Hochbegabt oder einfach nur schnell?

mein Kind verhält sich anders als die anderen - ist es hochbegabt?
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Daiga
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Hochbegabt oder einfach nur schnell?

Beitrag von Daiga »

Liebe Forumsgemeinde,

ich brauche euer Rat.
Mein Sohn ist 10J. alt (4.Klasse). Er besucht eine deutsche Auslandsschule und uns steht die Entscheidung zur weiterführenden Schule bevor. In Frage kommt auch die Anmeldung für einen Hochbegabtenzug - nur als Versuch, um zu verstehen, wo wir stehen, ohne Druck. Er selbst ist bereit alles zu probieren. Wir haben zwar bisher keine Empfehlung von der Grundschule und ich denke mir öfters, vielleicht liege ich da absolut falsch. Er hat aber auch innerhalb dieser 4 Schuljahre 5 unterschiedliche Klassenlehrer gehabt, dazwischen 2 Covid Jahre mit teils DL, keine Forderkurse oder sowas. Ich vermute, da kann man auch was übersehen, wenn die Lehrer kommen und gehen. Allgemein arbeitet er in der Schule gewissenhaft und liest einfach, wenn er früher fertig ist.

Er ist sehr gut in allen Fächern, hat ausschließlich 1-er auf dem Zeugnis. Zu Hause etwas für die Schule gelernt oder wiederholt hat er dafür noch nicht ein einziges Mal. Er liest gerne und schnell, und das sind schon immer Bücher für ältere Kinder gewesen (zum Beispiel die gesamte Harry Potter Reihe hatte er mit 8 durch). Bei Antolin hatte er in der 3.Klasse über 13 Tausend Punkte gesammelt. Am meisten interessiert ihn Mathe, Technik, aber er ist auch sprachlich sehr gewandt durch das viele Lesen. Dabei wächst er 3-sprachig auf. Außerschulisch findet er immer wieder so Themenbereiche, in die er sich wahnsinnig vertieft, aber nach einigen Monaten wieder das Interesse verliert. Das sind nicht unbedingt Dinge, die Kinder so mit 8,9 machen - glaube ich zumindest. Zum Beispiel Aktienmarkt. Er las mit 9 einige Sachbücher dazu, kaufte aus seinem Taschengeld Aktien, beobachtete die Entwicklungen usw. Oder das Programmieren. Er hat sich eigenständig die Grundlagen von Python angeeignet und mit 9 einen Kurs absolviert, der für die Altersgruppe 12-16 war, aber nach dem Kurs das Interesse wieder verloren, es sei langweilig (das hören wir vermehrt auch über die Schule). Dann kamen die Autos, er erstellt gerade ein eigenes Katalog mit technischen Beschreibungen. Diese Art von Arbeiten und Vertiefen ist das, was mich oft überrascht. Auffällig ist auch sein Sinn für Gerechtigkeit, wahnsinnig ausgeprägter Wunsch nach Eigenständigkeit, Mitspracherecht. Er wirkt oft viel älter als seine Freunde, in vielerlei Hinsicht, es ist schwer zu beschreiben.

Ich erwarte keine Diagnose von euch, nur ggf. Ermutigung :) Sollten wir eine Testung versuchen, bevor wir uns für die weiterführende Schule entscheiden? Wie klingt es für euch? Was charakterisiert eure HB Kinder in diesem Alter?

Liebe Grüße.
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
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Re: Hochbegabt oder einfach nur schnell?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Hallo, es klingt schon ganz passend. Die andere Frage ist, was die Schule mit dem HB-Zug bietet... Bei uns ist das eine zusätzliche Sprache gleich ab der 5. Klasse, verpflichtende Plusstunden (die auch für die anderen Gymnasiasten zugänglich sind). Als Resultat wird es sehr schnell sehr viel Quantität mit leidenden Qualität. Die Lehrbücher sind ja trotzdem die gleichen. Ich habe gemischte Erfahrungen mit dem HB-Zug. Mein älterer Sohn ist dort aufgeblüht, meine Tochter eingegangen, der andere Sohn kommt nicht rein, da zu jung und in der Klasse schon ohne ihn Mobbing blüht.
nosupermum
Dauergast
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Re: Hochbegabt oder einfach nur schnell?

Beitrag von nosupermum »

Hallo,

du beschreibst ein wirklich fixes Kerlchen. Und ich schließe mich Katze an.

Ich würde die an deiner Stelle versuchen herauszubekommen, wie der HB-Zug aufgestellt ist und wie der Unterricht konkret verläuft. Kannst du andere Eltern fragen? Denn nicht immer steckt das drin, was außen drauf steht.

Und wie sind die Zugangsvoraussetzungen? Ich kenne Schulen (von Erzählungen), da ist der HB-Zweig überwiegend auf Bilingualität ausgelegt mit etwas mehr MINT. Dort werden dann aus Ermangelung von Alternativen viele Kinder aus dem Ausland untergebracht. Das passt mit der Sprache, aber nicht mit den restlichen Fächern, die dann auch vom Niveau sinken wie in den anderen Klassen auch.

Ich glaube, das Wichtigste sind flexible Lehrer, die wissen, das begabte Kinder nicht im Gleichschritt marschieren können und sollen.
Daiga
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Re: Hochbegabt oder einfach nur schnell?

Beitrag von Daiga »

Danke euch beiden für eure Antworten.
Ich werde mich genauer informieren, was der HB Zug anbietet. Schwierig ist, dass wir nicht vor Ort sind, es seht halt ein Umzug bevor. Die Beschreibung klingt gut - mehr Freiräume für selbstgesteuerte fachübergreifende Projekte. Das ist genau das, was er mag. Wir nehmen es jedenfalls unter die Luppe :D LG
nosupermum
Dauergast
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Re: Hochbegabt oder einfach nur schnell?

Beitrag von nosupermum »

Du könntest ja mal fragen, was ist, wenn wer bspw im Stoff schneller ist als die anderen. Gibt es da flexible Lösungen? Müssen alle Kinder stets das gleiche bearbeiten und dürfen dann erst schwierigere Aufgaben machen? Wenn ich das korrekt verstehe, spricht er schon mehrere Sprachen. Wie handhaben die das? Und sollte er außerschulisch was machen oder für ein durch die Schule angestoßenen Wettbewerb/Projekt, muss er alles nacharbeiten, auch die Wiederholungsaufgaben?

Vielleicht netter, schultauglich, verpackt. Aber das macht es ja gerade aus.

Meine Tochter ist gerade so genervt von Schule, dem langsamen Tempo und dem Wiederholen, dass sie keine Lust mehr auf was Zusätzliches wie AGs oder Wettbewerbe hat. Zumal die stets im Bereich Theater, Musik oder Sport angesiedelt sind und MINT nur „für Größere“. Von dem, was die Unterstufenkoordinatorin mir bei der Fragestunde erzählt hat, ist bislang nicht eingetreten. Ein Leitbild muss eben mit Leben gefüllt werden.

Aber sicher ist der HB-Zug schon mal ein guter Ansatz und scheint zumindest mal Perspektiven zu bieten.
Meine3
Dauergast
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Re: Hochbegabt oder einfach nur schnell?

Beitrag von Meine3 »

Hallo,

Zumindest scheinen bei deinem Sohn zwei wichtige Aspekte für Hochleistung zusammen zu fallen:

Eine gewisse Begabung und Motivation.

Wie hoch die Begabung tatsächlich ist, lässt sich wirklich schwer sagen. Für mich klingt es schon nach HB, aber theoretisch kann auch ein hochmotiviertes, ernsthaftes Kimd mit „nur“ überdurchschnittlicher Begabung zum
Hochleister werden.

Ich würde auch schauen was der HB-Zug an Mehrwert bietet und natürlich mit dem Kind besprechen ob er das wollen würde (anspruchsvolleren Unterricht oder was auch immer der HB-Zug eben bietet) und danach entscheiden ob ihr in die Testung geht.

Gruß Meine3

PS: mein Sohn ist auch bald 10 und 4. Klasse. Er ist kein Hochleister. Er stand im 1. HJ in der 3. Klasse auf 1,3, am Ende dann auf 1,9. Er ist Asperger Autist mit ADHS, daher ist er in der Schule zwar nicht kognitiv aber anderweitig ziemlich überfordert und es fehlen Energieressourcen und Antrieb, um das Potential 100%ig zu nutzen. Er hat in der 1. Klasse auch Harry Potter gelesen und interessierte sich bspw. Mit 6 (noch Vorschule) für das menschliche Herz-Lungen-System und Blutgefäße oder mit 7 fürs Gehirn, Mit 8 für Chemie…. Schulische Themen interessieren ihn aber zunehmend weniger. Er hat mit 6-8 auch eine Phase gehabt, in der er neue Technilogien entwickelt hat (Recycling-Dusche als Beispiel) und war fasziniert vom Prinzip des Perpetuum Mobile. Er wollte unbedingt eins erfinden 🤪. Aber charakterlich und was das Verhalten in der Schule und im Umgang mit Aufgaben aus der Schule unterscheiden sich mein Sohn und deiner sehr. Mein Sohn klingt zwar wie ein erwachsener Professor, verhält sich aber wie ein 4-6jähriger (bedingt durch seine Wahrnehmungsbesonderheiten). Hochbegabte Menschen können sehr unterschiedlich sein, mit ihrer Begabung sehr unterschiedlich umgehen und sehr unterschiedliche Probleme oder Verhaltensweisen haben.

Dein Kind scheint gelangweilt (schulisch), so dass es sich anbietet, die Testung zu machen. Aber es muss einten auch bewusst sein, dass es zu einem Knacks im Ego kommen kann (in dem Alter wird er ja bewusst mitbekommen, was er da tut), wenn das Ergebnis des Tests nicht wie vermutet ausfallen würde (wovon ich nicht ausgehe, da dein Sohn ja gut performed in Tests).
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.
Daiga
Beiträge: 6
Registriert: Di 25. Nov 2014, 15:43

Re: Hochbegabt oder einfach nur schnell?

Beitrag von Daiga »

nosupermum hat geschrieben: Fr 30. Sep 2022, 13:56
Meine Tochter ist gerade so genervt von Schule, dem langsamen Tempo und dem Wiederholen, dass sie keine Lust mehr auf was Zusätzliches wie AGs oder Wettbewerbe hat. Zumal die stets im Bereich Theater, Musik oder Sport angesiedelt sind und MINT nur „für Größere“.

Aber sicher ist der HB-Zug schon mal ein guter Ansatz und scheint zumindest mal Perspektiven zu bieten.
Danke für Deine Rückmeldung! Interessant, dass es uns da ähnlich geht. Er beschwert sich öfters, dass es alles zu langsam sei und immer die gleichen Aufgaben und Themen. Selbst mit den Zusatzaufgaben. Auch die GS AGs findet er großteils zu kindisch und möchte am liebsten direkt zum Wirtschaftskurs oder Schach. :)
nosupermum
Dauergast
Beiträge: 160
Registriert: Fr 8. Nov 2013, 12:54

Re: Hochbegabt oder einfach nur schnell?

Beitrag von nosupermum »

Hallo Daiga,

in der Tat ist die Altersbindung vieler Angebote ein Problem für uns. Die Förderangebote der Begabtenförderung zählt auch das Gymnasium bis einschließlich Klasse 6 noch zur Grundschule. Wenn aber 2/3 der Kinder Grundschulkinder sind, muss der Inhalt auch für sie passend sein. Daher weißlich nicht, ob meine Tochter das nächste Pulloutangebot in zweiten Halbjahr machen wird. Außer mehr Aufwand fürs Nacharbeiten kommt kaum was rum. Mit Lego die Folgen des Klimawandels darstellen und filmen ist zwar eine tolle Abwechslung, aber es geht ja nicht drum der Langeweile nur zu entkommen und zu spielen, sondern wieder die Begeisterung für Themen zu entdecken, sich mit Freude sich durch Themen durchbeißen und das in Gemeinschaft mit Kindern, die ähnlich ticken.

Privat stoßen wir auch an unsere Grenzen. In der Coronazeit hatte sie diverse Kurse bei der Corona School oder anderen Anbietern gemacht. Aber nie konnte ich die in einem Kurs für ältere Kinder unterbringen, der auch thematisch ihr Ding gewesen wäre. Noch nicht mal, wenn der Kursanbieter von der Beratungsstelle empfohlen wurde. Letzte Woche habe ich in der Bibliothek für den Harry Potter Lesezirkel nachgefragt. Nope - ab 13. Und das, obwohl sie die Bibliothekarin sehr detailreich beraten hat, ob diese lieber die Biografie von Michelle oder Barack Obama lesen sollte. Die hat sie beide in Klasse 4 gelesen.
Aber das Kind ist zu jung für den HP-Lesezirkel. Als lange Bohnenstange und sprachlich sehr eloquent wäre sie locker als 14 durchgegangen.

Manchmal wünsche ich mir, wir hätten die Chance zur Testung gehabt, um ihn als Türöffner zu nutzen. Die wirklich guten Förderangebote gibt es hier nämlich nur mit Test.

Die Lehrerin hatte uns letztes Mal empfohlen, den Sportunterricht als Förderprogramm zu sehen. Weil sie darin nicht gut ist (und die anderen Kinder sie mobben weil sie sonst immer sehr gut ist), könne sie hier lernen, mit Niederlagen umzugehen. Frustrationstoleranz zu lernen. Ähm… danke fürs Gespräch. Wenn ein Kind sportlich spitze ist, dann besteht die Förderung darin, dass es an seiner Fünf in Mathe Frustrationstoleranz lernt?
Katze_keine_Ahnung
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Re: Hochbegabt oder einfach nur schnell?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Hallo nosupermum,

Die letzte Empfehlung, dass deine Tochter lernt mit Niederlagen und Frustration umzugehen, finde ich äußerst wichtig. Vor allem für ein Mädchen, das in die Pubertät kommt. Der Vergleich mit 5 in Mathe ins nicht ganz korrekt. Jemand mit 5 in Mathe hat bis zum Alter von deiner Tochter in der Schule schon eher gelernt, wie man die Frust aushält ohne dabei zugrunde zu gehen.

Du machst für deine Tochter so viel, dass sie schon längst von alleine hätte Interessen entwickeln und ihnen selbstständig nachjagen müssen. Man braucht dafür kein Lesezirkel und keine Onlineangebote. Das sie das nicht macht, ist ein Problem. In der Pubertät, und da spreche ich leider aus Erfahrung, hat das ein ordentliches Eskalationspotential. Deine Angebote werden nicht mehr akzeptiert, und eigene nicht mehr gesucht. Das ergibt ein Kind, das in seinem Zimmer sitzt, und vor sich hin schmort, in seinen pubertären Selbstzweifeln.

Es muss nicht unbedingt Sport sein. Es kann Musik, Schach und was auch immer sein, was Konkurrenz und eine gewisse Portion Druck mit sich bringt. Es muss klar definierbare, aber nicht zu leicht erreichbare Ziele erhalten. Wenn du bei den kognitiven Sachen bleiben möchtest, dann Mathe- oder eine andere Olympiade. Kein Känguru, das gleich aufgeht, sondern Tüftelaufgaben, mit denen man Stunden verbringt, bevor man sie löst.
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