keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
sinus
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von sinus »

Flixe hat geschrieben: Und ganz tief drinnen habe ich diese Alleinerziehenden-Angst, dass ich etwas falsch entscheide oder etwas falsch mache. .
"Willkommen im Club."
Was mir sehr viel Sicherheit gegeben hat ist, mein Wissen rund um das Thema auszuweiten.
Ich habe hier inzwischen einiges mehr als 15 Bücher zum Thema da und gelesen, schreibe und lese seit nunmehr mehreren Jahren in entsprechenden Foren.
So habe ich glaube ich ein ganz gutes und umfassendes Bild vom Thema und viel an Hintergrundwissen.
Und viel Bestätigung gefunden, doch recht viel richtig zu machen.
(In einem anderen Elternforum, in dem ich seit Jahren schreibe, erlebe und erlebte ich immer wieder viel Gegenwind, wenn ich von uns schreibe, dort bin ich für viele die verrückte, ehrgeizige Mutter, die in ihrem Kind geradezu krankhaft immerzu das Besondere sucht und immer Sonderwege gehen will. Oder die mit dem "Projketkind"... da habe ich schon viele böse Kommentare bekommen. Letzten Endes hat mir das aber sogar geholfen, mir ein dickes Fell zuzulegen. Denn bei vielen "Vorwürfen" war mir dann klar, dass sie völlig unberechtigt sind und nur durch fehlende Kenntnisse/ähnliche Eröffnungen und die Unfähigkeit, über den eigenen Tellerrand zu blicken zustande kommen.
In der facebook Gruppe siehe unten dagegen habe ich das Gefühl, "normal" zu sein und mit denselben Problemen zu kämpfen, wie viele andere dort.

Auch uns Müttern geht es da wie den Kindern - wir stehen damit erstmal ziemlich allein da, es gibt einfach nicht sooo viele Eltern, die dasselbe/ähnliches erleben, was wir erleben, die diese speziellen Kinder mit diesen speziellen Herausforderungen haben und solche Sonderwege gehen müssen. Nicht wollen - müssen.
Auch wir sind oft die "komischen" Mütter. Im günstigen Fall nur komisch und bisschen übereifrig... im ungünstigsten - naja, du beschriebst es hier ja selbst schon, wie das manchmal ist.
Da braucht man ein dickes Fell und vor allem viel Selbstvertrauen, dass man als Mutter für das eigene Kind und ganz besonders für dieses spezielle Kind am besten weiß, was es braucht.
Und das IST einfach so. Die Fachfrau für dein Kind bist du. Und Fachleute können mitunter auch sehr weit daneben liegen. Auch Psychologen... Oder Lehrer. (ich kann ein Liedchen davon singen inzwischen. Bspw dass mein Kind Probleme mit mathematischer Logik und Konzentration habe. Laut Test weit daneben gegriffen. Oder dass die Beziehung zwischen mir und meiner Tochter auf emotionaler Ebene gestört sei, zu viel über den Verstand kommuniziert würde. Äußerte eine Psychologin, die offensichtlich keine Ahnung von Hochbegabung hatte. Wie ich inzwischen weiß ein Vorwurf, den man sich als hochbegabter Mensch nicht so ganz selten anhören muss. Dabei sind grad hochbegabte Menschen oft auch emotionaler Ebene sehr sensibel und empathisch. Außerdem warmsein Tochter laut psychologischen Tests "neurotisch"... aber diese Tests sind ja auf den Durchschnitt geeicht. Vermutlich ist sie einfach nur sensibel und empfindsam und aufmerksam und vorausschauend... und aus einem Test, bei dem sie eigene Geschichten zu Bildern erfinden musste, wurde geschlossenen, dass sie sich nicht ausreichend unterstützt fühlt. Grund: ihre kindlichen Protagonisten lösten alle dargestellten Probleme stets allein, ohne Hilfe von Erwachsenen. Bezieht man die Hochbegabung mit ein, ist das wahrscheinlich das typische Autonomiestreben und sogar eher ein postives Zeichen, dass sie glaubt, kompetent genug zu sein, Probleme allein lösen zu können... usw usf)
Da braucht man wirklich mitunter ein dickes Fell. Und einen kritischen Geist, der solche Aussagen auch hinterfragt. (Womit man sich dann gern auch gleich wieder unbeliebt macht... ist eben oft unbequem, so ein kritischer Geist, jemand, der nicht stromlinienförmig funktioniert. Das gilt für Kind und Eltern gleichermaßen.)
Aber es lohnt sich, sich dem zu stellen - für dich und dein Kind.

Da hilft aber wirklich viel auch Austausch mit anderen. Auch hier nochmal: schau nach einer DGhK Gruppe! Und die Gruppe "Hochbegabte Kinder kreativ und entspannt begleiten" bei facebook kann ich auch empfehlen, zumal sie moderiert wird von einem Psychologenpaar, die sich auf das Thema spezialisiert haben.

Warum habt ihr euren Sohn eigentlich testen lassen? Wer gab den Anstoß?
Bei mir war ich es selbst und mein jahrelanges Bauchgefühl wurde bestätigt.
Das hab ich mir auch immer weder vor Augen geführt: ich habe keinen Grund, an mir zu zweifeln, ich hatten den richtigen Riecher, auch wenn ich mich rückblickend zu spät (Ende Klasse 3) zum Testen durchgerungen habe und vorher auch immer wieder unsicher war und andere Ursachen gesucht habe. (bis hin zu möglichen psychischen Störungen, oder "Erziehungsfehlern" durch das allein erziehend sein, siehe oben, was ich von der Meinung der Kindergärtnerin schrieb)

PS: vielleicht lohnt es sich, dich auch mal zu fragen, inwieweit du selbst betroffen sein könntest...Mir hat die Auseinandersetzung damit sehr geholfen. Ich bin nicht getestet und wer weiß, ob ich den Grenzwert erreichen würde. Aber so vieles, was ich gelesen habe, trifft so genau zu, dass ich zumindest jetzt weiß, dass ich nicht einfach nur ein komischer Mensch bin und so einige meine vermeintlichen "Charakterschwächen" und eher "eigensinnigen", ungewöhnlichen Lebensentscheidungen und -wege womöglich damit zusammenhängen...
Ich bin viel toleranter mir und anderen gegenüber geworden, seitdem ich akzeptiere, dass ich nunmal oft anders bin und andere mich manchmal in meiner Art schlicht nicht verstehen KÖNNEN. Ich es darum also auch nicht mehr erwarte/erhoffe und es einfach akzeptiere, dass da eben mitunter eine Kluft bleibt.
Ach ja- Selbstzweifel und alles sehr genau abwägen und von vielen Perspektiven anschauen (können) gehören übrigens auch zum "Bild". :fahne:
Zuletzt geändert von sinus am Mi 31. Mär 2021, 13:38, insgesamt 6-mal geändert.
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Katze_keine_Ahnung
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

@sinus

vielleicht ist der Ruf der Schule für die Eltern abschreckend genug, um dort nur Kinder anzumeldet, die dazu auch Potential haben. Unser Dorfgymnasium kämpft mit ganz anderen Problemen, wie zum Beispiel schwache Kinder überambitionierter Eltern, die extra noch für Latein als 1. Fremdsprache angemeldet werden. Sie sollen ja lernen lernen. Der HB-Zug hat 120 Bewerbungen für 20 Plätze... und dazwischen gibt es nichts.
sinus
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von sinus »

Katze_keine_Ahnung hat geschrieben:@sinus

vielleicht ist der Ruf der Schule für die Eltern abschreckend genug, um dort nur Kinder anzumeldet, die dazu auch Potential haben. Unser Dorfgymnasium kämpft mit ganz anderen Problemen, wie zum Beispiel schwache Kinder überambitionierter Eltern, die extra noch für Latein als 1. Fremdsprache angemeldet werden. Sie sollen ja lernen lernen. Der HB-Zug hat 120 Bewerbungen für 20 Plätze... und dazwischen gibt es nichts.
Ja, da ist schon ein spezielles Klientel... das stimmt. Aber gesichert sind die Kinder an der Schule nicht alle hochbegabt.
Es wird mehr davon geben als in anderen Gymnasialklassen und im Schnitt einen überdurchschnittlichen IQ.
Aber eine Hochbegabtenklasse hat ja eigentlich nur Kinder mit einem bestimmten IQ. (130? Oder nehmen die auch Hochleister ab 120?)
Vor allem ist an der Schule nur der MINT Bereich vertiefend, das ist bisschen schade. In Deutsch langweilt sich meine Tochter bswp immernoch... und in Englisch ist sie ohne Anstrengung Klassenspitze. Da täte ihr auch etwas mehr Anforderung gut.
In der Schule wird es wohl viele Kinder mit einer Teil(hoch)Begabung in Mathematik geben, denke ich. Darum sind es dort wohl auch reichlich 80% Jungen. (immer nur ca. 4 Mädchen pro Klasse mit 20-24 Schülern)
Meine Tochter hat eben auch im Bereich Sprache hohe Werte.
Dagegen ist sie im Vergleich zu vielen der Jungs in der Klasse in Mathe/Informatik nur Mittelfeld, denke ich.

Die Schule nimmt sich übrigens auch Underarchievern an, Kinder mit LRS, wenn die mathematische Begabung hoch ist und es tummeln sich auch Autisten eher mal dort, als anderswo.
Das ergibt eine recht inhomogene Mischung, die aber für so "besondere" Kinder wohl eher angenehm ist, weil sie dann nur ein "seltsames Kind" unter vielen sind...
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Katze_keine_Ahnung
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

@sinus

das was du beschreibst ist überhaupt kein Durchschnittsbild von einem Gymnasium. Die Dorfschule sieht hier ganz anders aus. Dorthin gehen für die 5. Klasse auch 90% der Kinder aus der Grundschule.

Die HB-Klasse nimmt bei uns nur Kinder ab 130, dann kommen weitere Auswahlkriterien dazu... und dann passiert nichts. Sie haben im Gegensatzt zu deiner Tochter einen ganz normalen Matheunterricht nach Lehrbuch. Der wenigen Vorteile unser HB-KLasse ist die offnene Arbeitsweise der Lehrer: sie können mit den Kindern im Lateinunterricht zwei Stunden über Klima diskutieren (natürlich nicht auf Latein) und die Kinder an sich.
sinus
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von sinus »

Katze_keine_Ahnung hat geschrieben:@sinus

das was du beschreibst ist überhaupt kein Durchschnittsbild von einem Gymnasium. Die Dorfschule sieht hier ganz anders aus. Dorthin gehen für die 5. Klasse auch 90% der Kinder aus der Grundschule.

Die HB-Klasse nimmt bei uns nur Kinder ab 130, dann kommen weitere Auswahlkriterien dazu... und dann passiert nichts. Sie haben im Gegensatzt zu deiner Tochter einen ganz normalen Matheunterricht nach Lehrbuch. Der wenigen Vorteile unser HB-KLasse ist die offnene Arbeitsweise der Lehrer: sie können mit den Kindern im Lateinunterricht zwei Stunden über Klima diskutieren (natürlich nicht auf Latein) und die Kinder an sich.

Hm, naja, die Gymnasien hier bei uns sind schon fast alle sehr leistungsfordernd. Ich kenne Eltern, die geben ihre Kinder genau deswegen in spezielle, freie Gymnasien weiter weg, im Umland.
Aber aus Kinds Grundschulklasse (25 Kinder) sind auch nur 4-5 Kinder NICHT in ein Gymnasium gewechselt...
Hier in Sachsen sind glaube ich im deutschlandweiten Vergleich die Anforderungen generell aber wohl auch hoch. Und in unserer Großstadt (Leipzig) und im Speckgürtel drumherum, wo sich die Akademiker nur so tummeln, ist es auch ein besonderes Klientel, was sich da sammelt.

Die Schule meiner Tochter ist übrigens eine sogenannte Paragraph 4 Schule:
https://www.revosax.sachsen.de/vorschri ... RGBgGUg#p4

Ich glaube, unser Bundesland hat da so ein bisschen auch die Nase vorn, was Förderung begabter Schüler betrifft.
Da konnte man wohl auf vorhandene Strukturen und Traditionen noch aus DDR Zeiten ("Spezialschulen") zurückgreifen.
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(Herbstgedicht der 6jährigen)
Katze_keine_Ahnung
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Das wirklich gute an dem Sprung ist, dass man insgesamt ein Jahr weniger Schule hat. Das gleicht einiges an Stress für die Entscheidung aus.
Flixe
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Flixe »

So, nach einer langen Fahrt gestern sind wir nun für die Ostertage bei meinem Bruder. Es ist schön, die Kinder spielen zu sehen und so habe ich auch etwas Zeit für mich.

Meinem Bruder habe ich gestern von dem Sprung erzählt und er hat sich sehr für sein Patenkind gefreut. Aber auch hier erlebe ich, dass ich meine Sorgen eben nicht wirklich besprechen kann. Von daher werde ich mich auf jeden Fall an die DGhK wenden. Ganz in der Nähe von uns gibt es auch eine Elterngruppe.

Irgendjemand hat gefragt, warum wir ihn haben testen lassen. Nachdem er ein knappes Jahr inkl vieler Schulschließungen in der neuen Schule war, habe ich mir zunehmend Sorgen um das Verhalten meines Sohnes innerhalb der Schule (also Bemalen, Sachen zerstören etc.) und zu Hause (Wutanfälle, Hausaufgabensituation) gemacht. Er ist zwar in der neuen Schule nicht mehr durch offensichtliches Fehlverhalten (Kneifen, Schubsen, Ärgern, Stören) aufgefallen, aber dafür hat er versucht, seinen Stress nach innen abzubauen bzw. zu Hause abzubauen.

Die neue Schule hat uns dann zum ersten Mal wirklich gesagt, dass er gegenüber der Klasse deutlich überdurchschnittlich kognitiv entwickelt sei und extrem schnell begreifen und lernen würde. Sämtliche Noten waren nur Einser mit wenigen Zweien bei fehlender Konzentration. Ein Klassensprung wurde schon sehr früh vorgeschlagen. Den hatte ich mehr oder weniger verweigert bis mein Sohn plötzlich selbst unbedingt springen wollte. Da ich ihn aber nie als offensichtlich hochbegabt gesehen habe, wollte ich das Testergebnis als Sicherheit haben. Außerdem wollte ich, dass meine ständigen Zweifel ob hb oder nicht, endlich aufhören. Jetzt ist das Ergebnis da und mit diesem Wissen kann ich ihm den Versuch am Gymnasium mit viel ruhigerem Gewissen erlauben. Der Schulleiter des Gymnasiums freut sich sehr auf ihn und der Schulsozialarbeiter ist auch schon im Boot. Und einen Weg zurück gibt es ja auch.

Vielen Dank auch für die vielen Literaturtipps. Da werde ich bestimmt weiterlesen. Und wahrscheinlich werde ich dann auch ruhiger.

Zwecks Freundschaften und Austausch für mich selbst werde ich mal bei der DGhK anfragen, ob es in unserer Nähe Familien mit ähnlich alten Jungs gibt und ob es möglich wäre, Kontakte zu bekommen bzw. wann das nächste Gruppentreffen wäre. Außerdem gibt es ab Klasse 5 eine Mathespitzenförderung am Landesgymnasium. Da möchte er gerne teilnehmen und ich sehe die Chance auf ähnliche Kinder.

Ich hoffe, dass wir ein gutes Gesamtpaket für das nächste Schuljahr geschnürt haben. Er wechselt die Schule übrigens unter der Fragestellung, ob die neue Klasse ein besserer Platz für ihn ist und nicht ob er es schulisch schafft. Wenn es also der falsche Platz ist, geht er zurück ohne versagt zu haben.
Rabaukenmama
Dauergast
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Rabaukenmama »

Flixe hat geschrieben:Da ich ihn aber nie als offensichtlich hochbegabt gesehen habe, wollte ich das Testergebnis als Sicherheit haben. Außerdem wollte ich, dass meine ständigen Zweifel ob hb oder nicht, endlich aufhören. Jetzt ist das Ergebnis da und mit diesem Wissen kann ich ihm den Versuch am Gymnasium mit viel ruhigerem Gewissen erlauben. Der Schulleiter des Gymnasiums freut sich sehr auf ihn und der Schulsozialarbeiter ist auch schon im Boot. Und einen Weg zurück gibt es ja auch.
Das freut mich sehr für dich und euch :D ! Mich würde jetzt aber echt auch interessieren, wie sich ein "offensichtlich hochbegabtes" Kind deiner Meinung nach verhält. Mir ist davon nämlich bis jetzt absolut noch keines begegnet (obwohl ich mittlerweile einige HB-Kinder kenne).
Flixe hat geschrieben: Ich hoffe, dass wir ein gutes Gesamtpaket für das nächste Schuljahr geschnürt haben. Er wechselt die Schule übrigens unter der Fragestellung, ob die neue Klasse ein besserer Platz für ihn ist und nicht ob er es schulisch schafft. Wenn es also der falsche Platz ist, geht er zurück ohne versagt zu haben.
Mein Sohn kam unter der Fragestellung ins Gymnasium ob er mit seinem auffälligen Verhalten dort bleiben kann oder rausgeschmissen wird :P . Ob er es schulisch schafft stand nie zur Diskussion. Nach viel Chaos der Umstände wegen (mein Mann hatte 1 Woche vor Schulstart einen Herzinfarkt und Corona hat das ganze Schuljahr durcheinander gebracht) scheint es jetzt seit einigen Wochen so, als könnte es klappen. Ich bin wirklich heilfroh, von Anfang an offen mit seinen Diagnosen umgegangen zu sein, sonst wäre er jetzt vermutlich schon weg. So hat er (auch Dank seiner Schulbegleitung) die Möglichkeit, in eine echt nette Klassengemeinschaft "reinzuwachsen und wird auch kognitiv nicht total unterfordert.

Sein Halbjahreszeugnis war gut, aber nicht herausragend. Für die Schwierigkeiten, die er in anderen Bereichen hatte, bin ich damit mehr als zufrieden. Das einzige, was mich wurmt, ist die Betragennote "Wenig zufriedenstellend" (sonst keine 4 und keine 5). Hier wurde mein nachweislich auf Grund seiner Behinderungen benachteiligter Sohn offensichtlich mit seinen neurotypischen Klassenkameraden verglichen :x . Denn er stört nicht, um zu provizieren, sondern schlichtweg, weil vor allem die sozial-emotionalen Anforderungen einfach "zu viel" für ihn sind. In der Grundschule hat es ein Jahr gebraucht, bis er ohne Drama imstande war, von der Klasse in den Turnsaal, den Werkraum oder die Aula zu wechseln.

Jetzt ist er an einem riesigen Gymnasium mit über 1000 Schülern und 100 Lehrern, wo ständig irgend etwas verändert wird, Stunden ausfallen oder verschoben werden, bekannte Lehrer plötzlich durch unbekannte vertreten werden, und wo er nicht mal in der Pause ruhig sein Comic lesen kann, weil ALLE Schüler wegen Corona ausnahmslos in den Hof MÜSSEN (auch bei Regen oder Schnee), damit das Klassenzimmer gelüftet werden kann...mir ist völlig klar, dass für meinem Sohn mit so viel Stress kein durchgehend angepasstes Verhalten möglich ist.

Es war ein sehr schwerer Weg, bis wir überhaupt ein Gymnasium gefunden hatten, welches bereit war, es mit meinem Sohn zu versuchen. Gymnasien können sich hier (in Ö) die Schüler aussuchen und da machen leider viele einen großen Bogen um ein Kind, wo Schwierigkeiten absehbar sind. Mir wurde damals, vor dem Wechsel, hier im Forum sogar zu einer Sonderschule (entspricht in D Förderschule) geraten. Das war nicht mal so abwegig, wenn es dort Wege geben würde, wie kognitiv sehr fitte Kinder auf ihrem Niveau lernen können. Mein jüngerer Sohn besucht so eine Sonderschulklasse, weil er ja gebärdensprachigen Unterricht braucht, und er ist das jüngste und gleichzeitig kognitiv fitteste Kind seiner Klasse. Aber im Gegensatz zu seinem Bruder ist mein jüngerer Sohn auch sehr ehrgeizig und mag Herausforderungen. Mein älterer Sohn vermeidet wenn möglich jegliche Form von Anstrengung und bei ihm könnte ich mir absolut nicht vorstellen, dass er vertiefenden Stoff lernt, während seine Mitschüler wesentlich einfacher Aufgaben bekommen. Von der Warte kam Sonderschule nie in Frage. Und die Abgrenzung beim Förderbedarf in sozial-emotional oder geistige Entwicklung, etc., wie es sie in Deutschland gibt, kennen wir hier in Österreich nicht.

Ich finde gut, dass dein Sohn die Möglichkeit bekommt, den Sprung und die neue Klasse im Gymnasium auszuprobieren und freue mich schon, darüber zu lesen, wie es ihm dabei geht ;) !
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Springt dein Sohn erst am Ende des Jahres? Wenn ja, warum nicht jetzt? Ich halte es für eine deutlich bessere Option, wenn er jetzt in die Mitte der 4. springen würde und dann zusammen mit den anderen als ein "normaler" 4. Klassler in die 5. Klasse geht. Bis dorthin haben alle den Sprung schon vergessen. Inmitten von Coronatrubel würde auch kaum jemanden in der 4. auffallen, dass ein neues Kind dazugekommen ist.

Sollte er jetzt noch einige Monate in der 3. aushalten müssen, wären vielleicht bei den willgen Lehrern Maßnahmen möglich, die deinem Sohn beibringen würden, wie man sich während der langweiligen Phasen so beschäftigen kann, dass man weder sich selber schadet, noch die anderen stört. Wenn er gerne kritzelt, gibt es unzählige vorgefertigte Dooddlebücher. Wenn er gerne liest, dann kann er versuchen, ob er so lesen kann, dass er trotzdem das ganze Unterrichtsgeschehen mitbekommt. Mein Großer kann das z.B. sehr gut und hat während des Englischunterrichts mehrere Originalbücher gelesen. Man kann je nach Vorlieben vieles ausdenken, was man im Kopf machen kann, während man einfach sitzt und wartet. Ich habe als Kind zwei-dreistellige Zahlen im Kopf multipliziert. Meine Freundin hat im Gedanken ihr Buch weiter geschrieben.
Flixe
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Flixe »

Vielen Dank für den Buchtipp „Begabung trifft Motivation“ oder so ähnlich :oops: .

Dieses Buch beschreibt meinen Sohn ziemlich treffend. Ich denke oft, dass er keine wirkliche Tätigkeitsmotivation hat. Er hat zwar vielfältige Interessen, aber keine wirkliche Motivation sich damit intensiv zu beschäftigen. Er würde alles gerne sofort wissen und können. Er sagt auch oft, dass er sich wünscht, dass er perfekt auf die Welt gekommen wäre.

Die Ursache für diesen Motivationsmangel sehe ich sowohl bei mir als auch bei den bisher besuchten Kindergärten und Schulen. In seiner Kleinkindzeit habe ich ihm aus Zeitmangel (ich war alleinerziehend im Referendariat) vieles abgenommen. Somit konnte er sich wahrscheinlich zu wenig als selbstwirksam erleben. Mit zunehmendem Alter war der Drang zum „Selbermachen“ dann irgendwann fast weg.
Schon im Kindergarten hat er sich den anderen Kindern immer sehr stark angepasst. Sein wahres Können ist dort nie aufgefallen. Zudem wurde ihm wohl häufiger gesagt, dass er etwas nicht machen dürfe, weil er noch zu jung sei oder es war zu wenig Zeit um auf seine Bedürfnisse einzugehen.
In der Schule hat er auch noch nie wirkliche Differenzierung erlebt. Selbst in der Monteschule musste er nach Plan abarbeiten. Obendrauf kommt dann noch, dass er mit seinem Können in der Schule auch eher klein gehalten wird. D.h. er soll sein Können nicht zu sehr zeigen bzw. darüber sprechen.

Er erlebt sich zunehmen als falsch. Sein Selbstbewusstsein wird immer kleiner. Seine Motivation in der Schule ist rein auf die sogenannte Leistungsmotivation reduziert. Er sucht durch gute Noten Anerkennung bzw. er bekommt Anerkennung für gute Schulleistungen aber nicht für seine sonstigen Interessen in der Schule.

Aber vielleicht sollte ich öfter mal jammern :lol: . Jetzt sitzt er hier am Tisch und bastelt ausdauernd. Er ist so richtig im Flow und es ist schön das anzuschauen.

Je länger ich darüber nachdenke, desto eher denke ich, dass er ein typisches Kind für Hochbegabtenkurse ist. Dort wird er wahrscheinlich viel eher so angenommen, wie er einfach ist. Er kommt in der Gruppe aber bestimmt auch an Grenzen und erlebt sich dann als erfolgreich.
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