alibaba hat geschrieben:@Rabaukenmama
Wir haben keine Inklusion. Eine I-Klasse gibt es hier nicht. Hier wird in der Tat noch sortiert. Und das vor der 1.Klasse.
Auch in Österreich gibt es den sogenannten "Schuleignungstest". Was ich so mitbekommen habe ist der aber nicht standardisiert, sondern wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Es gibt ein paar motorische Dinge (auf einer Linie gehen, mit geschlossenen Augen an die Nase fassen) ein paar kognitive (den eigenen Namen erkennen und schreiben können, mindestens bis 10 zählen, ein Bild beschreiben) und dann sollten noch ein paar offene Frage beantwortet werden, um die Kommunikationsfähigkeit zu testen. Meiner persönlichen Meinung nach stellt all das für ein gut gefördertes Kind mit IQ 80 kein Problem dar. Es weiß ja keiner, wie viel mit ihm geübt wurde, bis es z.B. den eigenen Namen schreiben konnte. Ein durchschnittlich intelligentes Kind kann hier sogar durchaus schlechter abschneiden, wenn es bisher nicht gefördert wurde.
Ein Jahr länger Kindergarten ("Rückstellung") gibt es hier nicht mehr. Wenn das Kind am Stichtag 6 Jahre alt ist MUSS es entweder eine Schule ODER eine Vorschule besuchen. Und nach dem Vorschuljahr MUSS es in die Schule, egal wie fit oder nicht.
Aber man hat als Eltern einiges an Mitspracherecht bei der Schulauswahl. Es gibt städtische Schulen und Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht (wo man selbst was draufzahlen muss). In beiden Bereichen ist von "streichelweich" bis zu "hier herrscht Zucht und Ordnung" so ziemlich alles dabei, wenn man sich als Eltern die Mühe macht, genauer hinzuschauen.
Der Großteil der Kinder mit Behinderung besucht Inklusionsklassen in ganz normalen Schulen. Gerade bei reinen Körperbehinderungen finde ich es als grotesk, das Kind in eine (womöglich weit entfernte) Sonder-Schule zu schicken, statt mit den anderen Gleichaltrigen in die I-Klasse. Es gibt aber auch Kinder, wo Inklusion einfach nicht möglich ist. Mein jüngerer Sohn ist trotz normaler Intelligenz einer davon. Nicht nur, dass er gebärdensprachigen Unterricht braucht, er lautiert auch ständig vor sich hin, was den Unterricht natürlich gewaltig stören würde. Für diese Kinder gibt es nach wie vor Sonder-Schulen.
Die klassische "Sonderschule" aus meiner Kindheit, die damals hauptsächlich von Kindern mit Lernschwierigkeiten besucht wurde, ist heute übrigens eine Art Auffangnetz für Kind aus sozial schwierigen Verhältnissen.
alibaba hat geschrieben:Ich kann nicht beurteilen, was ein Kind mit einem IQ von 80 kann. Klassenwiederholungen würde ich daran jedoch nicht festmachen wollen. Da würde ich die Gründe viel weiter streuen.
Es ist in die andere Richtung gemeint. Die Aussage ist nicht "Wenn ein Kind die Klasse wiederholen muß, dann ist es nicht intelligent genug" sondern "Mangelnde Intelligenz ist EINER von vielen Gründen, die zu einer Klassenwiederholung führen können". Im Idealfall ist z.B. ein Kind mit IQ 80 nach 2 Klassenwiederholungen kognitiv etwa durchschnittlich unterwegs (weil z.B. mit 10 Jahren am Stand eines 8jährigen Kindes UNTER 8jährigen Kindern.
Einem Kind mit einem IQ von 80 merkt man auf den ersten Blick gar nichts an. Ich wage sogar zu behaupten, dass mein sozial-emotional zurückgebliebener 8jähriger Sohn für Außenstehende auffälliger wirkt als ein angepasstes Kind mit IQ70! Die meisten lernschwachen Kinder sind eher zurückhaltend, damit niemand merkt, was sie alles nicht können. Die Tochter meiner Freundin mit IQ70 war z.B. schon 12 Jahre alt, als sie gelernt hat, die Uhr zu lesen. Wenn man sie unter ihren Klassenkameraden gesehen hat, ist das aber niemanden aufgefallen.
alibaba hat geschrieben:Vielleicht leben wir ja auch einfach zu homogen, hier auf der Insel.
Ich tippe jedoch eher darauf, dass das engmaschige Kontrollnetz hier ganz gut funktioniert und dass das Schulsystem durchlässig ist. So ist gewährleistet, dass „Förderschule“ keine Einbahnstraße ist. Selbst auf den Gemeinschaftsschulen kann man sich auf viele weitere Wege vorbereiten, je nachdem auf welchem Niveau Kind dort mitarbeiten kann.
vG
Hier beobachte ich, dass es zu 90% an den Eltern liegt, welche Schule die Kinder besuchen und in wie weit sie auch zu Hause gefördert bzw. gefordert werden. "Sonderschule" ist somit für jene Kinder, deren Eltern sich nicht ausreichend kümmern, durchaus oft eine Einbahnstraße. Dagegen haben Kinder mit niedrigerem IQ, aber förderndem Elternhaus, sowohl in der Schule als auch später im Leben die besseren Karten.