Hausaufgaben in der Grundschule

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Momo
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Re: Hausaufgaben in der Grundschule

Beitrag von Momo »

Koschka hat geschrieben:
Es ist nicht das strenge Schulsystem, dass die Kinder krank macht. Ich habe schon mal Länder gesehen, in denen eine Lehrerin in der Grundschule eine absolute Macht hatte und auch schlagen dürfte. Die Kinder waren trotzdem quitschfidel und offen...Manche Fächer mag man mehr, manche weniger. Manche Lehrer sind gut, manche unaustehlich, aber weder Fächer noch Lehrer führen zu einer Krankheit.
Liebe Koschka, das sehe ich absolut anders. Bei den Kindern, die Du beschreibst, geht es darum, irgendwie im Leben klarzukommen und vor allem zu überleben. Das schaffen sie nur, wenn sie sich absolut anpassen, doch wie es in ihren Seelen aussieht, ist eine ganz andere Frage.
Nicht zwangsläufig die Fächer oder die Lehrer führen zu einer Krankheit, sondern die Kombination aus Zwang, Leistungsdruck, Konkurrenzdruck, ruhig und still über viele Stunden des Tages sitzen zu müssen (obwohl Grundschulkinder einen enormen Bewegungsdrang haben, der Kinder natürlicher Weise genau die Dinge erfahren und lernen lassen, die sie in dieser Entwicklungsstufe dringend brauchen), die Notwendigkeit sich permanent anpassen zu müssen und sich nicht den eigenen Bedürfnissen entsprechend entwickeln zu können etc. etc. führen zu Störungen, die doch allgemein bekannt sind. Die ADHS- Diagnosen sind so hoch wie nie zuvor, Kinder werden depressiv, aggressiv, entwickeln Tics oder Versagensängste, Alpträume etc. ect. Davor dürfen wir nicht die Augen verschließen!!!

Momo
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Rabaukenmama
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Re: Hausaufgaben in der Grundschule

Beitrag von Rabaukenmama »

@Momo: Nicht für alle gesellschaftlichen Probleme ist das Schulsystem verantwortlich! Die Krankheiten der heutigen Zeit (ADHS, Depressionen, Aggression,...) gab es schon immer. Nur wurde früher anders damit umgegangen. Unter anderem ist eine Folge des Gott sei Dank viel wertschätzenderem Umgang mit unseren Kindern (im Gegensatz zu vor etlichen Jahren) dass die Kinder kritischer sind, offener ihre Gefühle zeigen und sich auch trauen, Grenzen auszutesten, was früher aus Angst vor Strafe gar nicht möglich war.

Sprich: früher wurde ein Teil der natürlichen menschlichen Gefühle mit Angst-machen unterdrückt, heute kommen auch diese Gefühle raus und die Gesellschaft (inklusive Schule, aber nicht ausschließlich!) muß lernen, damit einen neuen Umgang zu finden.

Leistungsdruck sehe ich (wie koschka) eher als innerfamiliäres denn als Schulproblem. Wir (in Österreich oder Deutschland) haben das Glück eine breite Palette an Schulen für unsere Kinder zur Auswahl zu haben. Schon in der Schweiz schaut das anders aus, in anderen Ländern noch viel mehr! Aber wir hier können wählen ob wir für unser Kind eine Schule aussuchen, wo Leistungs- und Konkurrenzdruck Teil des Programmes sind oder ob wir eher alternative Wege einschlagen.

Leistungsdruck und gängeln fängt in vielen Familien schon längst vor der Einschulung an. Es gibt Eltern, die 4jährige Kinder bei einer Mahlzeit etliche Male korrigieren, weil sie nicht "schön" genug essen (Ellenbogen vom Tisch, schmatz nicht so, die Gabel hält man anders, mit dem Messer nicht so sägen, pass auf dass du das Glas nicht umstößt,...). Glaubst du, solche Eltern wählen für ihr Kind eine freie Schule? Oder doch eher eine, die den eigenen Werten entspricht und wo genau DIESES Verhalten (von dem ich genauso gut weiß wie du, dass es Kindern schadet) fortgesetzt wird?

Freie Schulwahl bedeutet auch dass die Nachfrage das Angebot bestimmt. Wenn konventionelle Schulen keine Schüler mehr bekommen weil der Großteil der Eltern freiere Schulformen bevorzugt wird es bald entsprechend der Nachfrage mehr freie Schulen geben. Wenn umgekehrt mehr Schulen "verlangt" werden wo konventionell unterrichtet wird dann wird sich das Angebot auch hier anpassen. Und wenn Eltern ausdrücklich nach Schulen suchen, wo Zucht und Ordnung herrscht und wo das Klima von Leistungsdruck und Konkurrenzdenken geprägt ist, wird es auch hier eine Auswahl an Schulen geben. Hier den schwarzen Peter dem Schulsystem zuzuschieben ist für mich nicht schlüssig.

Leistungsdruck durch Lehrer oder Mitschüler habe ich nie erlebt. Dabei habe ich jetzt mal kurz überschlagen mit wie vielen Lehrern (ohne "Aushilfen") ich als Schülerin regelmäßig zu tun hatte: es waren mehr als 50! Einer davon war in vielerlei Hinsicht untragbar, einige (ca. 10%) waren selbstgefällig und/oder autoritär bzw. wenig wertschätzend. Aber der Großteil war engangiert und bemüht! Bei einigen war der Unterricht spannender als bei anderen, einige waren extrem beliebt, einigen standen die meisten Schüler neutral gegenüber. Die wenigen, die selbstgefällig, autoritär teilweise ungerecht waren haben die meisten Schüler natürlich mehr oder weniger gehaßt und sie waren häufig (negativer) Gesprächsstoff.

Im Buch "Der Vorzugsschüler" von Maria Ebner-Eschenbach wird eine extreme Druck-Sitution auf ein Schulkind beschrieben. Der Druck geht vom autoritären Vater aus, einem kleinen Beamten, der für seinen einzigen Sohn ehrgeizige Träume hat. Obwohl die Geschichte über 100 Jahre alt ist spiegelt sie deutlich das, was Kinder krank macht. Mir kommen immer noch die Tränen wenn das Buch lese.

Aber um aufs Thema zurückzukommen: ich kenne kannte und keinen einzigen Grundschüler (weder persönlich noch aus Erzählungen) der durch die Menge der Hausaufgaben oder den Leistungsdruck DURCH DIE SCHULE krank geworden wäre.
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Momo
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Re: Hausaufgaben in der Grundschule

Beitrag von Momo »

Liebe Rabaukenmama,
ich möchte Dir nicht zu nahe treten, aber gerade Du hattest doch eine besonders schwierige Schulzeit, in der Du deutlich Deine Potentiale nicht entfalten konntest (das behaupte ich jetzt einfach mal, laut Deiner Beschreibungen und wie ich Dich einschätze), stark gemobbt wurdest bis hin zum Selbstmordversuch. Wie erklärst Du das? Natürlich hängt auch das Elternhaus mit der Entwicklung der Kinder zusammen, aber eine wichtige und dominante Rolle nimmt die Schule ein, das lässt sich nicht leugnen. Und in meinem direkten Umfeld gibt es ganz eindeutig Kinder, die unter der Schule leiden, wie zum Beispiel mein 10- jähriger Patensohn. Er war ein super offener und fröhlicher Junge und hat sich im Laufe der Grundschulzeit zu einem Schulhasser entwickelt, jegliche Lernmotivation verloren, denkt von sich selbst, dass er nichts kann und liegt nach der Schule am liebsten lethargisch in seinem Zimmer herum. Mit 10 Jahren! Er hat einfach seine Lern,- Entdecker- und Lebensfreude verloren. Sein gleichaltriger Freund, den er schon seit Babyzeiten kennt und der immer ein "normaler" Junge war, hat im Laufe der Grundschulzeit Tics entwickelt, die mittlerweile so heftig sind, dass er kaum einen Satz ohne Zuckungen, Stottern und Grimassen hervorbringt. Ist es ein Zufall, dass sich dies erst in der Schulzeit entwickelt hat??

Momo
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Bliss
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Re: Hausaufgaben in der Grundschule

Beitrag von Bliss »

Momo hat geschrieben: ich möchte Dir nicht zu nahe treten, aber gerade Du hattest doch eine besonders schwierige Schulzeit, in der Du deutlich Deine Potentiale nicht entfalten konntest (das behaupte ich jetzt einfach mal, laut Deiner Beschreibungen und wie ich Dich einschätze), stark gemobbt wurdest bis hin zum Selbstmordversuch. Wie erklärst Du das?
Ob eine Schule Mobbing entschieden bekämpft oder eher noch dazu beiträgt hängt aber doch nicht mit der Art, wie sie Wissen vermittelt zusammen. Wir haben hier zwei Gymnasien, die Wissen beide ähnlich vermitteln, aber beim Thema so unterschiedliche Herangehensweise haben wie Tag und Nacht.
Maca
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Re: Hausaufgaben in der Grundschule

Beitrag von Maca »

Schule spiegelt doch weitestgehend immer den Zustand einer Gesellschaft wider.

Sie ist doch kein unabhängiges Konstrukt, in den "freie Seelen treten, deren fruchtbare Äcker man nach Belieben besäen kann".

Effiziente Bildungsreformen müssten mit einem grunsätzlichen Paradigmawechsel im gesellschaftlichen Leistungsdenken einhergehen.
Das ist nicht das, was die Mehrheit will.
Zuletzt geändert von Maca am Fr 4. Nov 2016, 21:50, insgesamt 2-mal geändert.
Rabaukenmama
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Re: Hausaufgaben in der Grundschule

Beitrag von Rabaukenmama »

Momo hat geschrieben:Liebe Rabaukenmama,
ich möchte Dir nicht zu nahe treten, aber gerade Du hattest doch eine besonders schwierige Schulzeit, in der Du deutlich Deine Potentiale nicht entfalten konntest (das behaupte ich jetzt einfach mal, laut Deiner Beschreibungen und wie ich Dich einschätze), stark gemobbt wurdest bis hin zum Selbstmordversuch. Wie erklärst Du das?
Ich wurde in 2 von 6 Schulen, die ich besucht habe, gemobbt, in einer davon stark, verletzend und mit Gewaltdrohung und Anwendung (gemischte Hauptschule), in einer subtil, aber nicht weniger verletzend (Mädchen-Hauptschule). Sowohl in der Volksschule als auch in der höheren Schule (HBLA), dem polytechnischen Lehrgang und der Berufsschule wurde ich nicht gemobbt.

Woran das lag? Vielleicht war es einfach eine Verkettung unglücklicher Umstände: Kinder in der Klasse, die VON ZU HAUSE Gewalt und Unterdrücken erfahren und diese "weitergegeben" haben, die Tatsache dass meine Freude aus der Volksschule in andere Klassen bzw. Schulen aufgeteilt wurden, die Tatsache, dass Kinder in dem Alter halt leider grausam sein können...

...wir haben das schon an anderer Stell ausführlich diskutiert und ich bin gerne bereit, Fragen dazu zu beantworten. Nur LÖSUNG im Sinne von "wie könnte man das, was mir damals passiert ist, heute verhindern" habe ich auch keine. Und einfach zu behaupten, in einer freien Schule würde es so was sowieso nicht geben, ist mMn realitätsfremd.

Da sind wir dann wieder bei der Frage: was mit sozial auffälligen, agressiven Kindern tun? Wegsperren in Sondereinrichtungen? Integrieren in ganz normale Schulklassen? Wie konkret mit Mobbing und Gewalt unter Schülern umgehen? Da bin ich ganz bei Bliss: das Konzept, wie mit so was umgegangen wird, hat mit der Art der Wissensvermittlung nichts zu tun. Und ich gebe ganz offen zu, keine Lösung auf diese Frage zu wissen.
Momo hat geschrieben: Natürlich hängt auch das Elternhaus mit der Entwicklung der Kinder zusammen, aber eine wichtige und dominante Rolle nimmt die Schule ein, das lässt sich nicht leugnen. Und in meinem direkten Umfeld gibt es ganz eindeutig Kinder, die unter der Schule leiden, wie zum Beispiel mein 10- jähriger Patensohn. Er war ein super offener und fröhlicher Junge und hat sich im Laufe der Grundschulzeit zu einem Schulhasser entwickelt, jegliche Lernmotivation verloren, denkt von sich selbst, dass er nichts kann und liegt nach der Schule am liebsten lethargisch in seinem Zimmer herum. Mit 10 Jahren! Er hat einfach seine Lern,- Entdecker- und Lebensfreude verloren. Sein gleichaltriger Freund, den er schon seit Babyzeiten kennt und der immer ein "normaler" Junge war, hat im Laufe der Grundschulzeit Tics entwickelt, die mittlerweile so heftig sind, dass er kaum einen Satz ohne Zuckungen, Stottern und Grimassen hervorbringt. Ist es ein Zufall, dass sich dies erst in der Schulzeit entwickelt hat??
Ich kann absolut nicht sagen was in deinen Beispielen die Ursache ist. Es kann durchaus an "der Schule" liegen, dann aber eher nicht an den Hausaufgaben oder am Stundenplan. Ich habe ja nie behauptet dass alles im Schulsystem eitel Wonne ist.

Was ich mich aber sehr wohl frage: WENN die Schule Ursache für Lethargie und Tics sein sollte, was tun dann die Eltern? Zusehen und über das ach-so-miese Schulsystem jammern? Oder genau hinhören und rausfinden, was wirklich mit den Kindern los ist? Also nicht "die Schule" einfach mal so als Ursache der Veränderungen hinstellen sondern rauszufinden versuchen WAS GENAU dort nicht stimmt. Ist es eine wenig wertschätzende Lehrperson, Über- oder Unterforderung, Mobbing oder eine andere Ursache? Die nächste Frage: wie kann man die Situation für das Kind verbessern? Das muß - je nachdem, welche Probleme das Kind tatsächlich hat - nicht gleich als erster Schritt ein Schulwechsel sein, sollte aber sehr wohl angedacht werden, wenn die Situation sich nicht bessert oder noch weiter verschlechtert.

Dann besteht SEHR WOHL noch die Möglichkeit, dass die Veränderungen eines Kindes Ursachen haben, die NICHT im Kompetenzbereich der Schule liegen. Schließlich geht fast jedes Kind mindestens vom 7. bis zum 16. Lebensjahr in die Schule und da kann man nicht alle negativen Veränderungen und Tics dem Schulsystem anlasten.

Die Ursache für negative Veränderungen kann durchaus auch in der engeren oder weiterein Familie liegen (z.B. häufiger Streit der Eltern, schwere Krankheit oder Tod eines Familienmitgliedes,...) oder in einem Bereich, wo man gar nicht hindenkt. Als ich noch Kind war wurden mehrere Buben von einem jugendlichen Betreuer meines Hortes immer wieder unsittlich angefasst. Einige konnte sich verbal abgrenzen, anderen haben es sich gefallen lassen und psychosomatische Tics entwickelt. Es hat Jahre gedauert bis das Ganze aufgedeckt wurde :( .
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Re: Hausaufgaben in der Grundschule

Beitrag von Momo »

Was es auch alles für Ursachen und Schwierigkeiten gibt und was auch immer dahintersteckt, lässt sich im Einzelfall nicht immer genau sagen. Doch es gibt eine Tendenz und immer weiter sich verdichtende Forschungsergebnisse die belegen, dass die Art und Weise der Wissensvermittlung weder nachhaltig noch effektiv ist und die Kinder im Gegenteil vieles verlieren. Und aus diesem Grund würde ich mir wünschen, dass jeder Einzelne genau hinschaut und bereit ist, bestehende Strukturen (dazu zählen für mich Themen wie Benotung, der Art des Unterrichts, der Umgang zwischen den Lehrern, Schülern und Eltern, Hausaufgaben etc.) zu hinterfragen und offen zu sein für neue Ansätze. Und nicht zu denken "das muss so sein, das war schon immer so" oder "es hat mir ja auch nicht geschadet", oder "um im Berufsleben bestehen zu können, müssen die Kinder da durch". Diese Denkmuster zu verlassen, das wäre ein Anfang. Doch ich merke, zumindest in Berlin, dass es eine große Bewegung diesbezüglich gibt und dass sich etwas ändert. Jeder Einzelne kann im Kleinen bei sich selbst und seinen eigenen Kindern anfangen. Das heißt nicht "freie Schule für alle", sondern Unterstützung engagierter Lehrer, Anregung von neuen Wegen und Möglichkeiten, Elterninitiativen und auch klar Stellung beziehen zu Situationen, die Kindern nicht gut tun. Und sich selbst wirklich damit beschäftigen, wie Kinder lernen, was ihnen gut tut und die eigenen Kinder genau beobachten und wahrnehmen. Und es vor allem es nicht hinzunehmen, wenn man merkt, dass es dem Kind/den KIndern nicht gut geht!!!

Momo
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Re: Hausaufgaben in der Grundschule

Beitrag von Momo »

Was mir zu diesem Thema noch auffällt ist, dass ich, wenn ich mich zum Thema "Schule" kritisch äußere, nach Beispielen gefragt werde. Ich kenne wirklich eine Menge Kinder, die sich eindeutig mit Schuleintritt stark verändert haben, Ängste entwickelt haben bis hin zu krankhaftem Verhalten. Es sind alles Kinder aus meinem Freundeskreis, also von Eltern, die ebenfalls achtsam mit ihren Kindern umgehen, die engagiert sind und die sehr gebildete Menschen sind. Also eine Menge Beispiele!! Doch wenn ich diese Schicksale schildere, also den Finger in die Wunde halte, dann wird immer nach anderen Gründen und Erklärungen gesucht. Wohlgemerkt, von den Menschen, die nicht von dieser Situation betroffen sind, nicht von den Eltern selbst, die sehr wohl die Zusammenhänge erkennen! Doch erst, wenn es dem Kind wirklich richtig schlecht geht, wird etwas unternommen. Davor wird es auch von den Eltern irgendwie verdrängt.

Warum fällt es so schwer, zu sehen und zuzugeben, dass Schule einen negativen Einfluss auf Kinder haben kann? Und dass die Anzahl der Kinder, die unter dem starren Schulsystem leiden, nicht gering ist?

Die betroffenen Eltern selbst sind häufig hilflos, trauen sich nicht, andere Wege einzuschlagen oder suchen nach Kompromissen, die aber nicht wirklich immer etwas ändern. Eine sehr kluge Freundin von mir "litt" z.B. jetzt 4 jahre mit ihren beiden Söhnen in der Grundschulzeit mit. Einer ihrer Söhne ist hochbegabt und in der Grundschule heillos unterfordert (trotz Zusatzaufgaben etc.), der andere Sohn hat ebenfalls (!) Tics entwickelt und geht höchst ungern zur Schule. Diese Freundin war so begeistert von anderen Wegen und Möglichkeiten , dass sie wirklich einen Cut gemacht hat und ihre Söhne an einer freien Schule angemeldet hat. Dieses Schuljahr müssen alle noch "durchhalten", wie sie selbst sagt und dann hofft sie, dass ihre Jungen wieder die Möglichkeit haben, ins Gleichgewicht zu kommen. Auch dies werde ich interessiert beobachten, ob sich wirklich etwas ändern wird!

Momo
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Re: Hausaufgaben in der Grundschule

Beitrag von Rabaukenmama »

@momo: der Thread ist vom eigentlichen Thema (In welchem Ausmaß bekommen Grundschulkinder Hausaufgaben?) wieder mal zu DEINEM Thema "Freie Schule ist ja soooo viel besser" abgeschweift. und was mir da sauer aufgestoßen hat war dieser Beitrag von Dir:
Momo hat geschrieben:Koschka hat geschrieben:
eine Lehrerin in der 1./2. Klasse hat für die eigentliche Wissensvermittlung 10 Minuten pro Schulstunde. Wenn es gut läuft 15. Der Rest geht für drum herum.
Ja, effektives Lernen, oder :twisted: ;) ?

Dann sehe ich es als Aufgabe der Lehrer, in das "drum herum" auch noch Wiederholungen einzubauen, wenn dies wirklich notwendig sein sollte.

Momo
Das widerspricht sich einfach mit dem, was du anderswo schreibst. Was bedeutet ein sarkastischer smiley wegen der geringen Zeit für eigentliche Wissensvermittlung? Bist du jetzt der Ansicht, dass ausdrücklich mehr Zeit für Wissensvermittlung aufgewendet werden soll, oder nicht?

Was bedeutet es, dass der Lehrer dann Wiederholungen einbauen soll "wenn dies wirklich notwendig ist"? Ist es in Deinen Augen jetzt notwendig oder nicht? Und warum soll der Lehrer dann die Wiederholungen in den Unterricht einbauen (wenn sie für alle gelten kann das ja nur im von Dir so verabscheuten Frontalunterricht sein) statt Hausaufgaben aufzugeben? Ehrlich gesagt finde ich da besser, wie es in der Schule meines Sohnes gehandhabt wird: individuelle Hausaufgaben, an Hand derer der akutelle Wissensstand der Kinder vom Lehrer festgestellt werden kann und wo man dann ebenso individuell auf (Verständnis-)Probleme eingehen kann.

Zumindest ich habe keine Scheu ALLES was Schule betrifft zu diskutieren und zu hinterfragen. Aber deswegen muß ich ja nicht alles, was in den konventionellen Schulen gemacht wird, schlecht empfinden. Ich bin zum Beispiel klar gegen Strafaufgaben, die ja an MANCHEN Schulen immer noch sehr üblich sind.

Was Hausübungen betrifft sehe ich zwei Aspekte, die dafür sprechen: der eine ist sehr wohl die Wiederholung des Gelernten, der andere ist die Förderung der Selbstständigkeit wenn die Kinder nach und nach SELBST Verantwortung dafür übernehmen, ob, wann und wie die Hausübung gemacht wird. Gegen Hausübungen spricht für mich dass viele Kinder sie von sich aus nicht machen wollen. Aber da liegt es an mir als Mutter inwiefern ich Druck ausübe oder gelassen auf mich zukommen lasse was passiert wenn mein Sohn mal ohne gemachter Hausübung in die Schule kommt.

In der Schule meines Sohnes wird es so gehandhabt dass, wenn er längerfristig mit den Hausübungen nicht klappt, diese erst mal reduziert werden oder das Kind die Gelegenheit bekommt, sie in der Schule zu machen. Also nichts wirklich schlimmes! Dennoch vermute ich mal dass es auch in der Klasse meines Sohnes Eltern gibt, welche Druck machen, damit die Hausübungen stets korrekt und ordentlich erledigt werden. Dass das für die Kinder auf Dauer bevormundend, belastend und lästig ist bestreite ich nicht. Aber wer trägt da die "Schuld" am Druck auf die Kinder? Die Lehrer? Das Schulsystem? Oder doch die Eltern, die der Ansicht sind, das müsse nun mal so sein. Vielliecht liegt es daran dass sie selbst zu konfliktscheu sind das Gespräch mit den Lehrern zu suchen. Dann könnte das eigene Kind ja als fauler Querulant dastehen! Und je mehr Eltern so denke und je mehr Kinder DESHALB ihre erzwungenen, korrekten Hausübungen abgeben, desto weniger wird der eigentliche Zweck der Hausübungen erfüllt und desto größer wird der Widerstand der Kinder gegen Hausübungen werden!

Das System verändern KANN NICHT ausschließlich durch die Schule geschehen! Es ist IMMER ein Zusammenspiel aus Elternhaus, Schule, wenn vorhanden Hort und sonstigen Bezugspersonen und Einrichtungen, die das Kind regelmäßig besucht (Sportvereine, Musikschulen,...).
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Re: Hausaufgaben in der Grundschule

Beitrag von Momo »

Rabaukenmama hat gefragt:
Das widerspricht sich einfach mit dem, was du anderswo schreibst. Was bedeutet ein sarkastischer smiley wegen der geringen Zeit für eigentliche Wissensvermittlung? Bist du jetzt der Ansicht, dass ausdrücklich mehr Zeit für Wissensvermittlung aufgewendet werden soll, oder nicht?
Klassischer Unterricht: Kinder sitzen an einem Tisch und müssen an einer vorgegebene Schulstunde zu einem vorgegebenen Thema teilnehmen. Sie haben selten eine andere Wahl. Dies bewirkt bei vielen Kindern, dass sie keine Lust zu diesem Unterricht haben. Doch trotzdem scheint es als die richtige Art der Wissensvermittlung angesehen zu werden.
Hier ist nun der springende Punkt: Kinder lernen in 45 Minuten Unterrichtszeit letztendlich nur 5 Minuten lang neue Inhalte, die sie bestenfalls interessieren. Was passiert in der anderen Zeit? Sie warten unter anderem auf Anweisungen der Lehrer. Sie sind also in einer Warteposition. Das ist anstrengend und höchst langweilig. Die Kinder müssen trotzem sitzen bleiben, still sein und warten und haben keine Möglichkeit, in dieser Wartezeit sinnvoll zu lernen. Verstehst Du den Unterschied? Ich sehe effektive Lernzeit nicht als Zeit, in der Wissen in die Köpfe gestopft wird, sondern als Zeit, in denen Kinder im Flow sein dürfen und dadurch automatisch und mit Freude lernen können. Ich kritisiere daran den strengen Rahmen, an den sich die Kinder halten müssen, der dem Lernen jedoch im Grunde komplett im Wege steht. Das zeigt doch diese Zeitangabe der effektiven Lernzeit des klassischen Unterrichts! Warum also an diesem ineffektiven Rahmen festhalten??? Es ist kein Widerspruch wenn man versteht, was ich damit meine.

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