Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Rabaukenmama
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Rabaukenmama »

Unabhängig davon, ob wir es hier gut oder nicht gut finden, wie es gehandhabt wird: gerecht ist es keinesfalls und zwar in alle Richtungen nicht. Die einzige Lösung, die mir dazu einfällt, ist die Abschaffung der Ziffernbenotung. Aber selbst da können selbstgefällige Lehrpersonen die verbale Beurteilung noch so formulieren, dass das Kind auch bei noch so guten Leistungen schlecht wegkommt.

@charlotte: Ich finde das ganze System nicht gerecht. Sowohl deine Tochter als auch meine Söhne haben ja immerhin noch den Vorteil der kognitiven Fitness. Den nimmt ihnen keiner weg. Aber es gibt Kinder, die diesen Vorteil nicht haben, die haben noch weniger Chancen. Zusätzlich zu kognitiver Fitness auch noch die Empathie zu besitzen, zu ahnen, was die Lehrperson als Antwort erwartet (wenn es mehrere korrekte Möglichkeiten gibt) ist nochmal ein Vorteil.

Aber es gibt ja auch andere Persönlichkeitsaspekte, die in die schulische Beurteilung gar nicht einfließen. Zum Beispiel ob ein Kind loyal ist oder eine Petze, oder ob es andere mobbt oder für sie einsteht.

Wie Reinhard Mey mal in einem Lied schrieb:

"Wie oft hab ich den Spruch gehört, ihr Sohn hat nur geträumt, ihr Sohn hat mit Papierfitzeln geschossen, ihr Sohn hat trotz Ermahnung seinen Platz nicht aufgeräumt, ihr Sohn hat sein Tuschwasser ausgegossen, und nie ihr Sohn ist vor der ganzen Klasse aufgestanden für einen, den sie peinigten und quälten bis aufs Blut, in dieser Welt kommen uns die wahren Werte abhanden, in dieser Schule gibt es kein Fach "Menschlichkeit und Mut".

Die Tochter einer Freundin war ein liebes, loyales Mädchen, welches sich für die schulischen Dinge sehr angestrengt hat, aber leider "lernbehindert" war (IQ72).Mit anderen Kindern ist sie super ausgekommen, war in der Klasse beliebt und wollte nicht in eine Sonderschule (Förderschule) wechseln. Sie war immer diejenige, die andere Kinder getröstet hat, wenn diese traurig waren, ihnen Mut gemacht hat, ihre Süßigkeiten geteilt hat. Aber sie hat sich noch so viel plagen können, sie war immer die "Blöde". Die größten Schwierigkeiten hatte sie in Mathe. Ihre Lehrerin hat sie immer wieder vor der ganzen Klasse bloßgestellt, dass "man" doch unmöglich so blöd sein kann, die einfachsten Rechnungen nicht zu schaffen :twisted: .

Ich fühle mich wegen deines Beitrages nicht persönlich angegriffen, ich wollte nur klar stellen, dass das "sich in die Lehrperson hineindenken" für viele Kinder wesentlich schwieriger ist, als zu wissen, ob man Vater mit einem oder zwei T schreibt. Nicht, weil diese Fähigkeit unwichtig wäre, sondern weil sie eben unterschiedlich verteilt ist. Meine Söhne haben beide ein ausgezeichnetes Wortbildgedächtnis, daher wäre es für mich leicht zu sagen "Na, ein Kind, welches nicht gut rechtschreiben kann, braucht sich doch nur die Wörter einzuprägen, dann klappt das schon!". Ja, MEINE Kinder schon, aber eben längst nicht ALLE Kinder ;) .
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Katze_keine_Ahnung
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Die Benotung, und damit meine ich jede Form der Bewertung, brauchen meiner Meinung nach überhaupt nur Kinder, die eine akademische Kariere in Aussicht haben, und auch dann nicht früher als die Mittelstufe, vielleicht sogar die spätere Mittelstufe. Ich glaube die Dänen haben Noten erst ab der 7. Klasse. Das finde ich vollkommen in Ordnung und es würde viele, wenn nicht alle Probleme der Grundschule aus der Welt schaffen. Es würde den Eltern auch den Hebel aus der Hand nehmen, die Kinder drillen zu wollen, damit sie bessere Chancen haben.

Wenn ein Teil der Kinder dann die Grundschule nach 6 Jahren ins Gymnasium geht, können sie lernen, dass in akademischen Kreisen Kopfleitung bewertet wird. Wer nicht damit zurecht kommt, kann woanders hin. Aber bis dorthin können sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die persönliche Kritik von der Fachkritik unterscheiden. Mein 7-jähriger schreit immer noch schrill vor Beleidigung, wenn ich ihn ermahne, dass er Fis statt F im Musikunterricht spielt. "Was schimpfst du mich so!?"
Rabaukenmama
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Rabaukenmama »

Katze_keine_Ahnung hat geschrieben: Wenn ein Teil der Kinder dann die Grundschule nach 6 Jahren ins Gymnasium geht, können sie lernen, dass in akademischen Kreisen Kopfleitung bewertet wird. Wer nicht damit zurecht kommt, kann woanders hin. Aber bis dorthin können sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die persönliche Kritik von der Fachkritik unterscheiden. Mein 7-jähriger schreit immer noch schrill vor Beleidigung, wenn ich ihn ermahne, dass er Fis statt F im Musikunterricht spielt. "Was schimpfst du mich so!?"
Meiner Erfahrung nach ist dieses Verständnis nicht ans Lebensalter zu koppeln. Kleinsohn kannte den Unterschied zwischen persönlicher Kritik und Fachkritik schon mit 5 Jahren, Großsohn ist mit 11 noch weit davon entfernt. Das ist ähnlich wie bei "reinversetzen was für eine Antwort der Lehrer will". Ich hätte das nicht mal mit 16 hinbekommen, andere können es in der 1. Klasse Grundschule.

Hat jetzt nichts mit Noten oder nicht-Noten zu tun, ich finde Noten ohnehin sinnfrei. Aber das Argmunent mit der mit dem Alter wachsenden Reife hinkt einfach.
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charlotte12
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von charlotte12 »

@Rabaukenmama: Das System ist definitiv nicht gerecht. Meine Tochter ist eine miserable Selbstdarstellerin und wird daher ständig unterschätzt, übersehen und mit ihren Bedürfnissen nicht wahrgenommen. Allein durch den Verzicht auf Noten würde sich bei ihr nichts ändern, im Gegenteil, Klassenarbeiten sind ihre einzige Chance, wenigstens ansatzweise zu zeigen, was in ihr steckt. In diesem Punkt geht es ihr wie mir früher... Dass so ziemlich jedes Kind seine ganz eigenen Stärken und Schwächen hat und gemeinerweise von der Gesellschaft nur bestimmte Stärken belohnt und gesehen werden, das ist mir auch klar. Dummerweise gehört die Fähigkeit zur Selbstdarstellung auch zu den Stärken, die von der Gesellschaft belohnt werden, und zwar mehr als Wissen und Können.
Katze_keine_Ahnung
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

@charlotte

könnte es sein, dass das Problem der Selbstdarstellung deiner Tochter Tiefstapeln heißt? Aus meiner Erfahrung entwickelt sich Tiefstapeln unter anderem durch den Wunsch keine besseren Noten haben zu wollen als die Klassenkameraden. Nicht alle stehen gerne in der Streberecke.
Rabaukenmama
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Rabaukenmama »

charlotte12 hat geschrieben:@Rabaukenmama: Das System ist definitiv nicht gerecht. Meine Tochter ist eine miserable Selbstdarstellerin und wird daher ständig unterschätzt, übersehen und mit ihren Bedürfnissen nicht wahrgenommen. Allein durch den Verzicht auf Noten würde sich bei ihr nichts ändern, im Gegenteil, Klassenarbeiten sind ihre einzige Chance, wenigstens ansatzweise zu zeigen, was in ihr steckt. In diesem Punkt geht es ihr wie mir früher... Dass so ziemlich jedes Kind seine ganz eigenen Stärken und Schwächen hat und gemeinerweise von der Gesellschaft nur bestimmte Stärken belohnt und gesehen werden, das ist mir auch klar. Dummerweise gehört die Fähigkeit zur Selbstdarstellung auch zu den Stärken, die von der Gesellschaft belohnt werden, und zwar mehr als Wissen und Können.
Es gibt Lehrer, die Selbstdarsteller lieben, und Lehrer, die sie hassen. Längst nicht alle belohnen Selbstdarsteller, nicht mal dann, wenn echtes Wissen und Können dahinter steckt. Erinnerst du dich an Hermine im ersten Harry Potter Film? Erinnerst du dich an die Szene, wo Professor Snape sie 3x ignoriert, obwohl sie die einzige in der Klasse ist, die aufzeigt, und sie dann, als sie es nicht mehr aushält und mit der Antwort rausplatzt, als "extrem vorlaut" bezeichnet. Genau DAS passiert Selbstdarsteller-Kindern immer wieder!

Manche Lehrer freuen sich wenn sie wissen dass immer ein bestimmtes Kind parat steht, was alle Antworten weiß, andere Lehrer dagegen bevorzugen die zurückhaltenderen Kinder, die ihr Wissen erst auf Nachfrage (und oft verschämt/schüchtern) mitteilen.

Natürlich weiß ich was du meinst, und zwar die Blender. Diejenigen, die nicht mal besonders viel wissen oder können, aber einfach so tun, als wären sie überall kompetent und informiert und überhaupt super-gescheit! Ob diese Blender, wie du es schreibst, "von der Gesellschaft belohnt werden" hängt von der Kompetenz derer ab, die sie beurteilen. Also z.B. bei Politikern (unter denen viele Blender sind) von der Gunst der Parteikollegen und der Wähler. Meine Erfahrung ist, dass kluge, kompetente Lehrer durchaus wissen, welche Kinder in der Klasse die Blender sind, und welche wirklich was drauf haben.

Die Zurückhaltung deiner Tochter kann auch damit zusammenhängen dass sie, wie Katze das ja auch vermutet, nicht als "Streberin" abgestempelt werden möchte. Wenn eine Schule ohne Noten GELEBT werden würde, wäre das vermutlich keine Schwierigkeit, weil man dann die guten Leistungen einfach neidlos stehen lassen kann. Wenn jemand besonders gut Fußball spielt ist er ja auch kein "Fußball-Streber", sondern hat einfach Talent. Klugheit ist Talent zum (logischen) Denken und wenn man sie nicht durch die Noten so überbewerten würde, würde auch weniger Anlass bestehen, dieses Talent aus Auspassungsgründen verstecken zu müssen.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
koala27
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von koala27 »

Hallo Rabaukenmama--
bezüglich Fußball
dass kenne ich ganz anders
Ein Freund von mir hat genau deshalb den Trainerjob an den Nagel gehängt-- weil eben die Eltern das Problem waren- nicht die Kids.
Und zwar die Eltern von den Kids, die eben Fußball spielen, aber nicht so gut sind wie andere.
Die Eltern haben trotzdem erwartet, dass ihr Kind auch beim Turnier mitspielt-- der Trainer sollte immer alle Kids berücksichtigen in jedem Spiel und eben nicht vorher sagen XXX ihr kommt alle mit und YYY am WE eben nicht.
Darauf hatte besagter Trainer keine Lust mehr, weil es eben auch Spiele gibt, wo das nicht möglich ist, sondern wo es ganz banal darum geht zu gewinnen, weil auch im Kinderbereich Sponsoren dran hängen und die eben auch was erwarten, wenn sie schon die Trikots stellen....die wollen dann halt auch ein Bild in der Zeitung mit kostenloser Werbung.

Leistung ohne eine Bewertung ist mittlerweile sehr selten geworden- weil einfach mehr dran hängt als früher.
Katze_keine_Ahnung
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

@koala

DLRG ist ein Beispiel dafür, dass Ziel das Ergebnis bestimmt. Alle dürfen kommen, alle dürfen nach ihrem Können schwimmen, und an jeder Bahn steht ein Trainer und bildet aus. Das alles fast kostenlos. Klar sind die Ergebnisse in Fragen Geschwindigkeit nicht so berauschend wie im Schwimmverein, dass im gleichen Schimmbad zuhause ist, dafür bilden sie bis zum Lebensretter beim Strömungsbedingungen aus. Es gibt auch in diesen Disziplinen Meisterschaften bis zum Bundesebene. Es geht alles, wenn man nur will. Alle meine Kinder sind dort geschwommen, bis die Bäder zugemacht haben. Ins Schwimmverein dagegen sind sie nicht reingekommen. Dort werden nur Medalienkandidaten aufgenommen, die in spezieller Kleidung Perfektion trainieren. Selbst mein Kleiner, der mit 4 schon schwimmen konnte, und mit 6 einen Hechsprung von 3 Meterturm wagte, war dafür nicht gut genug.
charlotte12
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von charlotte12 »

könnte es sein, dass das Problem der Selbstdarstellung deiner Tochter Tiefstapeln heißt?
Erinnerst du dich an Hermine im ersten Harry Potter Film?...Die Zurückhaltung deiner Tochter kann auch damit zusammenhängen dass sie, wie Katze das ja auch vermutet, nicht als "Streberin" abgestempelt werden möchte. Wenn eine Schule ohne Noten GELEBT werden würde, wäre das vermutlich keine Schwierigkeit, weil man dann die guten Leistungen einfach neidlos stehen lassen kann.
Meine Tochter hält sich nicht mit Absicht so zurück, sie kommt gegen die "Blender" einfach nicht an. Ich kenne das nur zu gut von mir selbst - spontan fällt mir ein komplett inkompetenter Kollege ein, der den größten Mist dermaßen vertrauenserweckend von sich gegeben hat, dass ich einfach nicht dagegen ankam, obwohl ich definitiv inhaltlich im Recht war. Meine Tochter sagt, sie meldet sich, die "Blender" platzen aber einfach mit allen möglichen oft falschen Antworten rein, und sie kommt nicht dran. Und wenn es keiner weiß außer ihr und einem "kompetenten Blender", der nach ihrer Einschätzung etwa ähnlich viel weiß wie sie, dann wird grundsätzlich der "kompetente Blender" aufgerufen und nicht sie. Ganz neu wurde coronabedingt die Klasse geteilt, mit verblüffendem Erfolg - die Gruppe meiner Tochter ist "blender-frei". Mein Kind kam gestern freudestrahlend heim und erzählte, dass sie plötzlich im Unterricht ständig drangekommen sei und das solchen Spaß gemacht hätte. Die Szene mit Snape kenne ich nur zu gut - meine Tochter ist ein riesiger Hermine-Fan. Sie empfindet Hermine überhaupt nicht als angeberisch, sie findet, Harry ist der Angeber, weil sich dauernd alles nur um ihn dreht.
Rabaukenmama
Dauergast
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Rabaukenmama »

koala27 hat geschrieben:Hallo Rabaukenmama--
bezüglich Fußball
dass kenne ich ganz anders
Ein Freund von mir hat genau deshalb den Trainerjob an den Nagel gehängt-- weil eben die Eltern das Problem waren- nicht die Kids.
Und zwar die Eltern von den Kids, die eben Fußball spielen, aber nicht so gut sind wie andere.
Die Eltern haben trotzdem erwartet, dass ihr Kind auch beim Turnier mitspielt-- der Trainer sollte immer alle Kids berücksichtigen in jedem Spiel und eben nicht vorher sagen XXX ihr kommt alle mit und YYY am WE eben nicht.
Darauf hatte besagter Trainer keine Lust mehr, weil es eben auch Spiele gibt, wo das nicht möglich ist, sondern wo es ganz banal darum geht zu gewinnen, weil auch im Kinderbereich Sponsoren dran hängen und die eben auch was erwarten, wenn sie schon die Trikots stellen....die wollen dann halt auch ein Bild in der Zeitung mit kostenloser Werbung.

Leistung ohne eine Bewertung ist mittlerweile sehr selten geworden- weil einfach mehr dran hängt als früher.
Hallo koala,

meine Aussage war, dass ein Kind, welches gut Fußball spielen kann, sein Talent nicht zu verstecken braucht. Unabhängig davon wie ambitioniert der Trainer einer Kinder-Fußballmannschaft ist, und was die Eltern als "gerecht" empfinden, wird ein Kind mit F́ußball-Talent VON DEN ANDEREN KINDERN nicht als "Streber" gesehen wird sondern eher bewundert. Oder eben - im positiven Sinn - beneidet, weil die anderen das auch gern so gut könnten.

Dasselbe ist bei Musik. Manche Eltern mögen es als ungerecht empfinden, wenn das eigene, weniger talentierte Kind, keine langen, "Prestige bringenden" Stücke beim Auftritt spielen darf, aber für die meisten Kinder ist es ganz selbstverständlich, anzuerkennen, dass Kind XY eben sehr musikalisch ist.

Unterschied zur Schule: sowohl Sport als auch Musik ist kein MUSS sondern ein freiwilliges Hobby. Es gelten die Regeln des Vereins oder der Musikschule. Wenn das wem nicht passt kann man es besprechen, wenn sich trotzdem mal keine Lösung findet kann man immer noch entscheiden ob man einen anderen Sportverein oder eine andere Möglichkeit zum Musikunterricht suchen will. Oder man kann einfach aufhören. Oder man kann was anderes probieren. Jedenfalls wird kein Kind, welches schon lange keinen Spaß mehr am Fußball spielen oder Geige üben hat, trotzdem weitermachen (es sei denn es wird dafür massiv unter Druck gesetzt). Daher "bereinigen" sich die Neid- und Eifersuchtssituationen UNTER DEN KINDERN in diesen Bereichen meistens von selbst.

In die Schule hingegen MÜSSEN Kinder gehen. Und da wird benotet, nach einem Schlüssel von 1-5 oder 1-6 und den Kindern wird von der 1. Klasse an weisgemacht, dass diejenigen, die die besseren Noten haben auch die besseren Chancen im Leben haben werden. Auch viele Lehrer bevorzugen - gar nicht versteckt - kluge Kinder. Und die Notenvergabe ist oft alles andere als gerecht. In der Schule spüren das vor allem die weniger "guten" Kinder täglich. Aber hier können sie nicht sagen "Ok, ich steige aus dem Verein Schule aus" oder mal so locker-lässig Klasse oder Schule wechseln. Und das führt dann leider oft zu einer Anti-Haltung nach dem Motte "Ich bin dumm - na und?". Wenn mehrere Kinder diese Haltung haben dann finden sich diese zusammen, stärken sich gegenseitig den Rücken und brandmarken diejenigen, die immer gute Noten schreiben, als "Streber". Manchmal wird klugen Kindern auch noch (meistens zu Unrecht) unterstellt, sich bei den Lehrern "einzuschleimen".

Für soziale, angepasste Kinder ist diese Situation schwierig, weil sie ja eigentlich gar nichts Negatives machen, als gute Leistungen zu bringen, sich damit aber offensichtlich bei manchen Mitschülern unbeliebt machen. Das Ranking unter Kindern funktioniert nun mal nach andere Kriterien als bei Erwachsenen. Daher ist für kluge, soziale Kinder oft ein "Ausweg", möglichst wenig Tamtam um die eigenen Leistungen zu machen, um nur ja nicht als Streber aufzufallen oder viel gelobt zu werden und damit als Schleimer zu gelten. Ohne Noten wäre es daher auch für kluge Kinder um einiges einfacher.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
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