Diskussionsthema Schule

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Bliss
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Bliss »

Rabaukenmama hat geschrieben:
Aus dem Gespräch ging für mich deutlich hervor dass es nicht um die Anzahl von Sozialkontakten geht sondern um die Angst, das Mädchen könnte vielleicht wieder an die Freunde im alten Kindergartn erinnert werden und daher nicht so viel Freude haben, in den neuen Kindergarten zu gehen.

Vielleicht war ich auch deshalb gekränkt weil ich mir auf einen Anruf wegen einer Einladung zum Kindergeburtstag keine solche Reaktion erwartet hatte. Eine freundliche Ablehnung vielleicht, aber nicht in der Art und dem Ton wie es geschehen ist. Es ist eine Reaktion, die ich vielleicht auch deshalb nicht verstehen kann, weil ich selbst komplett anders "ticke". Denn ich würde NIE verhindern dass mein Sohn eine Einladung bekommt aus Angst, er könnte sie annehmen. Nicht mal wenn ich mit dem Kind, welches einlädt, oder dessen Eltern nichts anfangen kann, würde ich so agieren.

Komisch, bei mir wäre es genau anders herum. Ich wäre höchstens gekränkt, wenn es eben so ein: wir haben jetzt andere Kontakte und brauchen euch nicht mehr wäre. Wenn es aber tatsächlich Angst vor der Reaktion des Kindes auf die altern Kontakte wäre hätte das ja nichts mit uns zu tun. Dann würde ich es vielleicht schade finden, aber was sollte ich da gekränkt sein? Die Angst kommt ja vermutlich nicht von ungefähr und wer weiss schon, welche Dramen sich da abgespielt haben. Und wenn dann jetzt gerade mal Ruhe eingekehrt ist, würde ich es vielleicht auch nicht riskieren da wieder dranzurühren.

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Momo
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Momo »

Gestern Nacht habe ich in meinem neuen Montessoribuch gelesen und war wie vom Donner gerührt, als ich folgendes Zitat von Maria Montessori las:

"Immer muss die Haltung des Lehrers die der Liebe bleiben. Dem Kind gehört der erste Platz und der Lehrer folgt ihm und unterstützt es. Er muss auf seine eigene Aktivität zugunsten des Kindes verzichten. Er muss passiv werden, damit das Kind aktiv werden kann".
Maria Montessori, Grundlagen meiner Pädagogik, S. 21

Das ist genau der Kern, den ich hier immer wieder versuche zu beschreiben! Genau das meine ich!

Einen entspannten Sonntag wünscht Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Bliss
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Bliss »

Was bedeutet das für eine Schulklasse von bis zu 30 Kindern? Wie soll das praktisch aussehen?
Momo
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Momo »

Bliss hat geschrieben:
Was bedeutet das für eine Schulklasse von bis zu 30 Kindern? Wie soll das praktisch aussehen?
Das ist natürlich die Kernfrage.
Umsetzbar von heute auf morgen, in einer Schulklasse mit 30 Schülern, ist dieses Konzept wahrscheinlich nicht. (Ganz abgesehen davon, dass ich 30 Schüler in einer Klasse nicht befürworte). Zunächst muss sich in der Schulstruktur etwas ändern. Lehrer müssten anders ausgebildet oder weitergebildet werden. Die Aufgabe eines Lehrers ist dann nicht mehr, nur Wissen zu vermitteln, sondern die Schüler zu beobachten, eine achtsame, wohlwollende innere Haltung einzunehmen und den Schülern Freiräume zu schaffen, in denen sie sich selbst aktiv entfalten und bilden können. So wie es beispielweise in der Freiarbeit der Montessorischulen umgesetzt wird. Diese Freiarbeit wird natürlich umrahmt von der individuellen Begleitung der Schüler und einem engen Kontakt zum Elternhaus.

Wenn uns klar ist, wie Schulen, der Umgang zwischen Schülern und Lehren und die Lernformen verändert werden müssten, ließen sich Mittel und Wege finden! Zunächst muss uns allen klar sein, dass eine Änderung nötig ist. Dann könnten Konzepte ausgearbeitet und schließlich Stück für Stück umgesetzt werden.


Ein Konzept könnte beispielsweise ganz grob und skizzenhaft, folgendermaßen aussehen:

- Die Lehrer werden vor einer Lehrerausbildung nach Fähigkeiten wie Empathie, einen achtsamen Umgang mit Kindern, die Fähigkeit andere Menschen begeistern zu können, einer menschlichen Lebendigkeit etc. ausgewählt. Die Inhalte der Ausbildung werden komplett neu gestrickt, die Lehrer werden zu empathischen, vertrauensvollen und wohlwollenden Lernbegleitern ausgebildet.

- Die Aufgabe der Lehrer ist, sich selbst zurückzunehmen und die Kinder einfühlsam zu beobachten. Bei dieser Beobachtung werden die Schüler exakt so belassen wie sie sind, es ist kein urteilendes Beobachten. Der Schüler mit seinen Fähigkeiten steht im Mittelpunkt.
Eine weitere Aufgabe ist, den Kindern Impulse zu setzen und sie auf Augenhöhe zu begleiten.

- In einer Klasse befinden sich maximal 18 Schüler, die von 2 Lehrern betreut werden.

- Die Klassen könnten jahrgansübergreifend organisiert sein. Dies hätte den Vorteil ,dass jüngere Schüler von den Älteren lernen könnten und die älteren Kinder wiederum durch Hilfestellungen ihr Wissen vertiefen und Selbstsicherheit sowie Verantwortung gewinnen

- Die Lehrer bieten den Schülern die Möglichkeit, projektbezogen und fächerübergreifend zu arbeiten, diese Projekte werden, wenn nötig, von einem Lehrer begleitet.

- Außerdem haben die Schüler die Möglichkeit, Arbeitsmittel und Materialien frei zu wählen: In offenen Regalen befinden sich vielfältige Bücher und Materialien, die Angebote unterbreiten und Anreize schaffen sollen. Hier werden die Schülerinnen und Schüler ermutigt, entsprechend ihrer Interessen mit auszuwählen, was in diese Regale gehört. Sie erfahren, dass ihre Meinungen und Vorlieben geschätzt werden. Neben Montessori-Materialien stehen z.B. Wissenschaftsmaterial, Computer, Sachbücher, Fachzeitschriften usw. zur Verfügung.

- Dabei können die Schüler frei wählen, ob sie eine Einzel,- Partner oder Gruppenarbeit bevorzugen

- Es besteht ein individueller Lern- und Arbeitsrhythmus

- Lehrer und Schüler führen ein Lerntagebuch, welches regelmäßig besprochen wird. Auch die Eltern erhalten ein regelmäßiges Feedback

- Die Lehrer besprechen mit den einzelnen Schülern ihre Lernziele, die Lehrer haben den Gesamtüberblick, während die Schüler die Möglichkeit haben, sich eigene Ziele zu stecken und selbst organisiert zu erarbeiten. Daraus entwickelt sich ein selbstständiges, eigenverantwortliches Arbeiten und Lernen.

- Die Kinder dürfen sich beim Lernen bewegen, das Lernen ist nicht auf den Klassenraum beschränkt. Spielen und sich bewegen sind elementare Lebensäußerung und Ausdrucksformen. Bewegung erhält uns nicht nur gesund und schlank, sondern verbessert auch die Leistungen beim Lernen.

- Schüler und Lehrer bewegen sich viel in der Natur oder besuchen soziale Einrichtungen, Handwerksbetriebe etc. Die Schüler haben durch viele Praktika die Möglichkeit, tiefer in unterschiedliche Bereiche hineinzuschauen, mitzuarbeiten und zu lernen

- Abgeschafft werden Schulnoten (auf jeden Fall in den unteren Klassen) und Hausaufgaben! In den Lerntagebüchern wird statt dessen individuell der Lernstand der Schüler beschrieben

- Abgeschafft wird der Leistungsdruck! Der Schwerpunkt liegt auf der Stärkung der Motivation der einzelnen Schüler, den Schülern wird Kompetenz, Verantwortung und selbstständiges Lernen zugetraut

- Die Schüler dürfen über viele Bereiche des Schullebens mitbestimmen. Während gemeinsamer Gesprächsrunden überlegen sie sich, womit sie sich am Tag beschäftigen werden, treffen Absprachen, wer welche Materialien zuerst benutzt, wer an den Computer geht und wer mit wem und wo arbeiten möchte. Die Gesprächskreise dienen der Mitteilung von Ideen und Vorschlägen für die Arbeit, zur Klärung von allgemeinen Fragen, der Konfliktbewältigung in der Gruppe, der Präsentation von Ergebnissen u.a.

- Die Schüler besuchen die Schulen von der 1. bis zur 13. Klasse, sodass keine vorzeitige Aussortierung stattfinden muss. Außerdem werden bestehende soziale Gefüge nicht auseinandergerissen. Die Schüler haben die Möglichkeit, unterschiedliche Abschlüsse zu machen.


So, dies waren einige Ideen am Sonntag Abend,
schöne Grüße von Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Maca
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Maca »

Momo,

Wenn 30 Kinder sich bewegen dürfen und auch sollen,bricht komplettes Chaos aus :mrgreen: :fahne:
Rabaukenmama
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Momo hat geschrieben:Gestern Nacht habe ich in meinem neuen Montessoribuch gelesen und war wie vom Donner gerührt, als ich folgendes Zitat von Maria Montessori las:

"Immer muss die Haltung des Lehrers die der Liebe bleiben. Dem Kind gehört der erste Platz und der Lehrer folgt ihm und unterstützt es. Er muss auf seine eigene Aktivität zugunsten des Kindes verzichten. Er muss passiv werden, damit das Kind aktiv werden kann".
Maria Montessori, Grundlagen meiner Pädagogik, S. 21

Das ist genau der Kern, den ich hier immer wieder versuche zu beschreiben! Genau das meine ich!
Ich habe mal in einem Montessoribuch gelesen dass der Erwachsene wie der "waiter" für ein Kind sein soll: grundsätzlich passiv, aber wenn er merkt, dass das Kind Hilfe benötigt, sofort zur Stelle. An der Stelle frage ich mich schon: MÖCHTE ich eigentlich der "waiter" (also so eine Art Bediensteter oder Kellner) sein, der nichts zu tun braucht als ständig zu beobachten und sprungbereit zu sein, wenn seine Hilfe gebraucht wird? Ehrlich gesagt: NEIN, das will ich nicht.

Viele Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte, war Erziehung geprägt von einer gar nicht wertschätzenden Haltung dem Kind gegenüber. Kinder wurden als lästige Anghängsel empfunden, als von Natur aus "falsche" Kreaturen, die erst von wohlmeinenden Erwachsenen mit viel Zwang und Manipulation in die "richtige" Richtung gedrängt werden müssen und deren Eigenwille möglichst früh gebrochen werden sollte damit sie gefälligst das tun, was die Eltern oder Lehrer von ihnen erwarten. Eigene Bedürfnisse hatte ein Kind gar nicht erst zu haben und wenn doch so hatten sich diese grundsätzlich den Bedürfnissen der Erwachsenen unterzuordnen. Schichtweg: eine schreckliche Einstellung und sicher alles andere als förderlich!

Aber ist der andere Weg nur deshalb besser, weil er genau das Gegenteil bedeutet? Die Bedürfnisse das Kindes an erste Stelle stellen hört sich erst mal gut an, aber was ist mit mir? Habe ich denn keine Bedürfnisse mehr zu haben? Darf ich nicht das Bedürfnis haben, mal UNGEFRAGT was zu erklären oder gar zu korrigieren? Und darf ich nicht mal das Bedürfnis nach ein paar Minuten Ruhe haben?

Ich finde, keiner sollte an "erster Stelle" stehen, mein Favorit ist der "runde Tisch" wo IN DER SITUATION entschieden wird, welche Bedürfnisse gerade IN DEM MOMENT den ersten Platz bekommen. Ein Kind kann (um auf das Zitat von Maria Montessori einzugehen) immer dann aktiv werden, wenn man es in Ruhe "machen" lässt. Es braucht keine ständige Unterweisung, so verstehe ich das Zitat und so passt es auch für mich. Aber deshalb auf erklären oder korrigieren ganz zu verzichten oder das nur auf ausdrückliche Bitte hin zu tun empfinde ich als den falschen Weg.

Von klein auf lernen unsere Kinder wahnsinnig viel von uns. Sie kommen völlig hilflos auf die Welt und lernen erst im Laufe der Jahre nach und nach, ihre Bedürfnisse selbst zu befriedigen. Das meiste, was sie von uns lernen, geschieht ganz einfach ohne Unterweisung durch "nachmachen" wenn das Kind die nötige Reife und den Willen dazu hat. Aber einige Dinge müssen wir auch aktiv vermitteln, z.B. wie man sich die Intimregion korrekt wäscht oder ein Streichholz anzündet. Kinder entwicklen beim experimentieren mit ihren Fähigkeiten oft scheinbar "falsche" Varianten, werden aber durch das Ergebnis (wenn ich beim Becherturm mit dem kleinsten Becher beginne fällt er immer um, beginne ich aber mit dem größten bleibt er stehen) selbst korrigiert und brauchen keinen Erwachsenen, der ihnen das sagt. Und sie haben auch das Recht, es auf IHRE Art zu machen, es ist schließlich Spiel!

Dann gibt es aber Dinge, wo es nötig ist zu sagen "Soundso geht das". Als mein Sohn erstmals selbst ein Streichholz anzünden wollte hat er es aus Angst vor der Flamme viel zu weit hinten gehalten. Natürlich ist es abgebrochen, ebenso das nächste und das übernächste Streichholz. Da habe ich ihm dann sehr wohl gezeigt, wo er das Streichholz halten kann, damit es ihm nicht abbricht, er sich aber auch nicht die Finger verbrennt.

Ich selbst habe mit 9 Jahren schwimmen gelernt. Leider habe ich es "falsch" gelernt, also mit einer Fehlstellung eines Beines. Diese ist relavit häufig und heißt "Ristschlag" weil da statt das normalen Beintempi bei einem Bein der Rist vom Wasser abstößt. Trotz dieses Technikfehlers war ich immer eine relativ gute Schwimmerin. Meine Mutter sah zwar, dass ich das falsch machte, korriegierte mich aber nicht weil sie es nicht für nötig hielt. Schließlich kam ich auch so beim schwimmen gut voran und was schneller als die meisten Gleichaltrigen.

Als dann in der Hauptschule schwimmen als Unterrichtsfach kam (ich habe an anderer Stelle davon berichtet) wurde ich genau auf Grund DIESES Technikfehler zuerst in die Gruppe der Fast-Nichtschwimmer und dann, weil ich keinen Kopfsprung konnte, in die Gruppe der Nichtschwimmer gesteckt. Kein Lehrer nahm sich jemals die Mühe, mit mir am korrekten Beinschlag zu arbeiten und so blieb er viele Jahre falsch, bis ich mit über 30 Jahren aus Eigenmotivation mühevoll lernte, diesen Technikfehler (immerhin schwamm ich seit über 20 Jahren so) auszubessern.

Rückblickend wäre ich meiner Mutter über Korrektur dankbar gewesen. Denn dann hätte ich die Chance gehabt, statt einer guten Schwimmerin eine sehr gute Schwimmerin zu werden und ziemlich sicher wäre mein Schwimmunterricht in der Schule auch anders abgelaufen. Rückblickend wäre sie die Person gewesen, die zumindest versuchen hätte sollen, mir gleich das korrekte schwimmen beizubringen. Wenn ich es dann nicht gewollt oder angenommen hätte - ok! Statt dessen wußte ich gar nichts von meinem Fehler und auch nicht davon, dass er meiner Mutter sehr wohl aufgefallen war. Ich fiel aus allen Wolken weil ich tatsächlich geglaubt habe, schnell UND richtig zu schwimmen als ich wegen dieses Technikfehlers in die schlechtesten Gruppen eingeteilt wurde.

Ist es Aufgabe eines Lehrers, der neben mir noch 10 echte Nichtschwimmer in der Gruppe hat, mit mir den korrekten Beinschlag zu üben? Oder sollte er sich eher darum kümmern dass die anderen erst mal lernen, sich überhaupt über Wasser zu halten? Was meinst du?
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Momo
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Momo »

Rabaukenmama hat geschrieben:
Ich habe mal in einem Montessoribuch gelesen dass der Erwachsene wie der "waiter" für ein Kind sein soll: grundsätzlich passiv, aber wenn er merkt, dass das Kind Hilfe benötigt, sofort zur Stelle. An der Stelle frage ich mich schon: MÖCHTE ich eigentlich der "waiter" (also so eine Art Bediensteter oder Kellner) sein, der nichts zu tun braucht als ständig zu beobachten und sprungbereit zu sein, wenn seine Hilfe gebraucht wird? Ehrlich gesagt: NEIN, das will ich nicht.
Liebe Rabaukenmama, ich denke, alle Ansätze sollten nicht zu extrem gesehen werden. Dann wird selbst der beste Ansatz dogmatisch und unflexibel und verliert den "guten Geist" der darin steckt und den Maria Montessori meinte. Ich sehe auf der einen Seite immer den Gedanken, der Hinter einer solchen Aussage steht und dann auf der anderen Seite sie Umsetzung, die einfach ganz menschlich individuell und lebendig ist. Für mich ist die Kernaussage bei dieser Aussage von Maria Montessori, dass ein Mensch in der Lage sein sollte, sich zurückzunehmen und zu beobachten, dann aber präsent zu sein, wenn Fragen kommen. Also erstmal abzuwarten und schauen, wann sie gebraucht werden. In jeder Situation wird die Umsetzung anders aussehen, weil natürlich nicht nur die Bedürfnisse des Kindes bestehen, sondern auch meine eigenen, die anderer Menschen etc. Es geht dabei um die innere Haltung, und diese Haltung finde ich sehr fruchtbar, für beide Seiten. Denn auch ich kann als Begleiterin und Beobachterin sehr viel lernen, ich sehe Dinge, die mit vielleicht gar nicht aufgefallen wären. Wenn Lehrer und Eltern nur einen Hauch dieser Haltung unseren Kindern gegenüber zeigen würden, wäre es schon sehr fruchtbar, davon bin ich überzeugt.

Rabaukenmama hat geschrieben:
Rückblickend wäre ich meiner Mutter über Korrektur dankbar gewesen. Denn dann hätte ich die Chance gehabt, statt einer guten Schwimmerin eine sehr gute Schwimmerin zu werden und ziemlich sicher wäre mein Schwimmunterricht in der Schule auch anders abgelaufen. Rückblickend wäre sie die Person gewesen, die zumindest versuchen hätte sollen, mir gleich das korrekte schwimmen beizubringen. Wenn ich es dann nicht gewollt oder angenommen hätte - ok! Statt dessen wußte ich gar nichts von meinem Fehler und auch nicht davon, dass er meiner Mutter sehr wohl aufgefallen war. Ich fiel aus allen Wolken weil ich tatsächlich geglaubt habe, schnell UND richtig zu schwimmen als ich wegen dieses Technikfehlers in die schlechtesten Gruppen eingeteilt wurde.
Dies wäre ein Punkt, an dem ich meiner Tochter erstmal meine Hilfe angeboten hätte und ihr dann auch immer wieder meinerseits gezeigt hätte, wie die Technik richtig funktioniert. Ich denke, wenn man in diesem Fall ein Kind wohlwollend darauf aufmerksam macht, ist es gewillt, es richtig zu lernen. Den Zeitpunkt hierfür muss man selbst erspüren. Es kommt meiner Erfahrung nach sehr darauf an, WIE ich einem anderen Menschen oder einem Kind Hilfe anbiete. Kinder spüren, ob diese Hilfe wohlwollend gemeint ist. Schwimmen ist wie Fahrradfahren, das geht in Fleisch und Blut über und wenn sich dort grobe Fehler einschleichen, ist es schwer, diese später zu korrigieren. Das wissen wir Erwachsenen und deshalb würde ich hier auch schneller meine Hilfe anbieten als beispielsweise beim korrekten Schreiben etc.


Rabaukenmama hat geschrieben:

Ist es Aufgabe eines Lehrers, der neben mir noch 10 echte Nichtschwimmer in der Gruppe hat, mit mir den korrekten Beinschlag zu üben? Oder sollte er sich eher darum kümmern dass die anderen erst mal lernen, sich überhaupt über Wasser zu halten? Was meinst du?
Schwer zu sagen. Bestenfalls hättest Du einen Einzeltrainer erhalten müssen, der sich ganz konzentriert nur um Dich alleine kümmert. Wenn Du den Wunsch hattest, Dein Schwimmen zu optimieren um noch schneller schwimmen zu können, wäre dies eine gute Möglichkeit gewesen. Wie hast Du es in der Situation selbst empfunden? Du warst trotzdem eine sehr gute Schwimmerin, hattest Du den Wunsch, die korrekte Technik zu lernen? Wolltest Du noch schneller schwimmen können? Oder hat es Dich geärgert, dass Du als gute Schwimmerin mit den Anfängern in einer Gruppe warst? Das sind ja ganz unterschiedliche Ansätze für das weitere Lernen, die Motivation, die vom Kind ausgeht, ist eine andere. Und dementsprechend auch die Lernerfolge.

Liebe Grüße von Momo
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Rabaukenmama
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Momo hat geschrieben: Die Aufgabe eines Lehrers ist dann nicht mehr, nur Wissen zu vermitteln, sondern die Schüler zu beobachten, eine achtsame, wohlwollende innere Haltung einzunehmen und den Schülern Freiräume zu schaffen, in denen sie sich selbst aktiv entfalten und bilden können. So wie es beispielweise in der Freiarbeit der Montessorischulen umgesetzt wird. Diese Freiarbeit wird natürlich umrahmt von der individuellen Begleitung der Schüler und einem engen Kontakt zum Elternhaus.
Wie willst du den "engen Kontakt mit dem Elternhaus" bewerkstelligen? Es gibt etliche Eltern die sich genau NULL dafür interessieren, was in der Schule geschieht genauso wie Eltern, welche zwar grundsätzlich Interesse haben, aber selbst dermaßen in Schwierigkeiten stecken, dass ihnen Kraft und Möglichkeiten fehlen, ihre Kinder auch nur irgendwie zu unterstützen.

Momo hat geschrieben: - Die Aufgabe der Lehrer ist, sich selbst zurückzunehmen und die Kinder einfühlsam zu beobachten. Bei dieser Beobachtung werden die Schüler exakt so belassen wie sie sind, es ist kein urteilendes Beobachten. Der Schüler mit seinen Fähigkeiten steht im Mittelpunkt.
Eine weitere Aufgabe ist, den Kindern Impulse zu setzen und sie auf Augenhöhe zu begleiten.
Was meinst du mit "Die Schüler werden exakt so belassen, wie sie sind?" Wenn ein Schüler seine Mitschüler schikaniert, beim lernen stört, körperlich und psychisch Gewalt ausübt, mobbt und quält, soll er dann wirklich so belassen werden :twisted: ? Natürlich hat so ein Verhalten seine Hintergründe, die liegen aber meistens in der Herkunftsfamilie, an der die Schule nichts ändern kann.

Wenn ein Kind (z.B. mit Migrationshintergrund) total viele Rechtschreibfehler macht, darf es dann nicht korrigiert werden weil das Kind daneben, welches aus einem sozial gut gestelltem, weltoffenen Elternhaus kommt, auch nicht korrigiert wird? Ist DAS etwa Chancengleichheit? Oder werden die Eltern des besser gestellten Kindes daraufhin gedrillt, das Kind auch zu Hause nicht zu korrigieren damit der Unterschied zum Kind mit Migrationshintergrund nicht größer wird :gruebel: ?

Wenn ein Kind nur Interesse daran hat, mit Bausätzen verschiedene Varianten von Baggern zu bauen und sich null für schreiben, lesen oder rechnen interessiert und wohlmeinende Impulse ablehnt - soll es dann in deiner Wunschschule tatsächlich 13 Jahre lang darin unterstützt werden (indem man immer neue Baukästen für das Kind anschafft) weil man darauf vertraut, dass sich das Kind schon IRGENDWANN MAL auch für andere Dinge interessieren wird?
Momo hat geschrieben: - Die Kinder dürfen sich beim Lernen bewegen, das Lernen ist nicht auf den Klassenraum beschränkt. Spielen und sich bewegen sind elementare Lebensäußerung und Ausdrucksformen. Bewegung erhält uns nicht nur gesund und schlank, sondern verbessert auch die Leistungen beim Lernen.
Dann tun mir auch in einer Klasse mit nur 18 Kindern diejenigen leid, die zum lernen Ruhe und Konzetration brauchen. In der Schule, in die mein Sohn kommt, dürfen sich die Kinder auch während der Unterrichtsstunden im Schulhaus frei bewegen, vielfältige Spiel- und Lernmöglichkeiten, die in den Gängen angeboten werden nutzen, oder auch nur mal eine Runde Tischfußball spielen. Ich bin schon sehr gespannt wie das in der Praxis aussehen wird und ob wirklich alle Schüler ausreichend Ruhe haben werden um "ihr Ding" zu machen. Ich werde berichten!
Momo hat geschrieben: - Abgeschafft wird der Leistungsdruck! Der Schwerpunkt liegt auf der Stärkung der Motivation der einzelnen Schüler, den Schülern wird Kompetenz, Verantwortung und selbstständiges Lernen zugetraut
Auch hier gilt: Kinder aus sozial engagierten Elternhäusen (dazu zähle ich mal pauschal alle Kinder, deren Eltern hier im Forum sind) haben es da ein vielfaches leichter weil ihnen selbstständiges lernen bzw. Verantwortung übernehmen bekannt und vertraut ist. Aber es gibt eltiche Kinder die gewohnt sind, zu gehorchen und die sich selbst einfach nichts zutrauen und die auch durch positves bestärken aus Versagensangst heraus (zu Hause wird schließlich jeder "Fehler" bestraft, also besser nichts tun dann macht man keine Fehler) nicht bereit sind, was auszuprobieren. Ich habe leider auch keine Lösung für diese Kinder, aber bei der Methode "alle werden motiviert und ihnen wird Kompetenz und Verantwortung zugetraut" sind sie die Verlierer.

Den meisten von Dir angeführten Punkten stimme ich aber vollinhaltlich zu :) .
Zuletzt geändert von Rabaukenmama am Mo 22. Feb 2016, 12:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Rabaukenmama
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Rabaukenmama hat geschrieben:
Momo hat geschrieben: Ist es Aufgabe eines Lehrers, der neben mir noch 10 echte Nichtschwimmer in der Gruppe hat, mit mir den korrekten Beinschlag zu üben? Oder sollte er sich eher darum kümmern dass die anderen erst mal lernen, sich überhaupt über Wasser zu halten? Was meinst du?
Schwer zu sagen. Bestenfalls hättest Du einen Einzeltrainer erhalten müssen, der sich ganz konzentriert nur um Dich alleine kümmert. Wenn Du den Wunsch hattest, Dein Schwimmen zu optimieren um noch schneller schwimmen zu können, wäre dies eine gute Möglichkeit gewesen. Wie hast Du es in der Situation selbst empfunden? Du warst trotzdem eine sehr gute Schwimmerin, hattest Du den Wunsch, die korrekte Technik zu lernen? Wolltest Du noch schneller schwimmen können? Oder hat es Dich geärgert, dass Du als gute Schwimmerin mit den Anfängern in einer Gruppe warst? Das sind ja ganz unterschiedliche Ansätze für das weitere Lernen, die Motivation, die vom Kind ausgeht, ist eine andere. Und dementsprechend auch die Lernerfolge.
Einen Einzeltrainer für schwimmen hätten sich meine Eltern nicht leisten können und ich selbst wäre auch nie auf die Idee gekommen danach zu fragen weil ich von der Möglichkeit des Einzeltrainings gar nichts gewusst habe. Ich war zwar eine gute, aber eben wegen des Technikfehlers keine sehr gute Schwimmerin. Und ich war unzufrieden in der Nichtschwimmergruppe weil ich das Gefühl hatte, dort nicht hinzugehören. Der Lehrer dieser Gruppe war übrigens auch der Ansicht, hatte aber da kein Mitspracherecht. Aber ihm mache ich den allerwenigsten Vorwurf weil er eben vor eine gegebene Situation (eine Gruppe von ca. 10 Kindern von denen 9 gar nicht oder fast nicht schwimmen können) vorgefunden hat und dann entschieden hat, das zu tun, was er für am notwendigsten gehalten hat. Und wenn man bedenkt dass man als Nichtschwimmer natürlich viel leichter ertrinken kann verstehe ich das erst recht.

Wie kommst du übrigens darauf dass schreiben im Gegensatz zu schwimmen oder radfahren NICHT in Fleisch und Blut übergeht? Hältst du es für weniger frustrierend einem 10jährigen Kind zu sagen, was falsch geschrieben ist, als einem 6jährigen? Oder sagst du es dem 10jährigen auch nicht und wartest bis es andere tun?
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Momo »

Ergänzung zur oben geschriebenen "Wunschliste" an eine Schule:

- Selbstverständlich lernen die Schüler und Eltern die Klassenlehrer vor dem Schulbeginn persönlich kennen. Hier kommen alle zu Wort, auch die Kinder! Die Eltern können kurz über die Entwicklung, Fähigkeiten und Interessen ihrer Kinder berichten. Die Lehrer können sich kurz persönlich vorstellen, es sind schließlich wichtige Bezugspersonen für die Kinder in der Schulzeit. Lehrer und Eltern stehen auch weiterhin im engen Kontakt, gute "Teamarbeit" wirkt sich sicherlich sehr positiv auf die Entwicklung und Lernerfolge der Kinder aus!

Momo
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