Erzieherin braucht Unterstützung

Probleme und Lösungen für den Kindergartenalltag
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Alice
Beiträge: 2
Registriert: Mo 16. Okt 2006, 21:32

Erzieherin braucht Unterstützung

Beitrag von Alice »

Hallo an Alle!

Ich bin Erzieherin in einem Regelkindergarten mit 75 Plätzen für Kinder zwischen 2,5 bis ca. 6 Jahren.

Das Thema HB ist im Moment aktuell an mich heran getragen worden, da der kleine Bruder(fast 2 Jahre alt) eines "meiner" Kinder (6 Jahre alt) sehr wahrscheinlich HB ist. Bei der Schwester habe ich auch den Verdacht, zumindest eines sehr hohen IQ's. D
Die Mutter ist schon sehr verzweifelt und läuft seit einem Jahr von Arzt zu Therapeut, zu Tests und Psychologen mit dem Kleinen.
Nach unser beider Einschätzung kommt die Große mittlerweile schon sehr zu kurz, vor allem zu Hause.

Das Problem ist ja allgemein, dass alles und jeder gefördert wird, nur nicht die Kinder und jugendlichen mit einer HB, was ich als gesellschaftspolitisch mehr als problematisch betrachte...

Ich als Erzieherin möchte natürlich meinen Job gut machen, aber mir werden von Seiten der Politiker ja leider sehr viele Steine in den Weg gelegt, was zusätzliche Aufgaben anbelangt.
Jetzt möchte ich der Mutter aber trotzdem gerne helfen, kann es aber nicht im Rahmen meiner Arbeit, d.h. in der Einrichtung.
Wohin kann ich diese wirklich tolle und motivierte Mutter schicken, damit ihr und ihren Kindern auch eine Förderung zuteil wird???

Viele Grüße,

Jana
auch gast
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Registriert: So 5. Mär 2006, 22:18

Re: Erzieherin braucht Unterstützung

Beitrag von auch gast »

hallo

also wir habens so gemacht (jetzt ist unser kind 3):

unsere tochter ist ab dem alter von 18 monaten (circa) sehr oft (2x die woche) ins museum gegangen, alles, kunst, natur, geschichte, schloesser, alles. die besonderen renner waren bei ihr die griechen, roemer und das "prinzessinnenmuseum" (i.e. wir sind in wien, und das waren die kaiserappartements, ich dachte, wenn schon prinzessin, dann die echten :)).
mit 2 jahren hat sie auf ihren wunsch (aber sie kennt es marginal von mir) mit klavierspielen begonnen (da darf man sich jetzt kein kleines wunderkind vorstellen, der unterschied im unterricht ist halt, dass sie echt was lernen und nicht nur rumspielen, sondern halt beides; also notenlesen, komplexere rhythmusspiele etc). weiters reisen wir sowieso beruflich und sie kommt dann mit (sie war bis dato in japan, schweiz, italien, deutschland). sie geht immer ueberall in den zoo und mit uns in die kunstausstellungen (an denen wir teilnehmen, wir sind kuenstler).
wir haben sie vorzeitig aus ihrer kindergruppe genommen (da ging sie ab 13 monate hin), weil sie dort allein und unterfordert war - sie ging mit gut 2 jahren in einen "richtigen" kindergarten (aber montessori), und war dort von der ersten minute an megabeliebt, ausgelassen und wissbegierig. ihr bester freund war 6 jahre alt.
jetzt mit 3 hab ich sie in der musikschule in einen kurs fuer 4-5 jaehrige geben lassen, weil sie meinte, sie will lernen, und da geb ich ihr recht, ist schwierig mit den kleineren.
sie geht seit sie 3 ist auch in einen tanzkurs - mit einer freundin.
achja, und wir bemuehen uns sehr ihre 2sprachigkeit (de/eng) zu foerdern, und sie schaut ausserdem gern ihre einzige DVD "es war einmal das leben" (aber lieber auf franzoesisch oder englisch).

sprich: ich war mit meiner tochter von anfang an sehr wenig zuhause. das haelt sie nicht aus, sie spielt zwar gern mal auch ein paar tage allein, aber an sich liebt sie die abwechslung - und das ist auch meine empfehlung, die schlauen kinder einfach nehmen und die welt auf sie einprasseln lassen - aber bitteschoen den konsumstress fernhalten (keine modernen kindersendungen, kein/total selten kino, extreme foerderung im sozialen umgang, frueh eigenenes taschengeld geben, mit aelteren kindern spielen lassen, sie nicht mit ueberforderten gleichalten nerven - d.h. sehrwohl gleichalte freunde. aber drauf achten, dass es funktioniert). udn mini-lük spielen.

testen etc wuerd ich mal total vergessen, ich wuerd es so machen: akzeptieren, dass das kind hb ist. wenn es sich als falsch herausstellt, dann hat man halt ein "normales" kind super gefoerdert. gegen den willen kann man eh nix machen. (unsere tochter ist auch nicht getestet. machen wir falls noeteig fuer die schule).

noch wg sozialem: das find ich total wichtig. kleine kinder, die gute rechner im kopf haben, sollen den kopf fuer gutes einsetzen lernen. sprich, die werte wie nett sein zueinander, sich in den anderen einfuehlen, teilen, auch mal nein sagen - aber nicht schreien oder gleich hauen, sich wehren duerfen - aber verhaeltnismaessig, etc etc etc - das finde ich, das gehoert alles auf das foerderungsmenu eines hb kindes. wer es lernt, andere menschen zu verstehen, der hat mehr gelernt, als der, der das ABC beherrscht (beides geht aber auch, klar ;)).

hilft das weiter?

lg
liz

ps: und sie sollte schauen, ob ihr in der umgebung andere kinder auffallen, die auch schneller als der rest sind. man ist ja nicht allein.
Neckri
Moderator
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Registriert: Di 14. Feb 2006, 11:51

Re: Erzieherin braucht Unterstützung

Beitrag von Neckri »

Hallo Jana,

erst einmal möchte ich dir meine Hochachtung aussprechen, dass du dich - über deinen Job hinaus - bis zu diesem Forum durchgewühlt hast, um eben deinen Job möglichst gut zu machen. Solche Erzieherinnen brauchen unsere Kinder! - Danke!!!

Ich habe nur mal ein paar Fragen: Was lässt deiner Meinung nach die Mutter eigentlich so verzweifelt von Pontius zu Pilatus laufen? - Kennst du den kleinen Burschen? - Ist da "nur" das Problem der richtigen Förderung zu bewältigen...?

Was macht dich so sicher, dass der kleine Mann nicht in den Regelkindergarten gehen kann? - Hochbegabte Kinder muss man nicht zwangsläufig woanders hinstecken - es sei denn, es gibt noch anderweitige Probleme, die ich noch nicht kenne. Auch hochbegate Kinder sind doch nur Kinder. Ich finde es super von dir, dass du (1.) die Vokabel "Hochbegabung" ohne Scheu verwendest und (2.) auch das Thema einer entsprechenden Förderung in den Fokus stellst. Eigentlich ist es gar nicht sooo kompliziert. Du hast einfach nur 75 ganz unterschiedliche Kinder. Die machen von der Körpergröße eine Gaußkurve, von der Motorik her eine Gaußkurve, von der sozialen Kompetenz eine Gaußkurve, von dem Bewegungsdrang her eine Gaußkurve... und eben auch von den Vorlieben für "adademische" Interessen eine Gaußkurve. Du kriegst alle unterschiedlichen Facetten der Kindesentwicklung irgendwie geregelt. Wieso nicht auch die letztere? - Versuch es doch einfach mal. Ich wäre super neugierig, was du hier im Forum über dieses "Experiment" berichten würdest. Du hättest hier einen gigantischen Rückenwind!

Viele Grüße,

Neckri
Alice
Beiträge: 2
Registriert: Mo 16. Okt 2006, 21:32

Re: Erzieherin braucht Unterstützung

Beitrag von Alice »

Hallo und guten Abend,

vielen, vielen Dank für die schnellen Antworten!

@ liz:
Ich werde der Mutter auf jeden Fall Deine Anregungen weitergeben, sie ist so froh, dass es endlich weiter geht...
Sie kann ja einiges davon sicher umsetzten; Das wird ihr helfen, da bin ich sicher.

@ Neckri:
Auch dir vielen Dank!
- Kennst du den kleinen Burschen?
Ich kenne ihn nur von gelegentlichen Besuchen, wenn er seine Schwester in den Kiga bringt. Die Mutter hatte wohl zunächst den Verdach, ihr Kind sei hyperaktiv. Aus diesem Grund ist sie dann von Pontius zu Pilatus gelaufen und letztendlich bei der Mütter-/Väterberatung des Gesundheitsamtes, die bei uns in der Einrichtung angeboten wird, gelandet.
Da ich gerne bereit bin zu den Gesprächen, wenn gewünscht, dazu zu kommen, habe ich ihr "Problem" hier zum ersten Mal erfahren.
Ich selber kann den Kleinen also nicht näher in seinem Verhalten beschreiben, geschweige denn beurteilen...

Was macht dich so sicher, dass der kleine Mann nicht in den Regelkindergarten gehen kann?
Ich denke schon, dass er, wenn er älter ist, in den Regelkindergarten gehen kann, nur eben jetzt noch nicht. (Er soll ja nicht abgesondert werden). Angemeldet ist er schon und als Geschwisterkind wird er sowieso bevorzugt aufgenommen.
Die Idee der Mutter war es, ihn schon jetzt regelmäßig zu bringen. Das kann ich aber, mit einem Personalschlüssel von 1,5 Erzieherinnen in der Gruppe und mehr als 25 Kindern nicht guten Gewissens übernehmen. Natürlich kann es gut gehen, aber ich kann es eben nicht vorher wissen und habe ja auch den anderen Kindern gegenüber eine Verantwortung. Ich würde hier auch kein "normal begabtes Kind" aufnehmen, aus den gleichen Gründen.

Aber ich denke, dass ich der Mutter jetzt schon wesentlich weiterhelfen kann und worüber ich mich riesig freue ist der Rückenwind, den ich jetzt schon hier spüren kann. Das tut unheimlich gut!
Ich muss aber auf jeden Fall noch loswerden, dass ich mir mit allen Kindern große Mühe gebe in der Förderung, aber ich bin einfach der Meinung, dass wir Erzieher/innen in Hinblick auf Hochbegabung von Seiten der Politiker nicht genügend, bzw. gar nicht unterstützt werden und das finde ich sehr traurig, weil hier sooo viel potenzial vergeudet wird.

Ich werde auf jeden Fall weiterhin hier auf dem Laufenden bleiben, um nicht nur diesem Kind, sondern auch für all die anderen Kinder Ideen zu sammeln, sie können sicher davon profitieren!

LG,

Jana
Neckri
Moderator
Beiträge: 463
Registriert: Di 14. Feb 2006, 11:51

Re: Erzieherin braucht Unterstützung

Beitrag von Neckri »

Hallo Jana,

du rückst ja mein Weltbild über Kiga-Erzieherinnen wieder gerade...!

Weißt du, wir haben eine sehr negative Erfahrung mit Personen aus deinem Berufsstand hinter uns, weil die Hochbegabung unserer Tochter bewusst ignoriert wurde. Die war dann die meiste Zeit sehr traurig und unterfordert, aber das eben ganz still und unauffällig in der Ecke. Sie durfte auch nicht lesen (noch nicht mal in eigenen Büchern) und auch keine anspruchsvollere Spiele auspacken. Diese Situation wurde auch nicht durch Gespräche mit der Kiga-Leiterin besser, sondern eher noch prekärer. Damals war der Dame selbst der Beriff "Hochbegabung" nicht bekannt, geschweige denn die typische Asynchronität zwischen geistiger und emotionaler Entwicklung bei HB-Kiddies. Diese Kinder beschäftigen gerne ihr Oberstübchen, entdecken in der Regel früher die Bedeutung von abstrakten Symbolen (wie Buchstaben und Ziffern) und sprechen auch früher mit einem erweiterten Wortschatz.

Die Unterforderung kann ein Kind schon recht zappelig machen (das passiert bei unserem HB-Exemplar regelmäßig in den Schulferien). Diese Zappeligkeit hat dann natürlich nichts mit ADHS zu tun. Letztere Erkrankung hat einen neurobiologischen Hintergrund (Stoffwechselproblem mit Neurotransmitter) und ist natürlich auch in allen Schattierungen zu finden. Ich kann dich sehr gut verstehen, dass du - gerade mit dem recht dürftigen Personalschlüssel - keine zusätzlichen Kinder aufnehmen möchtest. Andererseits könnte ich mir sehr wohl vorstellen, dass der Kleine natürlich nach den spannenden Dingen im Kindergarten regelrecht hungert und nach einem "Schnupperversuch" keinesfalls mehr aus dem Kiga würde heraus wollen. Du könntest ja aber mal darüber nachdenken, ob er nur ein oder zwei Tage pro Woche in den Kiga kommt. Dann würde man auch ersehen, ob das fragliche ADH-Syndrom ad acta gelegt werden kann, wenn der kleine Mann plötzlich ausgelastet und zufrieden ist. Wäre ja echt mal interessant, es herauszufinden, oder? - Du könntest auf alle Fälle der Mutter mal diese Internet-Adresse weitergeben. Ich bin sicher, dass sie hier einige Tipps wird finden können. Andere Basteleien, Spiele und Malvorlagen (auch für den Kiga) findet man auch beispielsweise hier:
http://www.labbe.de/zzzebra/index.asp
http://www.blinde-kuh.de/kunst/ausmalbilder/
http://www.jolinchen.de/rd/1310.php

Das Material zum Basteln liegt ja im Augenblick unter den Bäumen. Problematisch ist eben oft die verfügbare Zeit, wenn die Eltern das nötige Kleingeld für die kostenpflichtigen Kindergartenjahre verdienen gehen müssen...

Ich habe mal eine ganz andere Frage: Wie ist denn euer Kiga strukturiert? - In Themenbereichen oder in Gruppen oder beides? - Oft gibt es verschiedene Themenbereiche als Kopie in jeder Gruppe, die dann auch noch altersgemischt ist. Aber keine Erzieherin kann sich klonen und in allen Bereichen für alle Altersstufen gleichzeitig verfügbar sein, während sie noch den Kleinsten ein Missgeschick aus der Hose entfernt... Das ist bloß die Idealvorstellung des Kiga-Trägers! Ich habe mancherorts gesehen (nicht in unserem Kiga), dass die redundanten Themenbereiche über die Gruppen hinweg zusammengelegt worden waren, um personelle und räumliche Ressourcen zu optimieren. Im Sitzkreis waren dann aber die Gruppen jeweils unter sich. Wie organisiert ihr denn die Strukturen. Ich denke, dass solche Insider-Tipps im Forum hier ebenfalls sehr interessieren würden.

Gerade für helle Vorschulkinder oder HB-Sprinter, die schon Buchstaben und Ziffern lernen möchten (oder gar schon wissen), gibt es zum Teil kostenloses Material zum Downloaden hier:
www.lehrermaterial.de
Wenn du dich hier einloggst, kannst du unter dem Punkt "Material" nach Arbeitsblättern suchen, die eigentlich für die 1. Klasse hinterlegt sind. Sortiere nach Preis - dann kommen die kostenlosen Blätter zuerst. Da findest du dann nette Bilder-Kreuzworträtsel, Buchstabenrätsel und vieles mehr. Es ist gar nicht teuer oder kompliziert, an entsprechendes Material zu kommen. Und wenn die Kiddies in der ruhigen Rätsel-Ecke grübeln, macht das auch nicht so sehr viel mehr Aufwand.

Ich würde mir auch sehr wünschen, dass insbesondere die Politik diese herausragende Stellung der Kindergärten für Förderung und Integration in ausreichendem Maße würdigt. Du sprichtst mir aus der Seele. Ich wünsche dir - trotz der augenblicklich nicht zufriedenstellenenden Verhältnisse - stets die Kraft, weiterhin mit diesem Engagement deiner Profession nachzugehen. Das, was du jetzt einem Kind mit auf den Weg gibst, ist doch das Rüstzeug für ein ganzes Menschenleben!

Viele Grüße,

Neckri
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