Bitte um Hilfe - Kindergartenwahl

Probleme und Lösungen für den Kindergartenalltag
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EinfachLeben
Beiträge: 20
Registriert: So 17. Jan 2016, 00:17

Bitte um Hilfe - Kindergartenwahl

Beitrag von EinfachLeben »

Eines vorweg: Natürlich weiß ich, dass niemand uns unsere Entscheidung abnehmen kann, aber viele von euch hier haben schon Erfahrungen gesammelt, die uns vielleicht auch weiterhelfen könnten... ;)
Mein Großer (3,5 Jahre) ist noch nicht im Kindergarten, nur zwei Mal die Woche für drei Stunden in einem Vorkindergarten, der ihm gut gefällt. Dort kommt es zwar immer wieder zu "Problemen" (weshalb wir auch zum Testen geschickt wurden), aber die Erzieherinnen dort sind sehr kompetent und regeln das wirklich gut. Im Herbst muss er aber auf alle Fälle in den Kindergarten. Inzwischen interessiert sich mein Sohn für Zahlen, macht erste Rechenversuche und saugt eigentlich alles an Informationen auf, die er nur bekommen kann. Vom Naturell her ist er eher ängstlich und "scannt" sein Umfeld regelrecht. (Manchmal meine ich, er reagiert gar nicht mehr und ist im "Standby-Modus", aber oftmals erst lange nachher kann er sämtliche Farben, Kabelverläufe etc. wieder geben.) Nun steht die Kindergartenwahl an. Wir werden uns so schnell wie möglich zwischen zweien entscheiden müssen:
1. Waldorf-Kindergarten
2. teiloffener Kindergarten mit Zahlenland, Orff-Gruppe, Theater-AG und und und...

Ich weiß, dass der Waldorf-Kindergarten immer wieder in der Kritik steht, weil er gerade den Wissbegierigen nicht wirklich etwas an Futter bietet (Buchstaben und Zahlen sind in dieser Institution, also hier vor Ort, nicht willkommen, Playmobil etc. auch nicht). Die Kinder sollen eher aus sich selbst heraus kreativ sein und haben dafür fast nur Naturprodukte zur Verfügung. Sie sind jeden Tag im Garten, sind in der Gruppe 12 Kinder und - ich denke - die Rituale dort geben meinen Sohn Sicherheit. ABER ich frage mich, ob er sich nicht auch manchmal in irgendwelche Unsicherheiten hineinsteigert, weil einfach "Neues" fehlt.
Der andere Kindergarten wirkt sehr freundlich, ist aber halboffen. Sie haben Stammgruppen und darüber hinaus viele Angebote. Ich kann nun gar nicht einschätzen, ob das meinen Sohn dann eher lockt und einfach viel zu interessant ist, als dass er "nur" beobachtet oder ob ihm das Zuviel ist. Könnte es sein, dass interessantere Angebote, auch was das Spielzeug betrifft, ihn er locken oder ist es dann einfach zuviel?
Mir gehen soviele Gedanken durch den Kopf (Langeweile, Reizüberflutung, ...). Nun muss ich mich aber definitiv entscheiden... Wie schätzt ihr das ein? Wie würdet ihr euch entscheiden?

Danke schon mal für eure Rückmeldungen!
EinfachLeben
Momo
Dauergast
Beiträge: 976
Registriert: Mo 13. Jan 2014, 22:49

Re: Bitte um Hilfe - Kindergartenwahl

Beitrag von Momo »

Liebe EinfachLeben,
herzlich willkommen auch von mir hier im Forum!

Ich kann Deinen Konflikt gut verstehen, wir haben uns bei unserer Tochter auch viele Gedanken gemacht. Sie hat erst mit 4 Jahren begonnen, in einen Kindergarten zu gehen.
Ich fange mal mit unseren eigenen Erfahrungen an. Durch meine eigene Waldorfkindergartenzeit, die sehr sehr positiv war (schon lange her...), stand für uns fest- unser Kind würde in einen Waldorfkindergarten gehen. Wir haben einen wunderschönen gefunden, wunderbare Räume, ein traumhafter Garten, nette Kinder, tolle natürliche Spielsachen. Doch eines konnten wir vorher nicht einschätzen und hatten natürlich auch keinen Einfluss darauf- die Persönlichkeit der Erzieherinnen. Es stellte sich heraus, dass das gesamte Team sehr konservativ Waldorf eingestellt war. Sie waren sehr "verkopft" und verkrampft, meine Tochter ist leider überhaupt nicht warm geworden. Wir haben uns schließlich einen ganz anderen Kindergarten gesucht. Doch trotzdem finde ich Waldorfkindergärten weiterhin wunderbar- wenn die Erzieher herzlich und offen sind. Gerade bei einem sehr fitten und kognitiv weiten Kind ist dies wichtig. Mir hatten die Erzieherinnen ernsthaft gesagt, meine Tochter würde zu viel denken. Das wäre ein Problem. Da merkte ich, wir scheinen nicht zueinander zu passen. Doch Du schreibst, dass in Eurem Kindergarten nur 12 Kinder sind, das finde ich für ein sensibles, beobachtendes und zurückhaltendes Kind sehr sehr gut! In der Gruppe meiner Tochter waren im Vergleich 25 Kinder, es war ihr viel zu laut und trubelig. Also, mit der richtigen Erzieherin ist eine kleine, entspannte Waldorfgruppe bestimmt sehr schön für Deinen Sohn! Hast Du mit den Erziehern über seine Begabungen gesprochen? Das würde ich in jedem Fall machen und einfach schauen, wie offen sie dafür sind. Dann kannst Du ein viel besseres Gefühl entwickeln.

Zu dem anderen Kindergarten- das Konzept klingt für Erwachsene toll, doch ich habe immer wieder von anderen Eltern gehört, dass Kinder in halboffenen oder auch offenen Kindergartenkonzepten völlig überfordert und haltlos sind. Gerade wenn Dein Sohn kein "Platzhirsch" ist, und er viel beobachtet- wie muss dies auf ihn wirken? Meiner Tochter ist z.B. in ihrem Kindergarten eine feste Bezugsperson absolut wichtig. Sie braucht die Möglichkeit, auch mal zur Ruhe kommen zu können (was sie durch die vielen immer wieder neuen Eindrücke nicht könnte). Ein Ähnliches Bedürfnis könnte ich mir nach den Beschreibungen Deines Sohnes auch vorstellen, oder?

Wir haben letztendlich einen Waldkindergarten für unsere Tochter gefunden, mit vielen Tieren (Hunden, Ponys, Kaninchen etc.). Die Familiengruppe ist überschaubar, die Erzieherinnen jung, frisch, herzlich und offen. Das hat uns überzeugt und selbst hier ist es ihr manchmal einfach alles zu viel, da sie sehr viel wahrnimmt.

Wie verhält Dein Sohn sich denn in seinem Vorkindergarten? Wodurch ist er aufgefallen? Wie reagiert er auf Lautstärke, Trubel, Aktion, neue Angebote?
Was ist ihm selbst wichtig? Wie verhält er sich bei Euch im Alltag? Mag er auch ruhige Spiele? Kann er sich selbst beschäftigen? Oder braucht er viel Animation von außen? Kann er sich mit kleinen Dingen beschäftigen?

Ich wünsche Euch, dass Ihr den richtigen Weg findet- und um den Stress aus der ganzen Sache zu nehmen- wechseln kann man zur Not natürlich auch noch ;)

Liebe Grüße von Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
EinfachLeben
Beiträge: 20
Registriert: So 17. Jan 2016, 00:17

Re: Bitte um Hilfe - Kindergartenwahl

Beitrag von EinfachLeben »

Hallo Momo,

hab vielen Dank für deine liebe Antwort! Sie war mir wirklich eine große Hilfe! Deine Fragen haben mir geholfen, dass ich „den Wald vor lauter Bäumen“ wieder sehe…
Wir haben uns nun für den Waldorf-Kindergarten entschieden und es fühlt sich GUUUT an :D (Bei uns hier ist dieser sehr begehrt und wir freuen uns, dass wir überhaupt einen Platz bekommen haben.) Ich denke, ich habe mich auch ein wenig verwirren lassen, weil ich von so vielen Seiten höre/lese, dass „Waldorf“ und „HB“ einfach nicht zusammen passt… Jetzt sind wir aber erst einmal positiv gestimmt und freuen uns auf die Kindergartenzeit im Waldorf-KiGa.
Mich freut es übrigens auch zu hören, dass du eine so gute Erinnerung an deine „Waldorf-Zeit“ hast. Solche Erfahrungen kann einen sicherlich keiner mehr nehmen…
Nochmals ein ganz großes DANKESCHÖN!
EinfachLeben
Momo
Dauergast
Beiträge: 976
Registriert: Mo 13. Jan 2014, 22:49

Re: Bitte um Hilfe - Kindergartenwahl

Beitrag von Momo »

Liebe EinfachLeben,
habe Deine Antwort gerade erst entdeckt ;)
Es freut mich sehr, dass ich etwas helfen konnte und ich wünsche Euch eine wunderschöne Kindergartenzeit! In einem Waldorfkindergarten können ja auch die Eltern so viel von der besonderen Atmosphäre mitnehmen. Das vermisse ich ein wenig, diese ganzen schönen Feste und Rituale hätte ich gerne noch Mal aus "Mamasicht" erlebt...
Ich bin gespannt, wie sich Dein Sohn dort einfinden wird, vielleicht magst Du ja mal wieder berichten, das würde mich freuen :)

Liebe Grüße von Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
charlotte12
Dauergast
Beiträge: 518
Registriert: Sa 21. Mai 2016, 18:28

Re: Bitte um Hilfe - Kindergartenwahl

Beitrag von charlotte12 »

Mir hatten die Erzieherinnen ernsthaft gesagt, meine Tochter würde zu viel denken. Das wäre ein Problem.
Nach der anthroposophischen Lehre ist das wohl auch tatsächlich ein Problem. Weil dadurch Lebensenergie gebunden wird, die doch bis zum Zahnwechsel so dringend für den Aufbau eines gesunden Körpers gebraucht wird. Die Spätfolgen von zu frühem Denken sieht man erst Jahrzehnte später in Form von Krankheiten. NIcht umsonst sind begabte Kinder immer so blass. Haben wir alles im Waldorfkindergarten und in diverser anthroposophischer Literatur gelernt.
Aber es gab auch Gutes dort: Mehr Ruhe und Halt als in offenen Konzepten. Unsere Tochter geht auch bei Regen selbstverständlich raus zum Spielen. Sinn für Schönes (Kerzenschein, die Schönheit eines Insektes, überhaupt Beobachten der Natur). Freude am Singen samt dazugehörigen Bewegungen. Im Schaffen von Atmosphäre sind die Anthroposophen unschlagbar und jetzt, mit ein bisschen Abstand, sehe ich durchaus auch Positives.
Ich denke, es kommt aufs Kind an. Das Konzept passt gut für Kinder, die einen geregelten Ablauf brauchen, die Zeit und Ruhe zum Wachsen brauchen. Und als Eltern sollte man entweder von der Anthroposophie überzeugt sein oder den Erziehern vertrauen und nur anthroposophische Literatur lesen. Nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben, beißen sich die Ratschläge der Anthroposophen aber mit so ziemlich allem, was man sonst über den Umgang mit hochbegabten Kindern liest. Bloß nicht noch mehr kognitive Anreize bieten ist dort die Devise.
moly
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Registriert: Di 20. Sep 2016, 15:03
Wohnort: Wien

Re: Bitte um Hilfe - Kindergartenwahl

Beitrag von moly »

habt ihr denn mittlerweile einen gefunden? würde mich interessieren.
Manchmal sollten wir einfach aufhören zu denken, und anfangen zu leben.
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