Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Auguste
Dauergast
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Auguste »

Sicher kann man versuchen, mit dem Lehrer zu sprechen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Aber auch dann hängt es davon ab, wie der Lehrer "mitspielt".

Die Lehrerin meines Sohnes akzeptierte keinerlei Form von Extrawürsten für leistungsstarke Kinder (für lernschwache dagegen schon, weil "die können ja nicht anders".). Ihr war es schlicht egal, dass mein Sohn den Stoff konnte und nur 1er und 2er schrieb. Er bekam trotzdem 6er, wenn die Hausaufgaben nicht gemacht waren und Zusatzaufgaben im Unterricht hätte er nur bekommen, nachdem er den langweiligen Kram gemacht hat, den alle machen müssen. Nur da kam er halt nie hin, weil er eben nicht nur schlau, sondern auch langsam ist. Außerdem waren die "Zusatzaufgaben" auch nur mehr von dem langweiligen Kram. "Anstatt-Aufgaben" hat sie kategorisch ausgeschlossen. Selbst als Versuch.

Die Lehrerin konnte es nicht ausstehen, wenn sie von Schülern verbessert wurde oder man ihr widersprochen hat. Meinen Sohn hat sie als faul, frech und arrogant betitelt (wir haben das schriftlich!), weil er die langweiligen Aufgaben verweigert hat, im Unterricht nicht mitgemacht hat und die Lehrerin korrigiert hat. Die Lehrerin war nicht bereit, auch nur einen Hauch an ihrem Unterricht zu ändern. Wir Eltern sollten dafür sorgen, dass unser Sohn macht, was sie sagt. Punkt. Aus. Ende.

Bei solchen Lehrern redest Du Dir den Mund fusselig - egal mit welcher Strategie. Die stecken das Kind in eine Schublade und da kommt es auch nicht wieder raus. Leider gibt es davon viel zu viele Lehrer/innen.

Nach dem Klassenwechsel lief es ganz anders. Die neue Lehrerin hatte durchaus Verständnis und hat sowieso von sich aus differenziert. Aber auch da wurde mein Sohn nicht von den Hausaufgaben befreit. "Weil es den anderen Kindern gegenüber ungerecht wäre, wenn er die Hausaufgaben nicht machen muss".

Aus dem faulen, frechen, arroganten Schüler ist in der neuen Klasse übrigens ein "sehr interessierter, aufmerksamer und ruhiger Schüler" geworden. Beschwerden aus der Schule kamen seit dem Klassenwechsel keine mehr.

Dass es anders geht, haben wir bei unserer Tochter gesehen - an der gleichen Schule. Nur mit anderen Lehrern. Man muss nicht gleich das ganze System ändern. Man muss den Lehrern endlich mal beibringen, wie man mit begabten Schülern umgeht und dafür sorgen, dass das auch angewandt wird.
Katze_keine_Ahnung
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Auguste hat geschrieben:

Dass es anders geht, haben wir bei unserer Tochter gesehen - an der gleichen Schule. Nur mit anderen Lehrern. Man muss nicht gleich das ganze System ändern. Man muss den Lehrern endlich mal beibringen, wie man mit begabten Schülern umgeht und dafür sorgen, dass das auch angewandt wird.
ich kenne die Zahlen zu dem Sekundärbereich nicht. Aber im Grundschulbereich wenn ich mich richtig erinnere fehlen alleine in Bayern 1200 Lehrer. Unter diesen Bedingungen kann jeder Lehrer sich alles erlauben, Kapitaldelikte ausgenommen, und trotzdem bleibt er Lehrer. Höchstens wird er versetzt um einen Skandal zu vertuschen.

Erschwerend kommt hinzu, dass vom Lehrer immer mehr verlangt wird, während die Mittel immer weiter gekürzt werden. Da gibt es ein oder anderes Volksmärchen zum Thema... Als die altersgemischte Klasse in unserer Schule vor 10 Jahren ins Leben gerufen wurde, hatte sie etwa 17 Kinder und zwei Lehrerinen. Mittlerweile sind 21 Kinder mit einer Lehrerin unterwegs. Pro Jahrgang sind mindestns 1-2 so weit verhaltensauffällig, dass sie einen Begleiter/eine Förderschule bräuchten, was sie aber nicht bekommen. Als Ergebnis macht die Lehrerin mit den Kindern gar keine Ausfluge mehr, weil sie sie nicht im Griff hat, und das ist eine erfahrene Lehrerin, die ich sehr schätze. Man hat das System kaputt gespart.

Meine Tochter hat versucht nach der 10. die Schule zu wechseln, da der HB-Zug eher mit der 10. Klasse endet, und danach wieder alle aus 5 Parallelklassen zu einer großen Q11 kommen. Es gibt in der Umgebung keinen Gymnasialplatz! Das ist ja ein starker Jahrgang, und in der 10. Klasse stellt man überraschend fest, dass die Zahl der Anmeldungen die Zahl der Plätze überschreitet! Was für eine unerwartete Entwicklung... Aber statt mehr Plätze anzuschaffen, redet man groß über Milliarden, die ins System fließen sollen, um die Coronalücken zu stopfen. Tja, ich habe meine Tochter für einen Englischnachholkurs angemeldet. Der wurde dann gleich abgesagt: keine Nachfrage, kein Lehrer vorhanden. Klar ist die Nachfrage nicht überwältigend. Die letzte Schulaufgabe wurde in Oktober geschrieben. Dass es für den Stoff in der Homeschooling irgenwann mal 4er und 5er hagelt wissen die Betroffenen noch nicht. Der Englischlehrer der Tochter erscheint schon seit Schuljahresbeginn jeden Montag unentschuldigt nicht im Unterricht. Aber siehe oben, es ist kein Kapitaldelikt. Es ist bloß die Klasse zur Förderung der Exzelenz.
Katze_keine_Ahnung
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

@Rabaukenmama

die Sprachtests sind so eine Sache. Wenn es kein Multiplechoice ist, ist die Interpretation zum Teil extrem Schwierig. Ich habe mir die Schulaufgabe der Tochter angeguckt, und da sind solche Sachen drin, wie z.B zum Thema Immigration:

was ist ein Meltig Pot? Meine Tochter schreibt: multicultural environment. Falsch, der Lehrer wollte mutiracial sehen.
wenn die Leute in ein fremdes Land übersiedeln, suchen sie zuerst ... Meine Tochter schreibt - an apartment. Falsch, der Lerher will an der Stelle accomodation.

... und so geht es weiter. Richtig ist nur was in dem Unit 1 stand, wozu die Aufgabe ja gehörte. Ich konnte meiner Tocher keinen besseren Rat für die Zukunft geben, als die Vokabeln zu verwenden, die exakt so im Unit stehen.
Rabaukenmama
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Rabaukenmama »

Katze_keine_Ahnung hat geschrieben:@Rabaukenmama

die Sprachtests sind so eine Sache. Wenn es kein Multiplechoice ist, ist die Interpretation zum Teil extrem Schwierig. Ich habe mir die Schulaufgabe der Tochter angeguckt, und da sind solche Sachen drin, wie z.B zum Thema Immigration:

was ist ein Meltig Pot? Meine Tochter schreibt: multicultural environment. Falsch, der Lehrer wollte mutiracial sehen.
wenn die Leute in ein fremdes Land übersiedeln, suchen sie zuerst ... Meine Tochter schreibt - an apartment. Falsch, der Lerher will an der Stelle accomodation.

... und so geht es weiter. Richtig ist nur was in dem Unit 1 stand, wozu die Aufgabe ja gehörte. Ich konnte meiner Tocher keinen besseren Rat für die Zukunft geben, als die Vokabeln zu verwenden, die exakt so im Unit stehen.
Hallo Katze!

Es war ein Eignungstest ohne Vorbereitung um zu schauen ob die Kinder schon etwas Englisch können. Vereinzelt waren Native Speaker Kinder dabei, aber der Großteil hatte als "Vorkenntnisse" nur Grundschulenglisch. Mein Sohn ist keiner, der sein Können versteckt, ich bin mir sicher dass er es gut gemacht hat und er selbst hat sich in der Testsituation auch wohl gefühlt und war ziemlich sicher, "bestanden" zu haben.

Die Situation, dass nur bestimmte Antworten als "richtig" angesehen werden, kenne auch auch. Es ist manchmal echt grotesk wie wörtlich es sein muss. Dazu fällt mir ein Goethe-Zitat ein: "Nichts ist schrecklicher als ein Lehrer, der nicht mehr weiß, als seine Schüler wissen sollen."
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
charlotte12
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von charlotte12 »

was ist ein Meltig Pot? Meine Tochter schreibt: multicultural environment. Falsch, der Lehrer wollte mutiracial sehen.
wenn die Leute in ein fremdes Land übersiedeln, suchen sie zuerst ... Meine Tochter schreibt - an apartment. Falsch, der Lerher will an der Stelle accomodation.

... und so geht es weiter. Richtig ist nur was in dem Unit 1 stand, wozu die Aufgabe ja gehörte. Ich konnte meiner Tocher keinen besseren Rat für die Zukunft geben, als die Vokabeln zu verwenden, die exakt so im Unit stehen.
Hat deine Tochter den Lehrer denn nach der Arbeit noch mal darauf angesprochen, dass die Wörter doch quasi Synonyme sind? Meine Tochter hat neulich im Englisch-Vokabeltest auch einen alternativen Begriff verwendet, der zwar goldrichtig war, aber dummerweise nicht im Unterricht behandelt worden war. Das war auch erst mal als falsch angestrichen worden, wurde dann aber als richtig akzeptiert, als meine Tochter das Wörterbuch vorzeigte. Mit alternativer (aber lt. Duden zulässiger) Rechtschreibung im Diktat hatten wir das Spiel schon mehrfach, immer wurde der Fehler zurückgenommen, bei sämtlichen Lehrern.
Katze_keine_Ahnung
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

@charlotte

nachdem ich mit der Deutschlehrerin des Kleinen diskutiert habe, dass auf eine deutsche Frage "in welchER ZeilE steht?" keine Antwort 27 und 28 kommen kann, und dem Antwort der Lehrerin "ich habe das so festgelegt, und wenn ich bei ihrem Sohn das ändere muss ich die 40 Arbeiten aus zwei Klassen neu korrigieren!", ist mir jede Lust vergangen solche Themen zu erötern.
charlotte12
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von charlotte12 »

Das Problem, dass Deutschlehrer überfordert sind, wenn man ihnen mit mathematischer Logik kommt, kenne ich aus meiner eigenen Kindheit nur zu gut :roll: Irgendwann muss man lernen, sich in denjenigen einzudenken, der die Fragen stellt, die Antwort also nicht aus dem eigenen Wissensstand heraus sondern aus dem mutmaßlichen Wissensstand des Fragenden heraus zu beantworten. Das bedeutet, dass man nicht unbedingt immer die Antwort hinzuschreiben sollte, die man selbst als richtig ansieht, sondern die Antwort, die der Fragende mutmaßlich als richtig ansehen wird. Das ist teilweise ein riesiger Unterschied. Ich hab das erst im Studium gelernt, meine Tochter beherrscht das jedoch schon seit ihrer Kindergartenzeit verblüffend gut.
Rabaukenmama
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Rabaukenmama »

charlotte12 hat geschrieben:Das Problem, dass Deutschlehrer überfordert sind, wenn man ihnen mit mathematischer Logik kommt, kenne ich aus meiner eigenen Kindheit nur zu gut :roll: Irgendwann muss man lernen, sich in denjenigen einzudenken, der die Fragen stellt, die Antwort also nicht aus dem eigenen Wissensstand heraus sondern aus dem mutmaßlichen Wissensstand des Fragenden heraus zu beantworten. Das bedeutet, dass man nicht unbedingt immer die Antwort hinzuschreiben sollte, die man selbst als richtig ansieht, sondern die Antwort, die der Fragende mutmaßlich als richtig ansehen wird. Das ist teilweise ein riesiger Unterschied. Ich hab das erst im Studium gelernt, meine Tochter beherrscht das jedoch schon seit ihrer Kindergartenzeit verblüffend gut.
Sorry, es mag zwar Kinder geben, welche die soziale Kompetenz haben, sich in die Lehrpersonen "reinzudenken", aber wie viele sind das? Gerade Kinder wie meine Jungs schaffen das selbst beim allerbesten Willen nicht. Die verstehen nicht mal die Frage "Was glaubst du was für eine Antwort die Lehrerin hier sehen will?".

Toll dass es Kinder wie deine Tochter gibt, die das beherrschen. Dann wird es auch noch Kinder geben, für die die Eltern zumindest bei den Hausübungen dieses "reindenken in den Lehrer" übernehmen, damit die Kinder die erwünschten Antworten geben. Kinder, die das nicht können und deren Eltern das nicht können oder zu tun bereit sind, bekommen dann eben schlechte Noten. Pech gehabt! Das kann es ja auch nicht sein!
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
charlotte12
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von charlotte12 »

@Rabaukenmama: Hilfe, ich wollte keinem auf die Füße treten, finde es ja auch überhaupt nicht gut, dass die Welt so funktioniert. Und habe selbst Lehrgeld in Form von schlechten Noten zahlen müssen, weil ich eben erst sehr spät realisiert habe, dass es im Leben oft nicht um richtig oder die Wahrheit geht sondern darum, die Erwartung von Lehrern und noch viel mehr später vom Vorgesetzten zu erfüllen, was auch mal bedeuten kann, Dinge aufzuschreiben bzw. später zu tun, von denen man selbst nur zu gut weiß, dass sie falsch sind. Was ich ätzend finde, aber danach fragt leider keiner.
Katze_keine_Ahnung
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Re: Warum macht unser Schulsystem die Kinder schlecht?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

@Rabaukenmama

Was willst du denn dagegen machen? Ich war wütend, weil diese oben aufgeführte Frage zu der ZeilE im Plural meinem Sohn seine 1 im Deutsch gekostet hat. Ich habe mehr als eine halbe Stunde mit der Lehrerin telefoniert. Ich habe ihr alles gesagt, was ich über ihr Unterricht im Allgemein über das Ausbremsen in Mathe denke. Ich habe nichts erreicht als nur noch mehr Feinschaft in einer ohnehin nicht einfachen Situation. Die Punktzahl hat sich nicht geädert. Die Zeile im Plural blieb. Der Lehrer darf alles, selbst die Naturgesetze neu auslegen. Solange es nicht um eine rechtlich relevante Prüfung geht (z.b. Gymnasialempfehlung oder Abi betreffend) gibt es nicht mal theoretisch eine rechtliche Möglichkeit das Falsche anzufechten.
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