mein Kind möchte alles sofort perfekt können

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
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milkyway
Beiträge: 8
Registriert: So 9. Aug 2020, 14:51

mein Kind möchte alles sofort perfekt können

Beitrag von milkyway »

Hallo, ich wollte mal fragen, ob jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht hat, da ich im Moment aus unserem Sohn nicht so ganz schlau werde. Er kommt jetzt im Sommer mit gerade 6 in die Schule und kann, denke ich, in etwa den Stoff der ersten Klasse. In Deutsch ist er wahrscheinlich etwas hinterher, dafür in Mathe wahrscheinlich etwas voraus.
Ich schreibe „wahrscheinlich“, weil ich nicht wirklich weiß was er kann, da er es zuhause nur sehr selten zeigt und in der Kita schon gar nicht. Kennt das jemand von euch?
Es gibt bei ihm jetzt auch kein so wirkliches Thema welches ihn interessiert, bis auf seine Begeisterung für Gesellschaftsspiele. Die meisten davon haben eine Altersempfehlung ab 10 Jahren. Er hat aber nichts was ihn so interessiert, dass ihn der Ehrgeiz packt und er das unbedingt wissen oder lernen möchte. Z.B. hat er mit 4,5 verstanden wie man liest und es mir auch erklärt und vorgemacht. Aber er hat keine Lust das zu üben, bzw. ist schnell frustriert, da er noch nicht flüssig lesen kann wie seine Geschwister. Er vergisst dabei leider immer, dass diese auch fünf und sieben Jahre älter sind als er. Bitte versteht mich jetzt nicht falsch, ich brauche kein Kind was vor der Schule lesen kann und mache ihm da keinen Druck. Es ist nur so, dass ich mich frage, wie es in der Schule werden soll, da er keine Fehler machen mag und er es dann lieber gar nicht macht. Das trifft eigentlich in allen Lebenslagen zu und nicht nur bei schulischen Dingen. Er malt und bastelt z.B. gerne, aber für jedes Kunstwerk, was er mir zeigt, hat er im Vorfeld gefühlt den halben Papierkorb gefüllt.
Er traut sich Dinge auch oft nicht zu. An einem Tag rechnet er mir vor was 8x15 ist und am nächsten kommt er aus der Kita und erzählt mir der nette Hausmeister hat ihnen erklärt, dass 6x6 36 ist. Dass er das schon vorher konnte, hat er erst „begriffen“ als ich ihm das gesagt habe.
Fördern und fordern lehnt er total ab. Er will am liebsten alles alleine selbst begreifen und es erst dann zeigen, wenn er es zu 100% kann. Manche Dinge erfordern aber nun mal regelmäßiges Üben und man kann sie nicht über Nacht. Fahrradfahren hat er z.B. erst mit 5,5 gelernt, da es vorher nicht auf Anhieb geklappt hat. Mit 5,5 hat er sich dann nochmal aufs Rad gesetzt und ist einfach losgefahren.
Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht und wie geht ihr damit um? Insbesondere auch mit Blick auf seinen Schulstart fragen wir uns gerade wie das wird.
Grüße
milkyway
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
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Registriert: Do 23. Jan 2020, 09:33

Re: mein Kind möchte alles sofort perfekt können

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Ich kenne das nur zu gut. Leider habe ich keine Lösung. Zum Teil ist das die moderne Welt, die den Kindern alles bietet und kaum was von ihnen verlangt, zum Teil die angeborene Charakterschwäche. Vom jüngsten Kind verlange ich einfach die Leistung, auch wenn er weint, schreit und wütet. Ohne Leistung kein PC. Ich weiß, das ist unpädagogisch, aber eine andere Lösung für das Kind, dass sich ans Klavier setzt und heult, dass er nicht sofort alles spielen kann, habe ich nicht gefunden. Die gleiche Geschichte hatten wir schon bei der Geige, aber da sagt er nach 4 Jahren Geigenunterricht selber, dass es mit dem Klavier wahrscheinlich genauso ist, und es doch Spaß macht zu Lernen und zu Spielen, sobald man "richtige Musik" machen kann. Man kann mich als eine über ehrgeizige Mutter abstempeln, aber ohne Druck schaut das Kind nur Fernseh.
Meine3
Dauergast
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Re: mein Kind möchte alles sofort perfekt können

Beitrag von Meine3 »

Hallo,

übertriebener Perfektionismus ist unter sehr klugen Kindern sehr verbreitet und ja: damit kann man sich selbst unheimlich im Weg stehen.

Mein Sohn ist nachgewiesen HB (mit sehr heterogenem Profil da er auch Asperger Autist mit ADHS ist) und tickt da ganz ähnlich. Wobei er schon immer sehr intensive und auch stark eingegrenzte Interessen hatte, die alle Jahre mal wechseln, was aber auch durch das Asperger Syndrom bedingt ist.

Meine Jüngste ist ganz ähnlich wie dein Sohn. Sie ist 6 und kommt jetzt in die Schule. Sie kann den Stoff der ersten Klasse komplett. Sie rechnet relativ sicher im 20er Raum und etwas drüber. Sie liest (stockend), sie schreibt nach Gehör. Sie malt wie andere mit 8 oder 9. dennoch hat sie komplett übersteigerte Erwartungen an sich selbst und ist stets unsicher. Auch sie hat eben ältere Geschwister und hat den Anspruch an sich, eben genau so schnell und flüssig lesen zu können wie die Großen. Sie bekommt Weinkrämpfe, wenn sie gestalterisch etwas nicht so umsetzen kann, wie sie es sich vorgestellt hat, obwohl es objektiv betrachtet weit über ihrem Altersbiveau liegt. Sie ist motorisch ängstlich und hat deswegen das Fahrrad fahren und schwimmen auch erst etwas später gelernt als die Geschwister, obwohl sie es motorisch hätte schon viel früher können. Sie bremst sich durch ihren Ehrgeiz und Ängste ständig selbst und ist dann unzufrieden.

Die Erzieherinnen machen sich aufgrund ihrer niedrigen Impulskontrolle auch Sorgen wegen der Schule (ich auch), aber kognitiv hätte sie schon mit 4 eingeschult werden müssen 🤷🏻‍♀️.

Oft klafft die entwicklungsschere bei klugen Kindern sehr stark auseinander, sie sind also asynchron entwickelt: sozial-emotional altersgerecht oder gar etwas zurück, kognitiv un Jahre voraus. Genau dadurch entstehen auch bei HBchen dann Probleme. Es gibt aber auch Hbchen, bei denen die sozial-emotionale Entwicklung synchron zur kognitiven Entwicklung verläuft. Das sind dann die sog. Hochleister, die Wunderkinder, die Hochbegabten, die in Film und Fernsehen gezeigt werden. Um Hochleister zu sein, braucht man auch eine gewisse Resilienz und Eigenmotovation, sowie eine gute Fruatratiinstoleranz, was nicht bei allen hochbegabten Kinderm gegeben ist.

Wir schulen unsere Tochter nun in einer Privatschule ein, da wir wissen, dass sie in einer Regrlschule nicht glücklich wird. Unser Sohn leidet seit 4 Jahren unter dem Regrlachulsystem und hat sich von einem extrem wissbegierigen und hochmotivierten Kind zu einem geldngweilten Underachiever entwickelt, da er in der Schule kontinuierlich ausgebremst wurde (kognitiv) und gleichzeitig sozial emotional Anforderungen an ihn gestellt wurden, die er, bedingt durch seine Behinderungen, nicht erfüllen kann.

Aber das muss bei euch nicht so laufen! Es steht und fällt alles mit der Lehrkraft. Erkennt sie (selbst!) das Potenzial deines Kindes und hat „Lust“ und Kapazitäten darauf individuell einzugehen, kann es sein, dass es ihm, sobald er in die Schule kommt, sogar besser geht als jetzt.

Man sollte auch nicht, nur weil das Kind das Potenzial für vieles hat, erwarten, dass er das auch automatisch immer abruft oder abrufen kann. Das führt nur zu Frustration auf beiden Seiten.

Ich würde den Fokus darauf legen die Frustrationsschwelke zu steigern und da er Gesellschaftsspiele mag, habt ihr da da ein gutes Werkzeug, mit dem man das üben kann: lasst ihn bitte nicht absichtlich gewinnen, sondern spielt fair mit ihm, so dass er mal gewinnt und mal verliert. Geht mit ihm ins Gespräch, was lernen und üben bedeutet und dass jeder, egal wie klug und begabt, Dinge im Leben hat, die er lernen oder oben muss. Bringt Beispiele. Vielleicht könnt ihr ihm ein Instrument schmackhaft machen. Damit kann man auch toll das lernen lernen. Ich konzentriere mich bei all meinen 3 Kindern wirklich sehr darauf, dass sie verstehen lernen, dass üben und lernen zum Leben dazu gehört. Meine Mitzlere ist bald 9 und eine sehr begabte Malerin. Sie schreibt in Deutsch ohne einen Pups zu tun nur glatte Einsen, alles was kreativ ist und mit Sprache zu tun hat. fällt ihr so leicht wie atmen und laufen. In Mathe hingegen tut sie sich vergleichsweise (!) schwer: da versteht sie auch mal etwas nicht SOFORT, muss es ein paar mal erklärt bekommen und sich ein bisschen anstrengen. Und prompt fühlt sie sich „dumm“. Dabei ist sie in Mathe nicht unbegabt. Es fällt ihr mir nicht ganz so leicht wie alles andere. Und weil der Mensch dazu neigt sich vor Anstrengumg zu drücken, versucht sie auch zu vermeiden, sich mit Mathe zu beschäftigen, aber das lasse ich ihr nicht durchgehen, denn die ich bin von der Begsbungsverteilung ebenso aufgestellt (nur dass ich wirklich eine Rechenschwäche habe, trotz HB) und weiß, dass es besser ist, JETZT am Ball zu bleiben, statt es jahrelang schleifen zu lassen und dann vieles nachholen zu müssen. Es ist oftmals etwas mühselig, da das lernen vor einer Klausur einen Tag vorher (wo andere schon eine Woche üben!) zu Gejammer und Geweine führt, aber dann erkläre ich ihr immer wieder, dass viele andere Kinder sich in JEDEM Fach viel mehr anstrengen müssen als sie und dass man nicht alles perfekt können kann und jeder etwas hat, was einen herausfordert. Auch Einstein 🤣, der nachgewiesen sehr schwach in Fremdsprachen war 🤷🏻‍♀️… Wenn ich dann erstmal
das Ego wieder aufgepäppelt habe, klappt es auch plötzlich mit dem rechnen wieder und alles ist gut.

Alles Gute
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.
nosupermum
Dauergast
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Registriert: Fr 8. Nov 2013, 12:54

Re: mein Kind möchte alles sofort perfekt können

Beitrag von nosupermum »

Da kann ich Meine3 zustimmen. Lernen will geübt sein. Bei deinem Kleinen, dass nicht alles direkt so klappt und bei größeren Kindern, dass man auch mal zig Wiederholung braucht.

Meiner Tochter hat es gut getan, die Hausaufgaben in der Betreuung zu machen, als sie noch in der Grundschule war. Sie hat dann festgestellt, dass alle Kinder einmal Probleme haben, Fragen stellen müssen oder es nicht auf Anhieb klappt. Außerdem sitzen die Tränen in der Gruppe auch nicht so locker wie daheim bei Mama. Sie war dann auch etwas mehr auf sich gestellt und konnte nicht direkt alles ausdiskutieren, zum Beispiel ob dieser Satz gut formuliert sei oder jene Zeichnung perfekt sei. Sie musste sich auf sich selbst verlassen und den Punkt, wann es gut ist, selbst finden.

Auf dem Gymnasium habe ich besonders Wert darauf gelegt, dass sie das Lernen lernt. Wir haben vereinbart, wie viele Tage vor eine Arbeit wir uns gemeinsam den Stoff anschauen. D.h. wir überfliegen die Themen und überlegen, was sie an welchem Tag üben könnte, an welchen Tagen wir keine Zeit haben und welche Aufgaben sie zur Überprüfung machen könnte. Sie hat gelernt, sich einen Plan zu machen, den sie dann abhakt. Da sie gerne selbstständig lernt, habe ich ihr passend zu den Büchern Übungshefte gekauft. Dann kann sie selbstständig arbeiten. Sie macht ein paar Aufgaben, schaut, ob sie das Thema beherrscht und sich sicher fühlt und dann macht sie ein Smiley dran. Für die Vokabeln hat sie inzwischen herausgefunden, dass die sich für sie am besten mit dem guten alten Karteikasten lernen lassen. diese Lernmethode hat sie inzwischen auch für andere Fächer übernommen, zum Beispiel für Mathe, wenn Begriffe oder Merksätze auswendig gelernt werden müssen. Diese beiden Methoden, der Plan zum Smileys verteilen und der Karteikasten, geben ihr eine Kontrolle, ob sie alles beherrscht.

Was wir aktuell üben ist, auch mal fünfe gerade sein zu lassen. Wenn wir bei Krankheit nicht herausbekommen, was alles auf ist, dann versichere ich ihr, ihr zur Not, eine Unterschrift zu geben, sollte sie für eine fehlende Hausaufgabe einen Strich kassieren. Oder sie versucht, einmal auszuhalten, nicht gut vorbereitet zu sein, wenn zum Beispiel mal die Zeit fehlt, für alle Fächer gleichzeitig zu lernen. Das geht in der sechsten Klasse natürlich besser, weil sie da kognitiv schon weiter sind. Aber es ist auch Übungssache. Und geht auch nicht immer ohne Tränen ein her.
milkyway
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Registriert: So 9. Aug 2020, 14:51

Re: mein Kind möchte alles sofort perfekt können

Beitrag von milkyway »

Vielen Dank für eure Antworten! Es tut manchmal einfach gut zu hören nicht alleine damit zu sein. Es hat mir sehr viel mehr Gelassenheit gegeben eure Berichte zu lesen.
Gestern hat sich schon Mal ein großer Punkt, der mir auf dem Herzen lag, in Wohlgefallen aufgelöst. Junior war zum Schnupperunterricht in der Schule (wir haben zum Glück einen Platz an einer Freien Schule bekommen in der 1.-4. Klasse zusammen lernen). Nachdem er mich erst nicht gehen lassen wollte, hat er dann zum Glück ein Mathe Arbeitsmaterial bekommen und, so wurde es mir nachher berichtet, die anderen Schüler beeindruckt. Er hatte aber natürlich längst nicht sein ganzes Potential gezeigt. Da die Lehrerinnen aber schon mitbekommen hatten, dass er nicht auf den Kopf gefallen ist, habe ich dann vorsichtig gefragt, ob sie wissen wollen was mein Sohn schon alles kann. Da kam ein klares "Ja, Bitte" :D Also habe ich das dann in Absprache mit meinem Sohn gemacht, da er zu schüchtern war. Als ich dann damit geendet hatte, dass er mich neulich mit seiner Rechnung was 8x15 ist überrascht hatte, kam er doch noch aus sich raus und meinte, ob dann 16x15 240 ist. Da wurde dann erstmal der Taschenrechner gezückt. Die Lehrerinnen waren total locker mit dem, was er schon alles kann und haben gesagt "na, dann ist er hier ja genau richtig!". Das Gefühl habe ich auch. :D
koala27
Dauergast
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Registriert: So 31. Mai 2020, 18:26

Re: mein Kind möchte alles sofort perfekt können

Beitrag von koala27 »

Hallo,

dass was du über die Schnupperstunde schreibst klingt doch richtig gut :-) Da scheint er gut aufgehoben zu sein, wenn sie dort gut auf ihn eingehen können. Alles andere musst du abwarten und dann sehen, wie es läuft. Schule ist anders als Kiga-- weil da alle was machen müssen-- im KIga läuft ja viel freiwillig.

Unser Sohn ( 9 ) ist auch so ein Kandidat der sich mit seinem Perfektionismus öfter mal im Weg steht.Und vorher mal was üben... war auch nicht seins..
er ist damit in der 1 Klasse dann auf Bauch gefallen-- er wollte nie schneiden üben- im KIga hat er nur geschnitten, wenn er musste, sonst nie... also hatte er kaum Übung darin--deshalb hat in der 1 Klasse das Ausschneiden dann ewig gedauert--- weil keine Übung und er wollte alles perfekt haben-- das ging dann soweit, dass eine Bufdine ihm hlefen musste, damit er überhaupt alles ausgeschnitten bekam.... Das hat ihm dann aber gar nicht gepasst und er war total sauer--- ich habe ihm dann ganz klar gesagt, dass er ja vorher nie üben wollte und das dann eben dabei rauskommt. Die KL hatte ihm auch schon gesagt, er sollte zu Hause schneiden üben... Ja, kam ja so gar nicht gut bei ihm an... allerdings kam er dann am WE an und wollte doch etwas schneiden üben.... --- Solche Situationen hatten wir öfter--- ich melde ihm ganz klar zurück, dass er nicht sauer zu sein hat, wenn er vorher nicht üben will.... anders geht es bei ihm scheinbar nicht. Ist halt nicht toll, aber was will man machen? -- Was er gerne mag, dass übt er auch oder macht was freiwillig-- wie bspw. Mathe- da macht er online was mit und hat Spaß daran. Oder Mathewettbewerbe-- liebt er auch.-- Ich hoffe einfach, dass es immer besser wird, wenn er merkt, dass sich üben doch lohnt. Mittlerweile ärgert er sich, wenn er sich nicht vorbreitet hat und dann keine volle Punktzahl im Test hat-- das ist ja ein Anfang-- selber zu erkennen, was schief läuft. Gut, wir haben ja auch 3 Jahre Schule jetzt durch :-)
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