Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
Beiträge: 1480
Registriert: Do 23. Jan 2020, 09:33

Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Du versuchst in die Zukunft zu sehen, das ist eine sehr undankbare Aufgabe. Außerdem ist vieles was du über Hochbegabten schreibst, nicht wirklich vorurteilsfrei. Die Charaktere der Kinder sind genauso verschieden wie in der normalen Klasse. Dass sie gerne unter sich bleiben ist nicht Arroganz, sondern Bedürfnis nach Schutz. Und ja, es gibt welche die schneller mit der Antwort da sind, als die Frage gestellt wird. Wie man damit umgeht, ist schon wieder von einzelnen Lehrern und Situationen abhängig.

.
Lieselotte
Beiträge: 16
Registriert: Mo 28. Nov 2022, 19:18

Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Lieselotte »

Natürlich ist das nicht vorurteilsfrei - deshalb frage ich ja hier.

Mehr als ein VORurteil habe ich halt aktuell nicht zur Verfügung, das NACHurteil kann ich ja evtl. in ein paar Jahren liefern ;-). Das, was mir die wenigen Eltern, die Kinder dort hatten, sagten, schwankte zwischen "supertoll" und "bloß nicht", war daher auch nicht wirklich zielführend. Auch hier im Forum kam in einigen Strängen durchaus schon einmal der Einwand, diese Klassen wären schwieriger, lauter, usw.

Mein Vorurteil ist, überspitzt gesagt (!), dass schlimmstenfalls 50% der Klasse aus verhaltensauffälligen Underachievern besteht und die Aufgabe der 50% Hochleister ist, ein gutes Lernklima herzustellen. Wäre das tatsächlich der Fall, würde ich mein Kind nicht dorthin schicken. (Klar ist, dass es zu einem gewissen Grade so ist, die Schule hatte früher reine Hochbegabtenklassen, das hat nicht gut funktioniert, dann hat man die Hochleister dazugemischt, seitdem funktionieren die Klassen besser). Ist es eher so, dass da halt ein paar schräge Typen mit Nerdinteressen herumlaufen, mehr diskutiert wird, weiter gedacht, so habe ich habe ich damit gar kein Problem, das passt dann schon gut zum Kind. Ich meine, 85% der HBs kommen wunderbar zurecht und sind unauffällig, wenn sich dieser Schlüssel auch in den Klassen wiederfände und es einfach nur schneller, mit mehr Anregung, usw. wäre, wäre das wirklich gut geeignet. In Regelklassen gibt es genauso einen Anteil an Schülern, die stören, sich erst finden müssen, anders sind. Nicht per se schlimm, trägt zur Persönlichkeitsbildung bei.

Trotzdem interessieren mich Antworten auf die im letzten Posting gestellten Fragen. Selbstwahrnehmung, Noten, Arbeitsverhalten.
Katze_keine_Ahnung hat geschrieben: Do 1. Dez 2022, 16:55 Und ja, es gibt welche die schneller mit der Antwort da sind, als die Frage gestellt wird. Wie man damit umgeht, ist schon wieder von einzelnen Lehrern und Situationen abhängig.
Das war beispielhaft gemeint. Weil ich es von meinem Kind kenne. War in der zweiten Klasse Kritikpunkt der Lehrerin. Da hat es dran gearbeitet, sich Mühe gegeben, verstanden, was das bei anderen auslöst und im Laufe der dritten Klasse war es dann weg. Meine Befürchtung ist, das solches Verhalten, das ja in meinem Kind durchaus auch angelegt ist, in einem Umfeld, in dem das bei anderen toleriert wird, wieder hervorkommt. Aber es stimmt schon, das hängt auch davon ab, was die Lehrer tolerieren und was nicht.
Edainwen
Dauergast
Beiträge: 522
Registriert: Mi 28. Sep 2011, 11:29
Wohnort: BaWü

Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Edainwen »

Das Niveau ist bei schulübergreifenden Tests (Vera u.ä.) durchweg höher als in den Regelklssen. Tatsächlich aber lernen zumindest bei uns die Kinder ja denselben Stoff, nur in weniger Stunden.
In der Oberstufe werden bei uns die Klassen auch wieder zusammengeführt, so dass die Anforderungen im Abi gleich sind wie bei den anderen Schülern
Innerhalb der Klasse hat sich schnell wieder ein "normaler" Notenspiegel mit Normalverteilung eingependelt. Insofern haben die Kinder dadurch eher mehr "Normalität", da sie sehen, dass nicht jeder Hochbegabte auch ein Hochleister sein muss, dass Noten also mit Begabung gar nichts zu tun haben, und dass es auch bei Hochbegabten Dinge geben kann, die ihnen schwer fallen.
Das Kind, das alles super schnell weiß und gleich reinruft, gibt es in HB-Klassen genauso oft oder selten wie in anderen Klassen. In der Klasse meines Sohnes gibt es das in der Mittelstufe nicht mehr, das war mal in der Unterstufe 😁 Und schüchterne Kinder gehen in allen Schulen gleichermaßen unter, meint mein Sohn. "Wer nicht streckt, hat verkackt." Seine Worte 😉
Lieselotte
Beiträge: 16
Registriert: Mo 28. Nov 2022, 19:18

Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Lieselotte »

Edainwen hat geschrieben: Do 1. Dez 2022, 17:53 Das Niveau ist bei schulübergreifenden Tests (Vera u.ä.) durchweg höher als in den Regelklssen.
Hmm, wäre ja auch komisch, wenn nicht, wenn man vorher die Leistungsstarken aussucht. Interessant wäre der Vergleich mit einer gleichschlauen Gruppe von Schülern in der Regelklasse. Ich suche mal, da gibt es bestimmt eine Studie... Bei Euch (in BaWü?) sind das diese HB-Klassen, die an normalen Gymnasien angeboten werden, oder? So wie in Bayern in der Regierungsbezirken? Da werden die Kinder nach Test und Leistung ausgewählt, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Oder hätte ein begabter Underachiever auch Chanden, genommen zu werden, wenn sein Zeugnis schlecht, aber der Test gut genug ist?

Hier werden zu je 1/4 weiblich/männlich/hochbegabt/hochleistend genommen. Das Viertel männlich/hochbegabt ist ziemlich überbucht, da lehnen sie viele ab, die anderen drei sind chancenreicher.
Edainwen hat geschrieben: Do 1. Dez 2022, 17:53In der Oberstufe werden bei uns die Klassen auch wieder zusammengeführt, so dass die Anforderungen im Abi gleich sind wie bei den anderen Schülern
Hier ginge es in der Oberstufe es richtig los. Da sind die Anforderungen dann wirklich hoch. Aber man darf auch in die normale Oberstufe wechseln.
Edainwen hat geschrieben: Do 1. Dez 2022, 17:53Innerhalb der Klasse hat sich schnell wieder ein "normaler" Notenspiegel mit Normalverteilung eingependelt. Insofern haben die Kinder dadurch eher mehr "Normalität", da sie sehen, dass nicht jeder Hochbegabte auch ein Hochleister sein muss, dass Noten also mit Begabung gar nichts zu tun haben, und dass es auch bei Hochbegabten Dinge geben kann, die ihnen schwer fallen.
Du meinst innerhalb der HB Klasse? Oder hinterher, wenn sie in der Oberstufe wieder mit den anderen zusammen sind?
Edainwen
Dauergast
Beiträge: 522
Registriert: Mi 28. Sep 2011, 11:29
Wohnort: BaWü

Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Edainwen »

Sorry, das mit dem Zitieren bekomme ich am Handy nicht hin ...

Ja, bei uns sind das die HB-Klassen an normalen Gymnasien. Wie da generell ausgesucht wird, weiß ich nicht, bei uns gibt es - bis auf den HB-Test - keine weiteren Kriterien, so dass vom Underachiever bis Hochleister alles dabei ist. Wir liegen im ländlichen Raum und da sind sie froh, wenn sie die erforderlichen 16 Schüler zusammenbekommen. Bei meinem Sohn waren es ursprünglich 20 Schüler, jetzt sind es noch 12 😁 (davon ab: nach der 5. Klasse eines auf eine Schule für ... naja ... Problemschüler, nach der 7. zwei auf's Landesgymnasium für Hochbegabte (Internat), einer auf die Realschule, einer auf's TG, nach der 9. eine auf's nahegelegene Gymnasium wegen dem weiten Schulweg ... Rest kann ich mich nicht mehr erinnern)

Notenspiegel meinte ich innerhalb der HB-Klasse.
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
Beiträge: 1480
Registriert: Do 23. Jan 2020, 09:33

Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Aus deinen Posts hören sich Bedenken an, dass die hochbegabten Underachiever deinen Hochleister runterziehen. Nun es ist so wie überall bei Inklusion. Die hochbegabten Underachiever und nicht dein Kind brauchen Integrationshilfe. Für sie finanziert das Schulsystem diese Klassen. Was die Schulen daraus machen, ist eine andere Frage. Manche denken an die Kinder, andere dagegen wollen möglichst viele Mathewettbewerbe gewinnen.

Am Ende der 10. Klasse hat man die Klasse meines Sohnes gefragt, wie sie die Entwicklung retrospektiv bewerten. Die Kinder (alle laut Tests hochbegabt), haben geantwortet, dass die Extraförderung nicht den Pfifferling wert war und ihren Stundenplan überladen hat, ohne was zu bringen. Der einzige Vorteil bestand daran, dass sie unter sich waren, und sich nicht durchbücken mussten.

Ein rundes, interessiertes Kind kann sich bei Afra bewerben. Dort bekommt man definitiv mehr als in der Regelschule oder in einem Hochbegabtenzug.

PS. Die hochbegabten Klassen werden aus den Kindern gemischt, die weit weg von einander wohnen und einander meist vor dem Schulbeginn nicht kennen. Alleine deswegen ist es eine Herausforderung, sie zusammenzubringen.
Lieselotte
Beiträge: 16
Registriert: Mo 28. Nov 2022, 19:18

Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Lieselotte »

Katze_keine_Ahnung hat geschrieben: Fr 2. Dez 2022, 10:17 Aus deinen Posts hören sich Bedenken an, dass die hochbegabten Underachiever deinen Hochleister runterziehen.
Ums Runterziehen geht es mir nicht, weder Kind noch ich sind ehrgeizig, die Noten sind uns ziemlich wurscht.

Mir geht es darum, diese Freude am Denken, am Lernen (damit meine ich nicht Auswendiglernen, sondern entdeckendes Lernen) aufrechtzuerhalten. Und gleichzeitig eine nette Klassengemeinschaft zu erleben, sozial zu wachsen.

Das Kind brennt für neue Dinge, für Input. Es freut sich auf die neuen Fächer am Gymnasium. Wenn ich allerdings an meine eigene Gymnasialzeit zurückdenke und dann noch draufrechne, dass heute wesentlich mehr Kinder dorthingehen, befürchte ich, dass die Freude enttäuscht wird und es dort eben lernen muss, dass die meisten anderen Kinder sich für eine bestimmte grammatische Konstruktion oder einen mathematischen Satz gar nicht so begeistern können. Und es vielleicht sogar doof finden, wenn andere das tun.

Mit ist völlig klar, dass es bei den Klassen um die Inklusion der hochbegabten Underachiever geht und die anderen schmückendes Beiwerk sind. Genau das ist auch das, was die anderen Eltern mir als mögliches Problem beschrieben. Da waren einige dabei, die kurz davor waren, ihr Kind aus der Klasse zu nehmen und die eben sagen, im Nachhinein war es das nicht wert, sie hätten dem Kind lieber eine sozial normale Mittelstufe mit Clique aus der Nähe, gemeinsamen Abhängen, usw. gegönnt. Aber es gibt eben auch andere Eltern, die sagen: alles super, die Kinder fühlen sich angenommen, kommen miteinander klar, toller Unterricht, viel Input. Es hängt recht viel an der konkreten Klassenzusammensetzung, die man ja vorher nicht kennt.
Katze_keine_Ahnung hat geschrieben: Fr 2. Dez 2022, 10:17Am Ende der 10. Klasse hat man die Klasse meines Sohnes gefragt, wie sie die Entwicklung retrospektiv bewerten. Die Kinder (alle laut Tests hochbegabt), haben geantwortet, dass die Extraförderung nicht den Pfifferling wert war und ihren Stundenplan überladen hat, ohne was zu bringen. Der einzige Vorteil bestand daran, dass sie unter sich waren, und sich nicht durchbücken mussten.
Das schätze ich ähnlich ein, wobei die wirklich interessanten Dinge hier in der Oberstufe passieren und man da dann schon im Zweig drin ist.
Katze_keine_Ahnung hat geschrieben: Fr 2. Dez 2022, 10:17Ein rundes, interessiertes Kind kann sich bei Afra bewerben. Dort bekommt man definitiv mehr als in der Regelschule oder in einem Hochbegabtenzug.
Naja, so etwas wie Internat kommt nur in Frage, wenn man einen irgendwie gearteten Leidensdruck hat. Das ist nicht der Fall. Aber ja, inhaltlich würde ich dem Kind so etwas wünschen.



Aber Danke erst einmal für Euren Input, das hilft schon einmal weiter, inbesondere tatsächliche Erfahrungen wie von edainwen. WIr haben jetzt noch ein paar Wochen für die Entscheidung, vielleicht schauen wir auch noch eine bilinguale Schule an, das könnte auch ganz gut passen, ist aber weiter weg.
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
Beiträge: 1480
Registriert: Do 23. Jan 2020, 09:33

Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Wie Rabaukenmama schon sagte, kratzen wenn es juckt. In der Oberstufe kann man Frühstudium anfangen, aufs Internat gehen und einiges mehr, Hauptsache dem Kind geht es gut. Ich füge dem noch hinzu, höre nicht nur aufs rationale, sondern auch auf dein Bauchgefühl. Dein Kind kann dir in dem Alter auch schon andeuten, was ihm wichtiger ist, mit den Freunden, die er schon hat, in die gleiche Klasse zu gehen, oder die Möglichkeit zu haben, mehr zu lernen und dafür neue Freunde suchen zu müssen.
Lieselotte
Beiträge: 16
Registriert: Mo 28. Nov 2022, 19:18

Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Lieselotte »

Mein Kind sagt deutlich, dass es in die HB-Klasse will -allerdings meiner Meinung nach, weil das die erste Schule war, die wir überhaupt angeschaut haben und es natürlich fasziniert war, zu sehen, was man da alles machen kann. Die Dinge, die es dort schick fand, gab es an den anderen Schulen dann auch, aber da waren sie dann schon nicht mehr so neu und besonders.

Kind kann aber nicht selbst überblicken, was die verschiedenen Bildungsgänge bedeuten, wie hoch der Arbeitsaufwand sein wird, was man dort machen kann und was eben auch nicht. Da schauen dann doch eher wir Eltern, welche Sprache wann gelernt werden kann, wie das Kursangebot in der Oberstufe ist, usw. Denn so einfach mal eben schnell wechseln, wenn es dann doch juckt - das sehe ich nicht. In die Bilischule kommt man später gar nicht mehr rein, in den HB-Zweig auch nur mit großen Problemen, von denen ich hoffe, dass wir sie nicht haben werden. Was tatsächlich immer geht, aber natürlich auch nicht erstrebenswert ist, ist zurück auf das örtliche Gymnasium. Aber auch da kommt man von außen in eine feste Klassengemeinschaft, schön ist das nicht, aber sicher machbar.
Lieselotte
Beiträge: 16
Registriert: Mo 28. Nov 2022, 19:18

Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Lieselotte »

Nachdem hier einige so nett Rückmeldung gegeben haben, möchte ich noch das Endergebnis mitteilen:

Wir haben das Kind auf dem normalen Gymnasium angemeldet. Uns ist schon klar, dass die hier im Forum geschilderten Fälle eher den Problembereich abdecken, aber genau so werden die HBs in der Öffentlichkeit wahrgenommen und diesen Stempel wollten wir für unser Kind nicht. Das Kind wird im weiteren Leben nicht nur mit HBs zu tun haben und soll sich die HB auch nicht zu Kopfe steigen lassen. All die Filme, Berichte, Bücher fand ich ziemlich abschreckend und dargestellten Schüler fast durchweg sehr eingebildet und von sich überzeugt. So ist unser Kind nicht und so soll es auch nicht werden, also streben wir dieses Umfeld nicht an. Ich denke, dass das normale Gymnasium + etwas Zusatzfutter in der Freizeit ausreichen werden.

Vielen Dank für Euren Input, Lieselotte
Antworten