enigma hat geschrieben:
Da er ja nun bereits seit einiger Zeit liest und rechnet stellt sich für uns natürlich weiterhin die Frage nach einer vorzeitigen Einschulung, diesmal eben nächstes Jahr dann mit 5,5 Jahren. Andererseits muss man auch sagen, hat er schon so seine Defizite. Er ist körperlich wirklich sehr zurück, sogar unter Gleichaltrigen. Er ist klein, schwächlich, ungelenk und tollpatschig.
Hand aufs Herz: glaubst du, dass Dein Sohn den körperlichen Rückstand aufholen wird wenn er NICHT früher eingeschult wird? Wenn er unter Gleichaltrigen "wirklich sehr zurück" ist wird er das mMn sehr wahrscheinlich bleiben - "Förderung" in diese Richtung hin oder her.
Ich war selbst grobmotorisch immer sehr weit hinten. Meine Eltern gaben mich mit 5 Jahren zum "Kinderturnen" in der Hoffnung, ich könnte dort meine Defizite bis zur Einschulung (regulär, mit 6 Jahren und 2 Monaten) aufholen. Statt dessen habe ich die Turnstunden gehaßt und schließlich total verweigert. In allen sportlichen Belangen war ich meine ganze Schulzeit hindurch Klassenschlechteste. Wäre ich früher (oder auch später) eingeschult worden, es hätte keinen Unterschied gemacht.
enigma hat geschrieben:
Desweiteren fängt er jetzt immer stärker an mit dem Stottern, er bringt teilweise kein Wort mehr heraus (kann das was mit seiner Hochbegabung zu tun haben? Es beginnt mir Sorgen zu machen). Ich weiß ehrlich nicht, was ich mit ihm machen soll. Er hat so einen außergewöhnlichen Verstand, lernt so leicht, so intuitiv. Man muss ihm garnichts beibringen, er macht alles so selbstverständlich nebenbei, beobachtet präzise und gründlich, zählt dann im Kopf eins und eins zusammen und zieht daraus seine Schlüsse.
Das stottern in diesem Alter ist sehr wahrscheinlich "Entwicklungsstottern" und es tritt vor allem bei Kindern auf, deren Kopf einfach schon viiiiiel weiter ist als der Mund

. Wenn man das Kind nicht korrigiert sollte es sich nach einigen Monaten deutlich bessern und dann von selbst aufhören. Mein älterer Sohn hatte das mit dem entwicklungsstottern auch, der hat oft 5x anfangen müssen um einen klaren Satz rauszubekommen. Dabei hat er trotzdem immer sehr umständlich formuliert, was es nicht gerade leichter gemacht hat. Mittlerweile ist er 6,4 Jahre alt und das stottern ist - bis auf ganz wenige Ausnahmen, wenn er sehr aufgeregt ist - weg

.
enigma hat geschrieben:
Laut dem Psychologen, der uns betreut, wäre das beste für ihn eine Spezialschule. Die gibt es in der nahegelegenen Großstadt. Ich würde es trotzdem gerne auf unserer Dorfgrundschule versuchen, mit der Direktorin habe ich bereits gesprochen, es ist eine freundliche junge aufgeschlossene Frau. Ich habe das Gefühl das könnte klappen. Aber was ist mit seiner sehr asynchronen Entwicklung? Und bringt eine Früheinschulung überhaupt irgend welche Vorteile? Vom Kopf her wird er schließlich eh immer weiter sein und es wird an uns liegen, ihm da Futter zu organisieren. Schadet eine so frühe Einschulung dann nicht eher, wegen der fehlenden körperlichen Entwicklung?
Was würdet ihr machen? Wäre sehr dankbar für den ein oder anderen Denkanstoß.
Lg
enigma
Früheinschulung kann durchaus Vorteile bringen, ist aber nicht (wie oft behauptet) automatisch immer die beste Variante für kluge Kinder. Bei meinem älteren Sohn habe ich mich aus verschiedenen Gründen für eine reguläre Einschulung mit 6,6 Jahren entschieden. die Entscheidung wegen Früheinschulung hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Erstens ist das natürlich der Entwicklungsstand des Kindes. Kaum ein Kind ist in allen Bereichen der "Überflieger" und in jeder Schulklasse gibt es ein Kind, welches am besten und eines, welches am schlechtesten liest, rechnet, zeichnet, turnt oder bei Teamarbeit mitmacht. Ihr als Eltern kennt euren Sohn am besten. In wie vielen Bereichen ist er Gleichaltrigen voraus, in wie vielen etwa Mittelmaß, in wie vielen hinkt er hinten nach. Wenn ein Kind "nur" grobmotorisch hinten ist spricht das mMn nicht gegen eine vorzeitige Einschulung (wie schon geschrieben ist das oft bei regulärer Einschulung auch nicht besser), wenn es zusätzlich noch feinmotorische Probleme hat oder eine kurze Konzentrationsspanne bzw. eine sehr geringe Frusttoleranz, ist das was anderes.
Es geht bei der Einschätzung der Entwicklung darum, immer das ganze Kind zu sehen, nicht nur seine Stärken und Defizite. Im Zweifelsfall kann eine Entwicklungsdiagnosik helfen, da wird ganz viel getestet (Grobmotorik, Feinmotorik, Visomotorik, Kognition, Hand-Auge-Koordination usw.). Es gibt aber auch Bereiche, die von der Entwicklungsdiagnostik nicht erfasst werden wie z.B. Sozialverhalten, Konzentrationsspanne, Motivation, Frusttoleranz, einfügen in Gruppen usw.
Der nächste Faktor zur Entscheidung wegen Früheinschulung ist die IST-Situation für das Kind. Wenn sich ein Kind im Kindergarten offensichtlich wohl fühlt (so, wie mein älterer Sohn) ist das eine ganz andere Voraussetzung als wenn ein Kind im Kindergarten dauer-unterfordert ist und darunter leidet. Dann ist da noch die Frage, ob es eine Schule gibt, welche vorzeitiger Einschulung gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt ist.
Auf andere Dinge, zum Beispiel die Lehrperson oder wie die Klassenkonstallation sein wird (wie viele Buben, wie viele Mädchen, welche Gesellschaftsschicht, welche "Problemkinder") hat man als Eltern nur wenig Einfluß. Daher sollten solche Überlegungen nur dann eine Rolle spielen, wenn sich wo offensichtlich schon von vorne herein Konfliktpotential zeigt.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist mMn ob das Kind selbst schon in die Schule will oder nicht. Mein Sohn z.B. wollte nicht, weil er Bedenken hatte, nicht so lange still sitzen zu können

. Bitte nicht so mißverstehen dass das Kind die Entscheidung selbst treffen soll. Nur ist ein Kind, welches selbst schon gerne in die Schule will, viel eher bereit dafür auch einige unangenehme Nebenerscheinungen in Kauf zu nehmen als wenn das Kind nur weil es den Eltern von irgendwelchen "Experten" geraten wird, früh eingeschult wird.
Grundsätzlich finde ich, man sollte als Eltern die Entscheidung wegen Früheinschulung so spät wie möglich nach der IST-Situation treffen. Bei uns in Österreich ist der Anmeldezeitpunkt für das kommende Schuljahr immer im Jänner. Da hat es mMn noch wenig Sinn, sich schon im August Gedanken darüber zu machen. In einem halben Jahr kann entwicklungsmäßig extrem viel passieren. Bei meinem älteren Sohn haben sich in diesem Zeitraum z.B. Frusttoleranz und die Fähigkeit, auf etwas zu warten, extrem verbessert. Er ist immer noch eher ungeduldig und möchte alles "sofort" haben, aber längst nicht mehr so krass wie noch vor einem Jahr

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Ob eine vorzeitige Einschlung mehr nützt oder schadet kann man nicht vorhersehen. Man kann das nur nach dem eigenen Gefühl entscheiden und dann eben durch Versuch und Irrtum den bestmöglichen Weg für das eigene Kind suchen. Es gibt sowohl eine Möglichkeit, ein Kind zurückstellen zu lassen, wenn es doch noch nicht so weit ist, als auch die Möglichkeit eines Klassensprunges wenn es schon weiter ist. Wobei die Zurückstellung einfacher ist, denn für einen Klassensprung muss das Kind ´(zumindest in Ö) erst mal ein Jahr die erste Klasse besuchen und dann sind noch bürokratische Hürden da.
Vorteil einer vorzeitigen Einschulung kann mMn bei einem kognitiv sehr fittem Kind durchaus sein, dass es leichter ältere, sozial kompetente Kinder für Freundschaften findet. Auch die soziale Kompetenz von 6-7jährigen ist ja nicht homogen. Und es kann dem Selbstbewußtsein des Kindes gut tun, dieselben Dinge locker zu schaffen, wie ältere Kinder. Die Wahrscheinlichkeit, dass in der Klasse noch ein, zwei, drei "bessere" Kinder sind und das Kind sich selbst nicht für den Allerklügsten hält, ist auch größer als bei regulärer Einschulung.
Bei meinem Sohn, der jetzt im September regulär eingeschult wird, versuche ich es mit einer Schule mit Mehrstufenklassen, wo jeder auf seinem Niveau lernen kann. Ob es wirklich "unserer" Lösung sein wird, wird sich zeigen. Es war das, was bei uns bei den diversen Überlegungen rausgekommen ist. Mein Sohn ist ja so einer, der aus der Kindergarten-Erfahrung heraus glaubt, klüger zu sein als der Rest der Welt. In einer Mehrstufenklasse wird er das nicht so ausspielen können, dafür lernt er vielleicht durch Erfahrung dass andere auch was besser können als er.
Ihr werdet sicher auch für Euren Sohn einen passenden Weg finden. Alles Gute

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Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)