keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Flixe
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keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Flixe »

Hallo,

da sich hier ja schon viele Mitglieder viel besser auskennen, möchte ich gerne noch ein paar Fragen stellen.

Schon bevor bei meinem Sohn eine deutliche Hochbegabung festgestellt wurde, habe ich mir Sorgen um seine Anstrengungsbereitschaft gemacht. Diese ist quasi nur vorhanden, wenn der Erfolg in Sichtweite ist, er also keinen Misserfolg riskiert.

Zu Hause äußert sich diese Angst vor Misserfolg immer wieder und in vielen verschiedenen Situationen. Bei Hausaufgaben wird er z.B. regelmäßig wütend, wenn ihm etwas nicht gelingt oder wenn er kleine (!) Fehler verbessern soll. Wenn er denkt, dass er die Aufgabe nicht kann, fängt er erst gar nicht an und tobt gleich. Irgendwann macht er sie dann doch, weil er keinen Ärger bekommen will und sie gelingt ihm auch meistens leicht.
Auch beim Instrument üben kommt es häufig zu Tränen, wenn eine Stelle mehrfach geübt werden muss. An Knobelaufgaben hat er keinerlei Spaß und will sie auch gar nicht erst probieren.
Wenn er Vokabeln am PC (Phase 6) übt, dann kann er sich nicht über seine Erfolge als Drittklässler freuen (seine Klassenkameraden können noch gar keine Vokabeln schreiben!), sondern sieht nur die falsch geschriebenen Wörter.

Nun hat mich heute sein Mathelehrer kontaktiert, dass er im Kängurutest schon nach 30 Minuten abgeben wollte. Das hat er ihm verweigert. Mittags erzählte mir mein Sohn mit unsicherer Stimme, dass er zu jeder Aufgabe etwas hingeschrieben hat. Das Ergebnis ist durchschnittlich, was mich überhaupt nicht stört! Aber mich „stört“, dass er sich mit komplexen Aufgaben nicht wirklich auseinandersetzt, sondern aufgibt oder eben irgendetwas hinschreibt.

Als Ursache sehe ich, dass er sich für altersgemäße Anforderungen noch nie anstrengen musste und immer Erfolg hatte. Mehrfach (KIGA und GS 1/2) durfte er schwierigere Inhalte nicht bearbeiten, da er noch zu klein war. Er musste erst altersgemäße Aufgaben lösen. Wenn man ihm sagt, dass er etwas nicht lernen darf, weil er zu klein ist, macht er es nicht mehr, bis er das passende Alter hat / in der passenden Klasse ist. Auch war er schon immer ein sehr ängstliches und vorsichtiges Kind.

Er hat einen extrem hohen Anspruch an sich und ist wirklich verzweifelt über sich selbst, wenn er diesen nicht erfüllen kann. Beim nächsten Mal gibt er dann noch schneller auf. Die Schule hasst er im Moment wiederum, weil alles zu einfach und zu langweilig ist. Er möchte gesehen werden in dem, was er kann.

Jetzt darf er ja, auf eigenen Wunsch, im Sommer die 4. Klasse überspringen und direkt ins Gymnasium gehen. Ich mache mir aber große Sorgen wegen seiner nicht wirklich vorhandenen Frustrationstoleranz. Denn es wird Situationen in der 5. Klasse geben, die ihm nicht locker von der Hand gehen und in denen er auch mal etwas üben muss. Wenn er so weitermacht sehe ich ihn auf dem besten Weg zum Underachiver. Er ist sehr ehrgeizig und schreibt derzeit fast immer Einser, aber er wird immer mehr aufgeben in Zukunft.

Es macht mich zunehmend sehr traurig, ihn so verzweifelt zu sehen.

Wer von euch hat so ein Kind? Wie geht ihr zu Hause damit um? Würde eine Lerntherapie helfen?

Ich freue mich sehr über eure Antworten.

Viele Grüße
Mama von Flixe
Rabaukenmama
Dauergast
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Rabaukenmama »

Flixe hat geschrieben: Jetzt darf er ja, auf eigenen Wunsch, im Sommer die 4. Klasse überspringen und direkt ins Gymnasium gehen. Ich mache mir aber große Sorgen wegen seiner nicht wirklich vorhandenen Frustrationstoleranz. Denn es wird Situationen in der 5. Klasse geben, die ihm nicht locker von der Hand gehen und in denen er auch mal etwas üben muss. Wenn er so weitermacht sehe ich ihn auf dem besten Weg zum Underachiver. Er ist sehr ehrgeizig und schreibt derzeit fast immer Einser, aber er wird immer mehr aufgeben in Zukunft.

Es macht mich zunehmend sehr traurig, ihn so verzweifelt zu sehen.

Wer von euch hat so ein Kind? Wie geht ihr zu Hause damit um? Würde eine Lerntherapie helfen?

Ich freue mich sehr über eure Antworten.

Viele Grüße
Mama von Flixe
Hallo Mama von Flixe!

Ich habe ein sehr ähnliches Kind zu Hause, nur schon 11 Jahre alt und mit Autismus- und ADHS-Diagnose. So wie du die aktuelle Situation beschreibst ist der Klassensprung direkt ins Gymnasium der richtige Schritt für deinen Sohn. Ob er es tatsächlich ist weißt du - wie bei jeder Entscheidung - erst hinterher.

Gerade deine Befürchtung - dass dein Sohn auf dem besten Weg zum Underarchiver ist - wird durch diese Entscheidung deutlich schwerer. Warum? Wein dein Sohn SELBST den Klassensprung wollte und sich vermutlich nicht die Blöße geben will, dann unterdurchschnittliche Leistungen abzuliefern. Und weil die Anforderungen am Gymnasium doch deutlich höher sind als in der Grundschule, also das Tempo und der Stoff gerade einem klugen Kind deutlich mehr "entgegenkommt" als ellenlange, langweilige Wiederholungen.

Mein Sohn hatte im Grundschulzeugnis der 4. Klasse lauter 1er außer im Sport. Das Halbjahreszeugnis vom 1. Gymnasium schaute schon anders aus: eine 3 in Deutsch (eigentlich seine Begabungsspitze) und in Sport, eine 1 nur in Englisch und Zeichnen, sonst lauter 2er. Mein Sohn war gewohnt, mit dem (sehr umfangreichen) Wissen, welches er von Haus aus hat, ohne jegliches zusätzliche "lernen" Einsen zu bekommen. Tja, die gab es aber im Gymnasium nicht. Und in Deutsch musste er auch erkennen, dass er nicht einfach so mit Minimalaufwand arbeiten konnte, wie er es von der Grundschule gewohnt war. Die ersten beiden Schularbeiten im zweiten Halbjahr, in Deutsch und in Englisch, waren jetzt beide glatte Einser. Wobei mir ehrlich gesagt die Schulnoten zur Zeit ziemlich egal sind. Es gab viele Schwierigkeiten auf Grund seines (behinderungsbedingt) anstrenden Verhaltens, so dass mir aktuell wichtiger ist, dass sich mein Sohn an der Schule halbwegs wohl fühlt, als was im Zeugnis steht.

Was deinen Sohn betrifft, so gehe ich davon aus, dass er - ähnlich meinem Sohn - erst mal durch Erfahrung draufkommen muss, wie im Gymnasium der Hase läuft, und dass er DANN selbst erkennt, was er tun muss, um gute Noten zu schreiben. Denn im Gegensatz zu meinem Sohn sind deinem Sohn gute Noten ja anscheinend wichtig, und das allein ist ein gutes Mittel um eben KEIN Underarchiver zu werden.

Meinem Sohn sind die Noten egal, auch wenn er - ähnlich wie du das von deinem Sohn beschreibst - sehr hohe Anforderungen an sich selbst stellt. Er zeichnet z.B. gerne und gut, ist aber immer wieder verzweifelt, wenn er seine Zeichnungen mit solche von erwachsenen Profis vergleicht. Auch er ist schwer für etwas zu motivieren, von dem er nur GLAUBT, er könnte es nicht schaffen. Dann muss man echt auf ihn einreden wie auf eine kranke Kuh, damit er es doch probiert, und meistens klappt es dann auch.

Aber allein die Voraussetzung, dass deinem Sohn gute Noten wichtig sind, ist schon super für die Zukunft. Ich würde die Idee mit der Lerntherapie im Hinterkopf behalten und dann im Gymnasium ganz entspannt beobachten, wie sich dein Sohn tut und ihm vor allem auch die Zeit lassen, eventuelle Schwierigkeiten selbst in den Griff zu bekommen. Jetzt schon vor dem Wechsel mit Lerntherapie zu beginnen wäre für deinen Sohn vermutlich ein Signal in der Richtung, dass ihr ihm den Wechsel ohne diese Therapie nicht zutraut. Und das wäre nicht gut für sein ohnehin noch sehr vages Selbstwertgefühl.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Flixe
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Flixe »

Hallo Rabaukenmama,

vielen Dank für deine Worte!

Als Mama ist es für mich oft schwer, ihm in seiner Verzweiflung zuzuschauen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass er selbst nicht so richtig an sich glaubt. Weder die guten Noten, noch das Testergebnis (ich habe es ihm als eine Note 1 verkauft) überzeugen ihn zu 100%.

Es gibt hier ganz oft Situationen, in denen er extra Quatsch macht oder sich mit Ansage doof anstellt und mich dann fragt, ob er jetzt dumm ist.

Sein Mathelehrer hat mich heute ja wegen seinem Känguruergebnis kontaktiert. Ich habe meinen Sohn vorhin darauf angesprochen, warum er schon nach einer halben Stunde abgegeben hat. Er meinte, dass er da alle Aufgaben gemacht hatte, die er konnte. Er durfte dann aber nicht abgeben und hat laut Lehrer noch eine Menge weiterer Aufgaben geschafft.

Nun hat er ein durchschnittliches Ergebnis für einen Drittklässler geschafft. Für mich persönlich ist das total in Ordnung, vor allem, weil er durchgehalten hat. Aber er wird riesig enttäuscht sein, wenn er sein Ergebnis nach den Ferien bekommt. Umgekehrt wollte er aber vorher auch nicht mit Beispielaufgaben üben.

Er steckt in einem Teufelskreis zwischen Enttäuschung, negativem Selbstbild und fehlender Anstrengungsbereitschaft. Ich habe das Gefühl, dass er Leistung nicht mit Anstrengung sondern mit seinem Wert als Person attribuiert.
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

@Flixe

Wie ist dein Sohn von der Persönlichkeit sonst drauf? Hat er Aspergertendenzen?
Flixe
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Flixe »

Hmm... die Frage nach Asperger wurde mir schon häufiger in Foren gestellt. In Wirklichkeit aber noch nie.

Vielleicht könnte mir hier jemand mit Erfahrung im Bereich Asperger/Autismus ein paar Schlagwörter geben, auf die ich antworten kann.

Danke.
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Vor allem in Kombination mit der Anpassungsfähigkeit durch die Hochbegabung ist es schwer in ein Paar Wörtern zu beschreiben. Mir fehlt die Rigidität ein und die Schwierigkeiten sich in den Menschengruppen sicher zu orientieren und seinen Platz zu finden. Wie kommt dein Sohn mit seiner aktuellen Klasse zurecht? Wie schnell schließt er Freundschaften in der neuen Umgebung? Ist es für ihn ein Problem, wenn plötzlcih statt einer normalen Lehrerin eine Vertretung da ist, oder statt Deutsch unangekündigt eine Mathestunde stattfindet?
Flixe
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Flixe »

Eigentlich kann ich all diese Fragen mit Nein beantworten.

Er musste ja zum Halbjahr der 2. Klasse die Schule wechseln. In seiner Monte-Klasse (Jahrgang 1-4) hatte er Probleme mit der Strukturlosigkeit durch die ständig langfristig ausfallenden Klassenlehrer (einmal in der 1. und einmal in der 2. Klasse). Diese chaotische Situation war damals aber für alle Kinder schwierig.

Getauschte Stunden und Lehrer sind für ihn völlig unproblematisch. Aber er braucht einen klaren Rahmen in dem er sich bewegen kann und weiß, wie der Hase läuft. Allerdings hatte er im Kindergarten lange Probleme, wenn er morgens nicht wusste, welche Erzieherin morgens in der Frühgruppe da sein würde.

In den ersten beiden Klassen war das Sozialverhalten ein großes Thema. Er ist schon seit dem Kindergarten immer körperlich sehr angespannt und sehr angepasst. Irgendwann bricht das dann raus. Früher meistens durch Kneifen, Schubsen oder Stören, also körperlich. Heute macht er das unauffälliger durch selbst bemalen oder Sachen anmalen, Stifte und Radiergummi schnitzen etc.

Er sucht allerdings schon immer Kontakt zu anderen Kindern und hat auch Freunde. Allerdings sind seine Freunde entweder älter oder auch sehr schlau (laut Lehrer). Er trifft sie aber gerne, spielt oft mit ihnen und hat selten Streit. Allerdings hat er nur sehr wenige, dafür aber gute, Freunde. Er ist für viele Kinder vielleicht auch einfach seltsam.
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

@Flixe

es geht mehr um die spontane Kommunikation als um die lange Freundschaften. Wenn mein Kleiner (7) in eine unbekannte Gruppe Kinder gerät, findet er schon nach 5 Minuten jemanden, mit dem er lose was anfangen kann. Wenn es um tiefe Freundschaften geht, ist er auch wählerisch und braucht Kinder auf seinem Niveau und Wellenlänge. Aber hier und jetzt kann er mit jedem von 5 bis 15 was anfangen, ganz ungezwungen. Der ist absoulut neurotypisch, trotz der Begabung. So wie du deinen Sohn beschreibt, läuft bei ihm entwas sehr ausgeprägt über Kompensation und Intelligenz, daher die Spannung. Weswegen die Kompensation nötig ist, weiß ich natürlich nicht. Nur ADHS kann man bei der Verabreitungsgeschwindigkeit glaub ich ausschleßen.
Flixe
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Flixe »

Danke Katze für deinen Input.

Tatsächlich wurde im KIGA mal ADS vermutet, aber das kann ich selbst (Sonderpädagogin) und konnte auch die Testpsychologin eindeutig ausschließen.

Woher seine Anspannung kommt? Ich habe da einige Vermutungen.

Seit jeher war er ein sehr angepasstes Kind (sein Vater ist da auch ganz extrem, heute noch). Wenn es doch mal Konflikte in KIGA oder Schule gab und wir mit ihm darüber gesprochen haben, hat er immer versucht, alles richtig umzusetzen. Ich würde sagen, er hat schon immer große Ängste etwas falsch zu machen. Ich denke auch, dass er auf keinen Fall negativ oder überhaupt irgendwie auffallen möchte.

Erst in der neuen Schule und mit den vielen guten Noten traut er sich überhaupt zu sagen, dass er etwas schon kann.

Ich glaube, dass er schon zu oft hören musste, dass sein Verhalten (verbal oder körperlich) so nicht passt. Also versucht er mit aller Kraft, es richtig zu machen. Da er sich nur unter größter Anstrengung anpassen kann, ist er fast dauerhaft unter enormem Stress.
Auguste
Dauergast
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Re: keine Anstrengungsbereitschaft oder Ängste

Beitrag von Auguste »

Hallo,

So wie du Deinen Sohn beschreibst, hat er wenig Selbstvertrauen. Erscheint auch logisch, wenn er jahrelang hört " dafür bist Du noch klein", "das lernst Du später", "jetzt noch nicht" usw. Du schreibst ja auch, dass er sich extrem anpasst.

Ich würde jetzt erst mal versuchen, sein Selbstvertrauen zu stärken. Ihm erzählen, dass er genau so wie er ist, genau richtig ist. Dass es o.k. ist, eine Aufgabe nicht sofort zu können und eine Aufgabe nicht perfekt zu lösen. Dass man aus den Fehlern auch lernen kann. Ja, blöder Spruch. Den haben uns die Lehrer vor 100 Jahren schon tausendmal erzählt :roll: - aber meinem Sohn z.B. hilft das tatsächlich, wenn wir die Fehler gemeinsam korrigieren und dann der "Aha-Effekt" kommt. ;)

Häng Dich nicht zu sehr am Mathe-Känguruh auf. Das sind "Knobel-Aufgaben" und hat nicht viel mit Mathe zu tun. Da ist mehr Logik und Probieren angesagt. Wenn Dein Sohn keine Knobel-Aufgaben mag, dann mag er auch Mathe-Känguruh nicht ;) Klar muss er lernen, dass er auch Sachen machen muss, die keinen Spaß machen. Aber mal ehrlich - eigentlich macht er seit 3 Jahren in der Schule nur Sachen, die keinen Spaß machen, weil alles stinklangweilig ist.

Wir sind auch "Späteinsteiger" in Sachen Hochbegabung. Mein Sohn wurde mit 9 Jahren (4. Klasse) getestet, weil seine Lehrerin AD(H)S vermutete und der schon kurz vor der Schulverweigerung stand. Er hat im Unterricht gar nicht mehr mitgemacht, keine Hausaufgaben mehr und musste täglich überredet werden, überhaupt noch zur Schule zu gehen.

(Hoch-)Begabung stand bei uns damals auch nicht auf dem Plan, obwohl wir wussten, dass unser Sohn ziemlich pfiffig ist ;) Das Testergebnis hat uns dann auch ziemlich überrascht - kein ADHS, dafür Teilergebnisse im IQ-Test von unterdurchschnittlich (Verarbeitungsgeschwindigkeit) bis HB (logisches Denken). Vom Gesamtergebnis dieses Tests ist unser Sohn zwar nicht HB, aber inzwischen wissen wir, dass der Test (WISC V) für ihn auch nicht geeignet ist, weil bei den ganzen Tests AVWS (Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung) festgestellt wurde und AVWS-Kinder eigentlich einen nonverbalen Test machen sollten für ein brauchbares Ergebnis. Wir lassen ihn jetzt aber nicht nochmal testen. Uns ist egal, ob er nun "echt" hochbegabt ist oder "nur" überdurchschnittlich intelligent. Der Test hat uns die Richtung gezeigt und das Profil passt zu seinen Begabungen, trotz "falschem" Test.

Wir haben unserem Sohn nach dem Test erklärt, dass er schlauer ist als die meisten Menschen, dass das aber nicht bedeutet, dass er alles kann, ohne lernen oder üben zu müssen. Er kann es halt nur schneller lernen und deswegen ist ihm im Unterricht fast immer langweilig, weil er eben beim ersten Mal alles versteht und es nicht 3 Mal erklärt bekommen muss.

Außerdem haben wir dem Sohn erklärt, dass es nicht wichtig ist, was auf den Büchern, Experimenten usw. steht, für welches Alter die gedacht sind. Sein Kopf ist halt schon "älter", deswegen ist es o.k., wenn er Rätsel für 12jährige löst, Experimente macht, die für ältere sind oder Bücher liest, die für ältere Kinder gedacht sind.

Wir haben aber auch akzeptiert, wenn er etwas nicht wollte. Knobelaufgaben mag er auch nicht ;) Er ist auch eher vorsichtig, vor Allem draußen. Er hat z.B. sein Laufrad 3 Monate lang nur geschoben, bevor er sich überhaupt drauf gesetzt hat, hat ewig nur im Sandkasten gespielt, bevor er sich zum ersten Mal aufs Klettergerüst gewagt hat (mit 2,5 Jahren oder so - 2 Stufen! ;)). Er ist auch heute noch vorsichtig. Wir lassen ihn. Er schaut lange zu und wenn er sicher ist, dass er sich was zutraut, dann macht er es auch.

Unser Sohn musste auch erst lernen, dass die Welt nicht untergeht, wenn er mal keine 1 oder 2 schreibt. Er musste auch lernen, dass man die 1er und 2er nicht immer geschenkt bekommt und manchmal tatsächlich etwas dafür tun muss. Wir haben ihn da tatsächlich mal "auflaufen" lassen und nicht zum lernen gedrängt. Er war der Meinung, er könne alles für den bevorstehenden Test. Nun ja, die 4 hat ihm dann gezeigt, dass es nicht so war. ;) Für den nächsten Test hat er sich vorsichtshalber doch noch mal die Mitschriften angeschaut, von sich aus ;)

Niedrige Frustrationstoleranz hat mein Sohn auch und er gibt auch zu schnell auf. Das wird aber besser, je älter er wird. Wir nehmen das als Teil seiner Persönlichkeit einfach an. Drängen und "Nerven" bewirkt bei ihm nur das Gegenteil, er macht dann "ganz zu". Er macht genau so viel für die Schule, dass er keine 3 oder schlechter bekommt ;) Sohnemann ist jetzt 11,5 Jahre alt und wird nach dem Sommer regulär aufs Gymnasium wechseln (bei uns erst ab Kl. 7). Wir sind gespannt, wie es dort für ihn läuft. In der Schule ist mein Sohn jetzt übrigens (laut GS-Gutachten) ein "ruhiger, sehr interessierter Schüler". Er meldet sich nur, wenn er etwas 100 % weiß. Wenn auch nur der leiseste Zweifel (bei ihm) besteht, dass die Antwort evl. doch nicht richtig sein könnte, dann meldet er sich nicht.

Für mich hört es sich bei Deinem Sohn so an, dass er für sich weiß, dass er "anders" ist und das unbedingt verbergen will. Er muss lernen, dass es o.k. ist, "anders" zu sein und dass er "anders" sein darf.
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