Momo hat geschrieben:Liebe Rabaukenmama,
es tut mir sehr leid zu lesen, wie es Deinem Sohn derzeit geht! Ich hoffe und wünsche Euch sehr, dass Ihr bald eine Lösung findet!
Sein Verhalten schreit: "Schaut her, mir geht es nicht gut!" Er braucht Hilfe und auf keinen Fall Bestrafung etc. Wie wird in der Schule mit seinem Verhalten umgegangen?
Gerade gestern habe ich wieder ein Interview mit Jesper Juul gehört, in welchem er sagte, dass das Deutsche und auch Österreichische Schulsystem perfekt geeignet ist- jedoch nur für ca. 10% der Kinder. Und diese Kinder sind überwiegend die braven, angepassten Mädchen. Diese Kinder kommen gut klar, alle anderen fallen durchs Raster und die Folge sind mehr oder weniger große Schwierigkeiten- die Konsequenzen daraus (Krankheiten, Auffälligkeiten etc.) kennen wir alle.
Nach Deiner Beschreibung lehrt Eure Schule zwar freier als übliche Regelschulen, doch es gibt einen immensen Unterschied zu den Schulen, in denen die Schüler wirklich aus sich heraus und selbstbestimmt lernen dürfen.
Gerade habe ich mal kurz geschaut und bin auf eine Seite gestoßen:
http://www.unsereschulen.at/schulen/german/index.htm
Vielleicht hilft Dir dies weiter, um erstmal den Unterschied zu verstehen und vielleicht wäre es eine Lösung für Deinen Sohn. In unserer Schule gibt es einige Quereinsteiger, die sich, je länger sie an ihrer vorherigen Regelschule "gelitten" (im Falle dieser Kinder war es wirklich so) haben, immer deutlicher von den anderen Kindern unterscheiden, die von Anfang an frei lernen durften. Sie schleppen ihr Päckchen mit unangenehmen bis furchtbaren (Lern-) Erfahrungen immer mit, auch wenn sie sich dort toll entwickeln und aufgefangen werden. Ich würde nicht zu lange warten und zusehen sondern schauen, ob es nicht doch eine komplett andere Alternative gibt.
Alles Liebe wünscht Momo
Ach Momo, es geht leider um viel mehr als nur um lernen. Lernen an sich ist überhaupt nicht die Sache. Das Problem meines Sohnes ist sein Sozialverhalten. Und ich kenne keine Schule, die zuschaut, wenn ein Kind mutwillig körperlich auf andere Kinder losgeht und absichtlich Mobilar zerstört (abgesehen davon, dass ich selbst damit natürlich auch absolut nicht einverstanden bin)! Im Kindergarten kommt es einfach noch häufiger vor, dass Kinder ihre Gefühle nicht unter Kontrolle haben, andere schlagen oder beißen oder mal in einem Wutanfall was kaputt machen. In der Schule kann man da einfach nicht mehr zuschauen, was ich auch verstehe. Vor allem, wenn es immer EIN Kind ist, das solche Sachen macht. Ich bin selbst als Kind von anderen Kindern geschlagen worden und aus der ehemaligen Opferrolle gesehen kann ich nur sagen, dass ich allein der Kinder wegen, die daruten leiden, nicht mehr zuschauen will
!
Ach, früher dachte ich immer, Kinder die sich so auffällig verhalten, kommen aus assozialen oder irgendwie disfunktionalen Familien und kopieren in der Schule einfach das, was sie zu Hause täglich erleben. Mittlerweile sehe ich meine absolute Machtlosigkeit diesem tun gegenüber. Und mittlerweile ich mir auch völlig egal, dass andere Eltern vielleicht dieselben Vorurteile haben, die ich früher hatte.
Das "Astrid Lindgren Zentrum" (auch in deinem Link) ist übrigens die einzige Schule in unserer Nähe, die noch "freier" ist als unsere Schule. Leider etwas ungünstig gelegen (mit Öffis ca. 40min pro Strecke) und mit Auto in der Früh allein vom Verkehrsaufkommen her kaum zu erreichen. Und dann ist noch der Preis! Euro 7120,- pro Jahr (mit Mittagessen und Nachmittagsbetreuung) ist für uns auf Dauer leider nicht leistbar. Dabei hört die Nachmittagsbetreuung um 16h30 auf und sowohl mein Mann als auch ich arbeiten bis17h. Und es gibt keine Lösung für die Ferien (wo aktuell unser Hort auch offen hat).
Sorry, aber bevor ich so ein Experiment eingehe gebe ich lieber meine Arbeit auf, nehme meinen Sohn aus der Schule raus und unterrichte ihn zu Hause. Geht ja in Österreich auch. Im Moment scheint er absolut nicht schul-kompatibel zu sein.
Es ist leicht zu sagen, du würdest "nicht so lange warten". Egal, für welche Lösung wir uns entscheiden, es hängen immer 4 Personen drin. Ein Schulwechsel (jetzt unter dem Schuljahr ohnehin fast unmöglich) wäre nur dann eine Lösung, wenn zumindest die Chance besteht, dass es nachher BESSER ist als jetzt. Und eine Schule ohne Nachmittagsbetreuung ist zeittechnisch nicht von jetzt auf gleich umzusetzen.
Ich sehe, wie einfühlsam ihm vor allem die älteren Mädchen in seiner Klasse zu erklären versuchen, was er in der Schule machen darf, und was eben absolut nicht. Ich sehe, wie gelassen, liebevoll und bemüht die Lehrerinnen sind (die übrigens auch von allen Elternvertretern ihrer Wesensart wegen hoch geschätzt werden). Und ich sehe, dass mein Sohn wirklich wegen der kleinsten Kleinigkeit total überreagiert. Es kann aggressives Verahlten sein, er kann in Tränen ausbrechen oder einen Schreianfall kriegen, man weiß nie, was als nächstes kommt! In all dem, was sich jetzt täglich rund um meinen Sohn abspielt, nur die Schule als schuldig, im Sinne von "nicht frei genug" zu sehen, scheint mir nicht plausibel.
Leider setzt es sich das Verhalten zu Hause fort. Ich halte nichts von Strafen, das weißt du. Aber als mein Sohn gestern AUF NICHTS HINAUF seinen kleinen Bruder von der Hängehöhle aus absichtlich und mit voller Wucht gegen das Schienbein getreten hat, habe ich ihm im Reflex das volle Colaglas, das ich gerade in der Hand hatte, ins Gesicht geschüttet
. Darauf bin ich absolut nicht stolz, aber es war immer noch besser als schlagen oder strafen. Mit einem Gramm Hirn mehr hätte ich es nicht gemacht, nicht weil mir in dem Moment so leid um sein Seelchen war, sondern weil der kleine Bruder danaben gestanden ist und der ohnehin jeden Blödsinn nachmacht
.
Morgen und übermorgen werde ich mal einfach mit ihm ab und raus und mein älterer Sohn und ich fahren irgendwo hin, damit ich ihn möglichst nah in 1:1 Situation bei mir habe um vielleicht ein bißchen beruhigend auf ihn einwirken zu können oder eine Ahnung zu bekommen, was da dahinter steckt.