in seiner Klasse mit hoher Wahrscheinlichkeit das einzige hochbegabte Kind ist. (und für die Kindergärten gilt das ebenso, ein hochbegabtes Kind ist mit seinem Intellekt in einem statistisch durchschnittlichen Umfeld einfach immer alleine)

Wobei wir froh sind an einem Ort zu wohnen, wo diese Statistik sich vielleicht etwas relativiert durch das gegebene Umfeld …

Liebe Grüße

Heiner
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