Schulunlust

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Nimoe
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Re: Schulunlust

Beitrag von Nimoe »

So, nun mal ein aktueller Stand von uns. Hier sind noch 10 Tage frei, dann startet meine Tochter an einer anderen Grundschule. Wir haben uns letztlich kurz vor den Ferien zum Wechsel durchgerungen, da einfach keine Aussicht auf nachhaltige Verbesserung der Situation bestand, und meine Tochter auch einverstanden war. Die Schnupperstunde verlief schon mal optimal, so dass wir dem Schulbeginn positiv gestimmt entgegenblicken.
Nimoe
Dauergast
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Re: Schulunlust

Beitrag von Nimoe »

Hallo Koschka,
Deine Antwort hat mich ziemlich beschäftigt. Ich stimme dir zu, dass das Problem nicht bloß durch Unterforderung verursacht wurde sondern auch eine große soziale Komponente mitspielte. Wenn sie sich wohl gefuehlt hätte in der Klasse, waere es so OK gewesen. Daher wechselt sie nun an eine integrative Grundschule. Die Aussicht auf 2 Jahre weiter so wie bisher war einfach nur deprimierend.
Aber jetzt moechte ich dir widersprechen. Das typische Aspergermaedchen sehe ich nicht. Gewisse Aspekte (über die man sich dann auch gerne beklagt) passen schon, aber es gibt auch andere Anteile, die eine eindeutige Diagnose fuer belesene Laien wie mich oder die KJP, bei der wir einige Male im Frühjahr waren, verhindern. Im Moment befasse ich mich naeher mit Elaine Arons Buch und finde meine Tochter dort ziemlich wieder.
Das letzte Schuljahr war anstrengend genug und meine Tochter ist im Moment nicht gut auf KJPs zu sprechen. Daher moechte ich das Thema Asperger erstmal nicht weiter verfolgen, sondern meine Tochter in Ruhe in der neuen Umgebung ankommen lassen und eventuell in paar Wochen weitersehen.
LG
Nimoe
Rabaukenmama
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Re: Schulunlust

Beitrag von Rabaukenmama »

Nimoe hat geschrieben:Hallo Koschka,
Deine Antwort hat mich ziemlich beschäftigt. Ich stimme dir zu, dass das Problem nicht bloß durch Unterforderung verursacht wurde sondern auch eine große soziale Komponente mitspielte. Wenn sie sich wohl gefuehlt hätte in der Klasse, waere es so OK gewesen. Daher wechselt sie nun an eine integrative Grundschule. Die Aussicht auf 2 Jahre weiter so wie bisher war einfach nur deprimierend.
Aber jetzt moechte ich dir widersprechen. Das typische Aspergermaedchen sehe ich nicht. Gewisse Aspekte (über die man sich dann auch gerne beklagt) passen schon, aber es gibt auch andere Anteile, die eine eindeutige Diagnose fuer belesene Laien wie mich oder die KJP, bei der wir einige Male im Frühjahr waren, verhindern. Im Moment befasse ich mich naeher mit Elaine Arons Buch und finde meine Tochter dort ziemlich wieder.
Das letzte Schuljahr war anstrengend genug und meine Tochter ist im Moment nicht gut auf KJPs zu sprechen. Daher moechte ich das Thema Asperger erstmal nicht weiter verfolgen, sondern meine Tochter in Ruhe in der neuen Umgebung ankommen lassen und eventuell in paar Wochen weitersehen.
LG
Nimoe
Ich habe bei deinen Schilderungen auch schon in Richtung Asperger gedacht (durch meinen älteren Sohn bin ich in der Hinsicht leider vorbelastet). Aber es muss wegen dieses Verdachtes nicht von jetzt auf gleich eine Diagnostik angeleiert. Ihr könnt beruhigt schauen, wie es nach dem Schulwechsel weiter geht. Persönlich kenne ich mittlerweile einige diagnostizierte Asperger-Autisten (seltsamerweise nur Jungs, keine Mädchen), aber da ist keiner dabei, der alle bzw. fast alle Kriterien für eine Diagnose erfüllt. Auch mein Sohn (problemloser Blickkontakt, kontaktfreudig, vielseitig interessiert) ist alles andere als typisch. Bei ihm bin ich mittlerweile sehr froh, eine fixe Diagnose zu haben, hauptsächlich weil dadurch ICH anders mit ihm umgehen kann und auch, weil er NUR dadurch einen Platz in einem heilpädagogischen Hort bekommen hat, wo er sich sehr wohl fühlt. Wegen der Schule hätten wir keine Diagnose gebraucht, weder nimmt mein Sohn Nachteilsausgleiche in Anspruch noch hat er dort große Probleme. Er geht zwar auch (wie deine Tochter) nicht gern hin, was sich aber mMn damit erklärt, dass er einfach durch seine sozial-emotionalen Probleme und seine Spezialinteressen (beides autismusbedingt) schwerer zurecht kommt. Aber er wird akzeptiert und geht ohne große Proteste hin, das reicht schon ;) .
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
alibaba

Re: Schulunlust

Beitrag von alibaba »

Wenn der Schulwechsel positiv klappt und Ihr das in einem halben Jahr immer noch so seht, dann würde ich an Diagnostik gar nichts mehr machen.

Es kann Vieles oder eben garnichts sein. Autistische Züge haben viele Menschen, die ich, meinem Alter geschuldet, mittlerweile kenne. Diagnostisch richtig auffällig ist da keiner dabei, nicht mal der Junge, der es schwarz auf weiß hat.

Dass das Thema Freunde eine größere Rolle spielen kann, als gemeinhin angenommen, das würde ich, aus persönlichen Erfahrungen, bestätigen. Ich glaube das wird generell unterschätzt. Freunde/Freundin ist, für meine Tochter, ein wichtiger Wohlfühlaspekt. Das hat, neben guten Lehrern, große Auswirkungen auf Schullust oder eben Unlust. Oft wird dieser Aspekt ja immer belächelt, so nach dem Motto: Freunde findet man doch immer. Nein, findet man nicht, kann ich da mittlerweile sagen.

Ich wünsche einen guten Schulstart und hoffentlich eine gute Schullustzeit.
sinus
Dauergast
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Re: Schulunlust

Beitrag von sinus »

...nur mal so "am Rande".
Nimoe - deine Beschreibungen passen ganz gut auch zu meiner Tochter.
Zeitweise (im Kigaalter) hatte ich auch Asperger überlegt und dazu nachgelesen, es aber wieder verworfen.
Auch ich habe mich vor 2 Jahren mit Aaron und der Hochsensibilität beschäftigt und es passte so ziemlich alles sehr gut.
Das Buch hat mich jedenfalls schonmal weitergebracht, meine Tochter besser zu verstehen.

Und diesen Sommer hat ein IQ-Test nun auch eine Hochbegabung bestätigt.
Daraufhin habe ich grad die letzten 2 Wochen noch mal das Buch von Aiga Stapf zur Hochbegabung intensiv gelesen.
("Hochbegabte Kinder: Persönlichkeit, Entwicklung, Förderung")
Ich hab es eigentlich schon seit ein paar Jahren da liegen und hatte es im Kigaalter und in der 1. Klasse jeweils zumindest quer gelesen. Hatte aber immer meine Zweifel im Hinterkopf... ("Du bildest dir was ein, sooo besonders klug ist sie doch gar nicht")
Jetzt mit höherem Alter meines Kindes (9 Jahre, jetzt 4. Klasse) und dem Wissen, dass sie wirklich hb ist, las es sich aber nochmals ganz anders.

Einge meiner Zweifel haben sicherlich durchaus damit zu tun, dass sich das Kind arg anpasst und nur ungern zeigt, was sie kann.
Auch sie hat mit ihrem fehlenden Selbstbewusstein zu kämpfen.
Ich habe mir beim Lesen im Stapf-Buch alles angemarkert, was ich für relevant und zum Kind passend hielt.
Nun ist das halbe Buch farbig... :? :lol:

Also evtl. solltest du bei weiteren Problemen und Zweifeln doch auch noch mal in diese Richtung schauen...
Seit wir das wissen, hat sich gefühlt hier schon was bewegt.
Ich habe das Gefühl, dass sowohl ich, als auch das Kind schon mehr Selbstbewusstsein und Energie haben, etwas zu bewegen.
Ich kann nun ganz anders an Lehrer herantreten (ich komme mir nicht mehr wie eine Eislauf-möchtegern-bildet-sich-was-ein-HB-Mutti vor), und
Tochter scheint sich jetzt tatsächlich auch schon etwas mehr zu trauen und zuzutrauen, allein durch das Wissen/den Nachweis um ihre Begabung!

Meine Theorie dazu:
Sie malt ja u.a. sehr schön. Das sieht jeder und erkennt jeder an. Darum tritt sie z.B. im Malkurs/Kunstunterricht von jeher recht selbstbewusst auf.
Sie weiß da einfach gut, was sie kann und zweifelt nicht an sich.
Ähnlich beim Instrument - da trat sie letztes Schuljahr, wo ich mal bei der Generalprobe für einen Auftritt dabei war, im Ensemble mit 2 wesentlich älteren Schülern (13+14 Jahre alt), die allerdings je ein Lernjahr am gleichen Instrument weniger hatten, für mich überraschend äußerst selbstbewusst auf!

Im Schul-Unterricht war/ist sie dagegen oft eher unsicher...
Da weicht wahrscheinlich ihr Wissen und ihre Denkweise oft einfach so von den eigentlichen Anforderungen und den Antworten anderer ab, dass sie dann nicht weiß, ob sie es denn WIRKLICH richtig(er) weiß/macht.
Zumal so manche Klassenkameraden sie bzw ihre Antworten dann womöglich auch gar nicht recht verstehen, nicht richtig kapieren, was sie meint und ihre Antworten nicht als "klug", sondern wohl eher als "seltsam" oder gar lustig bewerten.
(Beispiel Religionsunterricht, Auslegung von Gleichnissen in der Bibel. So tief wie meine Tochter denken sich die anderen Kinder da sicherlich gar nicht ein...)
Also traut sie sich dann schlicht selbst nicht ("wenn mich die anderen nicht verstehen, muss ich wohl falsch liegen") und traut sich dann auch nicht, was zu sagen/zeigen. Als Hochsensible und darum sehr aufmerksam dafür, was um sie herum vorgeht, bekommt sie ja nun auch sofort mit, wie andere auf sie/ihre Antworten reagieren!

Jetzt WEISS sie aber, dass sie von ihren Fähigkeiten her sehr wahrscheinlich und oft gar nicht so falsch liegt mit ihren Denkansätzen.
Dass sie nur, weil andere sie nicht gleich verstehen, nicht gleich "dumm" ist und falsch liegt, wie sie bisher dann oft dachte.
Grad heute war wieder sowas in Religion.
Zwar erzählte sie mir, dass sie dasunddas gedacht, es aber dann nicht gesagt hat.
Aber sie erzählte mir das mit SELBSTBEWUSSTSEIN. Nicht so verunsichert, wie sonst meist.
Zuletzt geändert von sinus am Mi 22. Aug 2018, 15:47, insgesamt 11-mal geändert.
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(Herbstgedicht der 6jährigen)
sinus
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Re: Schulunlust

Beitrag von sinus »

Ach ja - beim Test inklusive war auch ein Fragebogen zum Wohlfühlen in der Schule/Klasse dabei.

Ihre Antworten zum sozialen Wohlbefinden waren sehr durchschnittlich. Also sie fühlt sich in der Klasse und mit der Lehrerin nicht wohler oder unwohler als die meisten 9jährigen auch.
Ihre Werte zu Lernfreude und Motivation waren dagegen unterirdisch. D.h. sie erwartet schon gar nicht mehr, in der Schule viel Interessantes & Neues zu lernen.
Da lag sie von den Werten her auf der 3.Perzentile.
Soll heißen: 97% aller befragten 9jährigen haben mehr Lernfreude und Motivation, in die Schule zu gehen... :?

Wo wohnt ihr denn?
Vielleicht ist die von uns besuchte Beratungsstelle ja für euch auch hilfreich?
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Rabaukenmama
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Re: Schulunlust

Beitrag von Rabaukenmama »

alibaba hat geschrieben:Wenn der Schulwechsel positiv klappt und Ihr das in einem halben Jahr immer noch so seht, dann würde ich an Diagnostik gar nichts mehr machen.

Es kann Vieles oder eben garnichts sein. Autistische Züge haben viele Menschen, die ich, meinem Alter geschuldet, mittlerweile kenne. Diagnostisch richtig auffällig ist da keiner dabei, nicht mal der Junge, der es schwarz auf weiß hat.
Es gibt aber doch einen Unterschied zwischen "autistischen Zügen" und diagnostiziertem Autismus. Man muss doch etliche Kriterien erfüllen um eine gesicherte Diagnose zu bekommen. Ob man darauf auch verzichten kann? Teilweise bestimmt! Autisten gab es auch schon vor 50 oder 200 Jahren, nur hatte es da noch keinen Namen und wurde (später, als es den den Begriff Autismus schon gab) oft nicht erkannt bzw. als eine Art Schrulligkeit abgetan. Es spricht auch nichts dagegen, wenn der Mensch selbst keine gröberen Schwierigkeiten hat oder macht auf eine Diagnose zu verzichten.

Ich vergleiche Autismus immer gerne mit Augenerkrankungen, weil es so schön plausibel ist. Dass ein Kind mit -10 Dioptrin eine Brille dringender braucht als ein Kind mit -2 Dioptrin, wird wohl jedem klar sein. Aber selbst wenn das Kind mit -2 Dioptrin im Alltag gut zurecht kommt - sollte man ihm deshalb eine Brille verweigern? Sollte man auf die heute laut MUKI-Pass vorgeschriebenen Augenuntersuchungen ganz verzichten und nur dann beim Augenarzt aufkreuzen, wenn es deutliche, merkbare Hinweise gibt, dass das Kind schlecht sieht?

Kompensieren kommt auch noch hinzu - sowohl bei Autismus als auch bei Fehlsichtigkeit. Mein Mann und ich sind beide etwa gleich stark kurzsichtig (ich beidseitig -9,75 Dioptrin, er -9,5 bzw. -10,5), trotzdem kommt er im Alltag ohne Brille WESENTLICH besser zurecht als ich. So ähnlich ist es auch bei Autismus. Nur, weil ein autistisches Kind gut kompensieren kann, ändert das nichts an der Störung. Es kann trotzdem stärker beeinträchtigt sein als das andere autistische Kind, wo man "es" sofort erkennt.

Vor 500 Jahren gab es noch keine Brillen oder sonstige Sehbehelfe. Wer so schlecht sah wie ich (oder mein Mann) hatte einfach ganz viele Nachteile. Dann erkannten Menschen, wie man Glaslinsen so schleifen kann, dass sie Fehlsichtigkeit ausgleichen können, und es wurde ein Berufszweig daraus, gute Brillen zu fertigen. Es wurden Tests entwickelt, wie die Sehstärke bzw. die Art der Sehschwäche festgestellt werden konnte. Es gab (und gibt) immer noch Augenerkrankungen, wo die moderne Medizin ziemlich machtlos ist, und Menschen, denen nicht geholfen werden kann. Aber der weitaus größere Teil der fehlsichtigen Bevölkerung profitiert von den Erkenntnissen und Fortschritten der modernen Optik. Und selbst wenn eine Sehschwäche durch Brille oder OP nicht ganz behoben werden kann, so kann doch meistens zumindest eine deutliche Besserung erreicht werden.

Bei Autismus stehen wir noch am Anfang dieser Entwicklung. So, wie man auf einmal mit standardisierten Sehtests erkannte, dass auch Menschen von Sehhilfen profitieren, deren Fehlsichtigkeit NICHT nach außen hin auffällig war, so ist man erst jetzt dabei, zu erkennen, welche Hilfen Autisten im Leben benötigen. Und diese Hilfen sollten mMn auch denjenigen zugängig sein, die NICHT extrem auffällig sind, aber trotzdem an dieser Wahrnehmungsstörung und ihren Auswirkungen leiden! Ich bin sehr froh, dass mein Sohn trotz seiner Diagnose nach wie vor eine Regelschule besuchen kann und keine Schulbegleitung braucht. Auch zu Hause ist er meistens ein ganz normales, fröhliches Kind. Trotzdem bin ich mittlerweile von der Richtigkeit seiner Diagnose überzeugt. Und ich stehe auch dazu und versuche nicht, seine Störung zu verheimlichen. Natürlich bekommt es nicht jeder ungefragt erzählt, aber die Menschen, die uns besser kennen, wissen auch von der Diagnose meines älteren Sohnes. Ich würde schließlich auch nicht verschweigen, wenn er kurzsichtig wäre.

Was ist "diagnostisch richtig auffällig"? Ist das ein Kriterium? Bei kaum einer anderen Krankheit glauben Laien, beurteilen zu können, ob die Diagnose "richtig" oder "falsch" ist. Man würde sich auch lächerlich machen, zur Mutter vom Maxi zu sagen "Also nein, Ihr Sohn ist sicher KEIN Diabetiker, da muss sich der Arzt irren! Er sieht ja ganz normal aus und benimmt sich unauffällig!". Aber genau DAS bekommt man als Mutter von autistischen Kindern immer wieder ungefragt zu hören! Bei meinem jüngeren Sohn nicht, der passt perfekt ins Klischee: stereotype Bewegungen, Kopfzucken, Spezialinteresse für Zahlen, kaum Blickkontakt. Dass er außerdem auf Grund seiner Gehörlosigkeit nicht (in Lautsprache) spricht, und nicht auf Ansprache reagiert, passt zufällig nochmal dazu. An seiner Diagnose hat noch niemand gezweifelt.

Bei meinem älteren Sohn hingegen kommen immer wieder Zweifel. Der spricht gut und viel, hält Blickkontakt, kennt die üblichen Benimm-Regeln (zumindest meistens) und schaut ganz "normal" aus. Seine Hauptprobleme liegen im sozial-emotionalen Bereich im Kontakt mit anderen Kindern. Er missversteht ständig ganz normale, soziale Situationen. Fühlt sich angegriffen, wenn er es gar nicht wurde, fängt wegen eines falsch verstandenen Wortes Streit an, lässt sich aber andererseits viel zu viel gefallen, weil er gar keine Ahnung hat, wie er sich wehren könnte. Einerseits sucht er Kontakte, andererseits blockt er sie dort ab, wo sie machbar wären. Er läuft grundsätzlich den Kindern nach, die ihn ausspotten und schlecht behandeln und übersieht dabei diejenigen, die ihn problemlos als Freund akzeptieren würden. Dazu kommt, dass er andere Menschen (ob Kinder oder Erwachsene) ständig ungefragt mit seinen Lieblingsthemen zutextet.
Koschka hat geschrieben:Es gibt für Asperger keinen richtigen Ausschlusskriterieum. Die Ausprägung ist sehr unterschiedlich. Zu den Gemeinsamkeiten aller Typen gehören die Beeinträchtigung der sozialen Interaktionen, was vor allem in Gruppen sehr manifest wird. Der Grund dafür ist sehr eingeschränkte nonverbale Kommunikationsmöglichkeit. Das äußert sich in beide Richtungen. Man hat Probleme selber richtige Signale zu senden: durch Mimik, durch die Intonatierung der Sprache und man hat noch größere Probleme diese Art Signale, die vor anderen Leuten ausgehen, richtig zu interpretieren. Da Kleinkinder von allen Menschen die Unbechenbarsten sind, werden im jungen Alter Kinder gemieden. Bei nicht so ausgeprägten Zügen lernen Kinder sich anzupassen. Die Probleme werden nur in der Stresssituationen wirklich manifest. Wenn deiner Tochter in der Schule gut geht, braucht sie keine Diagnostik. Umgebung bedeutet vor allem in den jungen Jahren sehr viel. Ich glaub, ihr habt mit dem Wechsel richtige Entscheidung getroffen und wünsche deiner Tochter viel Erfolg!
Das sehe ich auch so! Aber wenn die Probleme in der neuen Schule wieder kommen sollten, würde ich an nimoes Stelle trotzdem eine Diagnostik anstreben. Wenn Autismus (mit)Ursache für die Schwierigkeiten ihrer Tochter sein sollte, dann stehen ihr auch die Hilfen zu, die speziell dazu da sind, den Kindern zu helfen und die Familien zu entlasten. Und damit sind NICHT Medikamente gemeint (nicht, weil ich sie ablehne, sondern weil sie maximal eine Unterstützung, aber nie die alleinige Lösung sind)!
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Nimoe
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Re: Schulunlust

Beitrag von Nimoe »

Ah puh, so viel Input. Danke für die ausführlichen Antworten. Hoffentlich bekomme ich meine Anmerkungen auf die Reihe. :fahne:

Zur Erläuterung meiner Unsicherheit in Bezug auf ihr Sozialverhalten - im Kindergarten hatte sie nach dem ersten halben Jahr Anschluß gefunden. Ihre Clique bestand aus vier Mädchen und einem Jungen, wobei sie die Älteste war und die Jüngste war 5 Monate jünger. Sie haben wohl überwiegend Rollenspiele gespielt, wobei meine Tochter viel Wert darauf gelegt hat genau mit diesen Freunden zu spielen und sich dabei auch deren Wünschen angepasst hat. Sie wäre vermutlich immer noch mit diesen Kindern befreundet, hätte sie in die gleiche Schule gehen können.
Auch bei ihrem vier Monate jüngeren Cousin war sie als junges Kind immer sehr bemüht mit ihm zu spielen. Dabei erinnere ich mich gerne an gemeinsame Spielplatzbesuche. Die sahen so aus, besagter Cousin rannte von einem Gerät zum nächsten, während meine Tochter versuchte ihm zu folgen, um etwa gemeinsam zu schaukeln. Oft war er aber schon längst wieder weitergerannt. Dieser Junge ist übrigens diagnostizierter Asperger-Autist. (Ja, ich weiß, sie sind alle verschieden.)
Auch bei fremden Kindern ist sie zu Kontakt bereit, sofern die anderen den ersten Schritt tun. Zum Beispiel im Urlaub auf dem Bauernhof spielte sie glücklich mit zwei fremden Mädchen an zwei Nachmittagen, dann war unsere Abreise und sie war tieftraurig.
Um ihren fünf Jahre jüngeren Bruder kann sie sich sehr gut kümmern. Sie sagt ihm, was er gerade empfindet ("Du bist traurig, weil..."), und sie kann ihn recht gut "manipulieren".
Ach ja, bei der Schnupperstunde (das erste Mal in der neuen Schule) war sie zwar zurückhaltend, hat aber der Direktorin und ihrer neuen Klassenlehrerin geantwortet und ging mit in den Klassenraum. Nachher kam sie mit einigen Mädchen heraus, die ihr noch unbedingt den ganzen Schulhof zeigen wollten, sprach mit ihnen und lief glücklich mit.

Diagnostik - Das Problem daran ist, wie begründe ich sowas gegenüber meiner Tochter? Im Moment wären irgendwelche Untersuchungen eher Gift für ihr Selbstbewußtsein, denn sie sieht sich nicht als "anders" an. Ihren Cousin schon, denn der wird täglich 30 Minuten einfache Fahrt mit dem Auto zu einer integrativen Schule am anderen Ende der Stadt kutschiert. Wenn es nochmal krieseln sollte, dann als Rettung OK.

Augenerkrankungen - schlechtes Beispiel, da bin ich familiär vorbelastet. Bin zwar auch Brillenträgerin, aber Augenärzte sind auch nur Menschen und können versagen. Meine Mutter ist eine der seltenen Fälle, bei denen die OP eher eine Verschlechterung brachte. Statt die zertrümmerte Linse abzusaugen, hat der Arzt die Trümmer nämlich weiter hineingepustet und das Auge geschädigt. :roll:

Sinus - Gerade das Buch von Aron enthält ja auch sehr viele Tipps, die mich im Moment ziemlich erschlagen. Da muss ich mir die aktuell wichtigsten noch herauspicken.
Meine Tochter meinte mal, dass ihr die Fragen im Unterricht meist zu einfach wären, daher würde sie sich dann nicht melden.
Wohlfühlen, tja, ihre alte Klassenlehrerin fand sie OK, die Mitschüler waren ihr wohl ziemlich egal bis auf ihre Freundin. Sie war jedenfalls nicht traurig bei der Verabschiedung am letzten Schultag. Erwartungen etwas in der Schule zu lernen sind bei ihr auch ziemlich im Keller.
Westliches NRW.
Muss jetzt Schluß machen.
alibaba

Re: Schulunlust

Beitrag von alibaba »

Ich bin, nach vielen Erfahrungen, rückhaltender mit "Diagnostik" geworden und weiß, dass viele Dinge, normal sind. Normal in der Entwicklung, normal im Verhalten. Einziger Unterschied, die Ausprägung und vielleicht der Zeitpunkt. Nicht für umsonst ist man in der kindlichen Entwicklung aus dem starren Raster heraus getreten und nimmt nun Zeiträume, die viel weiter gestreut liegen. Nicht jeder fehlende Gruppenkontakt in Schulen ist auffällig. Wenn es in anderen Gruppen klappt, dann liegt es nicht am Kind, was sich eben in der Schulgruppe nicht einbringen kann, will oder muss, um den Vorstellungen von Einbringung in die Gruppe des Lehrers zu genügen. Und nicht jeder 5-jährige muss sich im Spiel beherrschen können, das können nicht mal Erwachsene. Ja, ich darf mich als Kind ärgern, wenn ich verliere und auch mal das Spiel durch die Gegend werfen oder abbrechen. Dieses "das muss jetzt aber klappen" finde ich ganz schrecklich.

Ich benötige eine dringende diagnostische Abklärung wenn es mich im Alltag, im Leben behindert. Wenn es mich einschränkt und ich nur mit einem Papier Hilfe bekomme. Wenn, wie in diesem Fall, der Schulwechsel reicht, frage ich mich, warum man eine Diagnostik da ran hängen muss oder soll? Ob es reicht, wird man ja sehen. Und ich empfehle da nicht die ersten 14 Tage als Messlatte zu setzen, sondern das erste halbe Jahr.

Erstkürzlich bin ich mit meinem Großen zum Kinderarzt, weil meine Frisöse gesagt hat, er habe da etwas auffälliges am Hals. Sie sehe das auch bei älteren Männern, sie wolle uns aber keine Angst machen, aber man sollte das kontrollieren lassen. Was war es: ein ganz normaler Lymphknoten, der eben bei so grätigen Kindern, wie meinem Sohn, eben am Hals erscheint, übrigens auch am Leistenbogen. Solche Vermutungen, begleiten mich nun ein Leben lang. Fing im Kiga an, setzet sich über die Logopädin fort, fand den Höhepunkt beim auswerten einer Tierzeichnung bei einer Familientherapeutin und endete letzten Endes erst, nachdem mir ein Professor der Kinderpsychiatrie erklärte, wenn sie hier auf diesem Zettel alles mit "ja" ankreuzen können, dann kommen sie noch mal wieder. Da hatte mal wieder die Lehrerin der 3.Klasse etwas "gesehen", was nicht in ihr Schema passte. Ich konnte übrigens von den 30 Fragen, vielleicht drei mit "ja" beantworten. Der Lehrer in Klasse 5 diagnostizierte bei meinem Sohn ein Blasenproblem, ein Gruppeneinfügungsproblem und überhaupt sei er nicht für diese Schulform geeignet. Ganz ehrlich Ihr Lieben, ich kann es nicht mehr hören, was auffällig sein soll. Kurioserweise ist das Problem gar keines. Denn in allen anderen Gruppenformen ist mein Sohn absolut unauffällig. Im Gegenteil, er sticht durch sein "erwachsenes" Benehmen aus der Gruppe heraus.

Also, mein Fazit. Nicht jedes vermeintliche Problem ist auch eines. ;) Manchmal will gut dinge Weile haben und manchmal braucht es mehr mütterliches Selbstbewusstsein, nicht auf alles gleich anzuspringen.

VG
Rabaukenmama
Dauergast
Beiträge: 2953
Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24

Re: Schulunlust

Beitrag von Rabaukenmama »

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Wenn, wie in diesem Fall, der Schulwechsel reicht, frage ich mich, warum man eine Diagnostik da ran hängen muss oder soll? [/qoute]

Hat das hier wer behauptet? Ich habe es weder geschrieben noch gelesen!

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Also, mein Fazit. Nicht jedes vermeintliche Problem ist auch eines. ;) Manchmal will gut dinge Weile haben und manchmal braucht es mehr mütterliches Selbstbewusstsein, nicht auf alles gleich anzuspringen.

VG [/qoute]

Ich kenne beide Extreme von Eltern: diejenigen, die in jede noch so kleine Normabweichung der eigenen Kinder gleich weiß-Gott-was reininterpretieren, und diejenigen, wo sich die Schwierigkeiten der Kinder wie ein roter Faden durch alles Lebensbereiche ziehen, die Eltern aber der fixen Überzeugung sind, ihre Kinder seien völlig "normal" und die anderen wären an allem "schuld".
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
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