Waldorfschule

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
charlotte2
Dauergast
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Waldorfschule

Beitrag von charlotte2 »

Meine Kleine wird im Herbst 4 Jahre alt, zieht seit kurzem Buchstaben zu Wörtern zusammen, zunehmend mit Sinn, nach Gehör schreiben funktioniert z.T. auch schon. Sprachlich ist sie sehr fit. Beim Zählen gibt sie zwischen 100 und 200 auf. Wir haben noch Zeit, dennoch mache ich mir Gedanken. Sie ist z.Zt. im Waldorfkindergarten, in dem ihre Schreibbemühungen ignoriert werden - Buchstaben auf nassem Aquarellpapier zerfließen leider bis zur Unleserlichkeit... Was ja nicht weiter schlimm ist, es reicht, wenn sie ihrem Hobby daheim nachgeht. Aber hat jemand Erfahrung, wie die Waldorfschule mit Kinder umgeht, die bei der Einschulung bereits Lesen usw. können. Wird da individuell gefördert? Oder ist eine Regelschule besser geeignet?
Nawi
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Nawi »

Hallo Charlotte,
leider kann ich zu Waldorfschulen nichts sagen, aber aus eigener Erfahrung möchte ich Dir eine weitere Alternative aufzeigen: Meine Kinder besuchen eine Internationale Schule. Dort werden die Kinder schon mit 5 Jahren in die erste Klasse eingeschult und lernen dort das, was man in deutschen Regelschulen erst mit 6 lernt. Für meine Kinder, die auch schon wie Deine Tochter sehr früh angefangen haben, zu lesen usw. war das eine sehr gute Entscheidung. Vielleicht ist das auch für Dich eine Alternative.
Viele Grüße,
Nawi
charlotte2
Dauergast
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Re: Waldorfschule

Beitrag von charlotte2 »

@Navi: Eine internationale Schule gibt es bei uns in der Gegend leider nicht. Nur Waldorf, die normale Grundschule und noch eine christliche Privatschule. Montessori ist etwas weiter weg und hat keinen guten Ruf.

@Koschka: Danke für Deine Einschätzung. Stimmt mit meinem Bauch-Gefühl überein. Woran merke ich, wenn mein Kind im Kindergarten den Rahmen sprengt, was meinst Du damit konkret? Sie erzählt daheim so wenig. Möchte nicht gerne hin, kommt aber fröhlich heim.
Momo
Dauergast
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Momo »

Die Waldorfpädagokik ist mit wahnsinnig vielen Vorurteilen behaftet, da sie sich von den bekannten Schulerfahrungen der meisten Menschen unterscheidet. In der Waldorfschule gibt es erst in der Oberstufe Zensuren, vorher werden Kinder ganzheitlich beurteilt, in Textform. Darauf kommen mittlerweile auch langsam die Regelschulen. Nicht alleine die Leistung der Kinder zählt, sondern das ganze Kind, mit seinem individuellen Charakter und seinen Fähigkeiten. Neben kognitiven Leistungen wird auch das praktische Handwerk gefördert und auch die körperliche Bewegung. Im Grunde steht für mich ein treffendes Wort im Vordergrund: Ganzheitliches Lernen. Meiner Meinung nach ist dies ebenso für sehr begabte Kinder als auch für Kinder mit Lernschwierigkeiten ein sehr erfolgreiches und positives Konzept. Am Ende stehen nicht nur junge Menschen mit eingehämmertem Wissen, sondern Menschen mit großen sozialen Fähigkeiten, viel Eigenengagement und Kreativität. Ich bin selbst Waldorfschülerin gewesen und kann von ganzem Herzen sagen, dass ich sehr gerne zur Schule gegangen bin. Ich könnte viele Beispiele und Situationen erzählen, das würde hier jedoch den Rahmen sprengen. Ich kann nur so viel sagen, schaut Euch die Vorurteile genau an und fragt Euch, was in einer Schule wirklich zählt.
Neulich habe ich ein sehr interessantes Interview gehört, welches das heutige gängige Schulsystem sehr kritisch beleuchtet. Einfach mal reinhören:
http://download.familylab.de/Richard_Da ... 052013.mp3

Da fällt mir noch ein, auch ich konnte bereits vor Schuleintritt lesen und schreiben. Ich selbst habe es nicht als langweilig empfunden, es gab so viel anderes zu lernen. Gerade weil es nicht nur auf diese Wissensvermittlung ankommt und den Kindern so viele andere Lernbereiche und Möglichkeiten geboten werden. Ich hoffe es wird deutlich, was ich meine.

Liebe Grüße und alles Gute für Deine Tochter
Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
alibaba

Re: Waldorfschule

Beitrag von alibaba »

Ich denke Waldorf ist mit vielen Dingen negativ behaftet, vor allem vom Hörensagen.
Es mus nicht zwangsläufig so sein, das ein Kind sich dort langweilt, genausowenig wie ein hb Kind immer auffällig ist. ;) Das sind Vorurteile und was wir wir denn schon? Die Mamas vom Nachbardorf oder die Kommentare aus der Bildzeitung. Wer sind wir, das wir und darüber so ein Urteil bilden dürfen?

Waldorf muss man akzeptieren und bezahlen können! Für kreative, etwas langsame Kinder, kann Waldorf eine tolle Alternative darstellen. Auch durchaus für hb Kinder, wenn sie nicht ständig den Drang verspüren oder vermittelt bekommen, schneller, höhger, weiter. Das hängt auch mit den häuslichen Rahmenbedingungen zusammen.

Bei Waldorf muss man wissen, was die Lehren Steiners sind. Die sollte man akzeptieren können. Man sollte aber auch wissen, das die eine Schule Waldorf so praktiziert, die nächste wieder ganz anders. Genaues ansehen ist also wichtig.

Waldorf kostet viel Geld. Bei uns alleine die Aufnahmegebühr 3000 €. Die Eltern sind aktiv mit Schule beteiligt. Kuchen backen, in der Bibliothek helfen sind Dinge die selbstverständlich sind, zusätzlich muss man als Eltern Pflichtstunden ableisten, dazu gehört aber nicht der Kuchen den man backen muss.

Findet man das alles machbar, kann Waldorf durchaus gut sein. Wir hatten mal überlegt, unsere sehr kreative und eher künstlerisch begabte Tochter die auch noch sehr sensibel ist, dort hinzugeben, da sie mit dem Zeitdruck in GS nicht klar kam. Hätten wir diese Schule hier im Ort gehabt, dann wäre das eine Alternative gewesen. Meine Steinerbedenken hätte ich auch zur Seite gelegt, mich dann damit mal intensiver auseinandergesetzt (nicht nur oberflächlich) zum Wohle meines Kindes.

Eien Waldorfschule hat einfach ein anderes Konzept. Ob das für ein kluges Kind passt, hängt vom Typ des Kindes ab und von der Arbeit der Schule vor Ort. Fakt ist eins, die GS vor Ort muss nicht die bessere Wahl sein. Wenn ein Kind aus Langeweile auch noch etwas kreatives erfindet, kann Waldorf passen. Hat man ein Kind was ständig nur Neues fordert, sollte man sich das überlegen.

VG
Momo
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Momo »

Ich finde, das hast Du treffend beschrieben, Alibaba. jede Waldorfschule hat eine eigene Atmosphäre, hier hängt viel von der Persönlichkeit der Lehrer ab.
Die Kosten haben sich in meiner Schulzeit nach dem Gehalt der Eltern gerichtet, es waren auch Kinder aus Familien mit wenig Einkommen darunter, das Schulgeld dieser Kinder haben dann die gut verdienenden Eltern aufgefangen. Dieses Konzept finde ich gut, doch ich weiß nicht wie es heute gehandhabt wird.
Genauso hängt es wie bei jeder anderen Schule auch von den Lehrern ab, wie sehr auf begabte Kinder eingegangen wird. Doch da die Lehrer meiner Erfahrung nach nicht nach einem starren Konzept arbeiten und selbst sehr offen und flexibel sind, sich wirklich für die Persönlichkeit der Kinder interessieren, habe zumindest ich immer genug "Futter" bekommen, sodass mir nie langweilig wurde. Ganz im Gegenteil, z.B. durch eine "Jahresarbeit" in der 8. und 12 Klasse, d.h. jeder Schüler beschäftigt sich über einen langen Zeitraum mit einem Thema und erstellt dazu ein Buch und eine praktische Umsetzung, konnten wir alle auf einem ganz anderen Gebiet sehr viel lernen. Das geht über die reine Wissensvermittlung hinaus, diese Erfahrungen haben aber meine wirkliche Persönlichkeit geprägt, sie gehen tiefer.
In meiner Klasse waren mindesten 3 hochbegabte Kinder, die heute ihr Potential voll entfaltet haben (vielleicht gerade weil nicht nur das Kognitive sondern der ganze Mensch gefördert wurde?). Genauso wie die lernschwachen Kinder oder sogar diese, die erst in der Oberstufe plötzlich einen riesigen Entwicklungsschub machten und heute Professor sind. Und darauf kommt es an, oder?

Alles Gute wünscht Momo
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Edainwen
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Edainwen »

Ich war früher ziemlich pro-Waldorf, so dass ich irgendwann ein Waldorflehrerseminar (also ein Kurs über 3 Jahre, an dessen Ende man Waldorflehrer ist) machen wollte. Ich habe den Kurs dann abgebrochen, da ich festgestellt habe, dass das Waldorfwelt- und Kinderbild noch wesentlich starrer als das von den "Normalos" ist, und dass es dort keinen Platz für Individualität gibt.

Zum Thema "schon lesen können" (Ich hatte extra nachgefragt, weil die Kinder in der Waldorfschule in der ersten Klasse erstmal ganz langsam alle Großbuchstaben lernen, die meine Tochter mit 3 Jahren damals schon konnte) waren die Dozenten und anderen Kursteilnehmer auf dem Kurs, dass es sowas schlichtweg nicht geben kann, denn wenn ein Kind vor seinem 7. Geburtstag nach Buchstaben fragt, man das Kind einfach ablenken solle - und so wird das bei den mir bekannten Waldorfeltern tatsächlich auch gehandhabt.

(In der Waldorfpädagogik geht man ja immer von Schritten in Jahrsiebten aus, und vor dem 7. Geburtstag müssen erstmal die Kräfte des physischen Leibes wirken, und auch danach dürfen die Kinder bis zum 14. Geburtstag noch nicht selbständig denken sondern nur auswendig lernen, weil es sonst dem ...was-weiss-ich-Leib [schon wieder vergessen, ist schon 5 Jahre her] schadet :schwitz:

Aufgrund meiner Erfahrungen denke ich also nciht, dass eine Waldorfschule für ein kognitiv fittes Kind der richtige Ort wäre. - Was sagen denn die Erzieherinnen?
Momo
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Momo »

Es ist spannend, von wie vielen Perspektiven eine Pädagogik gesehen werden kann. Schon als Kind habe ich die Erfahrung gemacht, dass einige Eltern sehr ungeduldig waren, da ihre schulischen Erwartungen in einer anderen Reihenfolge oder einem anderen Tempo erfüllt wurden. Da ich das Ganze aus Kindersicht erlebt habe, stand für mich gar nicht die Frage im Raum, was mit Kindern gemacht wird, die schon lesen können. Ich habe einfach die anderen Dinge aufgenommen, die die Eltern vielleicht nicht alle nachvollziehen und sehen konnten, die aber trotzdem eine große Wirkung haben. Wie z.B. die Lernatmosphäre, oder den Umgang zwischen Kindern und Lehrern usw. Schon früh war unsere Meinung wichtig, wir hatten immer die Möglichkeit, den Schulalltag und den Unterricht mitzugestalten. Für mich als Kind ging es nicht nur um Noten oder um messbare Ergebnisse. Es ging auch um die Entwicklung meiner gesamten Persönlichkeit, dazu zählen so viele andere Fähigkeiten, die in vielen anderen Schulen überhaupt nicht beachtet werden. Doch auf dieses Denken muss man sich als Eltern natürlich auch einlassen können und etwas Vertrauen haben.

Ich habe noch einen interessanten Artikel zum Thema Hochbegabung in Waldorfschulen gefunden, welcher meine Gedanken und Erfahrungen gut widerspiegelt:
http://www.erziehungskunst.de/artikel/i ... ls-lehrer/

Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Bliss
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Bliss »

Ich würde eine Waldorfschule nur in Betracht ziehen, wenn ich mein Kind in der Beschreibung: künstlerisch, kreativ, fantasievoll und wenn möglich noch musikalisch wiederfinden würde.

Darüber hinaus hängt es bei Waldorf noch mehr als bei der Regelschule dran, wie die Lehrkraft ist. Denn idealerweise soll der Lehrer die Kinder ja bis zum Hauptschulabschluss begleiten. Was toll ist, wenn es ein super Lehrer ist und die Chemie stimmt. Anderenfalls ist es natürlich fatal.

Und die Eltern müssen vertrauen können und hinter dem Konzept stehen. Ich hab eine Freundin, die ihre 3 Kinder auf einer Waldorfschule hat und die Älteste hat jetzt die 6 te Klasse beendet und Mathekenntnisse, die vermutlich schon eine Versetzung in die 4 te Klasse verhindert hätten. Ich bin wirklich gespannt, ob bei ihr der Knoten noch platzt, wie die Lehrerin meint. Der Sohn ist jetzt knapp 10 und hat die zweite Klasse beendet und bei ihm ist in der Tat jetzt vor ein paar Wochen der Konten beim Lesen geplatzt. Ich finde es ja toll, wenn man Kinder nicht unter Druck setzt, aber das hätte ich wohl nicht ausgehalten.

Ich hab mit ihr auch schon mal über frühes Lesen gesprochen und sie meinte, dass man auf Nachfragen des Kindes einfach sagen soll: das sind Buchstaben. Damit hätten sich meine aber ganz sicher nicht zufrieden gegeben.
Linasina
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Linasina »

Den Artikel von Momo finde ich recht interessant. Wenn die Waldorfschule so mit den Hochbegabten Kindern umgeht kann doch nichts schief gehen.
Wenn ein Kind nun mal nicht gut lesen und schreiben kann aber dafür super gut singen kann oder sportlich begabt, wird dieser Bereich gefördert sodass dass Kind später im Leben damit in seinem späteren Beruf klar kommt.
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