Probleme nach Sprung - aber erst später...

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
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Sabine G.
Dauergast
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Registriert: Di 23. Okt 2007, 13:28

Probleme nach Sprung - aber erst später...

Beitrag von Sabine G. »

Hallo allerseits,

meine kleine Tochter Lena ( 9) geht seit diesem Herbst aufs Gymnasium. Davor war sie zum Halbjahr von Klasse drei auf vier gesprungen, was super geklappt hat. Das Uebertrittszeugnis war toll. Nun ist sie naturgemaess die Juengste in der Gymnasialklasse. Wir haben sie deswegen in die "Blaeserklasse" eingeschult. Da sollte das Gemeinschaftsgefuehl groesser sein. Lena selbst findet das Gymmi ganz toll - auch wenn die Noten noch... aehm... zu wenig Begeisterung Anlass geben. Ich vermute allein weil ihre beste Freundin ( ein Jahr weiter als sie) ebenfalls dorthin geht. Die lange Busfahrt ( wir wohnen auf dem Land) haben die beiden dann naemlich viel Zeit zum schnattern ;-)

Nun haben wir aber auf dem letzten Elternabend erfahren, dass unsere Tochter gemobbt werden wuerde. Bis zu den Traenen. Ein anderes Kind warf ihr an den Kopf, dass sie ja nicht "gymnasialgeeignet" sei. Man wundert sich by the way ueber den Wortschatz der heutigen Kinder. Nun ist es wirklich nicht schwer sich vorzustellen, dass die Spiele meiner Tochter tatsaechlich noch anders sind, als z.B. das der ebenfalls vorhandenen 11- jaehrigen. Dennoch fand ich es befremdlich, dass ich bitte zum Gespraech anruecken soll - man wolle den Werdegang meiner Tochter doch noch etwas naeher kennen lernen. An der geistigen Entwicklung habe man nichts auszusetzen... aber...
Ich habe ein dezentes Dejavue. Kurz nach Lenas Sprung hagelte es auch in diese Richtung deftige Worte - die dann allerdings spaeter korrigiert worden sind. Das war zwar sehr befriedigend - aber 100 weisse Haare habe ich seit dieser Zeit definitv mehr ;-)
Ich habe ein doppeltes Dejavue, denn bei meiner grossen Tochter hoerte ich solche Begriffe wie "nicht gymnasialgeeignet" von den Lehrern ( die machte uebrigens ein 1er Abi genau in den Faechern, weswegen sie da eigentlich nicht hingehoert haette). Selbstkritisch muss ich gestehen - irgendwann wird man ja mal des Kaempfens muede - dass ich inzwischen automatisch in eine innerliche Abwehrhaltung gehe. Nicht schon wieder.

Weil ich auch noch berufstaetig bin, kann ich auch nicht hoppladihopp in jede Sprechstunde, das wird sich jetzt noch eine Woche verzoegern. Befrage ich Lena, dann winkt die nur muede ab. Sei alles nicht so wild.
Vorderhand habe ich versucht sie mit Tipps auszustatten. Darunter, dass sie bitte gezielt nach Maedels schauen soll, die ebenfalls am Rand stehen. In dieser Gruppe koenne sie bestimmt gute Freunde finden.
Ect.

Von der grossen Tochter weiss ich, dass solche Sprueche wie "nicht gymasialgeeignet" zu brettharten Persoenlichkeiten fuehren koennen. Ich weiss, dass Lena zwar leicht mal ein paar Traenen vergiesst - aber ebenso schnell schon wieder den Ruecken durchdrueckt. Lauter Kaempfernaturen. Aber eigentlich... hatte ich gehofft, dass sie auf dem Gymmi einen neuen Freundeskreis erschliessen wuerde.

Mich wuerden die Erfahrungen anderer Springerkinder sehr interessieren! Positiv wie negativ!

Von meinem Kontakt zu einer Hochbegabtenvereinigung ist mir ein Satz ganz nachhaltig im Hinterkopf: Sie werden sehen... NACH einem Sprung scheint erst alles gut! Und gerade dann, wenn man sich darueber so richtig freuen kann... fangen die Probleme wieder an.

Es sind nicht die gleichen Probleme wie frueher - aber unterschwellig war ich immerhin schon mal gewappnet. In diesem Sinne hoffe ich auf Eure Tipps, Tricks und Erfahrungen!

Viele Gruesse
Sabine
Gela
Dauergast
Beiträge: 125
Registriert: Mi 17. Okt 2007, 19:43

Re: Probleme nach Sprung - aber erst später...

Beitrag von Gela »

Hallo Sabine,

mein Sohn hat keine Klasse übrsprungen, was bei uns in Österreich besonders auf dem Land gar nicht in Betracht gezogen wird.
Er ist aber 3 Tage vor dem Stichtag geboren und ist seit Beginn seiner Schulkarriere immer der Jüngste.
Damit hatte wir ein ähnliches Problem. Mein Sohn hatte enorme Stabilisierungsschwiergigkeiten in den ersten 4 Schuljahren (ca. ein Jahr tägliches Gejammer:" Ich gehe da nicht mehr hin, das ist so fad!"), schließlich konnte er lesen, schreiben, weit über den 100ter rechnen und im Sachunterricht hat er mehr von der Vorbildung aus dem Montessorikindergarten vergessen als in den ersten Schuljahren dazugelernt. Das dauernte an, bis er einen Freund fand, der stundenlange Hilfsdienste beim Legobauen hinnahm und die Verbindung zu seinen Klassenkameraden herstellte.
Der Übertritt ins Gymnasium war wieder schwierig, er war wieder der Kleine "übergescheite", der zwar für herausragende Leistungen Anerkennung erhielt, aber er war einfach zu verspielt und unreif im Vergleich zu den Anderen. Von der "Altklugheit" des Vierjährigen war nichts übriggeblieben.
In der neuen Schule hatte er wieder vier Jahre Zeit, sich einen Platz im Klassenverband zu suchen, was letzlich auch gut gelang, er hat aber in der Zwischenzeit glernt, recht gut mit sich alleine klarzukommen.
Letztes Jahr hat er auf eine berufbildende Schule gewechselt. Hier konnte er endlich seine speziellen Fähigkeiten im technischen Verständnis und im Umgang mit dem Computer ausspielen und sich erstmal von Anfang integrieren. Hier sind auch endlich die Zeugnisse seinen Möglichkeiten endsprechend.
Er ist jetzt 15 Jahre alt, hat seinen Weg gefunden und fühlt sich offensichtlich recht wohl damit, und mit Internet hat er im Chat die Möglichkeit seinen Interessen entsprechend Kontakte zu knüpfen, ohne auf eine altershomogene Gruppe reduziert zu sein.

Noch weniger gut ging es mir selbst in dieser ganzen Zeit. Ich war mit eigenen Erfahrungen und Ängsten konfrontiert, konnte mich noch sehr gut erinnern, wie einsam ich mich in diesem Alter gefühlt habe usw.. Ich habe lange gebraucht, um zu erkennen, dass er mit dieser Siuation ganz anders umgeht. Seither können wir auch über die Situation reden, ohne das obligate Achselzucken und "Geht schon"

Möglicherweise steht ihr ja auch vor einer ganz neuen Situation und einem ganz anderen Weg. Ich habe gelernt, dass ich als Mutter meist nicht für meine Kinder kämpfen muss, ich spare meine Energie, um einfach für sie dazusein.

Lg Gela
Sabine G.
Dauergast
Beiträge: 76
Registriert: Di 23. Okt 2007, 13:28

Re: Probleme nach Sprung - aber erst später...

Beitrag von Sabine G. »

Hallo Gela,

nein, zuruecknehmen geht leider bei diesem Kind nicht. Die Grosse habe ich ab der Mittelstufe "laufen" lassen. Ich bekomme auch nicht bei jeder 4 gleich die Schwaemmchen. Ich war immer der Meinung, dass aus meinen Kindern selbststaendige Menschen werden sollen.
So begann ich bei der zweiten Tochter das auch. Es gab weder im Kindergarten irgendwelche Klagen - noch in der ersten Klasse. Und ganz urploetzlich wurde in der zweiten Klasse alles anders. Nur haben wir das gar nicht mitbekommen. Lena lieferte sich wohl echte Sturheitsgefechte mit der Lehrerin. Ich moechte noch einfuegen, dass Lena jeden Morgen zur Schule gebracht wurde - die Lehrerin aber nie meinen Mann ansprach. Erst als sie ihm vor die Fuesse "spuckte", dass die Versetzung unserer Tochter gefaehrdet sei.
Der Hintergrund bestand aus einem Schoenschreibheft. Lena hat ungeruehrt von Fristen, letzten Fristen, allerletzten Fristen... dort einfach fast gar nix gemacht. Wenn ich fragte - meinte sie nur, noenoe, passt so schon. Im Hausaufgabenheft stand kein Ton davon.
Es folgte eine Sperrung zum Schulausflug und die Massgabe das innert eines Wochenendes nachzuholen. Das war dann so ungefaehr die Aufgabenstellung eines Halbjahres. Sie sass von morgens 8 bis abends 20 Uhr. Samstag und Sonntag.
Lena wurde versetzt mit einem saumaessigen Zeugnis.
Ich ging zum Psychologen und liess sie testen - freute mich.
Dritte Klasse - welch Freude, neue Lehrerin. Immernoch glaubte ich, ach, jetzt wird alles gut. Es kamen endlich wieder 1en und 2en. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie auch noch ganz normale Freundschaften.
Ploetzlich... wieder Absturz. Nachdem es ja in der dritten Klasse langsam aber sicher wichtig wird ein Uebertrittszeugnis anzuvisieren... fing ich echt an nervoes zu werden. Die erste 4 - nun ja. Dann in Deutsch eine drei..., Du hoer mal, so geht das nicht!
An dieser Stelle muesste ich eigentlich Grossschreibung verwenden, denn an dieser Stelle bruellte Lena:
Lass mich endlich in Ruhe! Das war die beste Arbeit der Klasse und die nennen mich nur noch Streberin!
An dieser Stelle war bei mir Schluss. Ich ging zur Lehrerin. Fragte Lena vorher: sag mal, was haelst DU von einem Sprung?
Au jaaaaa!

Es folgte ein echter Nervenkrieg, wobei ich ueber beide Lehrerinnen dankbar bin, dass sie trotz erheblicher Bedenken "mitgezogen" haben! Der Haken lag bei der Schule hier. Lena musste erneut getestet werden ( kein Problem, piepste sie) und immernoch hakte es. An Spitzentagen fuehrte ich 14! Telefonanrufe. Es zog sich ueber Wochen und erst am letzten Schultag des Halbjahres war es dann so weit.

Nach den Ferien war Lena also in der 4. Klasse. Wer glaubt, ha, nun hoert aber der Kampf auf - nein, es mutierte zum 2 Frontenkrieg. Lena duerfe nicht zur Erstkommunion. Sie habe ja Unterricht verpasst, den sie auch nicht aufholen koenne - wir reden nicht vom ausserschulischen Erstkommunionsunterricht, da war sie immer da. Nein, vom Schulstoff eines Halbjahrs 3. Klasse. An dieser Stelle schrumpfte mein Kampfwille beachtlich und tatsaechlich reichte da schliesslich das Auflaufen der elterlichen Doppelspitze zu einem Elternabend der Erstkommunionkinder. Kleine Erinnerung daran, dass wir eine oekumenische Ehegemeinschaft sind. An dieser Stelle haette ich ohne mit der Wimper zu zucken meinen Glauben an den Nagel gehaengt und vorm juengsten Gericht meiner Mutter einen langen Vortrag gehalten, warum es nicht moeglich gewesen waere ihr den Wunsch vom Sterbebett zu erfuellen. Darunter haette ich ihr auch dargelegt, dass die Maedels aus dem Erstkommunionskurs mit Lena ueber Wochen kein Wort sprachen. Doch nicht mit dieser Streberin! Sehr christlich.

In der Schule bekam ich erst einen riesigen Ordner augehaendigt. Dazu den Satz, wie ich denn nur darauf kommen wuerde, dass das Kind das schaffen wuerde, es wuerde es EH nicht schaffen.
Die Wochen waren zwiefelsohne sehr anstrengend. Ich hatte meine Arbeitsstelle gekuendigt und war Lenas Trainerin sobald sie zuhause auftauchte.
Es hat sich gelohnt. Fuer folgende zwei Saetze:
In der ersten Woche steht Lena ploetzlich von den Hausaufgaben auf, umarmt mich und sagt: Mama, ich bin Dir SO dankbar, dass ich springen durfte!
Und in der dritten Woche, gleiche Szenerie und: Mama, jetzt bin ich endlich wieder gluecklich!

Dass das Zeugnis supi war, ist da fast sekundaer. Dass die Sozialbeurteilung supi war, ist mir mehr wert - aber dass das Kind mit dem Sprung wie ausgewechselt happy war und blieb... war das groesste Geschenk.

Nichts davon - gar nichts - waere ohne Kampf gegangen.

Das Zwischenzeugnis kam und Lena liess bildlich geschrieben den Griffel fallen. Wieder Absturz und wer meint... ja dann Mutter, handel, reagier... zuweilen glaube ich, wir sind in einem Reagenzglas gefangen und Lena schaut interessiert ihrem Experiment zu. Ich rief beim Schulpsychologen an - ja mei, meinte er, so sind solche Kinder halt. Da koennen sie nix machen. Auf dem Gymmi wird`s besser!
Der Unterschied war auch, dass Lena weiterhin gluecklich ihr Reagenzglas betrachtete.

Das ist richtig. Lena muss sich nun strecken. Geistig ist das der bestmoegliche Zustand, denn sie liebt die Herausforderung; bekam einen stark vorhandenen Ehrgeiz attestiert.

Nur... ich hatte analog auf neue Freunde gehofft ( in der 4. Klasse fand sie viele - aber keine geht auf ihre Schule) und nicht auf... seufz. Tief im Innern weiss ich schon, dass sie es "packt". Sie wird dort auf dem Gymmi bleiben. Ich kann es an meiner eigenen Reaktion erkennen, die ich am ersten Tag in der 4. Klasse genauso verspuerte. Etwas wie... Angst und 10 Traenen vorneweg, dann Trotz, na warte, Ihr werdet schon sehen.

Allerdings mache ich mir keine Illusionen. Es scheint Lena nicht immer moeglich zu sein zu erkennen, was gerade wichtig ist. Andersherum gibt es dann Phasen, wo sie das messerscharf auseinanderhaelt, den Kopf leicht schraeg gehalten Worte in ihr Gedaechtnis schreibt und wirklich verinnerlicht...

Modell zerstreuter Professor. Da ich mit einem solchen verheiratet bin... weiss ich, was das heisst ;-)

Viele Gruesse
Sabine
Gela
Dauergast
Beiträge: 125
Registriert: Mi 17. Okt 2007, 19:43

Re: Probleme nach Sprung - aber erst später...

Beitrag von Gela »

Hallo Sabine,

dass Kampf zuweilen notwendig ist, wird aus deiner Schilderung ja sehr deutlich. Neben der Kleinigkeit, dass ich mit einem Gym-Lehrer verheiratet bin (und damit ein nicht zu vernachlässigbarer Teil unserer Freunde Lehrer sind), meine beiden Kinder im schulpflichtigen Alter sind und arbeite ich selbst als Ergotherapeutin mit behinderten, verhaltensschwiergen, "wahrnehmungsgestörten" (schreckliches Wort) und lernschwachen Kinder.
Ich weiß sehr genau, auf welches Unverständnis man in der Schule stößt, wenn nicht alles seinen vorgezeichneten Gang geht
Entgegenkommen oder Unterstützung meist eher Fehlanzeige. Man bekommt schon häufig den Eindruck, dass man Lehrer in ihrer Bequemlichkeit stört, wenn ein Kind besonders ist, in welche Richtung auch immer.
Ich weiß, ich tue damit sehr vielen Unrecht, es gibt viele engagierte und verständnisvolle Lehrer, aber ich führe im Monat zwei bis drei Gespräche und das seit über 10 Jahren, ich habe so einen kleinen Überblick erhalten...
Zu deinem "kleinen zerstreuten Professor" kann ich aus beruflicher Erfahrung sagen, dass sich besonders bei Mädchen vieles in der Pubertät relativiert. Unser Gehirn wird in dieser Zeit zum Teil völlig neu strukturiert, mit Zuwendung, ein wenig Anleitung und ein bißchen Widerstand, um sich zu reiben und den eigenen Standpunkt zu finden wird sie mit Sicherheit lernen, ihre Möglichkeiten gezielter auszuschöpfen.
In der Zwischenzeit ist es vor allem ihre Sache, wieviele Kompromisse sie eingehen will, um in der Klasse dazuzugehören und Freunde zu finden, dabei können wir als Eltern kaum helfen.

Apropo Modell zerstreuter Professor, ich habe das Gefühl mein mann ist mit so jemand verheiratet...

Viele Grüße
Angelika
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