@alibaba:
Ich würde das nicht auf die Begabung eines Kindes "schieben". Es kommt ja - gerade bei klugen Menschen -oft die Erwähnung eines Flow. Und den kann ich ja nur im Glückzustand erreichen. Der fliegt mir aber nicht zu.
Es liegt nicht an der Begabung sondern an der Nicht-Passung. Einen Flow erreicht man bei Dingen, die man als schwierig empfindet aber bewältigbar. Wenn man das dann schafft, kommt es zur Endorphin-Ausschüttung im Körper, das hauseigene Belohnungssystem wird aktiviert. Wenn ein Kind in der Schule ständig Dinge tun muss, die viel zu einfach sind, dann springt dieses Belohnungssystem nicht an. Und wenn dann tatsächlich mal was kommt, für das es sich anstrengen muss, dann fehlt die Erfahrung, dass danach die Endorphine kommen, und das Kind streikt.
Ich bezweifle, dass man einfach so etwas kann. Ich brauche immer Übung. Ich brauche auch eine Grundeinstellung für's durchbeißen. ich muss das wollen. Ganz unabhängig vom IQ.
Es IST unabhängig vom IQ - wenn man ein Kind mit durchschnittlichem IQ chronisch massiv unterfordern würde, würde es vermutlich genauso reagieren. Nur passiert das einem Kind mit durchschnittlichem IQ eher nicht, weil die Schule auf solche Kinder ausgerichtet ist. Es gibt ganz sicher individuelle Unterschiede in der Grundausstattung an Anstrengungsbereitschaft. Aber förderlich für die Anstrengungsbereitschaft ist chronische Unterforderung ganz sicher nicht, was eben v.a. dann zum Tragen kommt, wenn mein Kind sowieso nicht Weltmeister in Sachen Ausdauer ist.
Gleiches gilt hier für die Schule. Bin ich im Unterricht schneller, helfe ich Anderen, übe ich automatisch. Bin ich z.B. in Chemie schneller als Andere, kann ich mit zusätzlichen Dingen mein Wissen weiter vertiefen. Ich übe indem ich anwende.
Wenn mein Kind unterfordert ist, ist es nicht schneller sondern wird immer langsamer. Außerdem ist weiteres Üben dann Gift. Und anderen helfen durfte es letztes Jahr, jetzt neue Lehrerin - nicht mehr erwünscht. Wie soll mein Kind im Unterricht mit zusätzlichen Dingen sein Wissen vertiefen, wenn es nicht differenziert wird?
Ich glaube, das verstehen, dass von Nichts nichts kommt, hat etwas mit der individuellen Reife zu tun. Und vielleicht mit den Erfahrungen die man alleine sammeln musste, weil eben keiner da war der ständig Dinge/Probleme für einen klärt.
Genau das sagte die Psychologin ja - dass man dem Kind Gelegenheit geben muss, diese Erfahrung zu machen, dass von Nichts nichts kommt. Man gibt Gelegenheit, indem man für eine angemessen fordernde Umgebung sorgt. Ich habe bisher erst eine einzige Lehrerin erlebt, die von selbst auf die Idee kam, dafür zu sorgen. Weil mein Kind bei Unterforderung weder durch besondere Schnelligkeit auffällt noch dadurch, dass es anfängt, die Tapeten von den Wänden zu reißen, sondern dadurch, dass es komplett dicht macht. Genau das ist der Mechanismus von Underachivement, irgendwann kommen die Kinder da alleine nicht mehr raus. Und dann wird es schwierig bis unmöglich zu zeigen, dass das Kind eigentlich das Potential hätte.