Re: Schulöffnung
Verfasst: Fr 26. Jun 2020, 22:33
Ehrlich - ich habe keine Ahnung, ob ich, wenn ich alt und krank bin, nicht genauso denken werde wie deine Tante. Auch bei uns schwirren viele Pensionisten rum und meine Mutter (Hochrisikopatientin nach der Nierentransplantation) hat mir am ersten Tag des Lockdowns noch stolz erzählt, dass sie mit ihrer Maske schon einkaufen war und in der Apotheke und bei der Gelegenheit gleich noch auf der Bank,... . In Anbetracht dessen, dass ich am Vorabend ausführlich mit ihr besprochen habe, wie gefährdet sie ist, und außerdem angeboten habe, dass wir gerne für sie einkaufen und Besorgungen erledigen (trotz 140km Entfernung), fand ich das besonders ärgerlich und kam mir, ehrlich gesagt, ziemlich "verarscht" vor .Meine3 hat geschrieben:Was mir auch sehr negativ aufgefallen ist und weswegen ich auch dagegen bin: Seit es die Maskenpflicht gibt, wird in den Supermärkten NULL Abstand mehr gehalten und zwar GENAU mit Einführung der Masken. Die gröbsten Regelverstoßer sind die Kandidaten ab 70. Die zum einen ihre Maske in den meisten Fällen schön unter der Nase oder noch tiefer tragen ("ich krieg so schlecht Luft" "äh, ja meine 6jährige Tochter auch! Und die muss sie auch korrekt tragen...") und dann wirklich so garnicht auf den Abstand achten. Die "alten" Leute sind irgendwie der Meinung, dass sie selbst durch die Selfmade-Masken von der Enkelin top-geschützt sind oder es ist ihnen einfach egal. Auch meiner Tante muss ich das immer wieder erklären, dass SIE nicht geschützt ist, wenn sie eine Maske trägt, sondern ANDERE vor IHR geschützt werden (und das auch nur unter korrekter Anwendung) und sie doch bitte dennoch einfach Abstand halten soll (sie ist sowas von HOCHrisiko, mehr geht nicht). Sie, als Hochrisikopatientin, hat übrigens von Beginn an gesagt, dass sie lieber ihre "Enkel" weiterhin sieht und dann an Corona stirbt, als monatelang isoliert und allein zu sein.
Dann habe ich eine Bekannte, deren 95jährige, demente Mutter im Pflegeheim ist. Meine Bekannte durfte erst mal 4 Wochen gar nicht rein ins Heim und beim ersten Besuchstermin nach der "Lockerung" war sie in einem kleinen Raum ohne Fenster mit einer dicken Plexiglasscheibe, wo auf der anderen Seite die schwerhörige Mutter saß, die nicht einmal das "Hallo Mama!" hören konnte und nach wenigen Minuten weggedämmert ist. Der nächste Besuchstermin fand auf einer riesigen Terasse statt, wo die Sonne draufgebrannt hat, und wo zwischen Mutter und Tochter zwei Tische längsseitig hintereinander aufgestellt wurden - wie man das aus den Filmen von Millionärsfamilien kenne, wo einer am einen und der andere am anderen Ende sitzt. Wieder war eine Unterhaltung nicht möglich, wieder ist die Mutter eingeschlafen, ohne viel von dem Besuch mitzukriegen. Dabei wäre meine Bekannte bereit gewesen, Mund-Nasen-Schutz, Schutzschild, Handschuhe und alles mögliche zu tragen und zu desinfizieren, nur um ihrer Mutter mal die Hand halten und ihr in die Augen sehen zu können. War aber nicht erlaubt,...
Es ist halt alles sehr zweischneidig. Eine alleinstehende Freundin meinte neulich zu mir, sie hätte seit 3 Monaten keinerlei körperlichen Kontakt zu anderen gehabt - kein Händeschütteln, keine Umarmungen (im Freundeskreis), nichts! Und es würde ihr fehlen, obwohl sie über die Arbeit (großteils im home office) sehr wohl Kontakt zu Kollegen hat und auch mit ihrem Freundeskreis eng vernetzt ist (zoom-Treffen), gemeinsame Wanderungen mit Abstand,...
Eine andere Freundin, die ziemlich zeitgleich mit dem Lockdown die Diagnose "sehr aggressiver Brustkrebs" bekommen hat, und die derzeit gerade die x-te Chemo hinter sich hat, hatte sich für die 3 Monate komplett zu Hause eingeigelt. Aber jetzt ist sie gemeinsam mit ihrer besten Freundin für 2 Wochen auf Urlaub gefahren. Bin ich diejenige, die den ersten Stein nach dieser Frau werfen will? Nein, eigentlich nicht!
Ich habe den Luxus, einerseits gesund zu sein und andererseits einen Partner und zwei Kinder zu haben und daher nicht ausgehungert nach körperlicher Nähe sein zu müssen. Aber ich habe keine Ahnung wie ich als alleinstehende Risikopatientin agieren würde. Kann durchaus sein dass die Sehnsucht nach einer Umarmung oder ein paar Tagen Tapetenwechsel durchaus größer wäre als die Angst vor Ansteckung.