Kognitiv weit entwickelt und Krippe

Probleme und Lösungen für den Kindergartenalltag
Rabaukenmama
Dauergast
Beiträge: 2953
Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24

Re: Kognitiv weit entwickelt und Krippe

Beitrag von Rabaukenmama »

@Koschka: Ich halte meinen Sohn nicht für besonders reif oder erwachsen, ich habe nur seine Antwort auf die Frage geschrieben. Dass Diebstahl trotzdem Diebstahl und somit eine Straftat ist, weiß er aber. Er hätte den Mann ja als Richter auch nicht freigesprochen, sondern bewusst nur eine Strafe gegeben, die ihm selbst gering erschien.

Aber für mich ist so reflektiertes Verhalten wie es z.B. edawins Sohn hier gezeigt hat, unabhängig von körperlicher oder sozialer Reife, IQ usw. Ich selbst war als Kind sowohl körperlich als auch sozial-emotional immer deutlich "hintennach", habe mir aber über alles mögliche sehr reflektierte, rückblickend reife Gedanken gemacht. Sprich: ich hatte immer ein gesundes Empfinden für Recht und Unrecht und war - rein von den Gedankengängen - durchaus sozial und reif. Aber ich war z.B. nicht reif genug, die Wichtigkeit des lernens für die Schule zu erkennen und mir Gedanken darüber zu machen, wie ich meine Noten verbessern oder die höhere Schule schaffen kann. Aber es gibt ja auch genug Erwachsene, die zwar genau wissen, was eigentlich "gut" wäre, sich aber einfach nicht motivieren können, das zu tun
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Edainwen
Dauergast
Beiträge: 522
Registriert: Mi 28. Sep 2011, 11:29
Wohnort: BaWü

Re: Kognitiv weit entwickelt und Krippe

Beitrag von Edainwen »

Rabaukenmama hat geschrieben:@Koschka: Ich halte meinen Sohn nicht für besonders reif oder erwachsen, ich habe nur seine Antwort auf die Frage geschrieben. Dass Diebstahl trotzdem Diebstahl und somit eine Straftat ist, weiß er aber. Er hätte den Mann ja als Richter auch nicht freigesprochen, sondern bewusst nur eine Strafe gegeben, die ihm selbst gering erschien.

Aber für mich ist so reflektiertes Verhalten wie es z.B. edawins Sohn hier gezeigt hat, unabhängig von körperlicher oder sozialer Reife, IQ usw. Ich selbst war als Kind sowohl körperlich als auch sozial-emotional immer deutlich "hintennach", habe mir aber über alles mögliche sehr reflektierte, rückblickend reife Gedanken gemacht. Sprich: ich hatte immer ein gesundes Empfinden für Recht und Unrecht und war - rein von den Gedankengängen - durchaus sozial und reif. Aber ich war z.B. nicht reif genug, die Wichtigkeit des lernens für die Schule zu erkennen und mir Gedanken darüber zu machen, wie ich meine Noten verbessern oder die höhere Schule schaffen kann. Aber es gibt ja auch genug Erwachsene, die zwar genau wissen, was eigentlich "gut" wäre, sich aber einfach nicht motivieren können, das zu tun
Genauso sehe ich es für meinen Sohn auch. D.h. mit dem Lernen hat er natürlich keine Probleme, da er noch in der Grundschule ist und man zumindest bei uns an der Grundschule mit entsprechender Intelligenz wirklich nicht lernen muss ;) aber eben des Spagat zwischen seinen eigentlich sehr reifen Gedankengängen für sich und andere und der praktischen Umsetzung bei sich selbst. Ich denke aber, dass ihn das auch frustriert. Dass er ja weiß, was richtig wäre, es aber unter Umständen selber nicht umsetzen kann, was er dann ja auch wieder weiß.
Meersalz
Dauergast
Beiträge: 118
Registriert: Di 9. Apr 2013, 01:04

Re: Kognitiv weit entwickelt und Krippe

Beitrag von Meersalz »

Eine sehr interessante Diskussion

Ich glaube auch, dass reflektierendes Verhalten und sich in andere hineinversetzen unabhaengig von kognitiver und sozial/emotionaler Reife ist. Zwei unserer Kinder sind recht aehnlich, was die kognitiven und auch sozialen Faehigkeiten (beide finden zum Glueck leicht Anschluss) angeht, von der Reflexion und der Empathie sind sie aber sehr unterschiedlich.

Kind 1 hat mit ca. 2 Jahren auf der Terrasse vermieden, auf die Fugen zu treten. Auf die Frage warum, war die sofortige Antwort, dass da die Freunde von Biene Maya laufen (sie meinte Ameisen) und dass die totgehen wenn man drauftritt und sie das nicht will, weil die nett (sie meinte nuetzlich) sind.

Kind 2 sass im gleichen Alter auf der gleichen Terrasse und hat sich ausgiebig damit beschaeftigt, die Ameisen einzeln mit dem Finger totzumachen. Auf die gleiche Frage warum sie das macht, antwortete sie, nach laengerem nachdenken, dass sie nur die Ameisen totmacht, die sonst bei uns ins Haus laufen und unser Essen wegessen und schmutzig machen (also Schaedlinge sind). Wie sie wissen konnte, dass genau diese Ameisen bei uns reinlaufen wollen/wuerden sei mal dahingestellt.

Diese Herangehensweisen ziehen sich bis heute durch.

Kind 1 versucht immer vorher abzuwaegen wie ihr Verhalten, ihre Taten auf andere wirken, versetzt sich in das Gegenueber hinein, warum hat xy so reagiert, warum war xy traurig, gluecklich etc.. Dies kann auch dazu fuehren, dass sie lieber nichts sagt, wie das ihrer Meinung nach Falsche, was wiederum hinterher zu Bedauern fuehrt, dass sie nichts gesagt hat...

Kind 2 macht erstmal, egal was das Gegenueber davon haelt/denkt und denkt erst danach ueber die Aussenwirkung des eigenen Handelns nach (teils mit, teils ohne Anstoss von aussen). Oft wird das eigene Handeln danach durchaus kritisch gesehen und bedauert, aber in einer aehnlichen Situation wird wieder nach dem gleichen Verhaltensmuster vorgegangen...


In wie weit selbstreflexierendes Verhalten dann auch in der Praxis umgesetzt werden kann und in wie weit die Pupertaet / das Alter diese Faehigkeit foerdert, darueber weiss ich leider nicht viel.
Geniesse den Augenblick, denn der Augenblick ist Dein Leben!
Rabaukenmama
Dauergast
Beiträge: 2953
Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24

Re: Kognitiv weit entwickelt und Krippe

Beitrag von Rabaukenmama »

Koschka hat geschrieben:wie sich eine Diskussion über die Krippe entwickeln kann :-) Ich glaube mittlerweile nach man wissenschaftlich nachgewiesen, dass in der Pubertät im Gehirn eine gehörige Umbau stattfindet, vor allem im Bereich von Stirmlappen, wo angeblich die reife Emotionskontrolle gelagert wird, kann es sehr lange dauern, bis die Vorgänge entgültig abgeschlossen sind. Ich fand es auch sehr interessant, dass bei Jugendlichen Emotionen im Gehirn anderswo verarbeitet werden als bei Erwachsenen und ihre Gefühlsausbrüche und heißes Temperament durch eine tatsächliche Baustelle zu erklären sind.
Ja, Gehirne von Jugendlichen funktionieren definitiv anders als von Erwachsenen, das stimmt natürlich. Ein interessantes Buch genau dazu ist "Warum sie so seltsam sind" (Achtung, manchmal langatmig!).
Koschka hat geschrieben:Ich glaube auch, dass die Lücke zwischen dem was man gerne können/machen würde und dem was man tatsächlich kann für fast jedes Kind präsent ist. Ob sie für ein gut begabtes Kind größer oder kleiner als normal ist, ist so eine individuelle Sache. Einiges durften meine Großen schon sehr früh, bedingt durch ihre Akzeleration.


Ich denke, dass auch Kinder mit ähnlichem IQ unterschiedlich gut auf Akzeleration (re)agieren - abhängig von der persönlichen Reife und Wesensart. Rüchblickend gab es z.B. in meiner Grundschulklasse viele durchschnittliche und einige kluge Kinder. Die Reife und der Unterschied zwischen dem, wie sie gedacht und gehandelt haben, war meiner Beobachtung nach von der Intelligenz unabhängig. Ich selbst bin ja hochbegabt und habe tatsächlich erst als Erwachsene gelernt, mit meinen Gefühlen umzughen und mir selbst Ziele zu setzten und an deren Erreichung zu arbeiten. Ich schätze, dass dieses Prozess bei mir mit ca. 32! Jahren halbwegs abgeschlossen war. Aber schon in meiner Grundschulklasse waren Kinder, die genau wussten, was sie wollten, und das auch ohne extrinitische Motivation durchgezogen haben.

Koschka hat geschrieben:Ich bin gespannt, wie mein Kleiner, der nie so ein geordnetes und geregeltes System wie deutsche Kinderbetreuung gesehen hat, sich in das System integriert. Aktuell verfolgt er das Konzept, dass er gar nicht in die Schule will. Dabei hat er sich selber lesen von zweistelligen Zahlen beigebracht, nur weil ihn das interessiert hat und gestern konnte er plötzlich verdoppeln. Irgendwas sagt mir, dass wir jede Menge Spaß in der Grundschule noch erleben dürfen.
Auch die Integration in vorgegebene Systeme ist mMn wesensabhängig. Ich bin froh, dass mein Sohn eine relativ "freie" Schule besucht, wo individuell gearbeitet wird.

Heute hat er sich zwar wieder beklagt, bei der HÜ nicht "gefordert" zu sein, aber dann eingeräumt, dass die Lehrerinnen für die Zweitklässler anscheinend nur diese Lernunterlagen "haben" und dass er das deshalb machen muss, obwohl er es schon längst kann. Dabei stimmt das gar nicht, zwei der vier Deutsch-HÜ-Zettel waren extra für ihn kopiert worden und er fand die zumindest ETWAS herausfordernd.

Ich bin aber froh, dass sie Schule nicht komplett "frei" ist und dass zumindest ein Mindestmaß an Leistung gefordert wird. Ganz ohne Vorgaben würde mein Sohn vermutlich nicht gut zurecht kommen, weil er (bisher) noch nicht schafft, sich selbst was zu "erarbeiten".

Koschka, was hast du bei deinem Kleinen in Sachen Grundschul-Auswahl vor? Hast du schon eine bestimmte Schule im Auge oder lässt du es einfach mal auf dich zukommen?
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Antworten