Förderung in der Schule: Fehlanzeige/Bitte selbst übernehmen

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
nosupermum
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Förderung in der Schule: Fehlanzeige/Bitte selbst übernehmen

Beitrag von nosupermum »

Hallo,

wie ihr vielleicht schon gelesen habt, hat meine Tochter (9 Jahre) die dritte Klasse übersprungen, als im ersten Lockdown ihre Unterforderung sichtbar wurde. Sie hat ohne Probleme den Anschluss gefunden und notentechnisch liegt sie wieder bei 1. Schon im Oktober war ihr schon wieder langweilig in Mathe, in Sachkunde fühlt sie sich auch nicht verstanden mit ihren komplexeren Ideen und generell besteht ein Misfit bei den Interessen. Da findet sie einfach keine Gesprächspartner. Zwischendurch wurde sie auch für ein "Lern-Duo" für ein schwächeres Kind eingesetzt, was sie aber nur kurzweilig gerne machte, weil sie findet, dass sie ausgebremst wird.

Außer ein paar unstrukturierter Ansätze gibt es keine Förderung. Sie durfte mit zwei anderen lernstarken Kindern manchmal Knobelaufgaben machen oder sie bekam Sonderaufgaben, d.h. sie muss bis zum nächsten Tag Dinge recherchieren. Das macht sie gerne, fördert sie im Schriftlichen, aber ist zeitraubend und sprengt den ganzen Abend. Die "Motivationsmaßnahmen" für die anderen Kinder, wie z.B. ein Belohnungssystem für gelöste Aufgaben in der Lern-App bringen auch nichts, weil a) nichts für sie passendes eingestellt ist und b) das Kind weiß, dass man mit den einfachsten Aufgaben am schnellsten zum Ziel "Bearbeite jeden Tag 3 Aufgaben" (oder was auch immer gerade angesagt ist) kommt.

Den Wochenplan für die letzten Tage vor den Ferien hat sie an einem Abend bearbeitet, weil sie nicht einschlafen konnte. Und für die kommende Woche ist in Mathe auch kaum mehr was da. Auf der einen Seite langweilt sie sich damit ("Das ist so babyleicht. Warum muss ich das machen?"), denkt aber, wenn sie schnell alles erledigt hat, braucht sie nichts mehr zu tun. Wenn ich dann mit alternativen Aufgaben um die Ecke komme, hat sie dazu aber auch keine Lust. Weil: Die kommt ja nicht von der Lehrerin. Sie möchte gerne wieder in die Schule und mit den anderen starken Kindern zusammen arbeiten. An manchen Tagen möchte sie sich bis Stoff Klasse 5 vorarbeiten. Ich verstehe diese schwankende Einstellung da auch nicht.

Ich habe der Lehrerin schon ganz lieb geschrieben und freundlich um ein Gespräch gebeten, aber schon zwei Mal keine Antwort erhalten. Bei der Beratungsstelle für Hochbegabte teilte man mir mit, dass ich derzeit nicht auf Unterstützung/Förderung hoffen bräuchte. Die Schulen seien so überlastet. Ich solle mich lieber selbst einlesen und mit ihr dann alleine durcharbeiten, dazu habe ich ein paar Links zu Seiten bekommen, auf denen ich irgendwelche Handreichungen für den Unterricht finde. Ich bin zwar gerne dazu bereit, aber wie soll ich das machen?
a) ohne dem Stoff vorwegzugreifen; es ist ja nicht damit zu rechnen, dass die Lehrerin die dann entstehende Langeweile gemanagt bekommt
b) mit manchmal dermaßen geringer Akzeptanz des Kindes
c) ohne didaktisches Knowhow
d) ohne die ganzen vollständigen Materialien
d) neben einem (fast) Vollzeitjob im Homeoffice

Die Online-Kurse der Beratungsstelle darf sie nur eingeschränkt nutzen, weil sie nicht getestet ist. Eigentlich wollten wir sie nicht testen lassen, weil wir dachten, das mit dem Klassensprung alles gut ist. Aber es verstärkt sich mein Eindruck, dass wir ohne einen Test nicht das bekommen, was sie brauchen würde.

Falls jemand seine Kinder in ähnlichem Alter selbst unterrichtet hat, wie habt ihr das gemacht?
Kennt ihr auch diesen Wechsel von hochmotiviert und allem Neuen gegenüber ablehnend?

Ich habe einfach Bedenken, dass das schon wieder der Beginn einer Frustspirale wie im ersten Lockdown ist...
Auguste
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Re: Förderung in der Schule: Fehlanzeige/Bitte selbst übernehmen

Beitrag von Auguste »

Kannst du den Wissensdurst nicht "umlenken"? Was hat deine Tochter denn für Interessen? Soll sie doch den Pflichtstoff für die Schule machen und sich den Rest der Zeit mit dem beschäftigen, wozu sie Lust hat. Warum willst Du sie unbedingt mit "Schulaufgaben/Pflichtaufgaben" beschäftigen?

Mein Sohn (11) hockt dann halt am PC mit Minecraft, baut Lego-Roboter und programmiert die oder schaut sich Dokus an... Wenn er seine Schulaufgaben fertig hat, kann er machen was er will. Ich dräng ihm da nichts auf. Entweder kommt was von der Schule oder er hat frei.
nosupermum
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Re: Förderung in der Schule: Fehlanzeige/Bitte selbst übernehmen

Beitrag von nosupermum »

Es geht darum, dass es ihr zum Hals raushängt zig Matheblätter zu ein und dem selben Thema zu machen, obwohl sie es schon kann. Im letzten Lockdown hat das eine sehr ungünstige Dynamik bekommen. Das kippt dann schnell in Generalverweigerung. Also entweder macht sie das was verlangt wird und hat bald für nichts mehr Lust oder es kommt endlich mal was neues und spannendes. Und ich finde es generell traurig, dass das bisschen Förderung nun durch den Lockdown auch weggefallen ist. Das tat ihr einfach gut, auch von ihrem Selbstvertrauen her.

Am liebsten wäre mir, ich könnte mich mit der Lehrerin auf 1/4 oder 1/3 Pflichtstoff und den Rest differenzierendes Material verständigen oder zumindest ne Befreiung von den Wiederholungen.
Katze_keine_Ahnung
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Re: Förderung in der Schule: Fehlanzeige/Bitte selbst übernehmen

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Die Schlüsselfrage ist: was will deine Tochter? Akzeptiert sie Anstrenung? Hat sie Geduld? Welche Wissensgebiete interessieren sie? Ich habe meine Kinder von 3. bis zur 7. Klasse selber unterrichtet. Man braucht dafür kein lehramt. Das meiste bestimmt das Kind.

PS. Was passiert wenn deine Tochter die von der Lehrerin vergebenen Blättern für den Homeschooling nicht im vollen Umfang macht? Denn diesen Punkt würde ich als erstes Ansteuern. Augen zu und durch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dafür irgendwelche rechtliche Konsequenzen gibt.
nosupermum
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Re: Förderung in der Schule: Fehlanzeige/Bitte selbst übernehmen

Beitrag von nosupermum »

Grundsätzlich ist sie ein sehr anstrengungsbereites Kind. Jedoch fehlt ihr noch das Selbstvertrauen, um mal mit schwereren Aufgaben, die sie fördern würden, Risiken einzugehen. Also mal was falsch zu haben. Sie wählt eigentlich immer die „sichere“ und leichtere Option, wenn es dem Ziel dienlich ist, z.B. rechtzeitig fertig zu werden, keine Fehler zu machen oder schnell zum Ziel (Behlohnung für x Aufgaben) zu kommen. Deshalb hab ich die Lehrerin schon mal um Lernangebote gebeten, bei denen dieses „sich was zutrauen“ gefördert wird.
Auf der andere Seite langweilt sie sich bei den einfachen Aufgaben. Über eine Gruppensituation oder Lob der Lehrerin lässt sie sich jedoch auf schwerere/andere Aufgaben ein. Auch mal etwas nicht direkt zu können, eine Lösung zu finden und mit Frustration umgehen zu können, das sind ja entscheidende Fähigkeiten. Die Beratungsstelle meinte, dass das wichtig Lernfelder seien. Ich sehe das ja auch an ihrer Entwicklung, wie sie daran wächst.

Von mir nimmt sie nur bedingt Lerninhalte an, da sie glaubt, dass sie damit was tut, was ihre Lehrerin nicht gut finden könnte. Selbst wenn sie krank ist und ich ihr das stupide Ausmalen von Rechen-malblättern ersparen will, macht sie es, obwohl es zu anstrengend und langweilig ist.

Es ist eine sehr komplexe Situation, die von totaler Begeisterung für Neues (von mir) in totale Ablehnung umschlagen kann. Gepaart mit Langeweile, Wut und Traurigkeit, nichts „richtiges“ (O-Ton) lernen zu dürfen. Frustriert beide Seiten.

Ansonsten interessiert sie sich, neben Mathe, für Politik, Tiefsee, Wirtschaft und Prigrammieren.

Ich finde es einfach dämlich, dass von der Schule (mal wieder) nichts kommt.
Katze_keine_Ahnung
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Re: Förderung in der Schule: Fehlanzeige/Bitte selbst übernehmen

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Meine Erfahrung sagt mir, dass es weder von der Schule was kommt noch das Kind plötzlich schaltet und von dir Schwieriges nimmt. Dieses Problem hat in meine Augen nur eine Lösung, und die hat deine Tochter schon gefunden: Pflichtaufgaben schnell erledigen und danach sich eigenen Interessen widmen. Du wirst du einen vertretbaren Aufwand nicht dazu bringen können, sich für die schulischen Themen anzustrengen. Wenn sie das macht, dann nur auf Feldern, die sie selbst interessieren um ihre eigenen Ziele zu erreichen.

Eine praktische Lösung für Matheunterricht ist ein Forderheft zu dem schon vorhandenen Schulbuch. Wenn das Kind das locker kann, dann dann Mathkänguru entsprechndes Jahrgangs oder höher.
Zuletzt geändert von Katze_keine_Ahnung am Di 22. Dez 2020, 14:58, insgesamt 1-mal geändert.
nosupermum
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Re: Förderung in der Schule: Fehlanzeige/Bitte selbst übernehmen

Beitrag von nosupermum »

Da hast du sicher Recht. Aber wie geht man dann mit der Verweigerung um? Zu Schulzeiten macht sie alles brav und im Lockdown kommt dann die Verweigerung. Ich verstehe es, dass sie keine Lust auf ewige Wiederholungen hat, aber weder möchte ich sie dazu zwingen, damit die Lehrerin brav ein Alles-erledig-Häkchen machen kann, noch glaube ich, dass es richtig ist, ihr meinerseits zu sagen, dass sie es nicht machen braucht (ohne Tausch gehen was anderes, das sie interessiert oder fördert).
Katze_keine_Ahnung
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Re: Förderung in der Schule: Fehlanzeige/Bitte selbst übernehmen

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Mein Großer hat mehr als ein Jahr lang gar keine Schule gemacht. Hat ihm nicht geschadet, und uns viele Nerven gespart. Seine 6. Klasse hat er so zu sagen in zwei Jahren erledigt. Ich habe bis zu diesem Punkt alles andere ausprobiert und kam zum Schluss, dass ich gegen diese Haltung mit vertretbaren Mitteln nicht ankomme. Du hast einen Vollzeitjob und jede Art Kampf um die Schule wird dein privates Leben, deinen Job und allem voran deine Beziehung zum Kind belasten. Solange nichts akut brennt, lass das Kind durch die Schule dümpeln, erlass so viel Wiederholung wie du nur kannst. Der Kampf lohnt sich nicht.

PS: mein Großer hat mit 14 zu einer sehr perfektionistisch orientierten Geigenlehrerin gewechselt. Jetzt spielt er jeden Tag Tonleiter, weil er festgestellt hat, dass sie ihn sonst a)rausschmeißt b) er auch sonstwo ohne nicht weiter kommt. Aber er will selber Geige spielen und dann macht er mit. Außerdem ist es ihm zu peinlich, dass er plötzlich was nicht kann. Im Alter deiner Tochter wären diese Gedanken einfach nicht möglich gewesen. Er hätte alles hingeschmissen und das wäre es schon.
Auguste
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Re: Förderung in der Schule: Fehlanzeige/Bitte selbst übernehmen

Beitrag von Auguste »

nosupermum hat geschrieben:Da hast du sicher Recht. Aber wie geht man dann mit der Verweigerung um? Zu Schulzeiten macht sie alles brav und im Lockdown kommt dann die Verweigerung. Ich verstehe es, dass sie keine Lust auf ewige Wiederholungen hat, aber weder möchte ich sie dazu zwingen, damit die Lehrerin brav ein Alles-erledig-Häkchen machen kann, noch glaube ich, dass es richtig ist, ihr meinerseits zu sagen, dass sie es nicht machen braucht (ohne Tausch gehen was anderes, das sie interessiert oder fördert).
Im Frühjahrslockdown haben wir der Lehrerin vom Sohn irgendwann geschrieben, dass er die Aufgaben allein nicht macht, weil er sich nicht motivieren kann und wir nicht den ganzen Tag daneben sitzen und ihn antreiben können, weil wir beide Vollzeit berufstätig sind. Wir haben unseren Sohn vorher auch gedrängt, angetrieben, geschimpft usw. und waren am Ende nur alle frustriert und genervt.

Dem Sohn haben wir nur gesagt, dass wir ihn nicht bei den Lehrern entschuldigen, wenn er die Aufgaben nicht macht. Dafür muss er dann selbst gerade stehen. War ihm egal.

Nachgefragt hat kaum ein Lehrer und wenn, dann hat der Sohn die Aufgaben schnell gemacht, hochgeladen und fertig. Erledigt hat er maximal 1/3 der Aufgaben, eher weniger. Hat ihm nicht geschadet. Er hängt in keinem Fach hinterher. In Englisch und Deutsch ist er sogar besser als vor dem Lockdown ;)
Katze_keine_Ahnung
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Re: Förderung in der Schule: Fehlanzeige/Bitte selbst übernehmen

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Besonders schwer vermittelbar wird die Notwenigkeit der Wiederholungen wenn die Kinder sie in der Tat nicht brauchen. Die Lehrerin des Kleinen ist bestimmt aus dem Häuschen, dass der Kleine für alle Schnelltests in 1x1 "nur" eine 2 hat. "Guckt mal, der kann was nicht!" Was sie nicht weiß, ist die Tatsache, dass er nie in seinem Leben 1x1 geübt hat. Aus der Sicht der Lehrerin hat er jetzt einen Mangel, aus meiner Sicht eine sehr umfangreiche Reserve. Bei mir muss er nicht üben, um jeweils einen kleinen Fehler zu beheben, der ihm eine 2 beschert. Stattdessen darf er seine Zeit anders nutzen. In Deutsch dagegen ist die Leistung bis jetzt viel bescheidener: viele Rechtschreibfehler und Unwillen freie Texte zu verfassen. Da muss er so viel machen, wie die Lehrerin aufgegeben hat und das sieht er einigermaßen ein. Aber ich bin auch weit davon entfernt, ihn jetzt gleich auf das Niveua 1+ durch zusätzliches Üben bringen zu wollen. Das hat noch Zeit und seine Sprachbegabung wird sich entfalten, wenn die Schreibmotorik weniger ins Gewicht fällt. Also auch da keine zusätzliche Wiederholung sinnvoll.
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