nicht vor und nicht zurück...Sprung rückgängig machen?

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Meine3
Dauergast
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Re: nicht vor und nicht zurück...Sprung rückgängig machen?

Beitrag von Meine3 »

Katze_keine_Ahnung hat geschrieben:Ich habe drei Kinder in zwei sehr unterschiedlichen Klassenstufen jahrelang selber unterrichtet, und dabei noch nebenbei im Raum häufig ein Baby/Kleinkind gehabt. Ich verstehe die Lehrerin voll und ganz, dass sie mit dem Kind, das ständig reinruft ein Problem hat. Unterrichtsstörung in dem Ausmaß ist ein riesiges Problem in der Klasse, das alle Kinder betrifft. Auch wenn der Lehrer Nerven aus Stahl hat, fühlen die anderen sich benachteiligt, wenn sie sich melden, aber jemand doch ständig die Anworten reinruft. Wenn diese Antworten fachlich und richtig sind, dann umso schlimmer, dann hat das Kind noch gleich den Ruf von Besserwisser. Ich würde aus der Ferne das als brennendes Problem Nummer 1 einstufen. Erst wenn die Störung aufhört, kann die Lehrerin anfangen im Kind auch etwas Positives zu suchen.

Das Problem Nummer 2 ist die Ausgrenzung, was in vielem mit dem ersten Problem zu tun hat. Solange es fürs erste Problem keine Lösung gibt, sollte man aufpassen, dass die Neutralität nicht in Mobbing übergeht. Mein Kind mag das ADHS-Kind in der Klasse nicht. Es ist selbst mit Begleiter laut und das ist für mein KInd ein No-Go. Das darf mein Sohn mir gegenüber alles sagen und fühlen, aber ich habe ihm schon -zick mal erklärt, dass Paul eben so ist wie er ist, und nicht umsonst neben ihm schon seit drei Jahren eine Begleitung sitzt. Mein Sohn mag auch den Peter nicht, der auch so laut ist wie Paul, und mittlerweile in der ersten Bank vor der Lehrerin sitzt und ordentlich Aufmerksamkeit einfordert. Als mein Sohn sich darüber beschwerte, habe ich ihm auch bestätigt, dass ich Peter auch unmöglich finde. Weil ich weiß, dass Peter fit und fitter in allen Fächern ist und nur stört, um seine Machostellung sicher zu haben. @Meine3 Solange ihr keine Dagnose habt, fürchte ich, dass dein Sohn für die anderen Kindern und ihrer Etern die Rolle von Peter spielt.

Diese zwei Probleme haben nichts mit dem Sprung zu tun. Sie sind durch fehlende Impulskontrolle bedingt, und wären so oder so gekommen. Ich glaube, wenn eure Schule gegen die eigene Überzeugung des Rektors sich für den Sprung entschieden hat, dann war zumindest das 1. Problem auch während der 1. Klasse schon sehr präsent. Geht das Kind jetzt zurück, wird das 2. Problem vielleicht ein wenig milder, dafür wird aber das 1. Problem sich drastisch verschlechtern.
Genau diese Gedanken habe ich auch. Daher auch nochmal der Gang zur KJP. Ihm und uns (und auch der Schule) muss da geholfen werden.

Ich teile auch deine Überlegungen zum Thema Sprung "durchziehen" oder nicht. Denn er hat die PRobleme definitiv auch in der 2. und da vielleicht noch schlimmer (mit dem Verhalten), weil ihm ja langweilig ist.

ABER: ER möchte unbedingt zurück. Das kann ich bei all den Überlegungen auch nicht außer Acht lassen. Er weiß, dass er auf "Probe" ist, dass er theoretisch zurück kann und fordert das ein. Wenn wir das komplett ignorieren können wir auch nicht davon ausgehen, dass sich das positiv auf sein Verhalten auswirkt. Er ist klug genug vielleicht irgendwann auf die Idee zu kommen, sich dann mit Absicht noch mehr daneben zu benehmen :oops: . NOCH ist ihm dieser Gedanke nicht gekommen, er bemüht sich wirklich. Aber noch hat er auch die Hoffnung, bald wieder zurück zu dürfen in sein gewohntes Umfeld, wo er sich mehr akzeptiert fühlt, wo sein bester Freund ist, wo eine Lehrerin ist, die ihn mag, auch wenn er nervt.
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.
Meine3
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Re: nicht vor und nicht zurück...Sprung rückgängig machen?

Beitrag von Meine3 »

sinus hat geschrieben:
Meine3 hat geschrieben:Hallo Nimoe,

danke für deine Erfahrungswerte. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich von der KL halten soll. Sie macht ihn größtenteils schlecht, auch seine Leistungen bewertet sie vorsichtig. Sie sagt: teils - teils. Teilweise bringt er sehr gute Leistungen, auch in Mathe (? ja, warum nicht in Mathe...), und dann bemängelt sie wieder die SChreibgeschwindigkeit und die Orthographie. Er ist da jetzt die 3. Woche gewesen, 2 Tage war er nicht in der Schule!

Das nervt mich schon. Sie meinte VOR den Sommerferien zu mir, wir sollen anfangs mit schlechten Noten rechnen, das das normal wäre und sich gibt, nach einem halben Jahr (ich würde mal frech behaupten, dass 3 Wochen kein halbes Jahr sind :gruebel: ).

Dann meckert sie NUR über sein Verhalten, da kommt nichts positives. Auch nicht wenn er sich bemüht, das gesteht sie dann ein, wenn ich explizit danach frage.

Auf der anderen Seite sagt sie: er ist eigentlich in der 3. richtig und sie wollen ihm unbedingt noch die Chance geben bis zu den Herbstferien...

Das passt irgendwie alles nicht mehr zusammen.

Meine Gedanken dazu: sie kann ihn nicht leiden, weil sie ihn nicht versteht. Punkt. Aber sie muss sich eingestehen, dass er in ihrer Klasse eigentlich richtig ist, und ist so fair dies auch zu tun. Sie versucht ihre eigene Unzulänglichkeit (dass ihr der Sohn unsympathisch ist und sie ihn deswegen gern wieder los hätte) zu verstecken, aber das gelingt nicht wirklich gut.

Ganz ehrlich bereue ich es ein wenig, den Vorschlag zum KLassensprung überhaupt an meinen Sohn weitergegeben zu haben. Wir hätten das als Eltern gleich ablehnen müssen :cry: . Denn in der alten Klasse war die Langeweile zwar groß, aber sozial wurde es immer besser... Hätte ich mal auf mein Bauchgefühl gehört... Gut, das kann man eben nie wissen. Die alte KL war sich ganz sicher, dass er das sozial packt und es ihm dort kognitiv viel besser geht (mit letzerem hat sie recht).

Ich bin hochsensibel, meine Töchter auch. Mein Sohn scheint auf der einen Seite in vielen Belangen viel weniger sensibel (eigene Wahrnehmung von Hunger, Müdigkeit, Kälte, Durst, Krankheit, Stress ist nicht so vorhanden), auf der anderen wirkt er SEHR sensibel (SEHR lichtempfindlich, und er reagiert stark auf Stress oder auch Hunger und Müdigkeit, wird dann total überdreht oder launisch oder unausgeglichen, aber merkt das wiederum auch nicht)... Auch menschliche Schwingungen sind sehr zweischneidig. Auf der einen Seite ist er oft SO sehr in seinem eigenen Gefühl "gefangen", dass er nicht merkt, dass sein Verhalten unpassend ist für jemand anderen (BEispiel: er lacht über einen Witz, den er grade liest währenddessen stößt sich die Schwester den Kopf und fängt lauthals an zu weinen. ER lacht LAUTER (nächster Witz) und bekommt NIX außenrum mit. Solche Dinge passieren STÄNDIG. VOrgestern hatte ich einen heftigen Hustenanfall, weil ich mich übel verschluckt hatte. Ich habe mich fast übergeben. Meine Mittlere weiß nicht was tun (sie hat meine GEste mit auf den Rücken klopfen nicht verstanden und wurde ganz ängstlich und der Sohn sitzt seelenruhig nebendran und liest. Als ich dann irgendwann ein ersticktes "XXX (name vom Sohn)" herausbrachte ist er sofort aufgesprungen und hat mir auf den Rücken geklopft :roll: ) oder er andere damit vor den Kopf stößt. Auf der anderen Seite hat er unheimlich viel Verständnis für die Gefühle und Belange und Verhaltensweisen anderer, WENN er sie mitbekommt... :gruebel:
Hm, ich denke, du kannst deiner Einschätzung da vertrauen. Das ist ja eine Seite der HS, dass man andere relativ gut und schnell durchschaut.
Schlimmerweise oft sogar besser, als das Gegenüber selbst. Soll heißen, dass die Lehrerin sich dessen evtl. nichtmal bewusst ist bzw es nichtmal vor sich selbst zugeben könnte, dass sie ihn nicht mag, wenn dem so wäre.

Ich würde sie evtl mal drauf ansprechen, dass ihre Rückmeldungen dir sehr negativlastig scheinen und dass du vermutest, dass dein Sohn es auch so empfindet. Dass euch (dich und ihn) das entmutigt und du dir wünschen würdest, dass sie auch positives Feedback gibt. Besonders an deinen Sohn.

Da sie insgesamt immernoch bemüht wirkt, würde ich die Hoffnung noch nicht aufgeben.
Ihre Antipathie kann sich ja auch noch wandeln, sie braucht evtl auch einfach noch Zeit.
Und vielleicht ist sie im Grunde auch noch nicht richtig drauf eingestellt, dass dein Sohn jetzt wirklich zur Klasse gehört.
Denn noch ist das ja in der Schwebe. Auch eurerseits.

Ich lese gerade folgendes Buch:
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MOTIVATION TRIFFT BEGABUNG
von Gerhard Lehwald.
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(Lehwald ist ein studierter Pädagoge und Psychologe, Professor und jahrelanger Direktor eines Zentrums für Potentialanalyse und Leiter einer Beratungsstelle für hochbegabte Kinder)

Das ist alles recht wissenschaftlich und nüchtern, aber für mich sehr erhellend.
Eigentlich alle seelischen und schulischen Probleme, die meine Tochter hatte und hat, kommen dort 1:1 vor und sind
demnach unmittelbar auf die jahrelange Unterforderung zurückzuführen.
Es ist ziemlich erschreckend.
(Man selbst denkt ja doch immer wieder - und kriegt das gerade auch von Lehrern sowie anderen im Umfeld schnell so gespiegelt - das Kind sei einfach auch charakterlich schwierig, man habe bei der Erziehung/im Umgang mit dem Kind evtl. was falsch gemacht, das Kind sei seelisch nicht stabil genug etc pp... also der Fehler läge zu allererst im Kind oder im Elternhaus ...
Aber warum beschreiben dann diese Autoren immer wieder so genau ausgerechnet mein Kind und seine sämtlichen "Baustellen" so erschreckend präzise?
Ich habs jetzt inzwischen schon so oft gelesen... und immer wieder versuche ich offen zu sein auch für alle möglichen anderen Betrachtungsweisen - aber so langsam glaube ich es doch.
Was mich daran erschreckt ist, dass das, was ich für die diversen Charakterschwächen oder gar -fehler meiner Tochter bzw. mitunter auch für Erziehungsfehler hielt, offensichtlich eine ziemlich erwartungsgemäße, natürliche Reaktion auf all die "Störungen" und Erlebnisse ist, die sie beim Lernen und Erleben in der Schule bisher hatte. Und dass sich das, wenn man da nicht gegensteuert, am Ende offensichtlich in der Persönlichkeit manifestieren kann.)

Insofern bleibe ich dabei, dass dein Sohn besser nicht zurück sollte.
Er wird danach vermutlich andere Probleme haben, die sich ziemlich wahrscheinlich viel langfristiger und tiefergehender auf sein Wohlbefinden und seine charakterliche Entwicklung auswirken.

PS: In Anbetracht dessen, dass du noch 2 nachfolgende Kinder hast, und deine mittlere mitunter ähnlich zu reagieren scheint, wie meine Große, möchte ich dir das Buch gern weiterempfehlen.
Ich würde es dir, wenn ich es ausgelesen habe, auch für ein paar Wochen zum Reinschauen ausborgen, wenn du es nicht kaufen möchtest.
Es ist allerdings nichts, was man mal eben so durchliest, mehr Fachbuch als Sachbuch.

Sachbücher sind schon lang nicht mehr spezifisch genug ;) von daher danke für den Tipp. Ich besorge es mir. Wir leben ja nicht grade um die Ecke :mrgreen:

Ich würde wirklich gern zu einer/m KJP gehen, die/der sich mit Hochbegabung UND ASS und ADHS auskennt, aber das gibt es hier im Umkreist erst wieder in Stuttgart. Ich überlege tatsächlich ob ich für die Diagnose dort mit ihm vorstellig werden soll. Eigentlich hätte ich es besser für die Therapie gefunden, wenn wir hier vor Ort jemanden hätten. Aber die KJP hier vor Ort hat sich garnichts auf die Fahne geschrieben. ICh weiß nicht, was ihre Schwerpunkte sind. Ich habe Angst vor einer falschen Diagnose, die er dann ein Leben lang hat und dabei stimmt es nicht. Ebenso habe ich Angst, dass was wesentliches übersehen wird und er dadurch wiederum sein Leben lang unnötig kämpfen und sich "allein" durchschlagen muss.
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.
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Re: nicht vor und nicht zurück...Sprung rückgängig machen?

Beitrag von Meine3 »

Katze_keine_Ahnung hat geschrieben:
Die Ausgrenzung ist sehr heikles Thema. Wer gehört zu uns und wer nicht? Mein Sohn hat definitiv genug kindlicher Interessen. Er kennt die ganzen ??? Kids rauf und runter, er spielt Lego, er kann sich mit jedem Baukasten beschäftigen, er mag Nerf und Wasserpistolen. Puppen würde er ablehnen, aber mit dem Rest würde er gern spielen. Trotzdem versuchen die Stärksten ihn auszugrenzen. Weil sie Angst vor der Konkurenz haben.
Mein Sohn hat bis vor kurzem auch noch sehr viel gespielt (bis vor einem halben Jahr: Lego, Gravitrax, Carrera Autrennbahn, Ballspiele, usw. Wasserpistolen fänd ER sicherlich toll, aber ehrlich gesagt, wir nicht so :mrgreen:. Ich denke aber, dass wir ab nächstem Jahr da auch nicht mehr drum rumkommen). Seit er so im Lesefieber ist, ist es mit spielen echt schwierig :| . Die ??? Kids kennt und mag er auch, auch die Schule der magischen Tiere und so weiter. Sein Sitznachbar kennt auch Harry Potter (als Film ;) ). Da hatten sie anfangs Gesprächsthemen, aber irgendwie hat er es sich wohl mit seinem Verhalten im Unterricht (ich stelle mir das auch sehr anstrengend vor neben so jemandem zu sitzen :schwitz:, finde es ja als Mutter schon nervtötend, wenn er beim Abendessen immer über alle drüberredet)dann auch mit diesem Jungen verscherzt.

Ich habe ihm jetzt diese Pokemon KArten besorgt. Vielleicht findet er ja so Zugang. Wahrscheinlich verschenkt er dann alle (gutmütig wie er ist) :roll: .
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Katze_keine_Ahnung
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Re: nicht vor und nicht zurück...Sprung rückgängig machen?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

@Meine3

Ist deinem Sohn die Tragweite von "zurück" bewusst? Dass er dadurch die ätzende Grundschulzeit um ein Jahr verlängert? Gibt es bei euch auch Lehrerwechsel nach der 2. Klasse? Dann käme er in der 3. Klasse nächstes Jahr zu einer ganz unbekannten Lehrerin, wer weiß wie sie drauf ist... Außerdem rechne ich damit, dass auch in diesem Jahr Unterricht massiv ausfällt. Entweder sind die Hygienemaßnahmen im Winter so nicht durchführbar (wie soll man bei -10 ewig lang lüften können?) oder man befolgt dann die Maßnahmen doch nicht und hat die Coronazahlen.

Mein Kleiner hat gestern während einer Wanderung auch gesagt, er habe keine Lust mehr den Berg hoch zu kraxeln. Ich habe ihn eine Zeitlang versucht gutmütig aufzumuntern, aber irgendwann ist mir doch der Kragen geplatzt und er hat eine klare Ansage bekommen, dass er sich zusammenreißen und weiter gehen sollen, ohne wenn und aber. Und sehe da, ab dort hatte er dann wieder Spaß, fragte auf dem Weg nach oben zwar alle 10 MInuten ob man schon das Gipfelkreuz sieht, machte aber keine Anstalten sich umzudrehen oder sonst wie zu jaulen. Runter hüpfte er mit viel Freude wie ein wilder Steinbock, kletterte an den Böschungen noch hoch, spielte in den Bächen und ist dann am Ende stolz, dass er ein Photo vor dem Gipfelkreuz hat.

Diese Probezeit ist ein pädagogischer Mist... Kinder brauchen in schwierigen, fordernden Situationen eine klare Angabe der Richtung.

Hatte eure Schule schon Erfahrung mit Begleitern? Kannst du eventuell dort selber anrufen, um Abzuklären ob wirklich erstmal die medizinische Diagnose, für die Genehmigung notwendig ist, oder ob sie eventuell nachgereicht werden kann und der Dringlichkeit der Situation entsprechend erstmal jemand wirklich in absehbaren Zukunft kommen kann?
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Re: nicht vor und nicht zurück...Sprung rückgängig machen?

Beitrag von Rabaukenmama »

Katze_keine_Ahnung hat geschrieben: Hatte eure Schule schon Erfahrung mit Begleitern? Kannst du eventuell dort selber anrufen, um Abzuklären ob wirklich erstmal die medizinische Diagnose, für die Genehmigung notwendig ist, oder ob sie eventuell nachgereicht werden kann und der Dringlichkeit der Situation entsprechend erstmal jemand wirklich in absehbaren Zukunft kommen kann?
Schulbegleitung ohne Diagnose ist nicht möglich, nicht mal in Österreich, wo es in den meisten Bundesländern noch liberaler zugeht als in Deutschland. Was genau in der Diagnose steht (also ob ADHS, ASS, Sozialphobie oder "tiefgreifende Entwicklungsstörung") ist in manchen Bundesländern nicht so wichtig, aber eine Diagnose ist unerlässlich. Die Schulbegleiter werden ja von einem Träger finanziert, der rechtfertigen muss, warum das Kind eine Schulbegleitung braucht. Und ich bin mir ziemlich sicher dass "hat Anpassungsprobleme nach einem Klassensprung" da nicht durchgeht.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Rabaukenmama
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Re: nicht vor und nicht zurück...Sprung rückgängig machen?

Beitrag von Rabaukenmama »

Meine3 hat geschrieben: Ich würde wirklich gern zu einer/m KJP gehen, die/der sich mit Hochbegabung UND ASS und ADHS auskennt, aber das gibt es hier im Umkreist erst wieder in Stuttgart. Ich überlege tatsächlich ob ich für die Diagnose dort mit ihm vorstellig werden soll. Eigentlich hätte ich es besser für die Therapie gefunden, wenn wir hier vor Ort jemanden hätten. Aber die KJP hier vor Ort hat sich garnichts auf die Fahne geschrieben. ICh weiß nicht, was ihre Schwerpunkte sind. Ich habe Angst vor einer falschen Diagnose, die er dann ein Leben lang hat und dabei stimmt es nicht. Ebenso habe ich Angst, dass was wesentliches übersehen wird und er dadurch wiederum sein Leben lang unnötig kämpfen und sich "allein" durchschlagen muss.
Hallo Meine3!

So, wie du deinen Sohn hier immer wieder beschreibst, ist ein Autismus-Kompetenzzentrum für dich der Ansprechpartner. Da ADHS in Kombi mit Autismus ziemlich häufig auftritt (siehe anderes Forum ;) ) haben die dort normalerweise auch eine Ahnung von ADHS. Da ich ja selbst "reinrassige" ADHS habe, erkenne ich ziemlich klar, welche von Sohnemanns Besonderheiten aus welcher Ecke kommt. Aber ich verstehe natürlich dass das für andere Eltern, deren Kinder von beiden "etwas" haben, nicht so einfach ist.

Ich weiß bis heute nicht ob mein Sohn "Autismus mit komorbider ADHS" hat oder "ADHS mit komorbidem Autismus". Meine Beobachtung nach wird er von beiden Störungen in verschiedener Weise beeinträchtigt, was sich leider gegenseitig verstärkt. Gerade lese ich das Buch "Geniale Störung" von Steve Silberman über die Geschichte des Autismus. Und ich finde beide Jungs in den Geschichten dort wirklich STÄNDIG wieder.

Die Person oder Stelle, die die Diagnostik macht, muss nicht unbedingt in Wohnnähe sein, denn die Therapie (im Fall einer Diagnose) wird ohnehin fast immer von anderen Personen oder Stellen durchgeführt.

Gerade bei Autismus gibt es in den Kompetenzzentren leider oft sehr lange Wartezeiten auf eine ordentliche Diagnostik oder man findet eben eine spezialisierten KJP, der es privat macht (Kosten zwischen Euro 350,- und 600,- für eine Diagnostik mit 2-3 Terminen). Da sollte auch ein paar Kilometer Weg drin sein. Ich bin selbst mit Kleinsohn ein bis zweimal im Jahr zur Diagnostik in 200km Entfernung und das ist es allemal wert!

Am besten du fragst im anderen Forum explizit nach Stellen oder Personen in deiner Umgebung, die eine gute Diagnostik machen. Dort ist echt ein geballter Erfahrungsschatz zu finden.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Katze_keine_Ahnung
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Re: nicht vor und nicht zurück...Sprung rückgängig machen?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

@Meine3

Wenn dein Sohn zurück will und die Lehrerin das weiß, habt ihr keine Möglichkeit die Entscheidung zu beeinflussen. Der Sprung wird unter solchen Umständen defintiv zurück genommen. Wenn nicht, dann lerne ich was neues über unser Schulsystem.
sinus
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Re: nicht vor und nicht zurück...Sprung rückgängig machen?

Beitrag von sinus »

@meine3: Ich denke, ich verstehe dich gut. Du bist sehr nah dran an deinem Sohn und alles, was ihm passiert, fühlt sich an, als passiere es dir, oder?
So geht es mir jedenfalls mit meiner Tochter.
Das bedeutet leider aber, dass man manchmal nicht mehr den nötigen Abstand hat, so nah am Kind ist, dass es einem schwer fällt "strategische" Entscheidungen zu treffen.

Ich habe schon oft meinem Kind nachgegeben, wo ich im Nachhinein denke, dass es falsch war. Aber ich wollte sie beschützen, ihr unangenehme Situationen ersparen, sie nicht überfordern (vielleicht sind 2 Instrumente ja doch zu viel? Und Sport ist halt nicht ihr Ding, Sportgruppen/Kindergruppen liegen ihr halt nicht... Irgendein Ferienprogramm will sie nicht? Naja, sind schließlich ihrer Ferien, da sollte sie machen dürfen, was sie selbst will, ich würde mir für den Urlaub ja auch nicht von jemand anderen was aufdrücken lassen - usw usf) und habe damit ein Vermeidungsverhalten unterstützt, was ihr letzten Endes überhaupt nicht gut tat.
Sogar das Gegenteil.

Wie bei dem Beispiel mit der Band.
Sie sollte eigentlich schon vor einem Jahr dahin. Aber die neue Schule und dann abends noch "Programm"... das wird zu viel.
Vorletzte Woche sollte sie dann schließlich doch das erste Mal hin, schrieb aber am Tag darauf in der Schule 2 Arbeiten. Sie hat mich darum dann schließlich überzeugt, das Ganze nochmal um eine Woche zu verschieben und nicht hin zu müssen...
Auch darauf hab ich mich letzten Endes eingelassen.
Auch diese Woche hat sie es wieder probiert. Sie habe eine Wunde im Mund, das täte weh beim Blasen... (die hatte sie übrigens wirklich. Aber wie sie aus der Bandprobe letzten Endes rauskam, nämlich total aufgedreht / gut gelaunt, schrieb ich an anderer Stelle schon, nicht?)
Sie findet da immer was. Und fast immer kann ich es so gut nachvollziehen und verstehen, dass ich regelmäßig dazu neige, ihr nachzugeben.
Zum Wochenendtreffen der DGhK wollte sie übrigens damals auch partout nicht mit. Und dann blühte sie da so auf...
Ich bin auch sicher, dass sie nächste Woche wieder nicht zur Bandprobe will und nächstes Jahr wieder diskutiert, dass sie nicht mit auf dieses doofe Wochenendtreffen der DGhK will und auch meine Idee mit der spielerischen Englisch-Sprachwoche in den nächsten Sommerferien hat sie schon abgelehnt. (ich werd sie trotzdem anmelden)...

Nach allem, was ich inzwischen weiß, habe ich die Abwärtsspirale, die sich durch Unterforderung bildete, nicht nur nicht aufgehalten, sondern oft sogar noch unterstützt.
Das Kind wollte damals im Grundschulalter immer weniger machen, ließ sich immer schlechter auf Neues ein, wollte in seiner Freizeit auch immer weniger zusätzlich machen.
Und ich wollte sie nicht zwingen, wollte keine Mutter sein, die ihr Kind, was ja schon in der Schule so ungern ist, zwingt, sich auch noch in der Freizeit mit Sachen zu beschäftigen, die sie nur ungern macht.
Und sie machte am Ende eigentlich alles ungern.
(Eine unmittelbare Folge aus zu wenig Flow-Erlebnissen beim Lernen & im Alltag, weil nie wirklich herausgefordert, nie an die Leistungsgrenze gekommen.
Und den Flow erlebt man immer nur dann, wenn eine Aufgabe/Situation knapp über dem aktuellen Leistungsvermögen liegt, so dass man die Sache gerade noch im Griff hat, es einem aber auch nicht zu leicht fällt. )

Jetzt denke ich, dass ich sie mehr zu ihrem Glück hätte zwingen müssen.
Sie hätte viel mehr Herausforderungen und Anforderungen gebraucht, auch wenn sie zu dem Zeitpunkt schon an einer Stelle war, dass sie an nichts mehr Freude fand.
Ich hätte dazu beitragen können, das sie diese Freude wiederfindet.
Aber ich hätte sie zu dem Zeitpunkt damals immerwieder erstmal über den Berg tragen müssen. Auch gegen ihren Widerstand.
Das habe ich nicht ausreichend getan. Ich dachte, ich müsse sie schonen, ich verlange zu viel, ich will zu viel... und war zu nah dran, so dass ich ihre Abwehr viel zu sehr annahm.

Das hat jetzt vielleicht auf den ersten Blick alles nicht so viel mit deinem Sohn in der jetzigen Situation zu tun. (aber womöglich mit der zukünftigen)
Nur insofern, dass meine Tochter sozial in der Grundschule gut aufgehoben war, Freunde hatte, eingeladen wurde, anerkannt war, die Lehrerin mochte.
Sie selbst sagte ja rückblickend, sie hätte einen Sprung sicher nicht gewollt, weil sie die Klasse und die Lehrerin mochte.
Sie ließ und lässt sich ja generell nur ungern auf Neues ein.
Trotzdem fühlte sie sich unter den Altersgenossen fremd und schrieb bei der Psychologin in der 3.Klasse damals auf den Fragebogen, dass sie sich als anders empfinde und lieber wie alle anderen sein möchte.
Und überhaupt wäre sie am liebsten unsichtbar.
(genau das stand bspw im Buch: den Wunsch, unsichtbar zu sein, äußern viele dauerhaft unterforderte Kinder, die auf dem Weg zum Underachiever sind)
Naja, und das andere - über Lernfreude, Wissbegier, Anstrengungsbereitschaft, Motivation, Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit bis hin zu Schulunlust/-angst - hab ich hier ja schon ausführlich geschrieben.

Was ich aber mit diesem Text eigentlich sagen will ist, dass du, wenn DU sicher bist (?), dass ihr den Sprung nicht rückgängig machen solltet, selbst, wenn ihr das anders mit ihm ausgemacht hattet, ihm vielleicht deutlich sagen solltest, dass du als Mutter und Erwachsene mit mehr Weitsicht und Überblick der Meinung bist, dass er nicht wieder zurück in die alte Klasse sollte, nur weil er sich dort zuletzt (!) sozial wohler gefühlt hat.
Abgesehen von der Schulseite (hoffentlich hat Katze da nicht recht) - DU (bzw du und dein Mann) hast die Verantwortung und DU entscheidest. Nicht er.

Auch das ist was, was ich schon oft falsch gemacht habe, weil meine Tochter eben oft im Denken so erwachsen argumentiert und wirkt. Und ich emotional so nah dran bin.
Ich habe sie viel zu viel mitentscheiden lassen bzw mich von ihrem Willen zu sehr lenken lassen, wo es eigentlich meine Verantwortung gewesen wäre, zu entscheiden.
Auch mal gegen ihren Willen und ihre momentane Laune.

Ich glaube, gerade hochbegabte Kinder brauchen besonders starke Persönlichkeiten als Eltern, die sich nicht scheuen, auch mal unpopuläre Entscheidungen zu treffen.
Nicht nur unpopulär gegenüber der Umwelt, sondern auch mal gegenüber dem Kind selbst.
Mir persönlich fällt das schwer, ich mag es bspw sehr, mit dem Kind auf Augenhöhe zu reden und mit ihr in Harmonie zu sein/zu entscheiden.
Aber es ist nicht immer das Beste fürs Kind...
Manchmal brauchen sie was anderes. Nämlich jemanden, der für sie entscheidet. Der ihnen sagt, wo es lang geht. Der sie den Berg hinauf zwingt.
Wie Katze beim Wandern. (auch wenn das natürlich keine weitreichende Entscheidung ist, wie das bei euch jetzt)

Was eine Beratung/Begutachtung betrifft möchte ich dir auch anraten, unbedingt einen (auch mit Hochbegabung) erfahrenen Fachmann zu suchen.
Denn wie ich an meiner Tochter sehe, kann ein und dasselbe Symptom völlig gegensätzliche Ursachen haben (Unterforderung/Überforderung bspw) und jeweils völlig andere Konsequenzen nach sich ziehen.
Dann lieber weite Wege, statt Umwege und Sackgassen.
Die Blätter sind bunt
nun bellt der Hund
nun lacht der Mund
Raureif liegt auf dem Gras.
Der Has`
friert um die Nas.

(Herbstgedicht der 6jährigen)
Katze_keine_Ahnung
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Re: nicht vor und nicht zurück...Sprung rückgängig machen?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

@sinus

Meine Kinder waren nie so richtig unterfodert, weder zuhause noch im Schulsystem. Vielleicht irgendwo vereinzelt kurze Zeiträume, aber nie länger als einige Monate. Nichtdestotrotz haben sie einen Bund an den Problemen, die für hochbegabten Kinder typisch sind. Sie wurzeln alle in Andersartigkeit, nicht in der Unterforderung. Man fühlt sehr früh, wenn die Gesellschaft der Gleichartigen und Gleichartigen einen ablehnt.

Was die Motivation betrifft, glaube ich, es ist angeboren. Es gibt Babys, die Tausend Mal hinfallen bevor sie richtig laufen und Babys, die warten bis sie richtig gehen können. Es gibt Kinder, die gerne neue Sachen probieren und Kinder, deren nur bekannte Dinge Freude bringen. Einer geht erkunden ohne sich umzugucken, der andere klammmert sich an Mamas Bein und möchte gar nicht in die Ferne gucken.

Wenn du in die Vergangenheit schaust und deine zwei Mädchen im Alter von 2,3,5 Jahren vergleichst, stellst du dann nicht fest, dass sie schon damals sehr unterschiedlich waren? Dass die Große schon mit 2 eher vorsichtig war, was Neues betrifft, und die Kleine eher entdeckungsfreudig?
Meine3
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Re: nicht vor und nicht zurück...Sprung rückgängig machen?

Beitrag von Meine3 »

Hallo sinus, Hallo Katze,

ich bin nah beim Kind. Das stimmt. Auch oft zu nah, oft fehlt die nötige Distanz klar zu sehen. Ich hatte in der Schule auch soziale Probleme, ganz anders gelagert, aber ich fühle sehr mit ihm. Ich weiß, was es heißt ausgegrenzt zu werden und das Gefühl zu haben nicht dazu zu gehören.

Aber ich mache auch klare Ansagen. Grade meinem Sohn gegenüber. Wir hatten letztens Knatsch bei den Hausaufgaben. Er hatte keine Lust mehr. Ich sagte ihm er müsse jetzt die Popobacken zusammenkneifen und sich zusammenreißen und sie einfach schnell fertig machen. Ich erinnerte ihn daran, dass er derjenige war, der springen wollte und dass ich ihm von Anfang an klar gesagt habe, dass das die erste Zeit sehr anstrengend wird und das JETZT diese Zeit gekommen ist, die sehr anstrengend ist. Dass er sich gut überlegen soll, ob er wirklich die Langeweile in der 2. Klasse ertragen könnte, jeden Tag stundenlang. Oder ob er jetzt da durch will für ein paar Wochen, Monate und dann stolz ist, dass er es geschafft hat. Sowohl mit dem vielen Schreiben als auch mit den Mitschülern. Ich sagte ihm, dass er sich gut überlegen soll, was er will. Er kann nicht ständig seine Meinung ändern und müsse auch mal etwas beenden, etwas investieren, um ein Ziel zu erreichen. Es wäre seine Entscheidung. Wenn er aber zurückgeht, dann aber für IMMER. Dann gibt es keine Versuche mehr mit anderen Schulen oder Klassensprüngen oder ähnlichem. Dass das die letzte Möglichkeit ist, was daran zu ändern, dass ihm die Schule zu langweilig ist. Er seufzte, sagte "na gut..." und machte dann den Rest der Aufgaben in einem Rutsch fertig. Seitdem haben wir bei den Hausaufgaben keine Probleme mehr.

Ebenso haben wir auch schon oft große WAnderungen mit den Kindern zusammen unternommen ;), wo man sie durch motivieren und auch mal hart bleiben dazu gebracht hat am Ende ein Ziel zu erreichen und dann sehr stolz zu sein. Es ist nicht so, dass ich jedem Gefühlchen gleich nachgebe, auch wenn das vielleicht so wirkt. Ich beziehe die Gefühle und Bedürfnisse meiner Kinder aber IMMER mit ein und ich bin schon auch bedürfnisorientiert, grundsätzlich.

Ich denke eher, dass es von vorn herein ein Fehler war, seinem Wunsch mit dem Sprung zu entsprechen. HIER hätte ich auf meine Intuition als Mutter hören sollen. Denn sozial gesehen war alles besser geworden, es kam endlich mal Ruhe rein. Nach über einem Jahr Anspannung und Stress. Es war richtig entspannt gegen Ende des Schuljahres. BIS zu dem Zeitpunkt als der Klassensprung zur Sprache kam, dann wurde es schlagartig wieder SEHR schwierig, vor allem sozial, auch zu Hause.

Wie ihr gewisse noch wisst: ich war nicht begeistert von dieser Idee mit dem Klassensprung. Ich hatte Bauchweh, dass er diese Umstellung emotional nicht packt und deswegen auch Sorge wegen dem Stoff. Das mit dem Stoff schien unbegründet, ich hatte die Befürchtung, dass ihn diese große soziale Veränderung auch kognitiv "hemmt". Ich denke, das tut es auch. Er könnte weit besser agieren, wenn er sozial nicht so überfordert wäre grade. Fakt ist, dass ich zu diesem Zeitpunkt zu nahe am Kind war (!), die falsche Entscheidung getroffen habe, weil sowohl Lehrerin als auch der Sohn so überzeugt schienen, dass das eine gute Idee ist. Ich war es NICHT.

Und jetzt? Jetzt sehe ich, dass mein Kind sozial vereinsamt. Der Kontakt zu seinem besten Freund besteht noch. Aber wie lang? Dieser wird sich durch den Alltag auch neu orientieren. Sie sehen sich 3 mal in der Woche morgens vor der Schule und laufen zusammen. Sie treffen sich einmal in der Woche. Aber das reicht nicht! Kinder brauchen mehr Kontakt zu Gleichaltrigen und damit meine ich wohlwollenden, guttuenden Kontakt. Keiner, der einem unentwegt das Gefühl gibt anders zu sein.

Gestern meinte mein Sohn:" Mama, ich verstehe das garnicht. Ich habe doch garnichts getan. Ich bin halt anders, sonst nichts" Das tut schon weh.

Ich erkläre ihm, was die Kinder stören könnte, warum es für die Kinder schwer ist ihn zu akzeptieren und sage ihm, dass es nicht seine Schuld ist, dass er "anders" ist, dass er gut so ist. ICh sage ihm auch, was nicht gut ist (angeben, reinrufen, schubsen). Das versteht er ebenso. Er versteht das kopfmäßig alles, aber er ist ein noch 7jähriges Kind und er ist verletzt. Er sagte mir gestern auch, dass er schon am 2. Tag bemerkt hat, dass der Sitznachbar ihn nicht so mag. Ich dachte er schnallt das nicht! Aber das ist garnicht so. Er hat es nur nicht erzählt, weil er mal wieder tapfer sein wollte und nicht "jammern"/petzen wollte. Er ist ein Mensch, der alles am liebsten mit sich ausmacht (so zwisschenmenschliche Probleme), die Dinge gern selbst regelt und in den Griff bekommt und ich merke immer mehr, dass ich ihm HIER helfen muss und erklären muss, dass man in Situationen wie einem Schulwechsel (der ist ja aus ganz ähnlichen Gründen gescheitert!) oder einem Klassensprung Hilfe braucht und auch fordern darf und dann annehmen muss.

Ich befürchte sozial betrachtet ist das Kind in den Brunnen gefallen. Die Kinder in seiner Klasse haben kein Interesse daran ihn näher kennen zu lernen. Sogar das Kind, das auch neu ist und anfangs neben dem Sitznachbar ein potenzieller neuer Freund hätte werden können, grenzt ihn nun aktiv aus. MEin Sohn meint:" Der will glaube ich zu den "Coolen" gehören. Deswegen macht er das." Endlich fängt mein Sohn an über so Dinge zu reden. Aber nicht von sich aus. Ich muss viel fragen.Jetzt denke ich, er versteht so viel, insbesondere zwischenmenschliches, aber er gibt es nicht preis und oft scheitert er im Alltag, weil er versucht alles alleine hinzubekommen. Ich dachte mein Sohn hat vielleicht Asperger, aber im Grunde versteht er die menschlichen Gefühlsregungen und Reaktionen und das Verhalten von anderen viel zu gut...

Wo er definitiv Probleme hat sind eben Impulskontrolle und Selbstregulation. Diese Probleme hat er seit er 5 ist sehr auffallend und durchgehend. Egal ob gute oder schlechte Phase. Esl ist mal mehr mal weniger auffällig, aber immer da. Das mit der sozialen Interaktion hängt EXTREM von den Umständen ab. In der Freizeit und zu Hause sind soziale Interaktionen problemlos. Er findet schnell Anschluss, egal wo wir hingehen, auch dauerhaft entstehen außerschulisch Kontakte mit Kindern, die er kennen lernt. In der Schule klappt es nicht, zumindest nicht in der neuen Klasse.

Gestern hatte mein Sohn 1 Chip, keine Strafarbeit. Gelobt wurde er nicht und seine Laune war unterirdisch nach der Schule. Er war sehr gereizt gegenüber seiner kleinen Schwester, da hat er den ganzen Frust abgeladen. Es ist teilweise auch eskaliert (sie hat ihn ausversehen mit einem Spielzeug gehauen, er hat sie direkt geschüttelt, anstatt, wie sonst erstmal zu sagen, dass das weh getan und sie das lassen soll). Der Sprung tut ihm nicht gut. Wenn die Lehrerin nicht mit dem Sohn an einem Strang zieht und bald versucht zu vermitteln, sehe ich hier keinerlei Chance, dass der Sprung dauerhaft gelingt.

Es ist ein echtes hin und her. Wir können grade keine klaren Ansagen machen, weil mein Mann und ich einfach beides sehen: Kognitiv ist er jetzt endlich mal ausgelastet. Sozial geht er total vor die Hunde. Und an einem Tag denken wir, das soziale könnte man in den Griff bekommen, am nächsten scheint es hoffnungslos. Aber die Tendenz geht zu hoffnungslos. Ich habe meinem Sohn gestern sein FReundebuch gegeben und gesagt, er soll es mit in die Schule nehmen und jemandem in der Klasse geben, den er mag. Er meinte:" bringt ja nichts, wenn SIE mich nicht mögen..." Er war sonst immer sehr selbstbewusst und hatte keine Angst auf andere zuzugehen. Jetzt zieht er sich immer mehr zurück.
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.
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