Nee, das stimmt nicht so ganz, es gibt auch sehr viele Situationen und Umfelder, wo A. sich nicht verweigert und wo dann eben schon abzusehen ist, dass sie eine ganze Menge kann. Und das bin dann ja nicht ich, die das so sagt, denn ich bin ja in der Regel bei diesen Sachen gar nicht dabei. Wie du vielleicht gelesen hast, hat sich A. nur bei der Schulärztin so verweigert. Alle Termine, die sie in der Schule selber wahrzunehmen hatte, liefen alle ohne Probleme ab, als da wären Sprachtest, Pädagogische Einschätzung und auch der Schnuppertag in der Schule. Es ist auch gar nicht gesagt, dass es alles toll laufen muss, aber es soll schon besser laufen als im Kindergarten.
Vielleicht muss man sich auch mal überlegen, wie es A. seelisch geht. Ich denke, die wenigsten hier sind in diese Situation gekommen, weil man ihnen anfangs gesagt hat, dass das Kind besser in einem Integrationskindergarten aufgehoben wäre. Was das auch für ein unglaublicher Kampf für sie gewesen sein muss, uns irgendwie zu zeigen, dass sie unglücklich ist, ohne dass sie irgendwie in Worte fassen konnte, was sie so quält. Natürlich kann man erstmal davon ausgehen, dass es eine Frage der Erziehung ist, wenn das Kind ständig aus dem Gruppenraum abhaut. Aber sie war immerhin davor über 1 Jahr schon in der Krippe und da ist sowas niemals vorgekommen. Sie musste erst mit 4 Jahren nochmal ins Bett machen, damit wir begreifen konnten, dass das Kind wirklich seelisch am Ende ist.
Es ist so ein komplexes Feld, über das wir seitenweise diskutieren. Wie soll ein (damals noch) dreijähriges Kind das erklären können, wie soll sie sich da überhaupt drüber bewusst werden?
Als A. 3 Jahre alt war, hatte sie gleich zu Beginn im Kindergarten eine Freundin, die nach ein paar Wochen gesagt hat:"Du bist nicht mehr meine Freundin!" A. war darüber sehr bedrückt und fragte mich zuhause, warum das Mädchen sie nicht mehr mag, weil sie doch nichts getan hätte. Ich habe ihr erklärt, dass das so eine Art Spiel ist. Daraufhin schrie mich meine Tochter an:"Das ist ein ganz bescheuertes Spiel, das spiele ich nicht mit!" Ein paar Tage später hat sich das Mädel die Sache anders überlegt, aber für A. war der Drops gelutscht. Sie hat dann später auch noch eine Einladung zum Kindergeburtstag bekommen, aber da wollte sie dann auch nicht hingehen. Soll ich ihr sagen, dass sie das mitmachen MUSS, weil es nun einmal dazugehört?
Sie hat sich nie auf den Boden geschmissen und geheult, so wie andere dreijährige Kinder beim Hinbringen. Sie hat nie im Gruppenraum gesessen und geheult oder andere Kinder geschlagen, getreten, gebissen oder sonstwas. Sie hat keine Sachen zerstört. Nichts dergleichen! Sie ist jeden Tag hingegangen und hat da ihre Zeit abgesessen und wenn es die Gelegenheit ergeben hat, ist sie abgehauen und hat sich irgendwo versteckt. Wurde sie angesprochen, hat sie höflich gesagt:"Ich möchte bitte einfach hierbleiben und in Ruhe lesen." Was daran falsch ist? Dass andere Kinder in dem Alter sowas niemals äußern.
Sie hat sich nach bestem Wissen und Gewissen richtig verhalten, aber am Ende war es doch immer genau das Falsche. Sie war gerade große Schwester geworden und hat hier zuhause immer zu hören bekommen, dass sie die Große ist. Kaum war sie im Kindergarten, hörte sie nur noch, dass sie eine von den Kleinen ist. Keiner wollte hören und sehen, was sie alles schon kann. Spätestens seitdem sind für A. die Rollenbilder komplett durcheinander geraten. Dann hat sie sich wie ein Kleinkind verhalten, da hieß es dann, dass sie mit 4 schon wieder zu groß für Babysprache sei. Sie sollte in ganzen Sätzen antworten. Sie lehnte alle Angebote ab und sagte, dass sie das nicht kann, weil sie noch zu klein dafür sei. Ich kann nicht malen, ich kann nicht basteln, ich kann nicht singen. So, wie es bei den Dreijährigen im ersten Kindergartenjahr auch normal war. Und dann über Nacht sollte sie sich dann zusammenreißen, weil sie ja immerhin schon 4 Jahre alt wäre. Da sollte sie dann auf einmal funktionieren und am besten noch Spaß daran haben, so wie alle anderen Vierjährigen auch. Der Kinderarzt hat es damals gleich bei der U 8 richtig erkannt. Dafür, dass sie im Kindergarten gar nichts mitmacht, konnte sie die Sachen dann bei der Untersuchung erstaunlich gut. Auch das sie schon zu Beginn gesagt hat "Ich hab doch schon gesagt, dass ich nicht malen kann!" - noch bevor sie den Stift aufgenommen hat, das war dann auch sehr speziell. Die meisten Kinder versuchen es und geben dann auf. Er hat dann auch gesagt, dass wir die Sache mit dem Integrationskindergarten ganz schnell wieder vergessen sollen.
Das war wie gesagt alles Anfang 2010, jetzt haben wir 1 1/2 später und es kommt immer mal wieder durch. Sehr deutlich wurde ihr Rollenkonflikt, als mein Mann einmal zu ihr sagte:"Du willst ein Schulkind werden, dann musst du dich auch wie eins verhalten." Darauf sagte A.:"Was meinst du damit? Ich weiß doch noch gar nicht, wie sich so ein Schulkind verhält."

Wissen wir das denn so genau? Oder plappern wir nur die gleichen Sprüche nach wie unsere Eltern, ohne darüber nachzudenken? Da hat mein Mann wahre Größe bewiesen, sich entschuldigt und ihr gesagt, dass sie das noch gar nicht wissen kann.
Ich halte es da mit Aiga Stapf und vertrete die Auffassung, dass die Kinder noch nicht fertig in die Schule kommen, sondern auch da noch an ihrem Sozialverhalten arbeiten können. Ich glaube, dass A. sehr viel damit zu tun hatte, seelisch mit diesem ganzen Kram fertig zu werden und ich denke, sie wird auch daran wachsen und zwar in einem Maße, wie es anderen Kindern gar nicht möglich ist, die einfach nur ganz normal in den Kindergarten gehen und auch dort nicht weiter auffallen. Man kann auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, etwas Schönes bauen.

"Entschuldigung, ich habe nur kurz fantasiert." meine große Tochter, 4 Jahre alt (inzwischen 9 geworden)